Franken-Tomaten: Immer mehr Verbraucher wollen regional produzierte Lebensmittel kaufen. Von diesem Trend profitieren bayerische Genossenschaften. Drei Beispiele.
Rund 1,2 Millionen Milchkühe halten die Landwirte in Bayern laut dem Bundesinformationszentrum Landwirtschaft – Rekord in Deutschland. Auf Platz zwei folgt Niedersachsen mit 860.900 Tieren (Stand 2016). Trotzdem ist Bayern das Bundesland mit den kleinsten Milchkuhherden. Im Durchschnitt halten die Landwirte im Freistaat 37 Kühe. Bei Bergbauern sind es sogar nur 25. Im extremen Gegensatz dazu der Osten Deutschlands: Dort stehen die größten Milchkuhherden. Betriebe in Brandenburg halten im Durchschnitt 224 Tiere, solche in Mecklenburg-Vorpommern 218.
Wegen der landwirtschaftlichen Großbetriebe sind auch die Molkereien in Nord- und Ostdeutschland in der Lage, deutlich billiger zu produzieren als ihre Kollegen in Bayern – unter anderem können sie die Milch an wenigen Stellen in großen Mengen erfassen. Hubert Dennenmoser, Geschäftsführer der Molkerei Allgäu Milch Käse eG, kennt die Zahlen: „Bei uns im Allgäu liegen die Milcherfassungskosten 30 bis 40 Prozent höher als im Norden. Ebenso müssen wir zwischen 10 und 20 Prozent mehr für Energie und Löhne bezahlen.“ Umgerechnet auf den Milchpreis könnten die norddeutschen Molkereien um zwei bis drei Cent pro Liter billiger produzieren.
Fokus auf hochwertige Spezialitäten
Doch Dennenmoser sagt auch: „Wir zahlen an unsere Mitglieder zwei bis drei Cent mehr pro Liter als die Milchverarbeiter im Norden und Osten.“ Wie geht das? Diversifizierung und Differenzierung sind die Schlagworte, die Dennenmoser dazu einfallen: „Die Molkereien in Norddeutschland produzieren nur Massenware. Wir dagegen fokussieren uns auf vielfältige Spezialitäten und schaffen so ein Alleinstellungsmerkmal.“
Fünf verschiedene Milchsorten lässt der Geschäftsführer der Molkereigenossenschaft zu Käse verarbeiten: konventionelle Milch, Bio-Milch, Bergbauern-Milch und seit rund zwei Jahren auch Heumilch und Bio-Heumilch. Die Spezialitäten werden seit 2013 unter der Marke „Allmikäs“ vermarktet. Dazu gehören „Allgäuer Bergbauernkäse“, „Bio Gouda“, „Bergkäse aus Heumilch“ oder „Allgäuer Spätzles Kas“. Seit 2017 tragen alle „Allmikäs“-Produkte das „Ohne Gentechnik“-Siegel des Verbandes Lebensmittel ohne Gentechnik.
Die Verbraucher greifen gerne zu „Allmikäs“-Spezialitäten in den Kühltheken der Supermärkte – auch, weil gentechnikfreie Produkte aus der Region im Trend liegen. Dennenmoser hat das früh erkannt und entsprechend reagiert. Anders würde es auch gar nicht gehen. Der Markt für Milchprodukte in Europa und Deutschland sei rückläufig. „Da ist es umso wichtiger, sich klar und punktgenau zu fokussieren, um sich von den Wettbewerbern abzuheben.“
Bio-Produkte sichern die Existenz
Eine Möglichkeit, dem Marktdruck zu entgehen, sind Bio-Produkte. Doch inzwischen stellen immer mehr Landwirte auf Bio um, sodass auch in diesem Segment die Mengen steigen. Viele Landwirte in den Allgäuer Alpen seien jedoch auf höhere Auszahlungspreise für Bio-Milch angewiesen, so Dennenmoser. „Bio ist die einzige Möglichkeit, im Alpenraum langfristig Landwirtschaft zu betreiben.“
Um die höheren Auszahlungspreise halten zu können, plant der Geschäftsführer der Molkerei Allgäu Milch Käse eG eine neue Handelsmarke speziell für Produkte von Bio-Bauern, die entlang der Alpenkette produzieren. Es sei wichtig, sich regelmäßig mit neuen Produkten von der Konkurrenz abzusetzen und sich damit immer wieder bei den Verbrauchern und dem Handel ins Gespräch zu bringen. „Der Handel schenkt dir nichts. Wer nichts Neues bringt, ist ruckzuck außen vor. Sobald die eigene Ware zum Standard und damit austauschbar wird, wird sie vom Handel preislich bekämpft“, sagt Dennenmoser.
