Diese Website verwendet Cookies. Wenn Sie unsere Seiten nutzen, erklären Sie sich hiermit einverstanden. Weitere Informationen

Energiegenossenschaften suchen zunehmend nach Möglichkeiten, ihren regenerativ erzeugten Strom außerhalb der Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu vermarkten. Das liegt auch an den gesetzlichen Rahmenbedingungen, die sich in den vergangenen Jahren erheblich verändert haben. So fährt der Gesetzgeber die EEG-Vergütung für Neuanlagen kontinuierlich zurück. Gleichzeitig wird die Vergütung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen und Windkraftanlagen mit einer installierten Leistung ab 750 Kilowatt (kW) sowie von Biomassekraftwerken ab 150 kW seit 2017 ausgeschrieben. Die Bieter mit den geringsten Forderungen erhalten den Zuschlag. Zudem sollen neue Solaranlagen bis 750 Kilowatt installierter Leistung keine EEG-Vergütung mehr erhalten, sobald alle nach EEG geförderten Anlagen zusammen eine installierte Leistung von 52 Gigawatt erreichen. Experten zufolge könnte dieser sogenannte Ausbaudeckel bereits im kommenden Jahr greifen. Nicht zuletzt läuft die gesetzliche Vergütung bei allen EEG-Anlagen im 21. Jahr nach der Inbetriebnahme aus (es zählen das Jahr der Inbetriebnahme plus 20 volle Jahre).

Rechtlich handelt es sich bei Erneuerbare-Energie-Anlagen auch ohne Vergütung weiterhin um eine „Anlage gemäß EEG“, womit der Netzanschluss sowie die vorrangige Abnahme des Stroms garantiert bleiben. Außerdem werden die Betreiber weiterhin entschädigt, wenn ihre EEG-Anlagen wegen Überlastung der Netze vorübergehend gedrosselt oder abgeschaltet werden. Ein Anspruch auf Zahlung des Monatsmarktwerts für den eingespeisten Strom durch den Netzbetreiber besteht aktuell jedoch nicht. Wie lässt sich dieser Strom alternativ vermarkten?

Der Eigenverbrauch

Die wirtschaftlichste Möglichkeit, erneuerbaren Strom zu nutzen, ist der sogenannte Eigenverbrauch. Insbesondere bei Photovoltaikanlagen sind die sogenannten Stromgestehungskosten (Produktionskosten) in den letzten Jahren so weit gesunken, dass sich auch bei Gewerbe- und Industriekunden wirtschaftliche Vorteile gegenüber dem Netzstrombezug ergeben. Über Pachtmodelle können sich Energiegenossenschaften an solchen Vorhaben beteiligen. Dabei werden die Anlagen in der Regel von der Energiegenossenschaft geplant, errichtet und finanziert sowie anschließend an den Betreiber verpachtet. Für die Bundesnetzagentur sind drei Kriterien entscheidend, damit auch bei Pachtmodellen von Eigenverbrauch ausgegangen werden kann. So muss der Betreiber

  • über die Anlage verfügen können (die Sachherrschaft besitzen),
  • das wirtschaftliche Risiko übernehmen
  • und die Arbeitsweise der Anlage eigenverantwortlich bestimmen können.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann für den Eigenverbrauch aus dieser Anlage eine reduzierte EEG-Umlage angesetzt werden (siehe Grafik).

Komplett von der EEG-Umlage befreit ist der Eigenverbrauch von Neuanlagen, die eine installierte Leistung von höchstens zehn Kilowatt (kWp) aufweisen und von deren Stromproduktion maximal zehn Megawattstunden (MWh) im Jahr selbst verbraucht werden. Bei größeren Neuanlagen fallen 40 Prozent EEG-Umlage an (2019: 2,56 Cent/kWh). Anlagen, die ihren Strom vor dem 1. August 2014 voll in das allgemeine Netz eingespeist haben, müssen bei der Umstellung auf Eigenverbrauch in der Regel ebenfalls 40 Prozent der EEG-Umlage zahlen (EEG 2017, §§ 61e-h). Bestandsanlagen, die vor dem 1. August 2014 bereits für die Eigenstromerzeugung genutzt wurden, sind hingegen freigestellt. Bei Ersatz oder Erneuerung einer solchen Bestandsanlage müssen anschließend 20 Prozent der EEG-Umlage gezahlt werden.

Die sonstige Direktvermarktung

Stellt die Eigenstromversorgung aufgrund der Größe der Anlage oder fehlender Abnehmer keine Option dar, gibt es im aktuell gültigen EEG 2017 weitere mögliche Veräußerungsformen. Zunächst werden alle Anlagen, die den Strom ohne Förderung weiterhin in das Netz der allgemeinen Versorgung einspeisen, der sonstigen Direktvermarktung zugeordnet. Der Erzeuger liefert den Strom an Dritte zu einem individuell festgelegten Strompreis oder verkauft ihn an der Börse. Soll der Aufwand für den Anlagenbetreiber möglichst gering gehalten werden, kann ein Direktvermarktungsunternehmen mit dem Vertrieb des Stroms beauftragt werden. Für kleinere Strommengen ist es aktuell jedoch noch schwierig, Dienstleister zu finden, die diese Anlagen in ihr Portfolio mitaufnehmen.

