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Zukunftsforscher haben eine klare Vorstellung davon, wie die Welt von morgen aussehen wird. Im Jahr 2050, so eine Prognose der Vereinten Nationen, werden 9,7 Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Die meisten zieht es in die Städte. Urbanisierung, Überbeanspruchung und Erosion des Bodens lassen landwirtschaftlich genutzte Flächen weiter schrumpfen. Wachsender Appetit auf Fleisch- und Milchprodukte, vor allem in den Schwellenländern, verschärft die Flächenkonkurrenz für die Produktion pflanzlicher und tierischer Nahrungsmittel. Sowohl Dritte Welt- als auch OECD- und Schwellenländern droht eine Wasserkrise und in deren Folge Nahrungsmittelknappheit. Vor allem in der weltweiten Landwirtschaft, die derzeit 70 Prozent der globalen Ressourcen verbraucht, müsse Wasser gespart werden, mahnt die OECD. Dass dies keine Schwarzmalerei ist, zeigt das Beispiel Kapstadt: Nach extremer Dürre in den vergangenen Jahren ist der Wasservorrat in Südafrikas Hauptstadt so angespannt, dass in nächster Zeit ein „Day Zero“ drohen könnte – der Tag, ab dem die Wasserversorgung für Teile der Bevölkerung eingestellt werden würde.

Andere globale Megatrends wirken den düsteren Prognosen entgegen. Digitalisierung und Automatisierung in der Landwirtschaft führen zu einem effizienteren Ressourceneinsatz mit höheren Erträgen und Produktqualitäten. Durch städtische Formen des Gartenbaus findet die Lebensmittelproduktion wieder näher am Verbraucher statt. In Industriestaaten gewinnen eine bewusste, gesunde Ernährung und nachhaltig erzeugte Lebensmittel an Bedeutung. „Local for local“, also die lokale Lebensmittelproduktion für einen lokalen Absatzmarkt, stillt dabei nicht nur das Bedürfnis der Verbraucher nach regional und nachhaltig produzierten Nahrungsmitteln. In einer von geopolitischen, klimatischen und Marktunsicherheiten geprägten Welt wirkt dieser Ansatz zugleich als Stabilitätsanker innerhalb der Wertschöpfungskette.

Auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) gibt es diese Entwicklung. Als eines der Länder, die weltweit am schnellsten wachsen, nimmt der Bedarf an Nahrungsmitteln in den VAE kontinuierlich zu.

Großes Marktpotenzial in den Emiraten

Aufgrund der klimatischen Verhältnisse kann Landwirtschaft in den Emiraten nur begrenzt betrieben werden. Nahrungsmittel zählen zu den wichtigsten Importgütern des Wüstenstaats. Das Importvolumen an Tomaten zum Beispiel umfasst derzeit 162.000 Tonnen pro Jahr. 89 Prozent des gesamten Konsums dieses Fruchtgemüses werden eingeführt. Klimatisch bedingt gibt es von Juli bis Oktober eine saisonale Lücke in der heimischen Produktion. Auf der Nachfrageseite wünscht die wachsende kaufkräftige Kundschaft aber eine große Auswahl an Premiumware, die ganzjährig in gleichbleibender Qualität verfügbar ist. Damit einhergehen hohe Erwartungen an gesundes, regional und nachhaltig produziertes Obst und Gemüse, das in den Emiraten ein besonders großes Marktpotenzial bietet.

„Das Ziel ist, ab Mitte April dieses Jahres 5.000 bis 6.000 Tonnen Premiumtomaten pro Jahr für den lokalen Markt zu produzieren.“

Um sich dieses zu erschließen, haben die BayWa AG und die Al Dahra Holding LCC im Jahr 2017 ein Joint-Venture gegründet. Im Rahmen eines gemeinsamen Pilotprojekts wurden in den vergangenen Monaten am Standort Al Ain auf zehn Hektar Land moderne Klimagewächshäuser gebaut. Das Ziel ist, ab Mitte April dieses Jahres 5.000 bis 6.000 Tonnen Premiumtomaten pro Jahr für den lokalen Markt zu produzieren.

Sowohl ökonomisch als auch ökologisch bieten moderne Klimagewächshäuser viele Vorteile: In den Anlagen kann ganzjährig geerntet werden. Der Wasserverbrauch sinkt um bis zu 65 Prozent und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verringert sich um bis zu 70 Prozent. Gleichzeitig ist in Klimagewächshäusern das Doppelte der Erntemenge als mit herkömmlicher Gewächshaustechnik möglich. Die Nachfrage wächst global. Darum sollen dem Pilotprojekt in Abu Dhabi weitere Anlagen in ähnlich attraktiven Absatzmärkten folgen: Australien, USA, Japan.