Premiumfutter der Marke „Edelgrün“
Auch Matthias Vögele, Geschäftsführer der Futtertrocknung Lamerdingen eG, setzt auf eine breite Produktpalette und Qualität, um im Wettbewerb zu bestehen. Dafür hat er gemeinsam mit der Futtertrocknung Altenstadt eG, der Futtertrocknung Geiselharz eG, der Raiffeisen-Trocknungsgenossenschaft Münchberg und Umgebung eG sowie der Raiffeisen-Trocknungsgenossenschaft Prebitz eG unter dem Dach der Trockengrün Marketing eG die Marke „Edelgrün“ aufgebaut.
„Edelgrün“ ist hochwertiges Kraftfutter aus Wiesengras, das bei den Genossenschaften schonend bei mehreren Hundert Grad Celsius heißluftkonserviert und zu Pellets gepresst wird. Dabei bleiben die Eiweiße und Vitamine im Gegensatz zur Trocknung auf dem Feld weitgehend erhalten. Gleichzeitig werden verdauungshemmende Stoffe abgebaut.
Die leicht transportierbaren Pellets werden als gentechnikfreies Premiumfutter aus regionaler Herkunft vermarktet. „Das öffnet uns weitere Absatzmärkte außerhalb der klassischen Landwirtschaft. Zum Beispiel wird in immer mehr Reitställen Edelgrün verfüttert. Aber auch für Schweine, Geflügel oder Kleintiere eignet sich unser Futter. Auf mehreren Füßen steht es sich eben besser“, sagt Vögele. Der Bio-Trend spielt ihm ebenso in die Hände. „Bio fängt in der Erzeugung von Lebensmitteln und damit in der Fütterung unserer Nutztiere an. Deshalb bieten wir zunehmend Bio-Edelgrün-Produkte an.“
Grundlage für gesunde Lebensmittel
Der Zusatz „Ohne Gentechnik“ ist inzwischen auch bei der Tierfütterung ein wichtiges Verkaufsargument. Vögele: „Der Verbraucher wünscht sich gesunde, unbelastete Lebensmittel. Futtermittel ohne Gentechnik sind die Grundlage dazu. Wir bieten das an“, sagt Vögele.
Hinter der Marke „Edelgrün“ steht außerdem ein Qualitätsversprechen. Denn Gras ist nicht gleich Gras, sondern es enthält abhängig zum Beispiel von der Bodenbeschaffenheit unterschiedlich viel Eiweiß oder Vitamine. Die Mitarbeiter erfassen bereits während der Trocknung und hinterher im Labor regelmäßig den Gehalt an Nähr- und Ballaststoffen der Pellets, etwa den Rohprotein-Gehalt oder die Anteile an Beta-Carotin. Der Stoff leistet einen wertvollen Beitrag zur allgemeinen Tiergesundheit.
So können die Genossenschaften ein Produkt mit hoher Qualität verkaufen, das passgenau auf die Tiere zugeschnitten ist. Denn Milchkühe zum Beispiel haben einen hohen Eiweißbedarf. Bei Schweinen dagegen sind auch die sogenannten Rohfasern wichtig. Sie quellen im Magen auf und sorgen für eine gute Sättigung. „Satte Tiere sind zufriedene Tiere. Das bedeutet weniger Stress und weniger Rangkämpfe. Deshalb ist ,Edelgrün‘ auch gut für das Tierwohl“, sagt Vögele. Ein Aspekt, der in der öffentlichen Wahrnehmung immer wichtiger wird.
