Diese Website verwendet Cookies. Wenn Sie unsere Seiten nutzen, erklären Sie sich hiermit einverstanden. Weitere Informationen

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Bürger-Energiegenossenschaft West aus Grafenwöhr versorgt die Oberpfälzer Ortschaft Trabitz mit Nahwärme aus 100 Prozent erneuerbaren Energiequellen. Das schont das Klima und die Umwelt.
  • Die Wärme stammt von einer benachbarten Biogasanlage, die von der Bürger-Energiegenossenschaft und der NEW – Neue Energien West eG kürzlich gekauft wurde, um die Wärmeversorgung langfristig zu sichern.
  • Durch das Nahwärmenetz sparen die Trabitzer pro Jahr rund 384.000 Liter Heizöl ein.
  • Nahwärmenetze bieten sich in vielen Gemeinden an, da die Hausbesitzer in absehbarer Zeit ohnehin ihre Ölheizung austauschen müssten.
  • Der GVB unterstützt Energiegenossenschaften bei der Gründung.

Das Örtchen Trabitz liegt idyllisch zwischen Wiesen und Wäldern an den Ausläufern des Oberpfälzer Walds. Nur rund einen Kilometer entfernt, auf der anderen Seite der Haidenaab und der Bahnlinie Weiden-Bayreuth, läuft im Ortsteil Blankenmühle eine Biogasanlage, die mit 1,8 Megawatt elektrisch installierter Leistung nicht nur Strom, sondern auch ausreichend Wärme produziert, um damit gut und gerne 70 Haushalte zu versorgen.

Was liegt da näher, als das Gute mit dem Nützlichen zu verbinden und die Trabitzer Häuser an die Heizzentrale der Biogasanlage in Blankenmühle anzuschließen? Früher bullerten in vielen Trabitzer Ein- und Zweifamilienhäusern alte Ölheizungen. Heute ist alles anders – zumindest was die Wärmeversorgung angeht. Ende 2019 ging das 6.600 Meter lange Nahwärmenetz in Betrieb, das von der Bürger-Energiegenossenschaft West aus Grafenwöhr getragen wird. Seitdem kommt die Energie für Heizung und Warmwasser von der Biogasanlage – klimafreundlich und zu 100 Prozent aus erneuerbaren Rohstoffen. Rund 384.000 Liter Heizöl sparen die Trabitzer auf diese Weise jährlich ein.

Die Bürger-Energiegenossenschaft West ist die Zwillingsgenossenschaft der NEW – Neue Energien West eG (siehe Kasten). Zur Finanzierung des Nahwärmenetzes gründete sie eine eigene Tochtergesellschaft, die Nahwärme Trabitz GmbH & Co. KG. Dadurch bleibt die Haftung auf das eingesetzte Vermögen beschränkt und die Bürger-Energiegenossenschaft muss nicht mit ihrem gesamten Kapital geradestehen, sollte es beim Nahwärmenetz Trabitz zu finanziellen Problemen kommen. Insgesamt steckte die Genossenschaft 1,9 Millionen Euro in das Vorhaben, finanziert aus den Einlagen der Mitglieder, Zuschüssen und den Anschlussgebühren.

Zwei Genossenschaften, ein Ziel

Die NEW – Neue Energien West eG mit Sitz in Grafenwöhr ist eine interkommunale Genossenschaft von 17 Städten und Gemeinden aus den Landkreisen Neustadt an der Waldnaab, Tirschenreuth und Amberg-Sulzbach. Aktuell betreibt die NEW 20 Dachphotovoltaikanlagen und 13 PV-Freiflächenanlagen mit insgesamt 29,1 Megawatt Nennleistung sowie einen Windpark mit 4,8 Megawatt Nennleistung. Seit Juni 2014 bietet die NEW den Bürgern in der Region unter der Marke „Regionalstrom Nordoberpfalz“ einen eigenen Stromtarif an.

Zwillingsgenossenschaft der NEW ist die Bürger-Energiegenossenschaft West eG, um möglichst viele Bürgerinnen und Bürger aus der Region an den Projekten der NEW zu beteiligen. Die 1.600 Mitglieder der Bürgergenossenschaft haben über 40.400 Anteile für mehr als 20,2 Millionen Euro gezeichnet. Beide Genossenschaften wollen die Energiewende vorantreiben und dabei die Wertschöpfung vor Ort behalten.

