Gewinnermodell: Mit Agri-PV können Landwirte ihre Flächen doppelt nutzen. Für die VR-Bank Rottal-Inn ist die Finanzierung solcher Anlagen ein wichtiges Geschäftsfeld.
Herr Bürgermeister Kratzer, die Jurenergie eG plant gemeinsam mit dem regionalen Energieversorger N-ERGIE am Grünberg bei Postbauer-Heng drei Windenergie-Anlagen. Warum hat sich der Markt Postbauer-Heng dazu entschlossen, bei der Planung und Umsetzung der drei Windräder mit der Jurenergie eG zusammenzuarbeiten?

Horst Kratzer ist Erster Bürgermeister der Marktgemeinde Postbauer-Heng. Foto: privat
Horst Kratzer: Diese Frage ist einfach beantwortet: Weil wir als Markt Postbauer-Heng bereits bei früheren Projekten gute Erfahrungen mit der Jurenergie eG gemacht haben, unter anderem bei einer Dach-Photovoltaik-Anlage. Zudem war für uns als Gemeinde klar: Wenn wir das Windkraft-Projekt am Grünberg mit drei Windrädern vorantreiben wollen, dann nur mit Bürgerbeteiligung. Dafür ist eine Bürgerenergiegenossenschaft der beste Weg. Warum also bei neuen Projekten woanders hingehen, wenn wir mit der Jurenergie eG einen bewährten Partner vor der Haustüre haben, der sich mit Bürgerbeteiligung auskennt? Das ist ein großer Vorteil für die Gemeinde, die neben vielen Bürgern selbst Mitglied geworden ist.
Herr Vogel, warum hat die Jurenergie eG schon früh den Kontakt zu den Bürgern und den politischen Vertretern der Marktgemeinde Postbauer-Heng gesucht?

Michael Vogel ist Vorstand der Jurenergie eG aus Neumarkt in der Oberpfalz. Foto: privat
Michael Vogel: Wenn Genossenschaften Energiewende-Projekte erfolgreich umsetzen wollen, brauchen sie die Bürger und auch die betroffenen Kommunen auf ihrer Seite. Sonst wird es schwierig. Als Kommunal- und Bürgerenergiegenossenschaft war es uns wichtig, von Anfang an offen zu kommunizieren, was wir vorhaben. Wir sind schon vor über drei Jahren auf den Bürgermeister und den Gemeinderat zugegangen, um das Projekt vorzustellen. Dann haben wir schnell und umfänglich in einer öffentlichen Marktratssitzung über das Vorhaben berichtet und die Beteiligungsmöglichkeiten erklärt. Wir haben zudem darauf hingewiesen, dass wir mindestens eine große öffentliche Informationsveranstaltung durchführen werden, wo alle Bürgerinnen und Bürger zu Wort kommen. Und wir zeigen als lokaler Partner Gesicht, weil die handelnden Personen hier im Landkreis verwurzelt und zu Hause sind.
„Um große Energiewende-Projekte erfolgreich zum Abschluss zu bringen, braucht man Partner, mit denen man auf Augenhöhe reden kann und die einen Bezug zur Region haben.“
Horst Kratzer, Erster Bürgermeister der Marktgemeinde Postbauer-Heng
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit der Marktgemeinde Postbauer-Heng mit der Jurenergie eG?
Kratzer: Die Zusammenarbeit mit der Jurenergie eG gestaltet sich absolut unkompliziert. Um große Projekte wie die drei Windenergie-Anlagen am Grünberg erfolgreich zum Abschluss zu bringen, braucht man Partner, mit denen man auf Augenhöhe reden kann und die einen Bezug zur Region haben. Die Jurenergie eG ist ein solcher Partner. Man kennt sich, man vertraut sich. Hilfreich sind zudem die kurzen Wege, wenn es schnell mal etwas zu besprechen gibt.
Soweit es zu überblicken ist, gibt es in Postbauer-Heng wenig Widerstand aus der Bürgerschaft gegen das Windkraft-Projekt. Woran liegt das?