Projektgeschäft interessant für Investoren

Bis zu 300 Millionen Euro will die BayWa mittelfristig in die Planung und den Bau von Klimagewächshäusern investieren. Anschließend werden die Anlagen an Investoren verkauft. Der Anbau der Tomaten und insbesondere die Vermarktung der Ernte sichert die BayWa nach dem Verkauf weiterhin ab. Dieses Geschäftsmodell minimiert das Risiko eigener Assets in der Bilanz. Umgekehrt profitieren die Investoren von der langjährigen Expertise des Agrarhändlers in der Vermarktung von Obst und Gemüse und von dessen weltweitem Handelsnetzwerk.

Bereits jetzt ist das Echo von Versicherungen, Pensionsfonds, Family Offices und strategischen Investoren groß, da sie sich von Klimagewächshäusern hohe Renditen erwarten. Auch die Nachfrage vor Ort ist vielversprechend: Noch ist in Al Ain keine einzige Tomate gewachsen, aber die in diesem Jahr zu erwartende Ernte ist bereits komplett vermarktet.

„Werden Obst und Gemüse in der Nähe des Verbrauchers produziert, sinkt der logistische Aufwand, um Lebensmittel über zum Teil weite Strecken zu transportieren.“

Außer Tomaten kommen auch andere Kulturen für den Anbau unter Glas in Frage: Gurken, Paprika, Auberginen, Beeren, Salat. Werden Obst und Gemüse in der Nähe des Verbrauchers produziert, sinkt der logistische Aufwand, um, wie heute, Lebensmittel über zum Teil weite Strecken zu transportieren. Weniger Energieaufwand spart Ressourcen, die CO2-Emissionen sinken. „Local for local“ macht Länder unabhängiger von Importen. Auch kann möglichen Versorgungsengpässen, hervorgerufen durch klimatische oder geopolitische Einflüsse, leichter begegnet werden. Schwankungen, denen Commodities im Agrarhandel traditionell unterliegen, werden zudem besser ausgeglichen.

Schwankungen im Agrarhandel ausgleichen

Nicht nur Wetterereignisse – extreme Nachtfröste im April 2017 zum Beispiel führten in Deutschland zu bis zu 85 Prozent Ertragseinbußen bei Äpfeln –, auch politische Entscheidungen verändern die Rahmenbedingungen für den Agrarhandel – das hat das Russland-Embargo 2014 gezeigt. Während in Russland die Lebensmittelpreise stiegen, mussten sich europäische Produzenten um alternative Absatzwege bemühen.

Durch Internationalisierung, Diversifizierung und Spezialisierung hat sich die BayWa mittlerweile weltweites Marktpotenzial erschlossen. Statt „nur“ Obsthandel zu betreiben wie einst, ist der Konzern sowohl in der Beschaffung als auch im Vertrieb von Obst und Gemüse global aufgestellt. Und erschließt sich jetzt mit dem Einstieg in das Projektgeschäft mit modernen Klimagewächshäusern ein neues Geschäftsfeld.

Prof. Klaus Josef Lutz ist Vorstandsvorsitzender der BayWa AG.

Die BayWa im Kurz-Portrait

Die BayWa AG ist ein weltweit tätiger Handels-, Logistik- und Dienstleistungskonzern. Mit ihren Segmenten Agrar, Energie und Bau deckt sie elementare Grundbedürfnisse der Menschen ab – Ernährung, Energie, Mobilität, Wärme und Wohnen. Eine bedeutende Position nimmt der Konzern auch im Obsthandel ein. Seit Jahren gehört die BayWa in Deutschland zu den führenden Anbietern von Tafelobst für den Lebensmittelgroß- und -einzelhandel, ist größter Einzelvermarkter für Tafelkernobst und führender Anbieter für Kernobst aus biologischem Vertragsanbau. Durch diverse Akquisitionen entwickelte sich die BayWa zum weltweit bedeutenden Händler für Kernobst mit internationalen Handelsbeziehungen nach Asien, Australien, Amerika und Europa. Mit der Vertiefung der Wertschöpfungskette, zum Beispiel durch den Anbau von Spezialitäten wie Fruchtgemüse, setzt sich die Entwicklung fort.

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