Mittlerweile ist das Nahwärmenetz Trabitz den zweiten Winter in Betrieb und funktioniert auch bei frostigen Temperaturen tadellos, wie in diesem Februar bei weit unter minus zehn Grad. „In ihrem ersten strengen Winter hat die Anlage ihren Härtetest bestanden, sie funktioniert zu 100 Prozent. Alle Abnehmer konnten zuverlässig mit Wärme versorgt werden. Wir haben sogar noch Kapazitäten, das hat sich gerade in dieser Kälteperiode gezeigt“, sagt Udo Greim, der zusammen mit Johann Mayer sowohl der Bürger-Energiegenossenschaft West eG vorsteht als auch die Geschäfte der Nahwärmenetz Trabitz GmbH führt.

Genossenschaftliche Nahwärme wird immer beliebter

Umweltfreundlich heizen, das Klima schützen und auch noch die Wertschöpfung vor Ort stärken: Wie in Trabitz erkennen immer mehr Bürger und Gemeinden in Bayern die Vorteile genossenschaftlicher Nahwärmenetze. Vier neue Energiegenossenschaften begrüßte der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) im vergangenen Jahr in seinen Reihen, alle wollen Nahwärmenetze betreiben. Weitere Energiegenossenschaften mit dem gleichen Ziel befinden sich aktuell in Gründung und werden dabei vom Verband mit Know-how unterstützt. In ganz Bayern sind mittlerweile 86 Nahwärmegenossenschaften aktiv (Stand Ende 2020).

In Trabitz kam das Nahwärmenetz für viele Hausbesitzer rechtzeitig. Sie hätten ohnehin in absehbarer Zeit ihre alten Ölheizkessel für teures Geld gegen moderne Anlagen ersetzen müssen. §72 des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) schreibt vor, dass mit Öl oder Gas betriebene Heizkessel, die ab 1991 in Betrieb genommen worden sind, spätestens nach 30 Jahren ausgetauscht werden müssen. Ausnahmen gelten nur für Niedertemperatur- und Brennwertkessel. Heizkessel, die vor 1991 eingebaut wurden, dürfen gar nicht mehr betrieben werden.

Mehr Platz im Keller und kein Heizölgeruch

Mit dem Nahwärmenetz hat sich der Austausch der Heizkessel erledigt. Die alten Anlagen mit den raumgreifenden Öltanks wurden ausgebaut. Stattdessen wurden in den Trabitzer Häusern eine Übergabestation für die Nahwärme und ein Pufferspeicher mit 1.000 Liter Volumen installiert. Sie benötigen zusammen in etwa so viel Platz wie vorher die Heizung ohne Tank. Die Geruchsbelästigung durch Heizöl und der Lärm des Ölbrenners gehören seitdem der Vergangenheit an. Abgesehen davon gewinnen die Hausbewohner einen ganzen Raum, weil es keinen Heizöltank mehr gibt. „Für die Bürger ist das bequem. Sie müssen nicht mehr daran denken, rechtzeitig vor dem Winter Heizöl zu kaufen, und sie brauchen auch keinen Kaminkehrer mehr“, ergänzt Vorstand Udo Greim. Auch die Anfang des Jahres eingeführte CO2-Steuer auf Heizöl mit einem Preisaufschlag von rund acht Cent pro Liter in 2021 lässt die Trabitzer kalt.

Stattdessen zahlen die Abnehmer brutto pro Monat einen Grundpreis von 30 Euro und einen Arbeitspreis von sechs Cent pro Kilowattstunde (kWh). Für den Wärmemengenzähler fallen noch einmal 50 Euro pro Jahr an. Wer bis zu einem Stichtag kurz vor Baubeginn im Frühjahr 2019 den Vertrag unterschrieben hatte, dem berechnete die Nahwärmenetz Trabitz GmbH & Co. KG einen vergünstigten Anschlusspreis von 5.000 Euro. Eine neue Heizung wäre die Hausbesitzer sowohl bei der Investition als auch bei den Heizkosten ziemlich sicher teurer gekommen. Grob geschätzt müssen Hausbesitzer beim Betrieb einer Ölheizung im Jahresdurchschnitt mit rund 150 Euro Heizkosten pro Monat rechnen – die Wartung nicht inbegriffen. „Mit unserer Nahwärme fahren die Anschließer sehr günstig“, sagt Bernhard Schmidt. Der Geschäftsführer der NEW eG ist beim Betrieb des Nahwärmenetzes neben Greim und Mayer federführend.

