Interview: Marco Rummer, Vorstand von DG Nexolution, über Nachhaltigkeit im Zahlungsverkehr und Ertragschancen für Volksbanken und Raiffeisenbanken.
Herr Rummer, vor Kurzem hat DG Nexolution Anteile am Schweizer Start-up Swiss Wood Solutions übernommen. Das Unternehmen entwickelt plastikfreie Holzkarten. Was ist das Ziel und ab wann können die Volksbanken und Raiffeisenbanken solche Karten bestellen?
Marco Rummer: Unser Ziel ist es, als Dienstleister für erstklassige Lösungen diesen Bedürfnissen mit entsprechenden innovativen Produkten nachzukommen. Mit der Beteiligung an Swiss Wood Solutions ist uns das gelungen, da die plastikfreie Holzkarte die erste ihrer Art auf dem Markt ist. Noch in diesem Jahr wollen wir Holzkarten auf Basis von Testprojekten bereitstellen – die Volksbanken und Raiffeisenbanken können sich bei Interesse an DG Nexolution wenden. Ab 2024 können wir Genossenschaftsbanken in größerem Umfang mit den Holzkarten beliefern.
Generell werden nachhaltige Karten immer beliebter. Was bietet DG Nexolution in diesem Bereich für die Volksbanken und Raiffeisenbanken an und wie viele nachhaltige Karten haben Sie 2022 ausgereicht?
Rummer: Unsere Geschichte in Sachen nachhaltige Karten begann vor mehreren Jahren. Bereits seit 2017 können wir den Banken beziehungsweise ihrer Kundschaft Karten aus PLA (Polylactid) liefern, einem Biokunststoff auf Basis pflanzlicher Rohstoffe. Im Jahr 2022 haben wir unser Portfolio um drei Entwicklungen erweitert: rPCV-Karten, Karten aus Ocean Plastic und die bereits erwähnten Holzkarten. rPVC-Karten werden aus recyceltem Kunststoff hergestellt, der beispielsweise aus Produktionsabfällen aus der Automobilindustrie oder der Verpackungsindustrie gewonnen wurde. Für die Karte aus Ocean Plastic nutzen wir den gesammelten Kunststoff der Organisation „Parley for the Oceans“, der zu Ocean Plastic verarbeitet wird, woraus anschließend die Karten gefertigt werden. Diese Karten stehen bereits Kundinnen und Kunden der Sparda-Bank Berlin zur Verfügung. Mit der Holzkarte läuft ein Pilotprojekt mit der GLS Bank, bei dem insgesamt 1.000 Holzkarten von Kunden genutzt werden. Insgesamt wurden im Jahr 2022 bereits über 800.000 Karten aus nachhaltigeren Materialien an Kundinnen und Kunden von Genossenschaftsbanken ausgegeben. In den Jahren 2023 und 2024 werden alle Standarddesign-Karten auf rPVC umgestellt.
„Wir stellen alle Zahlungsverkehrskarten auf nachhaltige Materialien um.“
Welche weiteren Projekte treiben Sie derzeit bei den nachhaltigen Karten voran?
Rummer: Grundsätzlich stellen wir – wie gesagt – alle Zahlungsverkehrskarten sukzessive auf nachhaltige Materialien um. Nachauflagen von Mastercard und Visa Karten des VR-KartenConcepts werden aus rPVC produziert. Aktuell erhalten Kundinnen und Kunden schon bei über 50 Prozent der Bestände Karten aus rPVC. Darüber hinaus können sie auch die Naturliebe-Karten wählen, die aus dem nachhaltigeren PLA gefertigt sind. In diesem Jahr werden die girocards der Kartenhauptausstattung mit den Co-Badges V PAY, Debit Mastercard und Visa Debit im blauen Standarddesign aus rPVC bestehen. Bei Editionskarten mit individuellem Design können sich Genossenschaftsbanken von DG Nexolution beraten lassen und ihr präferiertes Kartenmaterial auswählen. Um das Projekt der Holzkarte weiter voranzutreiben, wird DG Nexolution mit Swiss Wood Solutions ein Joint Venture gründen. Damit wollen wir unser Ziel erreichen, große Mengen der Holzkarte zu produzieren, um sie somit im Payment-Bereich und darüber hinaus weltweit vermarkten zu können.
Recycling funktioniert aber nur, wenn es einen Wertstoffkreislauf gibt. Wie wichtig ist dieses Thema für Sie?
