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Herr Reinke, 2021 war für Union Investment „das erfolgreichste Geschäftsjahr seit der Unternehmensgründung 1956“, wie Sie bei der Jahrespressekonferenz festgestellt haben. Worauf führen Sie das zurück?

Hans Joachim Reinke: Wir führen dies auf drei wichtige Faktoren zurück. Erstens: Die Evolution des Sparens hat deutlich an Fahrt aufgenommen. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in einem sehr dynamischen Neugeschäft mit privaten Kunden wider. Der Nettoabsatz mit privaten Anlegern war mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr und betrug zum Jahresende 19,7 Milliarden Euro. Damit war 2021 in dieser Kundengruppe das mit Abstand absatzstärkste Jahr in der Geschichte unseres Unternehmens. Zweitens: Nachhaltigkeit wird in der Geldanlage immer mehr zum Standard, etwa 60 Prozent unseres Neugeschäfts mit privaten Kunden entfallen auf nachhaltige Lösungen. Zum Vergleich: 2018 waren es nur neun Prozent. Drittens: Wir können nach einer Dekade überproportionalen Wachstums heute über eine große Dynamik im genossenschaftlichen Fondsgeschäft berichten und haben damit unsere Position erneut gestärkt. So konnten wir das Jahr 2021 mit Assets under Management von 454 Milliarden Euro und einem Betriebsergebnis von 1.235 Millionen Euro abschließen.
 

Welchen Anteil haben die Volksbanken und Raiffeisenbanken am Erfolg von Union Investment?

Reinke: Das sehr gute Absatzergebnis werten wir als Bestätigung unserer Arbeit. Es ist aber zugleich vor allem auch Ausdruck der engen Partnerschaft mit den Genossenschaftsbanken, für die ich mich an dieser Stelle herzlich bedanke und die uns mit Blick nach vorne als Ansporn dient.
 

Gehen wir näher auf das Privatkundengeschäft ein: Im vergangenen Jahr wurden bei Union Investment über 580.000 Fondssparpläne eröffnet, so viele wie nie zuvor. Wie erklären Sie sich das hohe Interesse und welche Kundengruppen treiben das Wachstum besonders stark an?

Reinke: Viele Kleinsparer haben im vergangenen Jahr den Investmentfonds für sich entdeckt. Das ist nicht verwunderlich, denn seit 69 Monaten in Folge frisst die Inflation die Zinserträge auf, und mit dem jüngsten Anstieg der Teuerungsrate verschärft sich die Situation für Sparer weiter. Durch diesen spürbaren Vermögensverlust wird aus dem Nachdenken über eine zeitgemäße Geldanlage ein Handeln. Die Geldanlage wird nicht nur neu gedacht, sie wird neu und ausgewogener umgesetzt. Einmal mehr erwiesen sich die klassischen Fondssparpläne als tragende Säule unseres Neugeschäfts. Zwei Dinge freuen uns dabei besonders: Einerseits waren 62 Prozent der Neuverträge Aktienfondssparverträge, andererseits werden die Kunden immer jünger. Ein Drittel unserer Sparplanneukunden ist jünger als 27 Jahre. Was früher das sogenannte Jeans-Sparbuch für die jüngere Generation war, ist heute der Fondssparplan. Mit den klassischen Sparplänen, den Riester-Sparplänen und dem VL-Sparen verwaltet Union Investment nunmehr 6,3 Millionen Fondssparpläne.

Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit bei der Anlageentscheidung von Privatkundinnen und -kunden?

Reinke: Die Aufmerksamkeit und die Ambitionen sind bei diesem Thema hoch, die Wirkungsweisen komplex. Denn Nachhaltigkeit ist kein Zustand, der sich per Knopfdruck herstellen lässt, sondern ein Prozess mit besonderer Bedeutung für uns als genossenschaftlicher Asset Manager. Für Union Investment bedeutet das: Wir verstehen unter nachhaltigem Handeln einen Wandel hin zu einer ökologischen und sozial ausgewogenen Zukunft. Daher investieren wir in unseren nachhaltigen Lösungen in Unternehmen, die bereits nachhaltig sind, und in solche, die sich glaubhaft nachhaltiger ausrichten wollen und ihre Ziele verlässlich verfolgen. Auf der Anlegerseite benötigen Kunden bei dem komplexen Thema Nachhaltigkeit Transparenz und eine bedarfsgerechte Lösung. Deshalb engagieren wir uns federführend innerhalb der genossenschaftlichen FinanzGruppe, die zukünftig obligatorische Nachhaltigkeitspräferenzabfrage vorzubereiten. Wir haben unser Angebot zum Beispiel um Artikel-8- und Artikel-9-Fonds erweitert und werden die Palette nachhaltiger Lösungen auch 2022 weiter ausbauen.

Artikel-8- und Artikel-9-Fonds kurz erklärt

Im März 2021 ist die Sustainable Finance Disclosure Regulation der EU (SFDR) in Kraft getreten. Ziel der sogenannten Offenlegungsverordnung ist es, Nachhaltigkeit an den Finanzmärkten transparenter darzustellen sowie die Nachhaltigkeitsrisiken und -auswirkungen von Finanzprodukten besser vergleichbar zu machen. Die Verordnung teilt Fonds in mehrere Kategorien auf. Unter Artikel 8 eingestufte Fonds weisen ökologische und soziale Merkmale auf. Als Artikel 9 klassifizierte Anlageprodukte müssen ausdrücklich ein nachhaltiges Investitionsziel verfolgen.