Qualitätsfleisch von der „Grünland-Kuh“
Wertvolles Grünfutter ohne Gentechnik spielt auch bei der Viehvermarktungsgenossenschaft Oberbayern-Schwaben (VVG) mit Sitz in Waldkraiburg eine große Rolle. Im August 2017 hat sie das Qualitätsfleisch-Programm „Grünland-Kuh“ eingeführt. Mitglieder der VVG, die ihren Betrieb in Bayern oder Baden-Württemberg haben, mindestens 40 Prozent ihrer Flächen als Dauergrünland bewirtschaften und sich die gentechnikfreie Fütterung ihrer Kühe vom Verband Lebensmittel ohne Gentechnik zertifizieren lassen, können an dem Programm teilnehmen.
„Die Verbraucher schätzen es, wenn sie Kühe auf der Weide sehen, weil sie damit qualitativ hochwertige Lebensmittel und den Erhalt unserer Kulturlandschaft verbinden. Deshalb hat Dauergrünland bei ihnen ein sehr positives Image“, erklärt VVG-Geschäftsführer Sebastian Brandmaier. Das Problem: Rindfleisch aus Grünland-Haltung wird vom Handel bislang nicht besser bezahlt. Also setzte die VVG selbst ein Programm auf, um die Landwirte mit viel Dauergrünland zu unterstützen.
Die VVG zahlt den Bauern bei Grünland-Kühen einen Zuschlag von 20 Cent pro Kilogramm Schlachtgewicht. Bei einer durchschnittlichen Kuh und einem Schlachtpreis von 3 Euro pro Kilogramm liegt der Mehrerlös für den Landwirt bei 60 bis 70 Euro. Brandmaier: „Das ist nach Bio-Fleisch der höchste Preis, der gezahlt wird.“
Mehrwert überzeugt die Mitglieder
Der Erfolg gibt dem Geschäftsführer recht: Über 300 Mitglieder hat die Genossenschaft durch das Programm hinzugewonnen, alles in allem nehmen mehr als 400 Betriebe teil. Insgesamt gehören der VVG knapp 15.000 Mitglieder an. „In Zeiten, wo die Mitgliederzahlen wegen des Strukturwandels in der Landwirtschaft normalerweise zurückgehen, ist so ein Zuwachs schon etwas Besonderes“, sagt Brandmaier.
Im Gegensatz zu anderen Qualitätsprogrammen werde den Betrieben auch nichts aufgezwungen, betont der VVG-Geschäftsführer. „Sie müssen ihre Produktion nicht umstellen. Stattdessen honorieren wir die Landwirte, die hochwertiges Fleisch im Grünlandbereich produzieren. So unterstützt die VVG die Produktion von Rindfleisch, das von Gastronomie und Kunden gesucht wird.“ Viele Milchviehbetriebe haben ohnehin auf gentechnikfreie Fütterung umgestellt, um den Vorgaben des Lebensmittelhandels bei Milchprodukten nachzukommen. „Damit erfüllen die Landwirte auch ein wichtiges Kriterium unseres Programms“, sagt Brandmaier.
Bislang zahlt die VVG den Zuschlag für Grünland-Kühe aus eigener Tasche. „Wenn wir dadurch rund 15 bis 20 Prozent mehr Kühe an die Schlachtbetriebe verkaufen, amortisieren sich die Kosten für uns. Danach sieht es aus“, sagt Brandmaier. Und: „Auch der Lebensmittelhandel hat die positive Wirkung der Grünland-Kuh erkannt und zeigt Interesse an dem Programm. Das ist ein wirklich schöner Erfolg für uns und unsere Mitglieder.“