Papierlos: Die EU bringt die MiFID Quick-fixes auf den Weg. Kundeninformationen sollen möglichst elektronisch versendet werden. „Profil“ informiert über die wichtigsten Änderungen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Offenlegungsverordnung erlegt den Volksbanken und Raiffeisenbanken neue Transparenzpflichten im Wertpapiergeschäft auf.
- Die Banken müssen darlegen, wie sie Nachhaltigkeitsrisiken und sogenannte nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren von Geldanlagen in ihre Anlage- und Versicherungsberatung einbeziehen.
- Die europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) wollten die Verordnung gerne verschieben, weil die technischen Regulierungsstandards (RTS) noch nicht vorliegen. Das hat die EU-Kommission abgelehnt.
- Die neuen Regeln mussten von den Banken deshalb erzwungenermaßen sehr kurzfristig umgesetzt werden.
- Der GVB hat die Banken bei der Umsetzung tatkräftig unterstützt.
- Durch die fehlenden Regulierungsstandards auf zweiter Ebene (Level-II-Regulierung) ist mit weiteren Anpassungen zu rechnen.
- Der GVB setzt sich auch bei der Nachhaltigkeit für eine proportionale und verhältnismäßige Regulierung ein.
Worum geht es?
Am 10. März 2021 ist die „Verordnung (EU) 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor“ (Offenlegungsverordnung) in Kraft getreten. Damit hat die Europäische Kommission einen ersten Meilenstein aus ihrem 2018 veröffentlichten Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ erreicht. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken müssen die Offenlegungsverordnung im Wertpapiergeschäft umsetzen, insbesondere in der Anlageberatung und der Portfolioverwaltung. Dazu zählen etwa die Angebote MeinInvest und VermögenPlus von Union Investment. Auch die Versicherungsberatung ist von den neuen Regelungen betroffen.
Worauf müssen die Banken jetzt achten?
Gemäß der neuen Anforderungen müssen Banken Transparenz herstellen, wie sie Nachhaltigkeitsrisiken von Geldanlagen in ihre Anlage- und Versicherungsberatung einbeziehen. Dies tun sie beispielsweise im Rahmen der Produktrisikoklassifizierung, die in Kooperation mit den Produktlieferanten der genossenschaftlichen Finanzgruppe auch Nachhaltigkeitsrisiken mit berücksichtigt. Weiterhin müssen die Banken offenlegen, wie sie sogenannte nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren von Geldanlagen in ihrer Anlage- und Versicherungsberatung berücksichtigen. Dabei geht es beispielsweise um die Frage, inwiefern die Aktivitäten der Unternehmen, die im jeweiligen Anlagenportfolio enthalten sind, schädliche Effekte auf die Umwelt, soziale Belange oder andere Nachhaltigkeitskriterien haben. Darüber hinaus müssen die Banken angeben, inwiefern sie Nachhaltigkeitsrisiken von Geldanlagen in ihre Vergütungspolitik einbeziehen. Die Angaben müssen auf der Webseite der Bank veröffentlicht beziehungsweise den Kunden in den vorvertraglichen Informationen zur Verfügung gestellt werden.
Was bezweckt die Offenlegungsverordnung?
Die Anleger sollen so Transparenz in zwei Richtungen erhalten: Einerseits könnten sich Nachhaltigkeitsrisiken negativ auf den Wert ihrer Geldanlage auswirken, andererseits wird aufgezeigt, inwiefern ihre Geldanlage negativen Einfluss auf Umwelt, Klima oder die Einhaltung von grundlegenden Arbeits- und Sozialstandards (sogenannte Nachhaltigkeitsfaktoren) haben kann.
Wieso war die Umsetzungsfrist so kurz?
Erste Entwürfe für technische Regulierungsstandards (RTS) hatten die europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) schon am 23. April 2020 veröffentlicht. Schnell war aufgrund der durch die Covid-Pandemie ausgelösten Situation aber absehbar, dass die RTS nicht mehr fristgerecht bis Ende 2020 vorgelegt werden können.