Rummer: Mit diesem Thema beschäftigen wir uns intensiv und haben im Januar dieses Jahres ein Pilotprojekt mit fünf Banken gestartet. Dort können Kundinnen und Kunden ihre abgelaufenen Karten am Bankschalter abgeben oder in eine sichere und datenschutzkonforme Sammelbox einwerfen. Die gesammelten Altkarten werden über die klimafreundliche Versandoption GoGreen der Deutschen Post an die Raiffeisendruckerei gesendet, wo sie im Sicherheitsbereich aufbewahrt werden. Anschließend werden die Karten an ein Recyclingunternehmen übergeben.
Ab Juli 2023 sollen keine Karten mit Maestro-Funktion mehr ausgegeben werden. Wie ist der aktuelle Stand und was empfehlen Sie den Volksbanken und Raiffeisenbanken?
Rummer: Der Großteil der Genossenschaftsbanken, die bisher die girocard Maestro nutzten, haben bei der Hauptausstattung für das Jahr 2023 entschieden, girocards mit einem alternativen Co-Badge, dazu zählen V PAY, Debit Mastercard beziehungsweise Visa Debit, oder reine girocards ganz ohne Co-Badge auszugeben. Für diese Banken gilt es zu beachten, dass es sich dabei um einen Produktwechsel handelt, für den die Banken die explizite Zustimmung ihrer Kundinnen und Kunden benötigen. Es ergibt sich allerdings auch ein großer Vorteil für die Bankkunden, wenn die Bank sich für eines der neuen Co-Badges, also Debit Mastercard oder Visa Debit, entscheidet. Denn damit weitet die girocard ihr Potenzial entscheidend aus. Sie ist dann online und weltweit einsetzbar. Einige Banken haben sich aus individuellen Gründen für eine Sonderhauptausstattung mit girocard Maestro entschieden. Diese Karten können wie alle anderen im Markt befindlichen girocards Maestro ohne Einschränkung bis zu ihrem jeweiligen Laufzeitende genutzt werden. Bei den girocards der Hauptausstattung 2023 heißt das in der Regel bis Ende 2027.
Wie begleiten Sie Banken bei der Umstellung?
Rummer: Selbstverständlich unterstützen wir die Volksbanken und Raiffeisenbanken bei ihrer Entscheidung und der Umsetzung. Ein Erklärfilm und ein Experteninterview von DG Nexolution fassen die wichtigsten Informationen für Bankkunden und Banker zusammen. Sie sind auf unserem YouTube-Kanal beziehungsweise im Cards-Portal zu finden. Eine Kurzfassung stellen wir für das Digital-Signage-System „Geno-InfoMonitor“ bereit, mit dem Banken ihre Kundschaft in den Filialen über Produkte und Neuigkeiten informieren können.
„Als Kompetenzcenter für Nachhaltigkeit im genossenschaftlichen Verbund ist es unser Anspruch, unsere Kunden auf ihrem Weg zum nachhaltigen Unternehmen zu führen.“
DG Nexolution hat die „Mission CO2“ ins Leben gerufen. Was hat es damit auf sich?
Rummer: Die Mission CO2 ist ein Managementsystem für den betrieblichen CO2-Fußabdruck. Wir haben es auf Banken zugeschnitten und auf Basis der Standards des Greenhouse Gas Protocols entwickelt. DG Nexolution begleitet jede Bank individuell mit mehreren Workshops bei der Messung der CO2-Emissionen für den Bankbetrieb sowie bei der Definition von Maßnahmen zur Reduktion und Substitution von CO2-Emissionen. Mittels Simulation und Benchmarking sieht man sofort, welchen Effekt eine Maßnahme bringt und wie die Bank die gesteckten Nachhaltigkeitsziele erreichen kann.
Welche weiteren Unterstützungsangebote gibt es im Feld Nachhaltigkeit?
Rummer: Gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) sowie einer Gruppe regionaler Genossenschaftsverbände und Banken haben wir im Jahr 2022 erfolgreich das Nachhaltigkeits-Portal für deutsche Genossenschaftsbanken etabliert. Auch der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) ist mit dabei. Auf der Plattform können Banken ihren Nachhaltigkeitsreifegrad messen sowie konkrete Nachhaltigkeitsangebote und Praxisbeispiele zur Unterstützung ihrer eigenen nachhaltigen Transformation nutzen. Darüber hinaus arbeiten wir sukzessive an weiteren nachhaltigen Lösungen, wie zum Beispiel der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten sowie der CO2-Kompensation durch Klimaschutzprojekte, die bereits pilotiert und zeitnah vermarktet werden.
