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Zeitungen liegen gefaltet auf einem Tisch.

Europäische Einlagensicherung und CMDI-Review: Kein Schnellschuss zulasten der Finanzstabilität

Die nach wie vor geplante europäische Einlagensicherung (EDIS) ist in den letzten Wochen der ablaufenden EU-Legislaturperiode überraschend und mit voller Wucht zurückgekehrt. Der Entwurf für EDIS sollte Mitte April gemeinsam mit den überarbeiteten Regeln zur Abwicklung von Instituten und zur Einlagensicherung (CMDI-Review) im Eiltempo sowohl durch den Ausschuss für Wirtschaft und Währung des EU-Parlaments (ECON) als auch wenige Tage später durch das EU-Parlament selbst verabschiedet werden. Ziel war es, noch vor der Europawahl, die in Deutschland am 9. Juni 2024 stattfindet, den Weg für Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Rat freizumachen.

Die CMDI-Review soll das bisherige Abwicklungsregime für Großbanken auf weniger bedeutende Institute ausweiten. Dies würde unter anderem die Handlungsautonomie der Institutssicherung des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) einschränken. Die Ausweitung ist unverhältnismäßig und droht, das gut funktionierende genossenschaftliche Prüfungs- und Präventionssystem zu schwächen. Auch kollidieren die Pläne mit anderen Rechtsvorschriften wie der Eigenkapitalverordnung (CRR). Die CMDI-Reform wird wegen ihrer starken Auswirkung auf die geplante europäische Einlagensicherung auch als „EDIS durch die Hintertür“ bezeichnet.

In einer gemeinsamen Pressemitteilung richteten der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) und der Sparkassenverband Bayern (SVB) einen eindringlichen Appell an den ECON-Ausschuss, die Abstimmung über EDIS von der Tagesordnung zu nehmen. Über EDIS abzustimmen, bevor die CMDI-Review abgeschlossen ist, bewerteten die beiden Verbände als große Gefahr für das Vertrauen in die Finanzstabilität. „Für dieses Eilverfahren, mit dem versucht werden soll, EDIS kurz vor der Europawahl durch ECON und Parlament zu drücken, gibt es keinen Anlass“, mahnte GVB-Präsident Gregor Scheller. „Das ist ein Schnellschuss, der langfristige negative Folgen für die Finanzstabilität in Europa haben kann“, ergänzte er. Der GVB hatte sowohl die Bayerische Staatsregierung als auch die bayerischen Vertreter im EU-Parlament für die negativen Auswirkungen beider Pakete sensibilisiert. Die Bayerische Staatskanzlei distanzierte sich per Pressemitteilung deutlich von beiden Vorhaben.

Die Mitglieder des ECON-Ausschusses folgten dem Appell: Sie nahmen EDIS von der Tagesordnung des EU-Parlaments und erteilten auch kein Mandat für Trilog-Verhandlungen. GVB und SVB begrüßten die Entscheidung. Das gebe Zeit, um bei EDIS und dessen Ausgestaltung jetzt keinen Schnellschuss zu produzieren, heißt es in einer weiteren gemeinsamen Pressemitteilung. Inhaltlich stimmte der ECON-Ausschuss jedoch sowohl EDIS als auch der CMDI-Reform zu. Letztere wurde auch im EU-Parlament verabschiedet.

Im Ergebnis würde die Einführung einer europäischen Einlagensicherung bedeuten, dass die Mittel aus den Institutssicherungssystemen von Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken künftig im Fall von Bankenpleiten in anderen Ländern angezapft werden können. Nach Ansicht von GVB und SVB entspricht ein solches Vorgehen weder dem europäischen Leitmotiv der Subsidiarität noch nimmt es den notwendigen Reformdruck von weniger soliden Instituten. Statt bewährte Sicherungssysteme abzuschaffen, sollte sich die EU darauf konzentrieren, individuelle und systemische Bankrisiken zu reduzieren sowie sicherstellen, dass die Abwicklung systemrelevanter Institute ohne Ansteckungseffekte erfolgen kann. Nationale Institutssicherungssysteme wie das der Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie der Sparkassen müssen deshalb bei EDIS außen vor bleiben, wie dies in einem ursprünglichen Vorschlag vorgesehen war, fordern die Verbände.

Jetzt gelte es genau hinzuschauen: „Eine gemeinsame Einlagensicherung für alle Banken Europas, unabhängig von ihren Sicherungsmechanismen, kann auch in Zukunft keine Lösung sein,“ sagte Scheller. In der nächsten Legislaturperiode müsse zuerst die CMDI-Review abgeschlossen werden. „Europa darf nicht vergessen, dass es hier auch um die Stabilität des Mittelstands in Deutschland und das Vertrauen der Bürger in die Finanzstabilität geht“, mahnte der GVB-Präsident.

