Diese Website verwendet Cookies. Wenn Sie unsere Seiten nutzen, erklären Sie sich hiermit einverstanden. Weitere Informationen

Ettenstatt ist eine typische Gemeinde für den mittelfränkischen Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen: Gut 830 Einwohner, zehn Ortsteile, zwei Kirchen, zwei Wirtshäuser, ein Kindergarten sowie um die 15 Vereine und ehrenamtliche Gruppierungen von der Freiwilligen Feuerwehr über den Heimat- und Gartenbauverein bis zum Motorradsportclub.

Seit Dezember 2023 verfügt Ettenstatt über ein weiteres Wesensmerkmal, das mindestens genauso typisch ist für die Gemeinden in der Region: ein genossenschaftliches Wärmenetz. 42 Energiegenossenschaften zählt der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen zu seinen Mitgliedern, die meisten sind Wärmegenossenschaften. Damit führt Weißenburg-Gunzenhausen die Rangliste der bayerischen Landkreise mit den meisten GVB-Mitgliedern aus dem Energiesektor an (Stand April 2024). Mit etwas Abstand folgen auf den Plätzen die Landkreise Donau-Ries (25 Energiegenossenschaften), Ansbach (22), Traunstein (14) und Unterallgäu (11).

Biogas-Anlagen als Keimzelle für Wärmenetze

Warum gibt es im Fränkischen Seenland so viele Energiegenossenschaften und so viele Wärmenetze? „Dort gibt es genauso wie rund um Ansbach oder im Donau-Ries sehr viele Biogas-Anlagen. Sie produzieren neben Strom auch Wärme, die anfangs meistens ungenutzt blieb. Vor etwa 15 Jahren haben die Bürger der Region erkannt, dass diese Abwärme viel Potenzial bietet, um damit ihre eigenen Häuser zu heizen. Also haben sie sich zusammengetan, um gemeinsam ein Nahwärmenetz zu betreiben, häufig in einer Genossenschaft“, sagt Stefan Rabus.

Der Vorstandsvorsitzende der Nahwärme Ettenstatt eG führt noch ein weiteres Argument ins Feld, warum Wärmegenossenschaften boomen: Gute Vorbilder machen Schule. „Wir haben beobachtet, dass rundherum in den Nachbargemeinden genossenschaftliche Wärmenetze entstanden sind, die alle gut laufen. Für uns war das der Anlass, selbst aktiv zu werden“, berichtet Rabus. So geht es nicht nur im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, sondern in ganz Bayern: Das Jahr 2023 war von einem regen genossenschaftlichen Gründungsgeschehen geprägt. Allein 40 neue Energiegenossenschaften – davon 32 Wärmegenossenschaften – hieß der GVB als neue Mitglieder willkommen. Insgesamt nahm der GVB im vergangenen Jahr 51 genossenschaftliche Neugründungen auf (siehe dazu auch den „Profil“-Beitrag über die Jahresbilanz der bayerischen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften in dieser Ausgabe).

Wärmeplanungsgesetz zwingt zum Handeln

GVB-Gründungsberater Max Riedl hat schon vielen Wärmegenossenschaften geholfen, flügge zu werden, auch der Nahwärme Ettenstatt eG. Für ihn bilden Kommunen und Genossenschaften ein perfektes Tandem, um die Energiewende vor Ort voranzutreiben. „Die Gemeinden müssen etwas tun. Das Wärmeplanungsgesetz verpflichtet sie, für ihr Gemeindegebiet einen Wärmeplan aufzustellen. Mithilfe einer Genossenschaft können die Kommunen ein Wärmenetz in Kooperation mit den Bürgern finanzieren und betreiben“, sagt Riedl (mehr zur Kommunalen Wärmeplanung in „Profil“ 3/2024).

Auch wenn der Bau von Wärmenetzen durch die Inflation und andere Faktoren im Vergleich mit der Zeit vor der Corona-Pandemie um 25 bis 30 Prozent teurer geworden sei, so rechne sich die Investition trotzdem. „Langfristig sind Wärmenetze immer noch günstiger als fossile Lösungen“, ist Riedl überzeugt. Der GVB-Gründungsberater kann auch nicht erkennen, dass der Gründungsboom bei Wärmegenossenschaften allmählich nachlässt. „Die Anfragen halten sich auf hohem Niveau“, berichtet er.