Früh regten daher Interessenverbände – darunter der GVB – an, das Inkrafttreten der Offenlegungsverordnung zu verschieben. Auch die ESAs richteten sich mit einem derartigen Ersuchen an die EU-Kommission. Diese lehnte eine Verschiebung im Oktober 2020 aber explizit ab. Damit kristallisierte sich Ende 2020 heraus, dass eine schnelle Umsetzung bis zum 10. März 2021 unausweichlich würde, ohne dass die technischen Regulierungsstandards bis dahin final verabschiedet sein würden. Der GVB hat seine Mitglieder bei der erzwungenermaßen kurzfristigen Umsetzung der neuen Regeln nach Kräften unterstützt (siehe Kasten).
Wie der GVB die Kreditgenossenschaften bei der Umsetzung der Offenlegungsverordnung unterstützt hat
Der GVB hat seine Mitgliedsgenossenschaften bei der Umsetzung der Pflichten aus der Offenlegungsverordnung mit einem kurzfristig anberaumten Web-Seminar begleitet und außerdem im Mitgliederbereich der GVB-Webseite eine umfangreiche FAQ-Liste zur Verfügung gestellt. In unzähligen Einzeltelefonaten konnten konkrete Fragen mit den GVB-Fachteams Grundsatz/Aufsichtsrecht und Versicherungen geklärt werden. Da die bayerischen Kreditgenossenschaften als sogenannte Finanzberater im Sinne der Offenlegungsverordnung ihre Produkte vielfach von Dritten beziehen, war eine enge Abstimmung mit den Verbundunternehmen und Versicherungspartnern notwendig. Das übernahm der GVB zentral für seine Mitglieder.
Kontakt zum GVB
Bei Fragen zur Offenlegungsverordnung und anderen bankaufsichtlichen Themen helfen die Spezialisten für Bankaufsichtsrecht gerne weiter. Kontakt für Verbandsmitglieder: bankaufsichtsrecht@gv-bayern.de oder 089/2868-3861. Über kurzfristige Neuerungen zu bankaufsichtlichen Themen informiert der Verband im Mitgliederbereich der GVB-Webseite.
Warum ist vieles noch unklar?
Obwohl das Gesetzgebungsverfahren zur Offenlegungsverordnung bereits seit Dezember 2019 abgeschlossen ist, fehlen an zahlreichen Stellen bis heute weitere Konkretisierungen (sogenannte Level II-Rechtsakte). Insbesondere der Umgang mit sogenannten nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen wirft daher nicht nur aufgrund der teilweise noch unzureichenden Datenlage weiter Fragen auf. Auch die Abgrenzung, wann ein Produkt nur ökologische oder soziale Merkmale bewirbt oder wann es wirklich auf eine nachhaltige Investition abzielt (sogenanntes Impact-Produkt), ist unklar. Dies gab selbst die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Februar 2021 in ihrem Journal zu, kurz vor Inkrafttreten der neuen Offenlegungspflichten.
Was ist noch zu erwarten?
Die aktuelle Umsetzung lässt bewusst Raum für weitere Entwicklungs- und Verfeinerungsschritte nach dem 10. März 2021. Dies bedeutet aber auch, dass aufgrund der noch ausstehenden Level II-Gesetzgebung gegebenenfalls mit einer erneuten Anpassung zu rechnen ist. Zwischenzeitlich hat die BaFin eine „Aufsicht mit Augenmaß“ angekündigt. Der GVB wird die Gesetzgebungsverfahren zum Thema Nachhaltigkeit weiter begleiten und sich dafür einsetzen, dass die Regeln bei den regional agierenden Kreditgenossenschaften proportional umgesetzt werden.
Dr. Isabella Brosig-Hoschka ist Referentin für Aufsichtsrecht beim Genossenschaftsverband Bayern.