Wie lief das institutionelle Geschäft und welche Trends zeichnen sich dort ab?

Reinke: Auch das Geschäft mit institutionellen Anlegern war im abgelaufenen Jahr von einer hohen Dynamik geprägt. Hier kam es mit einem Nettomittelaufkommen von 20,8 Milliarden Euro ebenfalls zu einem neuen Absatzrekord. Folglich erhöhte sich der Bestand im institutionellen Geschäft auf 245,1 Milliarden Euro. Zum positiven Geschäftsverlauf trugen 59 neu gewonnene Kunden aus dem genossenschaftlichen und nicht-genossenschaftlichen Bereich im In- und Ausland bei. Wir stellen insgesamt fest, dass sich das institutionelle Geschäft gewandelt hat. Rentabilität, Liquidität, Risikomanagement, Nachhaltigkeit, Regulierungsanforderungen und Reporting – das Spannungsfeld, mit dem institutionelle Kunden konfrontiert sind, erfordert immer mehr individuelle Lösungen. Deutlich wurden die individuellen Kundenansprüche auch dadurch, dass Spezialfonds mit Zuflüssen von 18,2 Milliarden Euro 88 Prozent des gesamten Neugeschäfts dieser Kundengruppe ausmachten. Zudem rückten 2021 Alternative Investments und Immobilienspezialfonds gegenüber traditionellen Wertpapieranlagen stärker in den Fokus des Kundeninteresses.

„Unser aktives Management führte zu einer deutlichen Outperformance bei vielen Fonds.“

2021 gab es an der Börse ein Auf und Ab, letztlich sind die Kurse auf breiter Basis gestiegen. Wie haben sich vor diesem Hintergrund die Fonds von Union Investment entwickelt?

Reinke: Unser aktives Management kam auch 2021 zum Tragen und führte zu einer deutlichen Outperformance bei vielen Fonds. Mit Aktienfonds von Union Investment konnten Kunden in den letzten fünf Jahren im Durchschnitt 11,9 Prozent pro Jahr und über zehn Jahre sogar 12,0 Prozent pro Jahr an Rendite nach Kosten erzielen. Mischfonds erreichten über fünf Jahre eine Rendite von 3,6 Prozent beziehungsweise über zehn Jahre von 4,7 Prozent netto pro Jahr. Die erfolgreiche Titelauswahl wird uns auch von Dritten bestätigt. Bei den German Fund Champions 2022 gehören wir in den Kategorien „Aktien“ und „ESG/Nachhaltigkeit“ zu den Gewinnern und sind vor wenigen Tagen vom Wirtschaftsmagazin „Capital" als „Doppel-Dekaden-Sieger“ ausgezeichnet worden (siehe auch „Genogramm“ in dieser Ausgabe, Anm. d. Red.).
 

Bleibt das Fondsgeschäft auch in Zukunft ein Wachstumsmodell?

Reinke: Die Trends sprechen weiter für die Fondsanlage und das aktive Management. Deshalb bleibt das genossenschaftliche Fondsgeschäft auf jeden Fall ein Wachstumsmodell, davon bin ich überzeugt. Wir sind im genossenschaftlichen Fondsgeschäft auf einem guten Weg. Die strategischen Weichen greifen, die Evolution des Sparens findet statt, Geld wird neu gedacht. Was dieses Umdenken für eine Dynamik entfacht, sehen wir an den vorliegenden Zahlen.

Im vergangenen Jahr haben sie einen „Plan“ für die Volksbanken und Raiffeisenbanken vorgestellt. Ziel ist es, das systematische Wachstum des Einlagenüberhangs zu begrenzen und neue Gelder in Investmentfonds umzuleiten. Wie ist das Vorhaben angelaufen?

Reinke: Wir sind auf einem guten Weg, auch wenn natürlich noch nicht alle Banken beim Plan am gleichen Punkt stehen. Als Bestätigung sehe ich, dass sich drei Viertel der Planbanken auf Basis unseres Impulses auf den Weg gemacht haben, auf Fonds als Basisanlage zu setzen und das Einlagenwachstum zu reduzieren.
 

Welche Schwerpunkte setzen Sie dieses Jahr bei der Zusammenarbeit mit den Volksbanken und Raiffeisenbanken und wo sehen Sie gemeinsame Wachstumschancen?

Reinke: Wir werden auch in diesem Jahr unsere Partnerbanken bei allen Herausforderungen unterstützen, zum Beispiel bei Regulierungsthemen, Nachhaltigkeit oder Digitalisierung. Ich sehe keine wesentlichen Hemmnisse, welche uns auf unserem Weg aufhalten werden. Wir haben es bewiesen: Die letzte Dekade war die Dekade der Genossen. Ich glaube zutiefst, dass auch die gerade begonnene Dekade uns gehören wird, da wir die Leidenschaft, den Mut und die Konsequenz haben.
 

Herr Reinke, vielen Dank für das Gespräch!

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