Wärmenetze stärken die Versorgungssicherheit

Ein genossenschaftliches Wärmenetz stärke die Versorgungssicherheit, erhöhe die regionale Wertschöpfung und fördere den dörflichen Zusammenhalt, sagt Riedl. „Käfer- oder Sturmholz werden zu Hackschnitzeln für das eigene Heizwerk. So hat das Holz noch einen Wert und die Menschen profitieren von günstiger Wärme“, sagt Riedl. Der Erfolg eines Wärmenetzes stehe und falle jedoch mit der Wirtschaftlichkeit. Je besser ein Netz ausgelastet ist, desto effizienter lässt es sich betreiben. Umgekehrt gilt: Je länger die Leitung zwischen zwei Abnehmern ist, desto mehr Wärmeverluste muss die Genossenschaft hinnehmen. Das kostet Geld, das die Mitglieder am Ende über den Wärmepreis bezahlen. Deshalb stehe bei vielen Abnehmern der Preis vor dem Genossenschaftsgedanken, so ehrlich müsse man sein, sagt Riedl. „Ein Wärmenetz muss für die Abnehmer wirtschaftlich attraktiv sein. Wenn es sich nicht rechnet, dann kann auch die beste Genossenschaft nichts ausrichten.“

Was macht die GVB-Gründungsberatung genau?

Was machen eigentlich die Gründungsberaterinnen und -berater des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) genau? „Wir begleiten und beraten die Gründer auf dem Weg von der ersten Idee bis zur Eintragung der Genossenschaft in das Genossenschaftsregister“, erklärt Max Riedl, der sich im fünfköpfigen Team der GVB-Gründungsberatung auf die Wärmegenossenschaften spezialisiert hat. Am Anfang gehe es darum, den Gründern das Modell Genossenschaft und seine Grundwesensmerkmale zu erläutern. Oft sei das in der Ausführlichkeit aber gar nicht mehr nötig, berichtet Riedl. „Viele Gründer sind schon gut informiert, wenn sie auf den GVB zukommen.“

Häufig lägen die Tücken einer Genossenschaftsgründung im Detail. Hier könne er seine langjährige Erfahrung als Gründungsberater einbringen, erklärt Riedl. „Wer eine Genossenschaft gründen will, braucht in jedem Fall eine Satzung und einen belastbaren Business-Plan“, sagt Riedl. Hierzu biete der GVB vielfältige Unterstützungsleistungen an, zum Beispiel eine Mustersatzung.

Der GVB unterstütze aber auch bei anderen Fragen, die bis zur Gründung geklärt sein sollten. Wie sieht das Geschäftsmodell konkret aus? Wie muss sich die Genossenschaft personell und finanziell aufstellen, um den in der Satzung genannten Unternehmenszweck zu erfüllen? Wie finanziert sich die Genossenschaft? Welche Fördermöglichkeiten gibt es? Wie stellen sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Genossenschaft langfristig dar? Im Idealfall gibt es auch schon einen konkreten Zeit- und Vorhabenplan für das Projekt, zu dessen Zweck die Genossenschaft gegründet werden soll. „In der Gründungsberatung sprechen wir solche Themen an. Je klarer die Genossenschaftsgründer wissen, was sie wollen und worauf es ankommt, desto besser gelingt der Start“, sagt Riedl.

Potenzielle Gründer können sich auf der Webseite des GVB umfangreich über die Rechtsform sowie die notwendigen Schritte bis zur Gründung informieren. Dazu gibt es zahlreiche Dokumente zum Download, zum Beispiel einen Rechtsformenvergleich, eine Checkliste zur Genossenschaftsgründung, Hinweise zum Geschäftsplan, eine Mustersatzung sowie eine Mustereinladung und ein Protokollmuster für die Gründungsversammlung. Zudem hat der GVB Antworten auf die häufigsten Fragen zur Genossenschaftsgründung zusammengestellt. Für weitere Informationen steht das GVB-Gründungsteam gerne zur Verfügung. Wie eine Gründung im Detail abläuft, beschreibt „Profil“ in der Ausgabe 2/2019 am Beispiel der Bürgerenergie Chiemgau eG.

100 Einwohner bekunden sofort ihr Interesse

Zurück zur Nahwärme Ettenstatt eG. Gegründet wurde sie im April 2021, nachdem sich im Herbst 2020 einige Ettenstatter Bürger zusammengetan hatten, um die Chancen eines Wärmenetzes in der Gemeinde auszuloten. „Wir haben uns das Netz der Nahwärme Dornhausen eG angeschaut. Was wir gesehen haben, hat uns überzeugt. Also haben wir in der Gemeinde eine Umfrage gemacht, wer sich einen Anschluss vorstellen kann. Schon im ersten Anlauf haben rund 100 Einwohner ihr Interesse bekundet“, berichtet Vorstand Stefan Rabus. Durch die Energie-Krise und die hohen Öl- und Gaspreise infolge des russischen Kriegs gegen die Ukraine habe die Idee eines Wärmenetzes nochmal an Dynamik gewonnen.