Die „Deutsche Presse-Agentur“ (dpa) und der „Münchner Merkur“ griffen die Pressemitteilungen auf. Der Genossenschaftsverband und der Sparkassenverband in Bayern hätten den Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments aufgefordert, die für den 18. April geplante Abstimmung zur CMDI-Review und zu EDIS von der Tagesordnung zu nehmen, berichtete die dpa. Die Meldung lief auch auf zahlreichen reichweitenstarken Medienportalen wie beispielsweise auf der Webseite der „Augsburger Allgemeinen“. GVB und SVB würden eine schnelle Einführung der von den regionalen Geldhäusern seit Jahren bekämpften europäischen Einlagensicherung fürchten, berichtete der „Münchner Merkur“ in einer eigenen redaktionellen Meldung. GVB-Präsident Gregor Scheller würde ein „Eilverfahren“ kritisieren, mit dem das Vorhaben kurz vor der Europawahl durchgedrückt werden soll. Seine Haltung macht der GVB auch in zwei Positionspapieren klar: Hier geht es zum Standpunkt zu EDIS und hier zum Standpunkt zur CMDI-Reform.

Zur Europawahl am 9. Juni: GVB veröffentlicht Positionen der bayerischen Genossenschaften

Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) hat anlässlich der anstehenden Europawahl am 9. Juni 2024 die Positionen der bayerischen Genossenschaften in einer Broschüre veröffentlicht. Diese kann auf der GVB-Webseite heruntergeladen werden. Die politischen Forderungen hat der Verband übersichtlich in fünf Kapitel zusammengefasst:

1. Bürokratie – Bankenregulierung abbauen und KMU entlasten

  • Genossenschaftliche Institutssicherung beibehalten
  • Basel III risikoadäquat umsetzen
  • Prinzipien für Bürokratieabbau im Finanzwesen festlegen
     

2. Digitalisierung – Chancen nutzen und Risiken begrenzen

  • Digitalen Euro nicht als Ersatz zum Bargeld ausgestalten
  • Cybersicherheit zielgenau verbessern
     

3. Nachhaltigkeit – Europa für die Zukunft rüsten

  • Sustainable Finance praxistauglich gestalten
  • Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht überfrachten
  • ESG-Kriterien bei der Kreditvergabe ausgewogen entwickeln
     

4. Verbraucherschutz – Kundennutzen maximieren

  • Kapitalmarktzugang auch für Kleinanleger erleichtern
  • Anlageinformationen kundenorientiert ausgestalten
     

5. Versorgungssicherheit – Bayern, Deutschland und Europa nachhaltig mit Energie und Lebensmitteln versorgen

  • Bürokratie bei Gemeinsamer Agrarpolitik abbauen
     

Zudem hat der Verband in der Broschüre sechs Grundsätze für ein nachhaltiges und wirtschaftsstarkes Europa zu folgenden Themen formuliert: Ökologie, solide Finanzen, Weltoffenheit, Effizienz, Regionalität und Subsidiarität sowie Verhältnismäßigkeit.

„Ich bin überzeugt: Deutschland und Europa haben weiterhin beste Voraussetzungen, um die Zukunft positiv zu gestalten! Dafür ist von entscheidender Bedeutung, dass wir Mut und Bereitschaft zeigen, (Eigen-)Verantwortung zu übernehmen, bürokratische Hemmnisse abzubauen und den Menschen zu vertrauen“, schreibt GVB-Präsident Gregor Scheller im Vorwort der Broschüre. Genossenschaften könnten hierfür als Vorbild dienen, denn sie basieren auf den Werten Selbstbestimmung, Selbstverantwortung, Hilfe zur Selbsthilfe und Solidarität. „Für Europa und Deutschland gilt gleichermaßen: Wollen wir weiterhin unseren Lebensstandard halten, müssen die Institutionen handlungsfähiger und agiler werden. Dafür sind aus meiner Sicht zahlreiche Reformen unerlässlich“, schreibt Scheller weiter. Die aus Sicht des Verbands wichtigsten Reformen werden in der Broschüre vorgestellt.

Hier geht es direkt zu den Positionen der bayerischen Genossenschaften zur Europawahl 2024. Auf der GVB-Webseite finden sich außerdem die Standpunkte des Verbands zu verschiedenen politischen Themen, die für die bayerischen Genossenschaften eine hohe Relevanz haben. Sie sind übersichtlich auf einer Seite zusammengefasst. Die Standpunkt-Themen (Stand April 2024): EU-Einlagensicherungssystem EDIS, Energiegenossenschaften in Bayern, EU-Kleinanlegerstrategie, Geldautomatensprengungen, AGB-Urteil des Bundesgerichtshofs, Entwicklung eines digitalen Euros sowie EU-Krisenmanagement- und EU-Einlagensicherungsregeln (CMDI).

