Lösungsorientiert: Die Zahlungsgewohnheiten der Deutschen verändern sich. Wie können die Volksbanken und Raiffeisenbanken vorhandene Potenziale im Zahlungsverkehr nutzen?
Die Entwicklungen rund um einen digitalen Euro konkretisieren sich. Seit Beginn des Jahres hat die Europäische Zentralbank (EZB) in einem Vorprojekt diverse Designentscheidungen veröffentlicht und die Arbeit an einem „Digital Euro Scheme Rulebook“ aufgenommen. Dieses soll bis September 2023 fertiggestellt werden und die wichtigsten Eckpfeiler einer möglichen Ausgestaltung enthalten. Für Ende Mai wird darüber hinaus ein Legislativvorschlag der EU-Kommission erwartet, mit dem das Mandat der EZB sowie der Status des digitalen Euro als gesetzliches Zahlungsmittel bestimmt wird. Mit dem Legislativvorschlag dürfte zudem der Start einer möglichen Realisierungsphase des Projekts zum digitalen Euro eingeläutet werden.
Enge Begleitung ist notwendig
Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) und die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) begrüßen den Vorstoß in Richtung einer digitalen Form bestehenden Bargelds grundsätzlich, denn ein richtig ausgestalteter digitaler Euro kann Innovationen durch neue Anwendungsfälle im Zahlungsverkehr fördern und einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der europäischen Souveränität leisten. Aufgrund weitreichender Konsequenzen für Bürgerinnen und Bürger, für Unternehmen sowie für die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas sind jedoch neben den Chancen des digitalen Euro bei dessen Ausgestaltung auch damit verbundene Risiken zu beachten.
Aus diesem Grund ist es erforderlich, die Entwicklung des digitalen Euro nicht nur zwischen der EZB und einzelnen Stakeholdern, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit eng zu begleiten. Welches Ziel verfolgt ein digitaler Euro? Wie wird er genau ausgestaltet? Und wie soll in Zukunft die Arbeitsteilung zwischen der EZB und den Geschäftsbanken aussehen?
Das Geldsystem der Zukunft
Eine wichtige Rolle in dieser Debatte spielt das aktuelle, dreigliedrige Geldsystem, das nach Ansicht der Deutschen Kreditwirtschaft zukünftig um „digitale Zwillinge“ ergänzt werden könnte. Der digitale Euro der EZB wäre eines von drei Elementen eines solchen Geldsystems der Zukunft:
- Bargeld steht als Zentralbankgeld allen Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen zur Verfügung. Damit kann anonym überall bezahlt werden. Der digitale Zwilling dazu wäre der digitale Euro der EZB, der ebenfalls einen direkten Anspruch gegenüber der Notenbank darstellt. Hauptzielgruppe sind die Bürgerinnen und Bürger, daher spricht man hier von einer „Retail CBDC“ (Central Bank Digital Currency). Diese kann in sogenannten „Wallets“ (digitalen Portemonnaies) bereitgestellt werden.
- Zentralbankguthaben der Banken werden als Zentralbankgeld zwischen Banken gehandelt. Es ist nur dem Interbankenhandel (zum Beispiel zwischen Geschäftsbanken und Zentralbanken) vorbehalten und dessen Abwicklung ist rein digital. Ein digitaler Zwilling wäre eine sogenannte „Wholesale CBDC“.
- Giralgeld ist Geschäftsbankengeld, das von Banken bei der Kreditvergabe geschaffen wird. Es befindet sich auf den Konten der Bankkunden und ermöglicht ihnen die Zahlung etwa per Girocard. Der digitale Zwilling zum Giralgeld wäre der Giralgeld-Token, eine privatwirtschaftliche Initiative verschiedener europäischer Banken.