Wirtschaftlichkeitsprüfung fiel positiv aus

Daraufhin ging das Gründungsteam auf das Unternehmen Enerpipe aus Hilpoltstein zu, das im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen fast alle Wärmenetze geplant hat. Enerpipe unterstützt nicht nur bei der Planung von Wärmenetzen, sondern liefert auch die dazu benötigten Systemkomponenten wie Heizhaustechnik, Netzsteuerung, Rohre und Verbindungen, Pufferspeicher oder Übergabetechnik. In Ettenstatt prüfte Enerpipe zunächst, ob ein Wärmenetz wirtschaftlich zu betreiben wäre. Als das Unternehmen das bejahte, lud das Gründungsteam die Ettenstatter Bürger für April 2021 zu einer Informationsveranstaltung ein. „Wir haben dann auch gleich die Genossenschaft gegründet“, berichtet Rabus. Er selbst wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Gründungsversammlung zum Vorstandsvorsitzenden gewählt, seine Stellvertreter sind Willi Maderholz und Reinhold Sillinger. Aufsichtsratsvorsitzender wurde Robert Auernhammer, der bereits einschlägige Erfahrung mitbrachte – der Steuerberater sitzt auch im Aufsichtsrat der VR Bank im südlichen Franken.

Genossenschaft und Kommune arbeiten Hand in Hand

„Es ist etwas ungewöhnlich, die Genossenschaft schon bei der ersten Informationsveranstaltung zu gründen, aber die breite Unterstützung aus der Gemeinde hat uns getragen“, sagt Rabus. Die Genossenschaft arbeitet mit der Kommune Hand in Hand. Das liegt auch an den handelnden Personen, die sowohl in der Gemeinde als auch in der Genossenschaft Verantwortung übernehmen: Erster Bürgermeister von Ettenstatt ist Willi Maderholz, seine Stellvertreter Robert Auernhammer und Stefan Rabus.

Die Wahl der Rechtsform Genossenschaft habe auf der Hand gelegen, sagt Rabus. „In einer Genossenschaft hat jedes Mitglied die gleichen Rechte und Pflichten. Bei einem Wärmenetz, das allen Abnehmern zugutekommen soll, ohne dass ein Einzelner davon besonders profitiert, bietet sich diese Rechtsform an.“ Außerdem sei eine Genossenschaft einfach zu gründen. Rabus weist noch auf einen weiteren Aspekt hin: „Das Gemeindegebiet von Ettenstatt ist sehr groß, einige Ortsteile liegen etwas abseits. Das heißt, wir benötigen ein sehr ausgedehntes Wärmenetz. Wir wollten aber auch die abgelegenen Ortsteile anbinden, um sie nicht zu benachteiligen – ganz im Sinne der genossenschaftlichen Idee“, erklärt Rabus.

Zehn Gründe für ein genossenschaftliches Wärmenetz

1. Wärmegenossenschaften liefern meist zu 100 Prozent Wärme aus erneuerbaren Energien

Wärmenetze werden bislang hauptsächlich mit der Abwärme von Biogasanlagen oder mit Hackschnitzeln betrieben. Das schützt die Umwelt und das Klima. Die Genossenschaftsmitglieder können so für sich in Anspruch nehmen, ihr Anwesen komplett klimaneutral zu heizen. Ein Argument, das in der Klimadebatte zunehmend an Gewicht gewinnt. Inzwischen setzen einige Wärmegenossenschaften auch auf alternative Heizkonzepte mit weiteren Wärmequellen wie Wärmepumpen, Solarthermie oder Power-to-Heat-Anlagen in Kombination mit einer eigenen Photovoltaik-Anlage. Langfristig hilft das dabei, Betriebskosten zu sparen, denn die Sonne stellt keine Rechnung, wenn der Strom für den Betrieb der Wärmepumpen von der eigenen PV-Anlage kommt.