Am Anfang war die Zurückhaltung groß

Trotzdem rannten Greim, Mayer und Schmidt beileibe keine offenen Türen bei den Trabitzern ein. „Am Anfang war die Zurückhaltung sehr groß, obwohl sich Bürgermeisterin Carmen Pepiuk von Beginn an sehr für das Projekt starkgemacht hat. Viele hatten Bedenken, weil die Verträge über zehn Jahre laufen“, berichtet Greim. In den Verträgen ist auf der Basis von Indexwerten bis ins Detail geregelt, wie sich die Preise für die Nahwärme gestalten. Das sorge zwar für Transparenz, lasse aber keinen Spielraum für Verhandlungen zu, sagt Greim. „Sobald die Verträge unterschrieben sind, gibt es keine Möglichkeit mehr, wie beim Heizöl die Preise bei mehreren Händlern zu vergleichen, um dann beim günstigsten Angebot zuzuschlagen.“ Das habe viele Hausbesitzer erst einmal zögern lassen.

Expertise für Energiegenossenschaften

Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) unterstützt die bayerischen Energiegenossenschaften mit einem umfangreichen Dienstleistungsangebot. Dazu zählen zum Beispiel Machbarkeitsstudien und Wirtschaftlichkeitsanalysen bei Investitionsvorhaben, aber auch die Beratung bei der Preisgestaltung solcher Projekte – zum Beispiel Preisgleitklauseln für Wärmelieferverträge. Zudem hat sich der GVB die Vernetzung seiner Mitglieder mit Experten und anderen (Energie-)Genossenschaften auf die Fahnen geschrieben. Ansprechpartner ist Daniel Caspari, 089 / 2868-3577.

Außerdem hatten die Trabitzer viele Fragen: Müssen wir frieren, wenn die Biogasanlage ausfällt? Müssen wir mehr bezahlen, wenn der Strom aus der Biogasanlage nicht mehr nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vergütet wird und die Wärmepreise neu kalkuliert werden müssen? Dürfen wir unseren Kamin oder Kachelofen zusätzlich zur Nahwärme weiter zum Heizen verwenden?

Auf alle Fragen eine Antwort

Auf alle Fragen hatten Greim, Mayer und Schmidt eine passende Antwort. Dank ausreichend großer Pufferspeicher in den Häusern und in der Heizzentrale muss niemand frieren, selbst wenn die Biogasanlage mal einen Tag lang keine Wärme liefert. Außerdem wurde ein Ölbrenner mit einem Megawatt Leistung als Reserve installiert, der im Notfall sofort einspringt. „Damit können wir bei Bedarf auch die Biogasanlage wieder auf Betriebstemperatur bringen, falls der mikrobakterielle Vergärungsprozess im Fermenter einmal stoppen sollte“, sagt Greim. Die Hausbesitzer dürfen im Winter auch weiter ihren Kamin oder Kachelofen anschüren, solange diese auf das Jahr gerechnet nicht mehr als 30 Prozent des Gesamtwärmebedarfs decken.

Nicht zuletzt denken Greim, Mayer und Schmidt über den Tag hinaus, um die Wärmepreise langfristig stabil zu halten. Dabei spielte ihnen eine günstige Gelegenheit in die Hände: Die bisherigen Betreiber der Biogasanlage in Blankenmühle, die beiden Landwirte Markus Schreglmann und Gerhard Thurn sowie der Steuerberater Klaus Hars, boten die Anlage vor einigen Monaten zum Kauf an. „Da haben wir natürlich zugeschlagen. Das erhöht unsere Planungssicherheit“, sagt Schmidt. Ähnlich wie für das Nahwärmenetz wurde für den Betrieb der Biogasanlage die Energiehof Blankenmühle GmbH & Co. KG gegründet, hinter der die NEW eG und die Bürger-Energiegenossenschaft West eG als Gesellschafter stehen. Die beiden Landwirte werden die Anlage weiterhin mit Biomasse versorgen und auch das Substrat nach der Vergärung abnehmen, um es auf ihren Feldern auszubringen.

Zehn Argumente für ein genossenschaftliches Nahwärmenetz

1. Nahwärmegenossenschaften liefern zu 100 Prozent Wärme aus erneuerbaren Energien

Geheizt wird in der Regel mit der Abwärme von Biogasanlagen oder mit Hackschnitzeln. Das schützt die Umwelt und das Klima. Die Genossenschaftsmitglieder können so für sich in Anspruch nehmen, ihr Anwesen komplett klimaneutral zu heizen. Ein Argument, das in der Klimadebatte zunehmend an Gewicht gewinnt.