Kratzer: Das ist sicher eine regionale Besonderheit und hat auch mit der genossenschaftlichen Grundausrichtung des Projekts zu tun. In den Nachbargemeinden gab es durchaus Diskussionen bei vergleichbaren Vorhaben. Zudem hat der zeitliche Zusammenhang mit der Energiekrise, ausgelöst durch die Corona-Pandemie und den russischen Angriff auf die Ukraine, bei den Bürgerinnen und Bürgern zu einem gewissen Umdenken geführt. Ein Windrad zu sehen, löst bei vielen Menschen nicht mehr so starke Emotionen aus wie noch vor einigen Jahren, dafür spielen qualifizierte Kriterien wie der Abstand zur nächsten Wohnbebauung, der Schattenwurf oder der Lärm, den ein Windrad verursacht, eine umso wichtigere Rolle. Nicht zuletzt hat der Gesetzgeber die Kommunen dazu verpflichtet, Vorrangflächen für Windkraft auszuweisen. Das Thema war also ohnehin auf der Agenda der Gemeinde und hat die Bürgerinnen und Bürger nicht komplett überrascht.
„Für eine hohe Bürgerakzeptanz von Energiewende-Projekten sind zwei Punkte zentral: Frühzeitig mit dem Thema an die Öffentlichkeit gehen und keine Angst vor Diskussionen mit den Bürgern haben.“
Horst Kratzer, Erster Bürgermeister der Marktgemeinde Postbauer-Heng
Wie sind Sie vorgegangen, um bei den Bürgerinnen und Bürgern von vorneherein für eine möglichst hohe Akzeptanz zu sorgen?
Kratzer: Wir sind gemeinsam mit der Jurenergie eG und dem weiteren Projektpartner N-ERGIE frühzeitig an die Öffentlichkeit gegangen und haben transparent kommuniziert. Dann merken die Menschen, dass sie nicht hinters Licht geführt werden. Das sind meiner Ansicht nach zwei zentrale Punkte für eine hohe Bürgerakzeptanz von Energiewende-Projekten: Frühzeitig mit dem Thema an die Öffentlichkeit gehen und keine Angst vor Diskussionen mit den Bürgern haben. Ein großes Plus war in unserem Fall auch, dass sich mit der Jurenergie eG und der N-ERGIE zwei Partner für das Windkraft-Projekt zusammengetan haben, die in der Region verwurzelt und bekannt sind. N-ERGIE ist der regionale Energieversorger mit kommunalen Wurzeln.

Volles Haus: Anfang Oktober 2024 informierte die Jurenergie eG im Deutschordensschloss in Postbauer-Heng über den Planungstand und Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung am Windkraftprojekt der Genossenschaft. Foto: GVB
Welche Rolle spielt es für die Akzeptanz von Energiewende-Projekten, wo die Projektträger herkommen?
Kratzer: Das ist ein wichtiger Aspekt. Die Bürger wollen Gesichter sehen und die Menschen kennen, die hinter dem Projekt stehen. Das ist bei regionalen Partnern natürlich viel einfacher. Diese können zum Beispiel in Bürgerversammlungen ihr Projekt präsentieren und sich der Diskussion stellen, wie wir es bei dem Windkraft-Projekt in Postbauer-Heng gemacht haben. Mit fremden Investoren ist das nicht so einfach darstellbar. Hier spielt auch die Kommune als Akteur vor Ort eine wichtige Rolle. Sie kann gemeinsam mit dem Projektträger dafür sorgen, dass die Bürger jederzeit die Planungen einsehen können. Der Markt Postbauer-Heng hat seine Bürger zum Beispiel frühzeitig über die Sozialen Medien und unser Bürgerblatt auf das Projekt hingewiesen. Sie waren also schon informiert, als sie zur Bürgerversammlung gekommen sind
Wie hängen Bürgerbeteiligung und die Akzeptanz von Energiewende-Projekten zusammen?