2. In einer Genossenschaft können die Mitglieder über ihr Wärmenetz mitbestimmen

Die Entscheidung für den Anschluss an ein Wärmenetz hat für Hausbesitzer weitreichende Konsequenzen, weil sie sich dauerhaft an ein Unternehmen binden. Viele befürchten deshalb, fremde Entscheidungen mittragen zu müssen, ohne darauf Einfluss nehmen zu können. Genau das ist bei einer Genossenschaft nicht der Fall: Die Mitglieder sind über ihren Geschäftsanteil Miteigentümer der Genossenschaft und können in der Generalversammlung über die Geschäftspolitik mitbestimmen, indem sie über die Mittelverwendung des Jahresabschlusses entscheiden. Im Vergleich zu anderen Unternehmensformen ist das ein zentraler Vorteil. Nach dem Prinzip „ein Mitglied, eine Stimme“ ist es bei Entscheidungen unerheblich, wie viele Geschäftsanteile ein Mitglied gezeichnet hat. Bei Genossenschaften hat also nicht das eingezahlte Kapital das Sagen, sondern die einzelnen Mitglieder. Genossenschaften sind eine demokratische Unternehmensform.

3. Genossenschaften sind Unternehmen mit einem geprüften Geschäftsmodell

Bevor Genossenschaften gegründet werden, wird das Geschäftsmodell von einem genossenschaftlichen Prüfungsverband wie dem Genossenschaftsverband Bayern (GVB) genau unter die Lupe genommen. Das gibt den Mitgliedern Sicherheit. Außerdem bieten Prüfungsverbände wie der GVB rund um die Gründung einer Genossenschaft umfangreiche Beratungsleistungen an.

4. Das Gebäudeenergiegesetz verpflichtet Gebäudebesitzer zum handeln

Seit Anfang 2024 dürfen in neu errichtete Gebäude in Neubaugebieten nur noch Heizungen eingebaut werden, die mit mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden. Das schreibt §71 des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) vor. Für Neubauten in Baulücken und Bestandsgebäude gilt diese Vorgabe ab Mitte 2028 beziehungsweise in Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern sogar schon ab Mitte 2026. Zudem verbietet §72 GEG den Betrieb von Öl- und Gasheizungen in Bestandsgebäuden, die vor 1991 eingebaut wurden. Öl- und Gasheizungen mit Inbetriebnahmejahr 1991 oder später müssen spätestens nach 30 Jahren außer Betrieb genommen werden. Warum also nicht gleich auf genossenschaftliche Wärme umschwenken, wenn in den nächsten Jahren ohnehin die alten Ölheizungen ausrangiert werden müssen? Mit dem Anschluss an ein Wärmenetz sieht der Gesetzgeber die Vorgabe, mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien zu heizen, automatisch als erfüllt an. Abgesehen davon ist der Anschluss an ein Wärmenetz im Regelfall deutlich billiger als eine neue Heizung. Ein weiterer Punkt: Das Wärmeplanungsgestz verpflichtet Kommunen, für ihr Gemeindegebiet einen Wärmeplan zu erstellen (siehe dazu den Beitrag in „Profil“ 3/2024). Viele Kommunen werden in diesem Zuge den Bau von Wärmenetzen in Betracht ziehen. Warum diese also nicht gleich in Bürgerhand legen und genossenschaftlich organisieren?

5. Die Anschließer sparen Geld und Aufwand

Weil es im Haus keine eigene Heizung mehr gibt, muss der Kaminkehrer nicht mehr kommen. Die Kosten für die Reinigung des Kamins und die Kontrolle der Feuerungsstätte auf einen ordnungsgemäßen Betrieb entfallen. Außerdem müssen sich die Hausbesitzer nicht mehr selbst um den Brennstoffkauf kümmern und aufwendig Preise vergleichen, weil die Wärme frei Haus kommt. Und ohne Öltank braucht es auch keine Öltankversicherung. Abgesehen davon bieten Wärmegenossenschaften in der Regel langfristige Verträge an. Dadurch lassen sich die Kosten besser kalkulieren. Die 2021 eingeführte CO2-Abgabe auf fossile Energien wie Heizöl lässt die Anschließer einer Wärmegenossenschaft genauso kalt wie die enormen Preissteigerungen bei Heizöl und Erdgas infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine.

6. Ein Wärmenetz minimiert die Umweltrisiken

Öltankversicherungen gibt es nicht ohne Grund. Wenn Heizöl – etwa bei einem Hochwasser – ausläuft, wiegen die Schäden an Haus und Umwelt schwer. Nach der Jahrhundertflut an der Donau im Juni 2013 mussten im Deggendorfer Stadtteil Fischerdorf zahlreiche Häuser abgerissen werden, weil ausgelaufenes Öl die Bausubstanz unrettbar zerstört hatte. Dieser Aspekt sollte nicht unterschätzt werden, da der Klimawandel Extremwetterlagen wie Starkregen begünstigt, die auch in Gegenden ohne größere Wasserläufe zu Überflutungen führen können.

