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Herr Scheller, vor gut einem Jahr haben Sie das Amt des GVB-Präsidenten übernommen. Wie hat sich in dieser Zeit Ihr Blick auf den Verband gewandelt?

Gregor Scheller: Gewandelt trifft es nicht ganz. Der GVB war für mich ja nicht neu. Ich kenne den Verband schon lange. Dennoch habe ich ihn noch einmal neu kennengelernt, zum Beispiel die internen Strukturen. Die Aufgabe als Vorstandsvorsitzender und Präsident empfinde ich als spannend und fordernd. In den vergangenen Monaten sind neue Herausforderungen auf uns zugekommen oder haben an Fahrt gewonnen. Das gilt für die Zinswende und die Inflation ebenso wie die Energiewende. Was mich sehr freut: Bei all diesen Herausforderungen kann ich auf die gute, enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit meinem Vorstandskollegen Siegfried Drexl bauen. Diese erlebe ich immer wieder als bereichernd für die tägliche Arbeit.

„Die Mitglieder erwarten schnelle, praxisnahe und pragmatische Lösungen. Dafür sorgen wir, indem wir die Eigenverantwortung jedes Einzelnen und jeder Einzelnen stärken.“

Auf all diese Herausforderungen muss der GVB reagieren. Wie wollen Sie den Verband dazu aufstellen?

Scheller: Der GVB muss im Sinne seiner Mitglieder für all diese Themen Antworten und Lösungen entwickeln oder weitertreiben. Das funktioniert nur mit den richtigen Voraussetzungen. Die fachliche Expertise ist zweifelsohne vorhanden. Aber die Mitglieder erwarten von uns zu Recht schnelle, praxisnahe und pragmatische Lösungen. Dafür sorgen wir, indem wir die Eigenverantwortung jedes Einzelnen und jeder Einzelnen stärken. Voraussetzung dafür ist es, über die Arbeit, die Projekte und Prozesse Transparenz zu schaffen. Das wiederum trägt dazu bei, die bereichsübergreifende Zusammenarbeit zu fördern und führt zu mehr Effizienz. An all diesen Punkten arbeiten wir derzeit und haben auch schon viel umgesetzt. Als Beispiel möchte ich das neue Projekt- und Prozessmanagement nennen, das uns hilft, unsere Arbeit effizienter zu managen und die interne Steuerung von Ressourcen verbessern. Damit trägt es auch dazu bei, die Servicekultur des Verbands zu stärken.

Wie wollen Sie den GVB strategisch ausrichten?

Scheller: Unser strategischer Dreiklang lautet „wachsen, gestalten, optimieren“. Ich bin überzeugt, dass wir im Verband gute Chancen haben, gemeinsam mit den Mitgliedern zu wachsen. Der Bedarf an Beratung und Begleitung ist da, darauf werden wir uns ausrichten. Dazu gehört auch die Gründung der neuen Tochterfirma GCS – Geno Corporate Services GmbH, mit der wir unter anderem den wachsenden Bedarf an Auslagerungsdienstleistungen erfüllen wollen. Beim „Gestalten“ geht es uns darum, eine aktive Rolle im Verbund einzunehmen, um die Zukunftsthemen der Gruppe im Sinne unserer Mitglieder voranzubringen. Dasselbe gilt in der politischen Interessenvertretung. Gleichzeitig werden wir an vielen Stellen im Verband die Abläufe und Prozesse optimieren, um uns selbst zukunftsfähig aufzustellen.

„Die Geschäftsfeldrechnung wird für die Institute an Bedeutung gewinnen.“

Sie haben bereits einige Punkte genannt, mit denen sich der Verband befassen muss. Die Volks- und Raiffeisenbanken in Bayern haben sich im vergangenen Jahr gut entwickelt…

Scheller: Das stimmt. Die Volks- und Raiffeisenbanken sind auf Wachstumskurs. Auch im vergangenen Jahr haben sie bei Kreditvergabe und Einlagen zugelegt. Gleichzeitig haben sie ihre Kosten im Griff. Das zeigt die beste Aufwands-Ertrags-Relation (CIR) der Banken für das Jahr 2022 seit mehr als 20 Jahren. Diese Entwicklung ist erfreulich. Das Wachstum bei Kreditvergabe und Einlagen bedeutet umgekehrt aber, dass das Thema Eigenkapital immer wichtiger wird. Hier geht es darum, die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen. Klar ist: Jede weitere Verschärfung der Anforderungen ist eine potenzielle Belastung für die Kreditvergabe. Das ist nur eine der vielen Herausforderungen. Eine weitere ist, die knappen Ressourcen richtig zu investieren. Um besser steuern zu können und klar zu erkennen, in welchen Bereichen welche wirtschaftlichen Potenziale liegen, wird die Geschäftsfeldrechnung für die Institute an Bedeutung gewinnen. Ein weiteres großes Thema ist die Digitalisierung des Bankgeschäfts. In den vergangenen Jahren haben die Banken stark in die Digitalisierung investiert. Auch im Bereich Smart Data liegen noch unschätzbare Potenziale, die es zu heben gilt. Unschätzbar sind auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Daher gilt es nicht nur in Technik, sondern verstärkt in Menschen zu investieren und sie bei neuen Entwicklungen mitzunehmen.

Was bedeutet das wiederum für den GVB?