Kratzer: Wenn sich die Bürger an Energiewende-Projekten beteiligen können, trägt das zur Transparenz und zur Zufriedenheit der Menschen bei. Dann steigt auch die Akzeptanz. Es kommt jedoch ganz darauf an, wie die Bürgerbeteiligung ausgestaltet ist. Da gibt es große Unterschiede. Ein wichtiger Faktor ist, wie kommuniziert wird. Darüber sollte man sich frühzeitig Gedanken machen. Wenn ein Investor nur mit der Rendite wirbt, wird er möglicherweise verstärkt Menschen anlocken, die nur am Geld interessiert sind, aber nicht am Projekt. Das ist für die Akzeptanz nicht unbedingt förderlich.
„In der Rechtsform der Genossenschaft können wir den Bürgern eine echte gesellschaftsrechtliche Mitsprache bieten anstelle einer nur temporär begrenzten Kapitalbeteiligung ohne Mitbestimmung.“
Michael Vogel, Vorstand der Jurenergie eG
Wie sollte die Bürgerbeteiligung also ausgestaltet sein, damit sie bestmöglich ihre Wirkung entfaltet?
Vogel: Die beste Bürgerbeteiligung ist die, die niederschwellig ist und wenigstens Mindeststandards der gesellschaftsrechtlichen Mitsprache sichert. In der Rechtsform der Genossenschaft können wir den Bürgern eine echte gesellschaftsrechtliche Mitsprache bieten anstelle einer nur temporär begrenzten Kapitalbeteiligung ohne Mitbestimmung, aber mit voller Haftung, wie es bei Crowdfunding-Beteiligungen oder Nachrangdarlehen der Fall ist. Wenn das Risiko dann noch überschaubar ist und es keine hohen Hürden für die Bürgerbeteiligung gibt, können wir von einem Goldstandard sprechen. Für uns „Überzeugungstäter“ gewährleistet die Genossenschaft die Einhaltung dieser Kriterien.
Kratzer: Da kann ich nur beipflichten. Die Kernfrage ist dabei immer: Was hat der Bürger von seiner Beteiligung? Mit dem Beitritt und dem Erwerb von Anteilen werden die Menschen nicht nur Mitglied, sondern Miteigentümer ihrer Genossenschaft. Als Mitglieder können sie sich in Projekte einbringen und in der Generalversammlung die Geschäftspolitik mitbestimmen. Zudem ist das Genossenschaftsmodell sehr flexibel: Die Mitglieder können zum Beispiel Anteile für 500 oder 50.000 Euro erwerben, je nachdem, was der Geldbeutel hergibt und wie der Finanzierungsplan der Genossenschaft aussieht. Trotzdem hat jeder die gleichen Mitbestimmungsrechte. Die Gemeinschaft der Mitglieder bestimmt also über die Genossenschaft, nicht das Geld. Das trägt zur Transparenz bei. Wenn die Bürger dagegen nur Nachrangdarlehen zeichnen können, haben sie keinerlei Mitbestimmungsrechte und stehen mit ihren Forderungen gegenüber anderen Gläubigern zurück. Dann sind sie eine Nummer im System und werden am Ende der Laufzeit des Darlehens ausbezahlt und sind raus. Deswegen steht für mich die Bürgerbeteiligung nach dem Genossenschaftsmodell immer an erster Stelle. Sie ist die fairste und transparenteste Lösung.
„Überall dort, wo wir neue Energiewende-Projekte realisieren, richten wir unser Beteiligungsangebot priorisiert an die Bürgerinnen und Bürger der jeweiligen Kommunen vor Ort.“
Michael Vogel, Vorstand der Jurenergie eG
Herr Vogel, die Jurenergie eG treibt Projekte nicht nur in Postbauer-Heng voran, sondern auch in anderen Kommunen der Region. Wie stellen Sie sicher, dass sich gezielt die Bürger vor Ort beteiligen können?