7. Die angeschlossenen Haushalte erhalten mehr Platz

Weil die eigene Heizung ausgebaut werden kann, braucht es zum Beispiel keinen Öltank oder eine andere Brennstofflagerstätte mehr. Die Hausbewohner gewinnen einen ganzen Raum. Neu eingebaut wird in der Regel nur ein Pufferspeicher, der die Anschlussleistung reduziert. Dieser Speicher ist in etwa so groß wie die Heizung ohne Tank – und im Keller stinkt es auch nicht mehr nach Heizöl.

8. Die Wertschöpfung einer Wärmegenossenschaft bleibt in der Region

Bei Wärmegenossenschaften profitieren nicht die Ölscheichs, sondern die Unternehmen vor Ort, zum Beispiel die Handwerker und die Landwirte als Energielieferanten.

9. Ein genossenschaftliches Wärmenetz stärkt den Zusammenhalt in der Gemeinde

Die Einwohner engagieren sich gemeinschaftlich und solidarisch für ein Ziel, von dem alle profitieren: eine gemeinsame Wärmeversorgung aus regenerativen Energiequellen.

10. Mit der genossenschaftlichen Wärme kommt häufig auch das schnelle Internet ins Haus

Weil die Straßen für die Rohrleitungen ohnehin aufgegraben werden müssen, entscheiden sich viele Genossenschaften dafür, gleich ein Glasfaserkabel mit zu verlegen. Dann sind die Nutzer nicht mehr mit einem rostigen Oldtimer auf dem Datenhighway unterwegs, sondern mit einem Ferrari.

80 Prozent der Gebäude erhalten Nahwärme

Nach einer längeren Planungsphase ging dann alles sehr schnell: Im April 2023 feierte die Genossenschaft den ersten Spatenstich für das Wärmenetz, Baubeginn für das Heizhaus war im August 2023. Ende September wurden die Hackschnitzelheizkessel mit einem Autokran in das Gebäude eingehoben, Mitte Oktober Richtfest gefeiert. Im Dezember 2023 lieferten die Kessel erstmals Wärme, kurz vor dem Jahreswechsel wurden die ersten Häuser angeschlossen. „Alle Handwerker und Baufirmen so einzutakten, dass sie genau zur richtigen Zeit auf der Baustelle waren, war ein richtiger Kraftakt. Auch die teilweise langen Lieferzeiten für Material und Technik haben an den Nerven gezehrt. Aber wir haben es geschafft“, sagt Rabus stolz. Mittlerweile sind rund sechs Kilometer Leitungen verlegt und 70 Abnehmer am Netz. Am Ende soll das Leitungsnetz 9,6 Kilometer lang werden, im Endausbau werden 150 Gebäude angeschlossen sein. Mit dieser Zahl ist Rabus sehr zufrieden. „Das Wärmenetz wird am Ende rund 80 Prozent der Gebäude in Ettenstatt abdecken. Damit erreichen wir eine gute Auslastung.“

Innovatives Heizkonzept

Weil es rund um Ettenstatt keine Biogas-Anlage gibt, deren Abwärme man hätte nutzen können, setzt die Genossenschaft auf ein innovatives Heizkonzept. Im Winter sorgen die beiden Biomassekessel für die Grundlast, ab diesem Sommer sollen mehrere Wärmepumpen hinzukommen, die ihren Strom hauptsächlich von der PV-Anlage auf dem Dach des Heizhauses beziehen sollen. „Von Mai bis September können wir unser Netz dann nur mit den Wärmepumpen betreiben und die Hackschnitzelkessel abschalten“, sagt Rabus. Zur Abdeckung von Spitzenlasten und als Notheizung ist noch ein Power-to-Heat-Kessel geplant. Solche Anlagen funktionieren wie ein elektrischer Heizstab, den man ins Wasser hält. „Sie lassen sich schnell an- und ausschalten, wohingegen Wärmepumpen eine gewisse Vorlaufzeit benötigen, bis sie die volle Leistung erbringen“, erklärt Rabus den Unterschied.