2. In einer Genossenschaft können die Mitglieder über ihr Nahwärmenetz mitbestimmen

Die Entscheidung für den Anschluss an ein Nahwärmenetz hat für Hausbesitzer weitreichende Konsequenzen, weil sie sich dauerhaft an ein Unternehmen binden. Viele befürchten deshalb, fremde Entscheidungen mittragen zu müssen, ohne darauf Einfluss nehmen zu können. Genau das ist bei einer Genossenschaft nicht der Fall: Die Mitglieder sind über ihren Geschäftsanteil Miteigentümer der Genossenschaft und können in der Generalversammlung über die Geschäftspolitik mitbestimmen, indem sie über die Mittelverwendung des Jahresabschlusses entscheiden. Im Vergleich zu anderen Unternehmensformen ist das ein zentraler Vorteil. Nach dem Prinzip „ein Mitglied, eine Stimme“ ist es bei Entscheidungen unerheblich, wie viele Geschäftsanteile ein Mitglied gezeichnet hat. Bei Genossenschaften hat also nicht das eingezahlte Kapital das Sagen, sondern die einzelnen Mitglieder. Genossenschaften sind eine demokratische Unternehmensform.

3. Genossenschaften sind Unternehmen mit einem geprüften Geschäftsmodell

Bevor Genossenschaften gegründet werden, wird das Geschäftsmodell von einem genossenschaftlichen Prüfungsverband wie dem Genossenschaftsverband Bayern (GVB) genau unter die Lupe genommen. Das gibt den Mitgliedern Sicherheit. Außerdem bieten Prüfungsverbände wie der GVB rund um die Gründung einer Genossenschaft umfangreiche Beratungsleistungen an.

4. Der Gesetzgeber zwingt Gebäudebesitzer zum Handeln

§72 des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) verbietet den Betrieb von Öl- und Gasheizungen in Bestandsgebäuden, die vor 1991 eingebaut wurden. Öl- und Gasheizungen mit Inbetriebnahmejahr 1991 oder später müssen spätestens nach 30 Jahren außer Betrieb genommen werden. Ab 2026 ist der Einbau von Ölheizungen verboten, wenn nicht ein Teil des Wärmebedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt werden kann. Warum also nicht gleich auf genossenschaftliche Nahwärme umschwenken, wenn in den nächsten Jahren ohnehin die alten Ölheizungen ausrangiert werden müssen? Abgesehen davon ist der Anschluss an ein Nahwärmenetz im Regelfall deutlich billiger als eine neue Heizung.

5. Die Anschließer sparen Geld und Aufwand

Weil es im Haus keine eigene Heizung mehr gibt, muss der Kaminkehrer nicht mehr kommen. Die Kosten für die Reinigung des Kamins und die Kontrolle der Feuerungsstätte auf einen ordnungsgemäßen Betrieb entfallen. Außerdem müssen sich die Hausbesitzer nicht mehr selbst um den Brennstoffkauf kümmern und aufwendig Preise vergleichen, weil die Wärme frei Haus kommt. Und ohne Öltank braucht es auch keine Öltankversicherung. Abgesehen davon bieten Nahwärmegenossenschaften in der Regel langfristige Verträge an. Dadurch lassen sich die Kosten besser kalkulieren. Die ab 2021 neu eingeführte CO2-Abgabe auf Heizöl von derzeit rund 8 Cent pro Liter lässt die Anschließer einer Nahwärmegenossenschaft kalt.

6. Ein Nahwärmenetz minimiert die Umweltrisiken

Öltankversicherungen gibt es nicht ohne Grund. Wenn Heizöl – etwa bei einem Hochwasser – ausläuft, wiegen die Schäden an Haus und Umwelt schwer. Nach der Jahrhundertflut an der Donau im Juni 2013 mussten im Deggendorfer Stadtteil Fischerdorf zahlreiche Häuser abgerissen werden, weil ausgelaufenes Öl die Bausubstanz unrettbar zerstört hatte. Dieser Aspekt sollte nicht unterschätzt werden, da der Klimawandel Extremwetterlagen wie Starkregen begünstigt, die auch in Gegenden ohne größere Wasserläufe zu Überflutungen führen können.