Vermarktet der Anlagenbetreiber seinen Strom selbst, muss dieser unter anderem selbst den sogenannten Bilanzkreis führen und relevante Daten melden. In einem Bilanzkreis werden alle eingespeisten und verkauften beziehungsweise entnommenen Strommengen verrechnet, die diesem zugeordnet sind. Ziel ist eine ausgeglichene Leistungsbilanz, um das Stromnetz stabil zu halten. In jedem Fall muss der direktvermarktete Strom viertelstündlich gemessen und bilanziert werden. Durch Kooperationen zwischen Anlagenbetreibern können solche Prozesse vereinfacht werden. Beispielsweise kann eine Dachgenossenschaft die Funktion des Energieversorgungsunternehmens mit allen Aufgaben und Pflichten übernehmen und somit auch kleineren Anlagen, gegebenenfalls zusammengefasst in einem Erzeuger-Pool, die Möglichkeit der Direktvermarktung bieten. Der Aufbau regionaler Stromtarife ist damit leichter umsetzbar. So entstehen Vorteile für die gesamte Gemeinschaft.

Das Vermarktungsrisiko beim Vertrieb an Haushaltskunden ist grundsätzlich relativ hoch, da die Vertragslaufzeit auf zwei Jahre begrenzt ist. Eine höhere Sicherheit bieten dagegen langfristige, bilaterale Stromlieferverträge, sogenannte Power-Purchase-Agreements (PPA). Als Abnehmer kommen zum einen Energieversorgungsunternehmen (Merchant PPA) infrage, die den Strom für Grünstromtarife nutzen können. Aber auch große Stromverbraucher (Corporate PPA) wie Industrieunternehmen können Partner eines solchen PPA sein.

Die Direktlieferung

Wird der Strom über eigene Leitungen an Dritte verkauft, spricht man von einer Direktlieferung. In diesem Fall müssen keine Netzentgelte gezahlt werden. Bei einer Anlage mit einer Leistung von weniger als zwei Megawatt (MW) mit der Entnahmestelle in einem Radius von maximal 4,5 Kilometern kann zudem die Stromsteuer entfallen. Der hieraus entstehende finanzielle Spielraum kann eine günstige Stromversorgung der Verbraucher vor Ort ermöglichen. So können neben dem klassischen Mieterstrom im Mehrfamilienhaus auch Quartiere und Siedlungen mit „eigenem“ Strom versorgt werden.

Ob eine Voll- oder Teilversorgung angeboten wird, bleibt dem Anlagenbetreiber überlassen. Musterlieferverträge werden beispielsweise vom Bundesverband Solarwirtschaft angeboten. Auch bei der Direktlieferung kann ein Dienstleistungsunternehmen für die rechtliche und organisatorische Umsetzung in Anspruch genommen werden.

Um die Regulierungsfreiheit der Anlage zu erhalten und damit keinen netzseitigen Pflichten des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) zu unterliegen, müssen die Kriterien für eine sogenannte Kundenanlage erfüllt sein. Dazu müssen die Energieanlagen

  • sich auf einem räumlich zusammengehörenden Gebiet befinden,
  • mit einem Energieversorgungsnetz oder einer Erzeugungsanlage verbunden sein,
  • unbedeutend für den Wettbewerb sein
  • und jedermann muss zum Zwecke der Belieferung der angeschlossenen Letztverbraucher diskriminierungsfrei und unentgeltlich Zugang erhalten.

Ob es sich im konkreten Fall um eine Kundenanlage handelt, sollte jedoch nicht ohne juristischen Rat entschieden werden. Wird der erzeugte Strom nicht komplett vor Ort verbraucht, müssen die Reststrommengen, die in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist werden, einem Bilanzkreis zugeordnet werden.

Was bringt die Zukunft?

Durch den Einsatz neuer Technologien lassen sich auf Basis der bereits genannten Vermarktungsformen neue Geschäftsmodelle erschließen. So könnte beispielsweise erzeugter Strom gespeichert und erst bei entsprechender Nachfrage verkauft werden. Oder der Strom wird an E-Tankstellen veräußert, anstatt ins Netz zu fließen. Das eröffnet neue Absatzwege. Moderne Steuerungshardware und -software ermöglichen einen Echtzeit-Stromhandel beispielsweise unter Nachbarn (Peer-to-Peer). Auch der Einsatz der Blockchain-Technologie wird in diesem Zusammenhang untersucht. Energiegenossenschaften könnten dabei unter anderem als Betreiber einer solchen Echtzeit-Stromhandelsplattform auftreten beziehungsweise ihre Strommengen darüber vermarkten.

Gisela Römmelt ist Projektmanagerin für Erneuerbare Energien und Fachberaterin für Direktvermarktung, Energiespeicher und Umweltwärme in der Abteilung „Energie vor Ort“ des Centralen Agrar-Rohstoff-Marketing- und Energie-Netzwerks C.A.R.M.E.N. e.V. Dieses gehört zum Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe Straubing.

Artikel lesen
Topthema