Wärmenetze können Stromnetze stabilisieren

Power-to-Heat-Anlagen haben aber noch einen anderen wesentlichen Vorteil: Mit ihnen kann überschüssiger Strom vor allem aus Wind- oder Sonnenenergie in Wärme verwandelt werden. Dadurch lassen sich Leistungsspitzen im Stromnetz abfedern. „Power-to-Heat-Anlagen in Wärmenetzen tragen zur Stabilisierung des Stromnetzes bei. Mit ihrer Hilfe lassen sich die erneuerbaren Energien flexibler nutzen, Photovoltaik- und Windkraftanlagen müssen seltener wegen Netzüberlastung abgeschaltet werden. Das leistet der Energiewende Vorschub“, streicht Rabus die Vorzüge solcher netzdienlichen Anlagen heraus. Im besten Fall lässt sich mit einer Power-to-Heat-Anlage sogar Geld verdienen – wenn die Strompreise an der Börse negativ sind. „Aber auch dann tragen wir zur Netzstabilität bei, denn die Preise sind nur negativ, wenn zu viel Strom im Netz ist und dringend Abnehmer gesucht werden“, sagt Rabus.

40 Prozent Förderung für innovatives Wärmekonzept

Für dieses innovative Wärmekonzept erhält die Genossenschaft einen Investitionskostenzuschuss aus dem Topf der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW). Das Programm wird vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) betreut. Bei der Nahwärme Ettenstatt belaufen sich die Investitionskosten insgesamt auf rund sechs Millionen Euro, 40 Prozent davon werden von der BEW gefördert. Zudem stellt die Genossenschaft jedem Abnehmer 8.500 Euro Anschlusskosten in Rechnung. Damit kommt die Genossenschaft nach aktuellem Stand auf einen Wärmepreis von 10,5 Cent pro Kilowattstunde.

Machbarkeitsstudie kostet viel Zeit

Finanzierungspartner der Nahwärme Ettenstatt ist die VR Bank im südlichen Franken. Rabus zollt der Bank Anerkennung. „Die Berater sind flexibel und mit der Finanzierung von Wärmenetzen vertraut. Für beide Genossenschaften gilt: Aus der Region, für die Region. Deshalb läuft die Zusammenarbeit sehr gut, genauso wie mit den örtlichen Handwerkern.“ Kritisch sieht Rabus jedoch die Bürokratie, die mit der Genehmigung der Planung und der Förderung verbunden ist. Für alle möglichen und unmöglichen Dinge würden Gutachten und Bürgschaften gefordert. Das sei aufwendig und teuer. Alleine die Erstellung der Machbarkeitsstudie für das innovative Wärmekonzept habe über ein Jahr gedauert, von den Kosten ganz zu schweigen. „Vieles könnte einfacher und schneller gehen“, sagt Rabus. Der Vorsitzende der Nahwärme Ettenstatt wünscht sich zudem bessere Förderdarlehen. Die aktuellen Zinssätze der Förderbanken seien zu hoch. „Das momentane Zinsniveau tut uns schon weh. Eine langfristige günstige Finanzierungsmöglichkeit würde uns deutlich entlasten, am besten über einen Zeitraum von 20 bis 30 Jahren“, sagt Rabus.

Genossenschaften brauchen Personen mit Know-how

Damit eine Wärmegenossenschaft gut funktioniere, sei es wichtig, Personen in Verantwortung zu bringen, die mit ihrem Know-how die Genossenschaft voranbringen, rät Rabus. Aufsichtsratsvorsitzender Robert Auernhammer zum Beispiel habe eine eigene Steuerkanzlei und bringe sein steuerliches Wissen in die Genossenschaft ein. Dritter Vorstand Reinhold Sillinger ist technischer Betriebsleiter bei einer Baufirma, er bringt sein Fachwissen auf den Baustellen und in der Betriebsführung der Kessel mit ein.

Hilfreich sei auch, die Kommune ins Boot zu holen. „Bei uns sind vom Ersten bis zum Dritten Bürgermeister alle in der Genossenschaft engagiert. Davon profitieren beide Seiten“, betont Rabus. Die Genossenschaft lässt zum Beispiel mit den Rohren für das Wärmenetz gleichzeitig Glasfaserkabel verlegen. So kommt schnelles Internet nach Ettenstatt, ohne dass die Straßen ein weiteres Mal aufgerissen werden müssen. „Das war auch ein Beweggrund, warum die Gemeinde hinter dem Projekt und der Genossenschaft steht“, sagt Rabus. Und wenn es doch mal Probleme gab, habe die genossenschaftliche Gemeinschaft immer geholfen. „Wir sind ein eingeschworenes Team mit einem großen Netzwerk. Selbst wenn wir nicht mehr weiterwissen, dann wissen wir immer noch, wen wir anrufen können. So haben wir bisher für alles eine Lösung gefunden.“