7. Die angeschlossenen Haushalte erhalten mehr Platz

Weil die eigene Heizung ausgebaut werden kann, braucht es zum Beispiel keinen Öltank oder eine andere Brennstofflagerstätte mehr. Die Hausbewohner gewinnen einen ganzen Raum. Neu eingebaut wird in der Regel nur ein Pufferspeicher, der die Anschlussleistung reduziert. Dieser Speicher ist in etwa so groß wie die Heizung ohne Tank – und im Keller stinkt es auch nicht mehr nach Heizöl.

8. Die Wertschöpfung einer Nahwärmegenossenschaft bleibt in der Region

Bei Nahwärmegenossenschaften profitieren nicht die Ölscheichs, sondern die Unternehmen vor Ort, zum Beispiel die Handwerker und die Landwirte als Energielieferanten.

9. Ein genossenschaftliches Nahwärmenetz stärkt den Zusammenhalt in der Gemeinde

Die Einwohner engagieren sich gemeinschaftlich und solidarisch für ein Ziel, von dem alle profitieren: eine gemeinsame Wärmeversorgung aus regenerativen Energiequellen.

10. Mit der genossenschaftlichen Wärme kommt häufig auch das schnelle Internet ins Haus

Weil die Straßen für die Rohrleitungen ohnehin aufgegraben werden müssen, entscheiden sich viele Genossenschaften dafür, gleich ein Glasfaserkabel mit zu verlegen. Dann sind die Nutzer nicht mehr mit einem rostigen Oldtimer auf dem Datenhighway unterwegs, sondern mit einem Ferrari.

Doch zurück ins Jahr 2019: Mit Unterstützung der Bürgermeisterin, viel Geduld und guten Argumenten gelang es Greim und seinen Mitstreitern, bei den Trabitzer Bürgern Vertrauen zu schaffen und immer mehr von ihnen von den Vorteilen der Nahwärme zu überzeugen. „Sobald die ersten unterschrieben haben, haben die anderen nachgezogen“, berichtet Greim. Ausschlaggebend habe das Argument, dass die NEW eG und die Bürger-Energiegenossenschaft seit zehn Jahren ein verlässlicher Partner vor Ort sind und schon viele Projekte gestemmt haben. „Das offene, persönliche Gespräch mit den Bürgern ist ganz, ganz wichtig“, spricht Greim aus Erfahrung. Dafür müsse jede Genossenschaft, die ein Nahwärmenetz plane, genügend Zeit einplanen – mindestens ein Jahr, besser sogar eineinhalb bis zwei Jahre. „Lieber einmal mehr mit den Hausbesitzern sprechen als einmal zu wenig. Sobald am Stammtisch falsche Informationen oder Gerüchte kursieren, bekommt man die ganz schwer wieder eingefangen.“

So unterstützt der GVB Genossenschaftsgründer

Bürger oder Kommunen, die eine Nahwärmegenossenschaft oder ganz allgemein eine Energiegenossenschaft gründen möchten, können sich an den Genossenschaftsverband Bayern (GVB) wenden. Dieser unterstützt die Gründer – nicht nur aus dem Energiesektor – mit einem umfangreichen Dienstleistungsangebot. Dieses ist in der Gründungsbroschüre beschrieben. In dieser wird außerdem die Unternehmensform eG erklärt, es kommen Genossenschaftsgründer zu Wort und bewährte Tipps aus der Praxis gibt es auch. Für weitere Informationen stehen die Gründungsberater des GVB zur Verfügung. Wie eine Gründung im Detail abläuft, beschreibt „Profil“ in der Februar-Ausgabe 2019 am Beispiel der Bürgerenergie Chiemgau eG.

Bei der NEW betrug die Vorlauf- und Planungszeit für das Nahwärmenetz Trabitz rund eineinhalb Jahre. „Bis dahin hatten wir nur Erfahrung mit der Realisierung von Photovoltaik- und Windkraftprojekten. Die Planung eines Nahwärmenetzes war für uns Neuland“, berichtet NEW-Geschäftsführer Schmidt. Carmen Pepiuk, die als Bürgermeisterin der Mitgliedsgemeinde Trabitz auch im Aufsichtsrat der NEW eG sitzt, ließ sich davon nicht beirren und ging trotzdem auf die Genossenschaft zu. Mit Erfolg: „Die Initiative kam ganz klar von ihr. Sie hat das uns und den Bürgern sehr positiv verkauft“, sagt Schmidt.