Nachhaltigkeitsberichterstattung: Belastung für Mittelstand möglichst geringhalten

Die Bundesregierung hat den Entwurf für die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) in deutsches Recht zur Konsultation gestellt. Der GVB drängt in einer Stellungnahme darauf, die bürokratische Belastung für den Mittelstand möglichst gering zu halten. Dazu haben der GVB und der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) Vorschläge gemacht, die auf verschiedenen politischen Ebenen bereits aufgegriffen worden sind.

Leitlinien zur Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken: Transformation der Wirtschaft nicht behindern

Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) hat Leitlinien zum Management von Nachhaltigkeitsrisiken zur Konsultation gestellt. Die im Entwurf vorliegenden Vorgaben sollen technische Kriterien für eine Reihe von Gesetzen festlegen, wie ESG-Kriterien von Banken zu messen und zu bewerten sind. Dabei geht es insbesondere um die Eigenkapitalrichtlinie CRD VI, die in Kürze gemeinsam mit der Eigenkapitalverordnung CRR III in Kraft treten wird. Der GVB hat sich über die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) intensiv an der Konsultation beteiligt. Ziel ist auch hier, die bürokratische Belastung gerade für kleinere Kreditgenossenschaften möglichst gering zu halten. Außerdem sollte die Kreditvergabe für die Transformation der Wirtschaft zu einer nachhaltigen Produktion durch die Regeln nicht behindert, sondern gefördert werden.

Erfolgreich in einem volatilen Umfeld: Die Bilanz 2023 der Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften

Die 1.031 im Genossenschaftsverband Bayern (GVB) organisierten Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften haben sich im vergangenen Jahr in einem volatilen Umfeld erfolgreich behauptet. Der Gesamtumsatz stieg auf 16,6 Milliarden Euro, nach knapp über 16 Milliarden Euro im Jahr zuvor – eine Zunahme von 2,4 Prozent. „Genossenschaften zeigen, was in ihnen steckt, wenn das Gesamtumfeld von Unsicherheiten geprägt ist. Entstanden im 19. Jahrhundert in Krisenzeiten, beweisen sie bis heute ihre Leistungsfähigkeit“, kommentierte Gregor Scheller, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB), das Ergebnis. Die ausführlichen Zahlen zur Bilanz 2023 der bayerischen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften hat der Verband Mitte April in einer Pressemitteilung bekanntgegeben (siehe dazu auch den „Profil“-Beitrag in dieser Ausgabe).

Im Themenspiegel: Neues Bezahlverfahren, Tag der Energiegenossenschaften und ein LinkedIn-Webinar

Rund 70 Teilnehmer nutzten den Tag der bayerischen Energiegenossenschaften in Beilngries zum Netzwerken und um sich über aktuelle Themen der Energiewende zu informieren. Dabei kamen die Praxistipps nicht zu kurz. Für den neuen „Themenspiegel“ hat die GVB-Videoredaktion einige Teilnehmer gefragt, warum der Tag der bayerischen Energiegenossenschaften für sie wertvoll ist (mehr dazu in „Profil“ 4/2024). Außerdem im aktuellen GVB-Videomagazin: Im stationären Einzelhandel setzen immer mehr Unternehmen auf Self-Checkout-Systeme. Eine passende Lösung bietet VR Payment an. Die „payfree Bag Fast Track“ lässt sich kostengünstig und ohne große Umbauten in praktisch jedes Geschäft integrieren (mehr dazu in „Profil“ 4/2024). Zum Abschluss geht es um Genossenschaften als Problemlöser und Zukunftsgestalter. Dazu organisiert der GVB auf dem Karriereportal LinkedIn ein kostenloses Info-Webinar. Die GVB-Experten Erika Henger und Frank Anetzberger zeigen am Dienstag, 14. Mai 2024, von 11.30 bis 12.15 Uhr Praxisbeispiele erfolgreicher Genossenschaften, die innovative Lösungen für aktuelle gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen bieten. Weitere Informationen gibt es bei LinkedIn. Dort kann man sich auch für das Webinar anmelden.

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Tag der bayerischen Energiegenossenschaften, neue Bezahlverfahren im Einzelhandel und ein LinkedIn-Webinar: Der GVB-Themenspiegel vom 18. April 2024.

Gerald Schneider ist Pressesprecher des Genossenschaftsverbands Bayern.

Simon Linder ist Wirtschaftspolitischer Referent beim Genossenschaftsverband Bayern.

Florian Christner ist Leitender Redakteur von „Profil – das bayerische Genossenschaftsblatt“.

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