Nahwärme funktioniert und ist günstig

Einer, der häufiger angerufen wird, ist Christoph Bachmann. Er kennt als technischer Vertriebsleiter der Firma Enerpipe nicht nur fast alle Nahwärmenetze in der Region, sondern er ist auch Vorsitzender der Nahwärme Dornhausen eG – natürlich im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen (über die Nahwärme Dornhausen eG berichtet „Profil“ in Ausgabe 5/2020). Er bringt den Erfolg der Wärmegenossenschaften auf eine einfache Formel: „Es funktioniert und ist günstig.“

Der Boom sei die logische Folge des Erfolgs bestehender Wärmenetze, der sich herumgesprochen habe. „Aus einem guten Samen ist eine ganze Ähre geworden“, sagt Bachmann. Immer mehr Bürger würden zudem ihre Ölheizung gerne loswerden, hat der Enerpipe-Fachmann beobachtet. „Die Menschen wollen mehrheitlich kein Öl mehr im Keller, weil es teuer ist und Gefahren birgt, die nicht jeder auf der Rechnung hat.“ Eine Gefahr seien zum Beispiel überschwemmte Keller. Das betreffe immer häufiger auch Gebiete ohne Wasserläufe, denn Sturzregen könne ebenso für Überflutungen sorgen. „Bei uns in Dornhausen standen im Jahr 2013 etliche Keller unter Wasser, obwohl es bei uns keinen Bach gibt“, berichtet Bachmann.

Technischer Fortschritt erhöht Wirtschaftlichkeit

Durch den technischen Fortschritt ließen sich Wärmenetze heute noch wirtschaftlicher betreiben als noch vor wenigen Jahren, sagt Bachmann. So gebe es inzwischen eine neue Generation von Rohrleitungen, die nochmal einen höheren Druck aushalten als ihre Vorgänger. Dadurch lässt sich der Durchmesser der Rohre bei gleichem Durchfluss kleiner dimensionieren. Das reduziert den Wärmeverlust. Zudem bietet der kleinere Rohrdurchmesser die Chance, die Leitung noch stärker zu dämmen.

Es gibt aber noch mehr Optimierungsmöglichkeiten: Bachmann ließ zum Beispiel im Heizhaus der Nahwärme Dornhausen eine Batterieanlage nachrüsten, die von der PV-Anlage auf dem Dach gespeist wird. Dadurch schafft es die Genossenschaft, den Strom für den Betrieb des Wärmenetzes zu 90 Prozent selbst zu erzeugen. „Das spart alles Betriebskosten und erhöht die Wirtschaftlichkeit“, sagt Bachmann. Verbaut werden nach wie vor Stahlrohre sowie Kunststoffrohre. Über deren Haltbarkeit müsse man sich aber keine Sorgen machen. „Die Kunststoffrohre halten bei einer Betriebstemperatur von 75 Grad im Jahresmittel mindestens 70 Jahre. Das wird alles nach Norm geprüft. Die Lebensdauer reicht also für mehrere Generationen“, beruhigt der Experte.

Strom- und Wärmeproduktion koppeln

Die Zukunft der Wärmenetze liege in stromnetzdienlichen Anlagen, ist Bachmann überzeugt. Das Vorhaben der Nahwärme Ettenstatt sei dafür ein gutes Beispiel. Durch die Kopplung von Strom- und Wärmeproduktion könnten Genossenschaften zum Beispiel gut PV-Freiflächenanlagen mit einem Wärmenetz kombinieren. Die Energiegenossenschaft Inn-Salzach (EGIS eG) verfolgt mit dem „Energiedorf Bundorf“ in Unterfranken so ein Projekt. Dort sorgt eine Großwärmepumpe für die Grundlast, während ein Biomasseheizkessel die Spitzenlast abdeckt. Der Strom kommt vom nahegelegenen Bürgersolarpark. Dafür müssten die Netze aber regelbar sein und über ausreichend Pufferspeicher verfügen, sagt Bachmann. Nur so lasse sich die Wärme so lange speichern, bis sie benötigt wird.