Leitplanken für den digitalen Euro
Eine Digitalisierung sollte also alle bestehenden Geldformen einschließen, diese dabei jedoch keinesfalls ersetzen, sondern um sinnvolle Zusatzleistungen ergänzen. Dabei ist außerdem auf eine richtige Ausgestaltung der „digitalen Zwillinge“ zu achten, da sonst erhebliche Risiken für Wirtschaft und Gesellschaft drohen. Für einen digitalen Euro in Form einer „Retail CBDC“ für Bürgerinnen und Bürger sind dabei einige Leitplanken von besonderer Bedeutung:
- Ein Haltelimit je Bürger und Wallet ist zwingend erforderlich, damit ein digitaler Euro den Zweck als in Umlauf befindliches Zahlungsmittel nicht verfehlt. Die EZB hatte ursprünglich 3.000 Euro vorgesehen, der BVR plädiert für eine Orientierung an Bargeldgewohnheiten, zum Beispiel 500 Euro. Wird ein höheres Limit gewählt, droht eine Verschiebung von Bankeinlagen in den digitalen Euro, was die Kreditvergabe der Geschäftsbanken einschränken würde. Eine solche Einschränkung hätte eine Verknappung oder Verteuerung von Krediten zur Folge und würde damit dringend erforderliche Investitionen wie zum Beispiel in Klimaschutz und Digitalisierung lähmen. Darüber hinaus hätte ein unlimitierter digitaler Euro insbesondere im Krisenfall, etwa bei Bank-Runs, unkalkulierbare Konsequenzen.
- Ein digitaler Euro sollte außerdem als Token-basiertes Inhaberinstrument gestaltet und offlinefähig sein. Das bedeutet, dass Bürgerinnen und Bürger im jeweiligen Moment des Besitzes lokale Kopien ihres digitalen Euro in der Wallet auf ihrem Endgerät speichern und diese auch ohne Verbindung zum Internet zum Beispiel in einer Berghütte oder am Strand für Zahlungen verwenden können.
- Wie auch Bargeld, sollte die Nutzung eines digitalen Euro für Bürgerinnen und Bürger kostenfrei sein. Da Geschäftsbanken und zugehörige Dienstleister jedoch – je nach Ausgestaltung – im Hintergrund die digitale Logistik abwickeln und technische Infrastrukturen betreiben, ist eine angemessene Kompensation dieser Leistungen zwingend erforderlich.
- Der digitale Euro und dazugehörige Wallets sollten von der Zentralbank ausgegeben und von Geschäftsbanken über bestehende Kundenbeziehungen verteilt werden. Ähnlich wie beim heutigen Bargeld.
- Anonymität und die Sicherung der Privatsphäre sind wichtige Güter und hoch geschätzte Eigenschaften bestehenden Bargelds. Sie sollten auf gleichhohem Standard auch in der digitalen Version des Bargelds realisiert werden. Damit dies mit regulatorischen Anforderungen zum Beispiel im Bereich Geldwäsche vereinbar ist, bietet sich eine Limitierung der Zahlungshöhe sowie ein Maximalbetrag je Wallet in Höhe von beispielsweise 500 Euro an.
Digitaler Euro für den Interbankenhandel
Neben dem digitalen Euro für Bürgerinnen und Bürger („Retail CBDC“) sollte die Entwicklung einer „Wholesale CBDC“ vorangetrieben werden, da diese Form des Zentralbankgelds weniger volkswirtschaftliche Risiken birgt und gleichzeitig hohe Effizienzvorteile zum Beispiel für den Massenzahlungsverkehr bietet. Innovative neue Lösungen können auch hier Vorteile für Bürgerinnen und Bürger bringen.
Der Giralgeld-Token
Der Digitalisierung der dritten bestehenden Geldform, des Giralgelds, widmet sich die Privatwirtschaft. Ein Konzeptpapier einiger großer europäischer Banken und Bankenverbände hat hier bereits erste große Schritte in Richtung der Realisierung eines Giralgeld-Tokens (englisch: „Commercial Bank Money Token“) gemacht, der zum Beispiel eine direkte Einbindung in digitale Geschäftsprozesse, eine Automatisierung von Zahlungen und weitere Innovative Anwendungsfälle wie etwa „Pay-per-Use“ oder „Machine-to-Machine“ ermöglicht. Mit dieser marktgerechten Lösung trägt die Kreditwirtschaft zur Entwicklung in Richtung Industrie 4.0 bei und stärkt ihre Rolle als zuverlässiger Partner von Unternehmen, Dienstleistern und Bürgerinnen und Bürgern.
Fazit
Dass ein digitaler Euro der EZB kommt, wird zunehmend wahrscheinlich. Umso wichtiger wird daher eine Ausgestaltung, die dessen Chancen für Wirtschaft und Gesellschaft hebt und gleichzeitig die Risiken begrenzt. Daran arbeitet der BVR in Zusammenarbeit mit der Deutschen Kreditwirtschaft und weiteren deutschen sowie europäischen Verbänden mit Hochdruck auf fachlicher sowie auf politischer Ebene.
Andreas Martin ist Mitglied des Vorstands des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR).