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5:20 Uhr ist nicht die Zeit für viele Worte. Schönau am Königssee liegt an diesem frühen Februarmorgen noch in tiefer Dunkelheit, die Nacht ist sternenklar und bitterkalt. Nur beim Fuhrunternehmen Maltan brennt schon Licht. Gleich wird Franz Foisner aufbrechen, um die Milch von 85 Bergbauern rund um den Watzmann einzusammeln und zur Molkerei Berchtesgadener Land nach Piding zu fahren. Über zwölf Stunden wird er unterwegs sein, seinen Milchsammelwagen über schmalste Straßen auf über 1.000 Meter Meereshöhe lenken und sich dabei nur wenige Pausen gönnen. Warum er das macht? Weil die Bergbauern auf ihn warten – und die Molkerei Berchtesgadener Land zu ihren Mitgliedern steht, selbst wenn der Transport der Milch aufwändig und zeitraubend ist.

In der Halle glänzt der Edelstahltank des Milchsammelwagens im schwachen Schein der Lampe. Alle Pumpen und Systeme sind betriebsbereit. Punkt 5:30 Uhr klettert Foisner ins Führerhaus und startet den Motor. 450 PS stecken unter der Haube. Er wird sie später noch gut brauchen können. Bei seinem Dreiachser ist das Steuer rechts. So kann er am Straßenrand problemlos aussteigen und die Milch einsammeln, während der Verkehr links am Lastwagen vorbeifließt. „Hat gegenüber der normalen Version mit Steuer auf der linken Seite gerade mal zehn Euro Aufpreis gekostet“, sagt Foisner und grinst.

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Bei jedem Wetter: Tag für Tag tourt Franz Foisner durch das Berchtesgadener Land und sammelt die Milch der Bergbauern ein. „Profil“ hat ihn einen Tag lang begleitet. Video: Florian Christner und Karl-Peter Lenhard, GVB.

Die Milch der rund 1.700 Mitglieder der Molkerei Berchtesgadener Land wird mit sieben eigenen Fahrzeugen und außerdem durch sieben Speditionen mit insgesamt 21 weiteren Fahrzeugen abgeholt. Eine dieser Speditionen ist das Fuhrunternehmen Maltan, für das Foisner arbeitet. Zusammen sammeln die Fahrer entlang der Alpen zwischen Zugspitze und Watzmann täglich rund 850.000 Liter Milch ein. Dabei legen sie gut 7.500 Kilometer zurück. Auf das Jahr gerechnet entspricht die zurückgelegte Strecke dem 68-fachen Erdumfang. Foisner arbeitet drei Tage am Stück, dann übernimmt für zwei Tage ein Kollege. So geht es das ganze Jahr über, denn Kühe geben auch am Wochenende Milch. Und deren Verarbeitung duldet keinen Aufschub.

Die Molkerei Berchtesgadener Land

Als Genossenschaft gehört die Molkerei Berchtesgadener Land komplett ihren 1.700 Mitgliedern, also den Landwirten. Dazu gehören 800 Bergbauern, 400 konventionelle Landwirte und 500 Bio-Landwirte. Erfasst werden fünf Milchsorten in getrennten Linien: Bergbauernmilch, Naturland-Biomilch, Demeter-Biomilch, konventionelle Milch sowie Milch aus Österreich. 2018 wurden 320 Millionen Kilogramm Milch verarbeitet, davon rund 100 Millionen Kilogramm Biomilch. Damit zählt die Genossenschaft zu den größten Bio-Molkereien Deutschlands. Sie beschäftigt 455 Mitarbeiter, davon 35 Azubis. Die Molkerei Berchtesgadener Land gibt eine Herkunftsgarantie auf ihre Produkte: Diese werden ausnahmslos am einzigen Produktionsstandort Piding aus Milch hergestellt, die entlang des nördlichen Alpenkamms zwischen Zugspitze und Watzmann erzeugt wurde. Bei den Premium-Linien, den Bio-Alpenmilch-Produkten und den Bergbauern-Produkten, will die Molkerei weiter wachsen. Dafür investiert sie einen zweistelligen Millionenbetrag in die Produktion. So wurden 2018 unter anderem die neue Abtankhalle zur Milchannahme fertiggestellt, die von der Energiezentrale produzierte Wärme in den Produktionsprozess eingebunden und die Logistik optimiert. Inklusive Frischdienst lag der Umsatz im Jahr 2018 bei 260 Millionen Euro. Für ihr nachhaltiges Engagement erhielt die Genossenschaft im Dezember 2018 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2019 in der Kategorie mittlere Unternehmen.

Zum ersten Landwirt ist es nicht weit, auf den Straßen ist noch kein Mensch unterwegs. Nach wenigen Kurven rangiert Foisner seinen Milchwagen rückwärts auf den Hof von Georg Fegg junior. Er hat 18 Kühe und schätzt seine Molkerei, „weil sie auf ihre Bauern schaut und Wert auf Regionalität legt“. Die vollautomatische Erfassungsanlage im Lkw ist Hightech pur. Sie ist mit dem Satelliten-Navigationssystem an Bord verbunden. So erkennt der Computer über die GPS-Positionsdaten auf den Meter genau, auf welchem Hof der Lkw gerade steht. Weil im System hinterlegt ist, welche Milch dieser Landwirt liefert, wird diese automatisch in die richtige Kammer gepumpt. Foisner nimmt den Saugrüssel mit dem armdicken Schlauch aus seiner Halterung und marschiert damit in einen Nebenraum des Stalls. Dort wird die Milch in einem Stahltank gekühlt, bis sie abgeholt wird. Nach nicht einmal einer Minute zieht die Pumpe mit einem lauten Schlürfgeräusch Luft, der Tank ist im Nu leer. „650 Liter schafft die Pumpe in der Minute, das geht ratzfatz“, sagt Foisner.

Plötzlich kommen die Landwirte von überall her

Irgendwo im Nirgendwo bleibt Foisner am Straßenrand stehen. Die Uhr zeigt 6.07 Uhr, das Thermometer minus 7 Grad. Es ist kein Mensch zu sehen. Doch wie auf ein geheimes Signal hin kommen die Landwirte plötzlich aus allen Himmelsrichtungen aus der Dunkelheit angebraust. Manche transportieren ihre Milch in 20-Liter-Kannen im Kofferraum, andere verwenden größere Tanks auf zwei Rädern, die an ein Auto oder einen Traktor angehängt werden können. Sie fassen bis zu 450 Liter. Foisner steht mit dem Saugrüssel schon bereit. Einer nach dem anderen rollen die Bauern mit ihren Autos an den Milchsammelwagen heran. Foisner leert die Kannen im Akkord. Mit ihrer Molkerei sind die Landwirte zufrieden. „Sie ist heimatnah, legt Wert auf Qualität und der Preis für die Landwirte stimmt auch“, sagt Annegret Springl. Ein kurzer Gruß aus dem offenen Fenster, und schon ist sie wieder in der Nacht verschwunden.

Franz Foisner bei der Arbeit: Auf seiner Tour durch die Bergwelt rund um Berchtesgaden holt er die Milch von 85 Landwirten ab.
Die Pumparbeit teilen sich eine Vakuum- und eine Kreiselpumpe. 650 Liter Milch kann Franz Foisner in der Minute erfassen.
Hightech im Lkw: Der Computer sammelt bei der Milcherfassung eine Menge Daten, zum Beispiel die Temperatur der Milch und Angaben zum Landwirt. Im Display oben wird die Menge angezeigt, die gerade in den Lkw gepumpt wird.

Weil sich die Milchkannen an einem Sammelpunkt nicht eindeutig per GPS einem Landwirt zuordnen lassen, sind sie mit einem Datenchip ausgestattet. Bevor Foisner seinen Saugrüssel in die Milch taucht, scannt er den Chip auf der Kanne mit einem kleinen Lesegerät. So weiß der Computer, von welchem Landwirt die Milch stammt und in welchen Tank sie gepumpt werden muss. Ein Bauer reicht Foisner eine kleine Probeflasche mit Milch aus dem Auto heraus. Dieser verstaut sie in seinem Lkw und wird sie später in der Molkerei abgeben. Die Milch stammt von einer Kuh, die vom Tierarzt behandelt worden ist. „Um sicherzugehen, dass keine Wirkstoffe von Medikamenten in den Produktionsprozess gelangen, darf der Landwirt die Milch einer genesenen Kuh erst wieder anliefern, wenn das Labor der Molkerei grünes Licht gibt“, erklärt Foisner.

Landwirtschaft erhält die Bergwelt

Auch auf dem Parkplatz der Watzmann-Therme in Berchtesgaden warten schon drei Bauern. Autos und Milchkannen stehen sauber aufgereiht nebeneinander. „Alle da. Sehr brav“, stellt Foisner fest, während er den Lkw zum Halten bringt. Noch haben er und die Bauern das Areal ganz für sich, die ersten Thermengäste werden erst Stunden später auf den Parkplatz rollen. Warum tun sie sich das nur an, in stockfinsterer Nacht auf den Milchfahrer zu warten? Viele Antworten klingen ähnlich. Regina Hallinger bewirtschaftet einen Hof in Steillage. Zum Lebensunterhalt reicht das nicht. „Wir gehen alle ganz normal arbeiten. Aber wir wollen nicht auf unsere Tiere und unsere Landwirtschaft verzichten. Das ist unser Leben“, sagt sie. Gäbe es die Molkerei Berchtesgadener Land nicht, müssten sie die Milchhaltung aufgeben. „Wir machen das mit viel Idealismus, weil wir unsere schöne Bergwelt bewahren wollen“, sagt auch Christl Haas. „Dazu brauchen wir die Unterstützung der Molkerei, die uns die Milch zu einem fairen Preis abnimmt.“

Station für Station steuert Franz Foisner die Höfe und Sammelpunkte an. Langsam beginnt es zu dämmern. Immer wieder bekommt der Milchwagenfahrer Lob von den Landwirten. „Der Franz kommt immer. Und fast immer auf die Minute pünktlich“, heißt es dann. Am Marktplatz in Marktschellenberg wartet schon Martin Ponn mit seinem weißen Lieferwagen. Jeden Morgen fährt er die Milch der Bergbauern aus Ettenberg zum Sammelpunkt. Einfach sind das rund fünf Kilometer steil bergauf. Wenn er nicht um 6:30 Uhr da ist, wird es für Pomp knapp. „Ich bin Automechaniker. Um 8 Uhr muss ich in der Arbeit sein“, sagt er. Zuvor fährt er nochmal nach Ettenberg, um die Milchkannen zurückzubringen.

Auf Sammeltour im inneren Landkreis Berchtesgaden: Insgesamt 16.700 Liter Milch fassen die drei Kammern von Franz Foisners 26-Tonner. Bei Bedarf kommt noch ein Anhänger hinzu.
Wenn die Bauern in die Arbeit fahren, stellen sie ihre Milchkannen für Franz Foisner an den Straßenrand und holen sie abends wieder ab.
Wer soll hier parken? Ein Halteverbotsschild Anfang Februar im Berchtesgadener Land.

Mannshohe Schneewälle

Foisner gießt sich Kaffee in den Becher seiner Thermoskanne. Obwohl das Schneechaos Anfang Februar bereits überstanden ist, werden vor allem die Straßen in höheren Lagen noch von mannshohen Schneewällen gesäumt. „Hoffentlich kommt uns jetzt keiner entgegen, denn jetzt wird‘s richtig eng“, sagt Foisner, schaltet nochmal einen Gang runter und zieht seinen Milchlaster Kurve für Kurve nach oben durch verschneite Wälder und an weißglänzenden Bergwiesen vorbei. Foisner schaltet das Fernlicht ein, damit der Gegenverkehr rechtzeitig in einer Ausweiche anhalten kann.

Bei Anton und Rosmarie Stangassinger geht es wieder rückwärts auf den Hof. „Wenn hier irgendwo eine Eisplatte ist, dann gute Nacht“, sagt Foisner. Doch der Weg zum Stall ist gut geräumt. 18 Kühe halten sie auf dem Reichardlehen-Hof. „Im Winter ist es nicht einfach, zu uns hochzufahren“, räumen die Stangassingers ein. Trotzdem sei Foisner immer pünktlich. Ihrer Molkerei rechnen sie den Einsatz für die Bergbauern hoch an. „Wir brauchen einen fairen Milchpreis, damit wir unsere Steilflächen bewirtschaften können. Das funktioniert nur, wenn die Verbraucher den Wert unserer Bergbauernmilch erkennen und keine Billigprodukte kaufen. Es ist gut, dass die Molkerei diesen Weg konsequent geht.“

Gut einen Kilometer Luftlinie entfernt wartet Edeltraud Golser auf Foisner. Sie lebt auf dem Schmidbachlehen-Hof auf rund 800 Meter über Meereshöhe. Von dort bietet sich ein traumhaftes Panorama auf die umliegende Bergwelt. „Ich genieße den Freiblick von ganz oben jeden Tag“, sagt Golser. Doch das ist nur möglich, weil sie im Sommer ihre fünf Kühe auf die umliegenden Almweiden treibt. „Wenn man die Flächen nicht bewirtschaftet, steht man über kurz oder lang buchstäblich im Wald, weil die Wiesen wieder zuwachsen“, erzählt sie.

Viele Bauern haben schon aufgegeben

Inzwischen wirft die Morgendämmerung ein diffuses Streulicht auf die schneebedeckte Landschaft. „Bitte Sauerstoffmasken aufsetzen, jetzt fahren wir auf über 1.000 Höhenmeter“, scherzt Foisner. Auf kleinen Straßen geht es in Richtung Roßfeld-Panoramastraße. „Jetzt kommt der daher“, stöhnt er, als ihm ein Schneepflug entgegenkommt. Zentimeterweise schieben sich die beiden Fahrzeuge aneinander vorbei. Manchmal sei kurz nach dem Schneechaos zwischen dem Milchwagen und den Schneemassen nur noch ein Finger breit Platz gewesen – abgesehen davon, dass viele Straßen nicht geräumt waren und Foisner seinen Lkw ab und an durch kniehohen Schnee steuern musste. „Aber mit einem 26-Tonner geht auch das“, sagt er. Ständig sei er unter dem Laster gelegen und habe die Schneeketten aufgezogen oder wieder abmontiert. Das schlaucht.

Früher war Foisner in einer Druckerei angestellt, doch irgendwann beschloss er, sich beruflich neu zu orientieren. Nachdem er bei der Bundeswehr seinen Lkw-Führerschein gemacht hatte, heuerte er beim Fuhrunternehmen Maltan an. „Ich bin mein eigener Chef, ich bin viel an der frischen Luft, und ich komme viel herum. Das liegt mir mehr“, sagt Foisner. Seit mittlerweile 20 Jahren holt er für die Molkerei Berchtesgadener Land die Milch von den Landwirten ab. Seitdem habe es gewaltige Veränderungen gegeben. „Früher haben wir täglich 200 Bauern angefahren, jetzt sind es unter 100“, erzählt er. Die Milchmenge sei aber gleich geblieben, da sich die verbliebenen Landwirte vergrößert hätten.

Weil die Molkerei die Milcherfassung aus ökologischen und ökonomischen Gründen optimiert hat, werden die Höfe nur noch alle zwei Tage angefahren. So konnte sie den Spritverbrauch der Sammelwagenflotte in den vergangenen sechs Jahren um rund 20 Prozent reduzieren. Für Foisner bedeutet das, dass seine Tour im zweitägigen Turnus wechselt. Verfahren habe er sich aber noch nie und auch noch nie eine Station vergessen, beteuert er. „Da wächst man hinein. Ich kann ja schlecht für jeden einzelnen Landwirt einen Zettel schreiben, wo ich hinfahren muss“, sagt er. Nur einmal habe sich eine Bäuerin beschwert, dass er ihre Milch nicht abgeholt habe. „Wenig später hat sich herausgestellt, dass sie sich getäuscht hat. Dann hat sie sich ganz kleinlaut bei mir entschuldigt, als ich das nächste Mal bei ihr vorbeigekommen bin“, erzählt Foisner.

Milcherfassung auf rund 1.000 Metern über Normalnull an der Roßfeld-Panoramastraße: Bauer Josef Lenz (li.) und Franz Foisner.
Die Aussicht auf die Bergwelt im Berchtesgadener Land ist atemberaubend. Im Hintergrund der Watzmann. Seine Silhouette ist auch auf den Milchpackungen der Molkerei Berchtesgadener Land abgebildet.
Die Molkerei Berchtesgadener Land ist mit ihrer Marke vor Ort sehr präsent.

Foisner stoppt seinen Milchlaster an einer Bushaltestelle an der Roßfeld-Panoramastraße. Er hat den höchsten Punkt seiner Tour erreicht. Mehr als 1.000 Meter über Normalnull. Schönau am Königssee liegt auf 600 Metern über dem Meeresspiegel, die Molkerei in Piding sogar nur auf 450 Metern. Eine richtige Bergtour auch für den Lkw. Josef Lenz ist schon da. Auf seinem Hof in Gmerk stehen momentan nur drei Kühe im Stall. Er ist froh, dass der Milchwagen trotzdem kommt. „Danke für den Aufwand“, sagt er.

Drei Kammern mit einem Fassungsvermögen von 6.700, 3.000 und 7.000 Litern verbergen sich hinter der Stahlhülle des Milchtanks auf Foisners Lastwagen. Mittlerweile sind sie gut gefüllt mit Bergbauernmilch und Naturland-Biomilch. „Ein halbvoller Tank kann ganz schön ins Schwappen geraten. Da muss man aufpassen, dass sich der Lastwagen nicht aufschaukelt“, erzählt Foisner, während er langsam die Panoramastraße talwärts rollt und die grandiose Aussicht genießt. Gewaltig erhebt sich der Watzmann über die umliegenden Gipfel sowie die verstreuten Höfe und Ortschaften rundum. Foisner verweist auf die Kneifelspitze. „Ein Geheimtipp für Bergsteiger. Von dort oben ist die Aussicht am besten.“

Ein Berg ist geschafft, zwei stehen noch bevor

Zurück in Berchtesgaden, beschleunigt Foisner seinen Lkw wieder auf normale Geschwindigkeit. „Einen Berg haben wir geschafft, zwei stehen uns noch bevor. Da warten noch ein paar Zuckerl beim Hochfahren“, sagt der Milchfahrer. Hof für Hof und Milchkanne für Milchkanne arbeitet er sich Richtung Bad Reichenhall vor. Inzwischen ist es später Vormittag. Immer weniger Bauern warten persönlich auf den Milchwagenfahrer. Die meisten von ihnen sind längst in der Arbeit, ihre Milchkannen haben sie für Foisner am Straßenrand abgestellt. Am Abend nehmen sie die leeren Behälter auf dem Heimweg von der Arbeit wieder mit. Irgendwann ist auch die letzte Kanne geschafft.

Jetzt pressiert es Foisner nach Piding zur Molkerei. Je später er dran ist, desto später kann er mit seiner zweiten Tour am Nachmittag beginnen. Doch auf der Deutschen Alpenstraße bei Ramsau ist Zwangspause angesagt, weil Arbeiter Eiszapfen von den Felsen abschlagen und dafür den Verkehr aufhalten. „15 Minuten hinten dran“, ärgert sich Foisner. Schließlich rollt er mit seinem vollbeladenen Milchsammelwagen doch auf das Gelände der Molkerei Berchtesgadener Land in Piding.

Foisner stoppt zuerst am Labor. Nur wenn seine Milch frei von sogenannten Hemmstoffen ist, darf er abladen. Damit sind alle Stoffe gemeint, die das Bakterienwachstum hemmen. Diese kommen zum Beispiel in Antibiotika vor, die zur Behandlung von Euterentzündungen eingesetzt werden. Der Fahrer gibt seine Tourdaten am Computer in das Erfassungssystem ein und legt den Teststreifen in ein kleines Messgerät. Nach einer Minute spuckt der Drucker das Ergebnis aus: Die Werte sind unauffällig. Anschließend riecht noch eine Laborantin an einer offenen Probe. Alles gut, Foisner darf zum Abtanken fahren.

Reinigungskraft mit Lkw-Führerschein

Die haushohe Abtankhalle ist nagelneu. Foisner hat Glück. Die Ampel springt auf Grün, eine Entladestraße ist gerade frei geworden. Der Milchwagenfahrer schließt die Schläuche an. 15.000 Liter Milch sind es am Ende geworden, die nun allein durch die Schwerkraft und ohne Pumpe aus dem Tank in die Produktion fließen. Entsprechend still ist es in der Halle. Foisner nutzt die Zeit, um die Armaturen und Tankanschlüsse an seinem Lkw mit heißem Wasser und Seife zu säubern. „Eigentlich bist du als Milchwagenfahrer eine Reinigungskraft mit Lkw-Führerschein. Den Wagen sauber zu halten, ist eine ewige Putzerei. Aber er ist auch eine Visitenkarte für das Fuhrunternehmen und die Molkerei“, sagt Foisner.

Zwischendurch bringt er noch das Magazin mit den Milchproben in die Räume des Milchprüfrings Bayern auf dem Gelände der Molkerei. Beim Erfassen der Milch zieht die Anlage im Sammelwagen automatisch von jedem Landwirt eine Probe, die in ein amtliches Probenfläschchen abgefüllt wird. Diese wird vom Milchprüfring auf Keime, Temperatur sowie auf Arzneimittelrückstände untersucht. Außerdem analysiert der Prüfring die Inhaltsstoffe der Milch wie Eiweiße und Fette. Davon hängt später der ausgezahlte Milchpreis ab. Der Milchprüfring arbeitet als Dienstleister weisungsunabhängig von der Molkerei, um die Interessen der Molkerei und der Landwirte gleichermaßen zu wahren.

In der Abtankhalle der Molkerei Berchtesgadener Land in Piding.
Bevor Franz Foisner die Schläuche anschließt, gibt er am Bildschirm noch die Sorte und Menge der Milch ein, die er anliefert.
Zum Schluss jeder Tour heißt es für Franz Foisner: Milchsammelwagen waschen.

Die zweite Tour geht doppelt so schnell

Eine halbe Stunde steht der Lkw in der Abtankhalle, dann sind alle Kammern leer. Foisner klettert wieder hinter das Steuer. Seine zweite Tour an diesem Tag führt ihn Richtung Traunstein und Teisendorf. Dieses Mal wird er rund 11.000 Liter Naturland-Biomilch und rund 2.000 Liter Demeter-Biomilch von nur 17 Bauernhöfen einsammeln. Bei der ersten Tour waren es noch 85 Bauern, bis alle Kammern voll waren. Weil die Landschaft rund um Teisendorf weitgehend flach bis leicht hügelig ist, fällt den Landwirten die Bewirtschaftung ihrer Wiesen deutlich leichter als den Bergbauern nur wenige Kilometer weiter. Deshalb haben sie mehr Kühe im Stall stehen. Dieses Mal erfasst Foisner auf vielen Höfen mehr als 1.000 Liter, nicht nur ein paar Milchkannen pro Bauer wie vielfach bei der Tour zuvor. „Auch daran sieht man, wie viel Aufwand die Bergbauern betreiben müssen, um auf den Steilflächen ihre Kühe zu ernähren“, sagt Foisner.

Zweieinhalb Stunden später ist er wieder zurück in der Molkerei, für die erste Tour hat er noch sieben Stunden gebraucht. Nach dem Abtanken fährt Foisner noch in die Milchtransporter-Waschhalle. Dort werden die Kammern seines Sammelwagens vollautomatisch mit heißem Wasser und Seifenlauge ausgespült, Foisner muss nur die Schläuche anschließen. So wird sichergestellt, dass keine Restmilch und damit keine Keime im Tank zurückbleiben, die bei der nächsten Fahrt die Milch verderben könnten.

Eine halbe Stunde dauert die Prozedur, dann ist auch dieser letzte Akt jeder Tour geschafft. Foisner fährt noch zum Tanken, aber man merkt ihm seine Ungeduld an. Er will endlich nach Hause. Als er um 18 Uhr – fast eine Stunde später als geplant – seinen Sammelwagen wieder in der Halle des Fuhrunternehmens Maltan unterstellt, ist die Sonne längst untergegangen. Mit seinen Kollegen trinkt er noch ein Feierabendbier, doch er verabschiedet sich schnell. Morgen muss er um 4:15 Uhr aufstehen, damit er sich noch in Ruhe einen Kaffee machen kann, ehe er um 5:30 Uhr wieder pünktlich zur nächsten Tour aufbrechen wird. Denn die Milchkannen der Bergbauern sind dann schon wieder voll.

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