Vogel: Wenn für jedes Energiewende-Projekt und jede Kommune eine eigene Energiegenossenschaft gegründet würde, müsste diese bei Planung, Genehmigung und Umsetzung des Vorhabens jedes Mal bei null anfangen. Das ist nicht zielführend. Deshalb ist die Jurenergie eG gerade dabei, ihren bisherigen lokalen Fokus über die Grenzen des Landkreises Neumarkt in der Oberpfalz hinaus auf die Region auszudehnen. Mit einer regionalen Energiegenossenschaft ist es viel leichter, die notwendige Expertise vorzuhalten, um Projekte effizient voranzutreiben. Zudem fließt die Erfahrung aus erfolgreich umgesetzten Projekten in neue Vorhaben ein. Überall dort, wo wir neue Energiewende-Projekte realisieren, richten wir unser Beteiligungsangebot priorisiert an die Bürgerinnen und Bürger der jeweiligen Kommunen vor Ort. Dazu muss man wissen, dass die Jurenergie eG neue Mitglieder nur im Zusammenhang mit neuen Projekten aufnimmt. Wir informieren über Zeichnungsfristen und Zeichnungshöhen ganz transparent in weiteren Veranstaltungen vor Ort.
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die verpflichtende finanzielle Beteiligung von Bürgern und Gemeinden an neuen Windenergie- und Photovoltaik-Freiflächenanlagen vorsieht. Das Gesetz wird aktuell im Bayerischen Landtag diskutiert. Wie bewerten Sie diese Gesetzesinitiative?
Vogel: Dieses Gesetz würde eine echte und damit auch genossenschaftliche Bürgerbeteiligung für Dritte unattraktiv machen. Obwohl der Genossenschaftsverband Bayern, der Bayerische Gemeindetag und verschiedene Fachverbände den Gesetzentwurf als nicht zielführend erachten, hält das Bayerische Wirtschaftsministerium daran fest. Zementiert wird damit ein System pauschaler geringfügiger Zahlungen an die Kommunen ohne direkte Beteiligung der Bürger. Damit gibt die Staatsregierung den Ansatz einer regionalen Energieversorgung aus Bürgerhand aus den Händen. Stattdessen spielt sie den großen nationalen und internationalen Akteuren in die Hände. Am Ende würde dieses Gesetz zu mehr Bürokratie und weniger Bürgerbeteiligung führen. Es wäre zu begrüßen, wenn das Bayerische Wirtschaftsministerium den Bedenken der Verbände Rechnung trägt und noch einmal ein substanzielles Anhörungsverfahren durchführt. Sonst gilt auch hier: Im Zweifel lieber kein Gesetz als ein schlecht gemachtes.
Herr Kratzer und Herr Vogel, vielen Dank für das Interview!
Bayerisches EnergieForum
Das 16. Bayerische EnergieForum am 2. April 2025 in der Stadthalle Gunzenhausen bietet kommunalen Entscheidern und Vertretern von Energiegenossenschaften eine Plattform, um über die drängenden Themen der Energiewende zu diskutieren und sich über innovative Lösungen in den Bereichen Energieerzeugung, Energiespeicherung und Klimaschutz auszutauschen. Veranstalter ist die Bayerische GemeindeZeitung, der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) ist erstmals als Premiumpartner mit mehreren Vorträgen dabei. Schwerpunkte des diesjährigen EnergieForums werden unter anderem elektronische Vergaben, digitales Energiedatenmanagement sowie Energiegenossenschaften sein. Folgende Vertreter bayerischer Energiegenossenschaften werden auf dem EnergieForum Vorträge halten:
- Franz König, Vorstandsvorsitzender der Elektrizitätsgenossenschaft Wolkersdorf eG und Vorsitzender des GVB-Fachausschusses Energiegenossenschaften: Die Rolle genossenschaftlicher Verteilnetzbetreiber in der Energiewende
- Michael Vogel, Geschäftsführender Vorstand Jurenergie eG: Bürgerbeteiligung gestalten: Wie können Kommunen und Genossenschaften gemeinsam mit Erneuerbaren Energien gewinnen?
- Holger Müller, Vorstand der Nahwärme Pfofeld eG: Kommune und Genossenschaft: So geht Nahwärmeversorgung
- Ludwig Huber, Leiter Bereich Beratung Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften, GVB: Ein Gewinn für alle: Echte Bürgerbeteiligung und regionale Wertschöpfung
Hier geht es zur Webseite des Bayerischen EnergieForums. Dort ist auch eine Anmeldung möglich.
Landingpage Energiewende Bayern: Was Energiegenossenschaften leisten und wie sie gegründet werden