Das Thema Nachhaltigkeit treibt Sie folglich sehr stark um…
Rummer: Ja! Denn als Kompetenzcenter für Nachhaltigkeit im genossenschaftlichen Verbund ist es unser Anspruch, unsere Kunden auf ihrem Weg zum nachhaltigen Unternehmen zu führen. Das bedeutet, dass wir die Bedarfe unserer Kunden bei der Transformation verstehen müssen, um praxistaugliche Lösungen zu schaffen. Hierfür bauen wir unser Leistungsportfolio sukzessive aus und gehen mit positivem Beispiel voran. DG Nexolution hat für konkrete Nachhaltigkeitsziele einen klaren Fahrplan definiert. Durch den Aufbau einer sogenannten Community of Practice über alle Geschäftsbereiche arbeiten wir kontinuierlich an deren Umsetzung.
Gehen wir zurück zum Thema Karten. Auch wenn die physische Karte weiterhin einen hohen Stellenwert im Zahlungsverkehr einnimmt, werden digitale Zahlungsmittel immer wichtiger. Welche Trends sehen Sie?
Rummer: Wir sehen bislang, dass die physische Karte ein wichtiges Zahlungsmittel bleibt, auch weil sie meist die Grundlage für andere digitale Zahlungsmittel ist. So zahlen immer mehr Kundinnen und Kunden zwar über das Smartphone, dabei ist die Karte aber in der Bezahl-App als Zahlungsmittel hinterlegt. So kann die girocard physisch als auch digital angewendet werden. Um dem zunehmenden Trend digitaler Zahlungsmittel nachzukommen, wurden die kontobasierten Dienste paydirekt, giropay und Kwitt unter der Marke giropay zusammengefasst und damit alle Online-Bezahlangebote in der genossenschaftlichen FinanzGruppe gebündelt.
Gibt es weitere Trends?
Rummer: Ein zukunftsträchtiges Wachstumsfeld sind zudem sogenannte Wearables. Diese werden in Form von Schlüsselanhängern, Uhrenarmbändern und Ringen von diversen Banken in Pilotprojekten getestet. Das Wearable wird für den jeweiligen Kunden personalisiert und mit der vorhandenen Visa-Karte verbunden. Der Bezahlvorgang wird somit noch einfacher und schneller, da Wearables – anders als eine Karte oder das Smartphone – nicht extra aus der Tasche genommen werden müssen. Bei Interesse können sich Banken jederzeit gern melden.
„Es gilt, regional die Akzeptanz für Kartenzahlungen zu erhöhen.“
Was empfehlen Sie den Genossenschaftsbanken allgemein, um ihre Erträge im Zahlungsverkehr auszubauen?
Rummer: Genossenschaftsbanken sollten die Bedarfe ihrer Kundschaft laufend ermitteln und dazu passende Angebote unterbreiten. Dabei gilt es, auch Nischenthemen und -produkte zu besetzen beziehungsweise anzubieten, um im Wettbewerb bestehen zu können. In der genossenschaftlichen FinanzGruppe steht den Volksbanken und Raiffeisenbanken eine Vielfalt an Produkten für ihre Kundinnen und Kunden zur Verfügung. Diese Chance sollten sie wahrnehmen und ihr Produktportfolio breit aufstellen. Des Weiteren gilt es, regional die Akzeptanz für Kartenzahlungen zu erhöhen und Händler sowie Gewerbekunden entsprechend zu beraten, um Zahlungen über girocard, Mastercard und Visa flächendeckend zu ermöglichen. Banken sollten Kundinnen und Kunden zudem das breite Karten-Angebot vorstellen und aktiv vermarkten, denn daraus ergibt sich eine Win-win-Situation. Banken profitieren beispielsweise von höheren Händlergebühren und höheren Produktpreisen. Die Kundinnen und Kunden profitieren von mehr Komfort und zusätzlichen Leistungen. Bei der BusinessCard etwa wird Firmenkunden die Abrechnung durch die digital erfassten Umsätze erleichtert. GoldCards umfassen ein Versicherungspaket, ExclusiveCards weitere attraktive Mehrwertleistungen. Zudem profitieren die Genossenschaftsbanken von dem Vorteilsprogramm MeinPlus als Kundenbindungsinstrument und unterstützen damit gleichzeitig den Handel vor Ort.
Herr Rummer, vielen Dank für das Gespräch!