Scheller:  Der Anspruch des GVB ist es, die Mitglieder auf all diesen Wegen zu begleiten und ihnen Schulungs- und Beratungsangebote zu unterbreiten. Vieles existiert dazu schon. Mit der neuen Aufstellung stellen wir sicher, dass der Verband auch in Zukunft noch rascher und kompetenter agieren kann. Wir sind gerade dabei, eine für alle Kolleginnen und Kollegen transparente Steuerungslogik umzusetzen. So ist sichergestellt, dass wir unsere Ressourcen bestmöglich für die Mitglieder einsetzen. Wir werden die aus der Bankwelt bekannte CIR als Kenngröße etablieren. Dies ermöglicht uns einen klaren Blick darauf, wo wir stehen. Mir ist dabei der Gleichklang wichtig: Neben den Kennzahlen und Werkzeugen, die wir etablieren, um Abläufe im Verband zu optimieren, haben wir auch intensiv die Themen Kultur, Haltung und Führung bearbeitet.

„Die genossenschaftliche Familie ist stark, leistungsfähig und bunt.“

Der GVB agiert nicht im luftleeren Raum. Wie wollen Sie den Verband innerhalb des Verbunds aufstellen?

Scheller: Die genossenschaftliche Familie ist stark, leistungsfähig und bunt. Der GVB fügt sich ein in ein Netzwerk von Primärgenossenschaften, Regional-, Bundes- und Spartenverbänden, Verbundunternehmen und weiteren Partnern außerhalb der Genossenschaftswelt. Ziel muss es sein, dieses gewaltige Netzwerk zur Effizienzsteigerung und zum Nutzen für unsere Mitglieder einzusetzen, indem wir Synergien heben, Aufgaben sinnvoll verteilen und damit Doppelt- und Dreifacharbeit vermeiden und uns insgesamt besser untereinander abstimmen. Der GVB bringt sich bei alldem gestaltend und kooperativ ein. Das gelingt nur, wenn der GVB eine starke und konstruktive Stimme besitzt. Das ist auch der Fall. Im zentralen Strategie- und Planungsausschuss sitzen inzwischen vier statt bisher zwei Vertreter aus Bayern. Über die Holdings haben wir uns an der amberra, die den Aufbau von Dienstleistungen außerhalb des Kerngeschäfts Finanzen vorantreiben soll, sowie der VAD Beteiligungen GmbH beteiligt. Die Wahl von Wolfgang Altmüller zum Präsidenten des BVR-Verbandsrats ist ein weiteres klares Zeichen dafür, dass Bayern wieder eine starke Stimme im Verbund hat.


Sie haben die Regulatorik erwähnt. Damit sind wir beim Thema Interessenvertretung. Wie interpretieren Sie diese?

Scheller: Interessenvertretung muss zielgerichtet sein. Dazu haben wir unser Ohr nahe an den Mitgliedern, um sicherzustellen, dass wir die Bedürfnisse der Banken kennen und wissen, wo ihnen seitens der Aufsicht das Leben schwer gemacht wird. Aufgabe des GVB ist es, immer wieder die Angemessenheit der Regulatorik auf den Prüfstand zu stellen und darauf zu pochen, dass die Aufsicht nicht ständig nur mehr draufsattelt – ohne Berücksichtigung des Geschäftsmodells und des Selbstverständnisses der jeweiligen Bankengruppe. Deutschland ist mit den drei Säulen im Finanzbereich immer gut gefahren. Wir sind der Auffassung, dass eine Großbank, die international tätig ist und eine Investmentbanking-Sparte betreibt, anders zu betrachten ist als eine regionale Heimatbank, die Einlagen einsammelt und als Kredite ausreicht.

Wo sehen Sie weiteren Handlungsbedarf?

Scheller: Den Banken wird mit viel Bürokratie und vermeintlichem Verbraucherschutz das Leben schwer gemacht. Vielfach wird behauptet, dieses oder jenes diene der Transparenz und damit dem Schutz der Verbraucher, die voll informiert werden. Was wir erleben, ist aber oft genug das Gegenteil. Welchem Anleger ist damit gedient, ihm Papier im Umfang des Telefonbuchs von München in die Hand zu drücken und zu sagen: „So, da steht alles drin, jetzt weißt du Bescheid“? Das führt häufig in die Irre. Dazu kommt: Regionales, genossenschaftliches Banking ist von seiner Definition her gelebter Verbraucherschutz. Das herauszustellen und die Banken dabei zu unterstützen, diesem Anspruch immer wieder gerecht zu werden, ist auch Aufgabe des GVB.

„Die Genossenschaftsidee ist auf Langfristigkeit angelegt.“

Richten wir den Blick noch weiter gen Zukunft. Wie kann der GVB dafür sorgen, dass ihn seine Mitglieder auch künftig noch brauchen?

Scheller: Indem er Trends aufgreift, möglichst noch bevor sich daraus eine akute Herausforderung für die Banken ergibt, und entsprechende Leistungen und Produkte entwickelt. Das ist für den GVB sogar eine Chance, zu wachsen. Doch das, um den Kreis zu schließen, hat wiederum viel mit dem Mindset zu tun. Das entsprechend der zukünftigen Bedürfnisse aufzustellen ist mehr als nur das Umlegen eines Schalters. Es braucht Zeit, aber ich sehe den Verband auf einem guten Weg.


Lassen Sie uns zum Schluss noch einen Ausblick wagen. Ende dieses oder Anfang des kommenden Jahres steht Ihre Nachfolge an. Was bedeutet das?

Scheller: Wichtig ist mir, dass dieser vorhersehbare Wechsel ruhig und geordnet abläuft und Kontinuität gewährleistet ist. Das wollen wir durch einen sanften Übergang sicherstellen. Zunächst aber ist mein Fokus, Dinge umzusetzen. Ich habe vorhin einiges genannt. Und natürlich wird es auch gelten, diese weiterzuführen – ganz im genossenschaftlichen Sinne. Denn die Genossenschaftsidee ist auf Langfristigkeit angelegt.


Herr Scheller, vielen Dank für das Gespräch!

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