Nahwärme Ettenstatt eG leistet Pionierarbeit

Philipp Unöder ist Projektmanager bei Enerpipe und bei der Nahwärme Dornhausen eG stellvertretender Vorstandsvorsitzender. Auf Seiten von Enerpipe verantwortete er die Planung des Nahwärmenetzes in Ettenstatt. Die Genossenschaft habe mit ihrer Entscheidung, mehrere Wärmequellen zu nutzen, Pionierarbeit geleistet, hebt Unöder hervor. „Das Wärmenetz in Ettenstatt war das erste Projekt, das von Anfang an nicht nur auf Hackschnitzel oder Biogas als Hauptwärmequelle gesetzt hat, sondern verschiedene Systeme nutzen wollte.“

Inzwischen höre er von Genossenschaften immer häufiger den Wunsch, bei den Wärmequellen auf mehrere Standbeine zu setzen, so Unöder. Denn auch Hackschnitzel sind nicht unbegrenzt verfügbar. Manche Betreiber von Wärmenetzen äußerten deshalb die Sorge, dass die Preise für Hackschnitzel bei steigender Nachfrage und begrenzter Verfügbarkeit langfristig immer teurer werden.

Diese Sorge hält Unöder für unbegründet, zumindest für Wärmegenossenschaften im ländlichen Raum. Einen guten Teil des Bedarfs könnten die Genossenschaften dort selbst abdecken, insbesondere in Zusammenarbeit mit der Gemeinde und den örtlichen Waldbauern. „In der Landschaftspflege fallen immer Hackschnitzel an, zum Beispiel bei der Heckenpflege oder wenn das Straßenbegleitgrün zurückgeschnitten wird. Auch nicht verwertbares Restholz aus der Waldwirtschaft wie Baumwipfel lassen sich als Hackschnitzel noch sinnvoll und vor allem ökologisch vorteilhaft verwerten“, sagt Unöder.

Kostenersparnis mit höherem Finanzierungsbedarf abwägen

Die Idee, bei den Wärmequellen auf mehrere Standbeine zu setzen, hält Unöder trotzdem für richtig. „Die Sonne stellt keine Rechnung, wenn zum Betrieb der Wärmepumpen oder der Power-to-Heat-Anlage Strom von der eigenen PV-Anlage verwendet wird“, sagt der Enerpipe-Experte. Auf der anderen Seite erhöhten zusätzliche Anlagen den Finanzierungsbedarf, denn Wärmepumpen sind in der Anschaffung teuer. Insbesondere wegen der hohen Zinsen sei das für viele Genossenschaften eine Belastung. „Der Mehrwert liegt langfristig in der Betriebskostenersparnis. Das gilt es gegen die höheren Anfangskosten abzuwägen“, sagt Unöder.

Der Enerpipe-Projektmanager rät deshalb dazu, nicht von Anfang an alles einzubauen, was technisch möglich ist, sondern weitere Wärmequellen peu à peu in das Wärmenetz zu integrieren – abhängig davon, was sich die Genossenschaft leisten kann und vor allem, ob sich die Investition rechnet. „Das ist bei allem der wesentliche Punkt: Am Ende muss das Geld, das die Genossenschaft in das Netz und ihre Anlagen steckt, über den Wärmepreis wieder hereingewirtschaftet werden. Deshalb sollte immer mit spitzem Bleistift gerechnet werden, ob sich die Anschaffung langfristig lohnt“, sagt Unöder.

Niemand wird im Regen stehen gelassen

Weil es bei Wärmegenossenschaften immer etwas zu besprechen gibt, treffen sich die Vorstände aus dem Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen vierteljährlich zum Betreiber-Stammtisch. Auch Stefan Rabus, Christoph Bachmann und Philipp Unöder finden sich dort regelmäßig ein. Denn auch der gegenseitige Austausch trage zum Erfolg der Wärmenetze bei, ist Bachmann überzeugt. „Die Probleme sind überall ähnlich. Indem man darüber spricht, findet man häufig eine Lösung. Die Vorstände werden zu Multiplikatoren, niemand wird im Regen stehen gelassen. Wir sind wie eine große Familie.“ Auch Enerpipe stehe den Betreibern bei Fragen zur Verfügung. Das Unternehmen verstehe sich als Systemanbieter, das Wärmenetze nicht nur plane, sondern auch die Förderanträge stelle, die passenden Komponenten liefere und auch im Nachgang Hilfe anbiete – ganz dem genossenschaftlichen Gedanken der Hilfe zur Selbsthilfe verpflichtet.

Bachmann ist sich sicher, dass die genossenschaftlichen Wärmenetze im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen bald schon weit über die Region hinaus viele Nachahmer finden – wie es heute schon geschieht, aber immer noch viel zu selten. Mit den Wärmenetzen gewinne auch die Genossenschaftsidee wieder an Fahrt, ist Bachmann überzeugt. „Wir sind noch lange nicht am Ende, jetzt geht es erst so richtig los.“

Artikel lesen
Topthema