Die Genossenschaft als starker Partner der Gemeinde

Pepiuk sieht den Vorteil ganz auf Seiten der Gemeinde und ihrer Bürger. „Für die Gemeinde war es wichtig, den Stein ins Rollen zu bringen und das Angebot an die Bürger heranzutragen“, sagt die Bürgermeisterin, die auch privat zwei Häuser an das Nahwärmenetz angeschlossen hat. Weil sich die Gemeinde nicht in der Lage sah, das Nahwärmenetz selbst zu betreiben, wandte sie sich an die NEW. „Für uns als Kommune wäre das kaum zu stemmen gewesen, da uns das Know-how fehlt. Mit der Genossenschaft haben wir einen starken Partner an unserer Seite, der sich mit Erneuerbaren Energien bestens auskennt und nicht abgeneigt war, sich mit einem Nahwärmenetz auf neues Terrain zu wagen. Das war eine klassische Win-win-Situation“, berichtet Pepiuk.

Was Bayerns Energiegenossenschaften leisten

Bayerns Energiegenossenschaften leisten seit mehr als 100 Jahren einen Beitrag zur dezentralen Energieversorgung des Freistaats. Welche Geschäftsmodelle sie verfolgen, wo sich Zukunftsperspektiven bieten und warum ihre Bedeutung noch zunehmen wird, hat „Profil“ im Top-Thema der Ausgabe 05/2019 recherchiert.

Greim und Schmidt nahmen die Herausforderung an. Doch von nichts kommt nichts. „Die entsprechende Expertise mussten wir uns erst einmal erarbeiten beziehungsweise einkaufen“, sagt Schmidt. Der GVB vermittelte Kontakte zu Ingenieurbüros, die ihr Können bei der Planung von Nahwärmenetzen bereits bei anderen genossenschaftlichen Projekten unter Beweis gestellt hatten. Zum Zuge kamen schließlich das auf innovative Wärmesysteme spezialisierte Unternehmen Enerpipe und das Ingenieurbüro Böckler & Heinloth aus Hilpoltstein, die beide von Martin Böckler und Ludwig Heinloth gelenkt werden. „Uns war wichtig, dass alle Planungsleistungen aus einer Hand kommen. Denn ein Nahwärmenetz muss sauber geplant, gebaut und überwacht werden, sonst können die Bau- und Betriebskosten schnell aus dem Ruder laufen“, sagt Schmidt.

Eine gute Planung ist das A und O

Denn Unwägbarkeiten gibt es trotz bester Planung bei jedem Projekt. Zum Beispiel bei der Ausschreibung der Bauleistungen. „Wir haben großen Wert darauf gelegt, dass beim Bau des Nahwärmenetzes regionale Firmen zum Zuge kommen. Von vier Angeboten waren drei jenseits von Gut und Böse, aber die vierte Firma hat alle Herausforderungen super schnell gelöst. Die waren wirklich fix und fleißig, aber das hätte auch anders kommen können“, berichtet Schmidt.

Auch das Verlegen der Rohrleitungen war mit Überraschungen verbunden. „Um den Ort mit der Biogasanlage zu verbinden, mussten wir mit unseren Rohren unter der Haidenaab und der Bahnlinie hindurch. Das Wasserwirtschaftsamt war mit einer Spülbohrung einverstanden, aber die Bahn bestand auf einer sogenannten Pressbohrung. Bei der Spülbohrung wird der Bohrkanal durch ein spezielles Verfahren unterirdisch ausgespült, während bei der Pressbohrung ein Stahlrohr unter dem Hindernis hindurchgepresst wird, durch das später die gewünschte Rohrleitung gezogen werden kann. „Bei so einem Projekt muss man viele Dinge mit vielen Behörden abstimmen. Deshalb sollte man möglichst rechtzeitig anfragen“, rät Schmidt.

Letztendlich lief aber alles reibungslos und zur vollsten Zufriedenheit von Bürgermeisterin Carmen Pepiuk. „Ich habe bisher keine einzige negative Meldung von den Bürgern vernommen. Ich bin sehr dankbar, dass wir das Nahwärmenetz zusammen mit der Bürger-Energiegenossenschaft realisieren durften. Das war ein richtiger Schritt, einfach eine tolle Sache“, lobt Pepiuk. Sie kann sich vorstellen, das Nahwärmenetz zu erweitern oder mit der Genossenschaft weitere Nahwärmenetze in anderen Ortsteilen zu realisieren. Pepiuk: „Die Bürger dort scharren schon mit den Hufen.“

Artikel lesen
Praxis