Forderung: Von der neuen Bundesregierung erhofft sich GVB-Präsident Stefan Müller umfassende Reformen, um Deutschland wieder auf Kurs zu bringen.
Hier geht’s zu den einzelnen Gesprächspartnern
- Sebastian Brandmaier, Geschäftsführer der Viehvermarktungsgesellschaft Bayern: „Die neue Bundesregierung soll Ruhe reinbringen“
- Andreas Kraus, Geschäftsführer der Goldsteig Bayerwald: „Mit einer anderen Priorisierung wäre viel gewonnen“
- Robert Wieland, Vorstandsmitglied der Klinik-Kompetenz-Bayern: „Die Vorgaben müssen verändert werden“
- Markus Schappert, Vorstand der VR Bank Oberfranken Mitte: „Neue Ideen braucht das Land, auch bei politischen Konzepten“
„Die neue Bundesregierung soll Ruhe reinbringen“
Rund 15.000 Landwirtinnen und Landwirte arbeiten mit der Viehvermarktungsgenossenschaft Bayern (VVG) zusammen. In allen Phasen der Viehvermarktung nehmen diese die Beratung der VVG in Anspruch. Bei Fragen zur Haltung, Fütterung und Qualitätssicherung von Rindern und Schweinen steht die VVG ihren Mitgliedern zur Verfügung und behält den Überblick bei Veränderungen der gesetzlichen Richtlinien. Das Wohl der Tiere und deren Transporte sind somit die Themen dieser Genossenschaft mit Sitz in Waldkraiburg.
In der Theorie mag vieles wunderbar klingen, sagt Sebastian Brandmaier von der VVG Bayern. Doch die Vorgaben der Politik in der Praxis umzusetzen, das sei vor allem dann schwierig, wenn „die Politik jeden Tag neue Forderungen“ stelle. „Die Haltungsform liegt uns allen sehr am Herzen. Doch wenn es ständig neue, sich teilweise widersprechende Regeln gibt, dann wird es für den einzelnen landwirtschaftlichen Betrieb sehr schwer“, fährt Brandmaier fort. „Daher erhoffen wir uns jetzt von einer neuen Bundesregierung, dass diese Ruhe reinbringt. Sagen wir es so: Man kann nicht ständig eine neue Sau durchs Dorf jagen.“
Ein familiär geführter landwirtschaftlicher Betrieb sei nun mal kein großes Unternehmen. „Wie sollen es diese Betriebe schaffen, auf neue Vorgaben einzugehen, wenn nicht mal die gestrigen erfüllt werden konnten? Für einen kleinen Familienbetrieb bedeutet die Regulatorik oft, dass sich der Bauer am Sonntagnachmittag hinsetzen muss, um die Bürokratie abzubauen – im wahrsten Sinne des Worts.“ Für viele Landwirte seien nicht die steigenden Preise der Grund, um aufzugeben, berichtet Brandmaier. „Wenn man als Landwirt als Tierquäler abgestempelt wird oder so hingestellt, als setze man sich nicht genug für den Umweltschutz ein, dann schlägt das auf die Psyche.“
„Vielleicht hilft es, wenn in anderer Konstellation regiert wird. Die Hoffnung stirbt schließlich zuletzt.“
Sebastian Brandmaier, Geschäftsführer der Viehvermarktungsgesellschaft Bayern
Vom am 23. Februar neu gewählten Parlament erhofft sich der Geschäftsführer der VVG Bayern daher schlicht mehr Verständnis für Arbeitsprozesse in der Landwirtschaft. Es werde nun bestimmt nicht alles von heute auf morgen „besser“. „Doch vielleicht hilft es, wenn in anderer Konstellation regiert wird. Die Hoffnung stirbt schließlich zuletzt“, sagt Brandmaier. Er möchte auch nicht alles, was aktuell nicht rundläuft, der Ampel-Regierung ankreiden. „Da mögen auch den Vorgängern Fehlern unterlaufen sein.“ Doch zuletzt hätten sie immer wieder vor Herausforderungen gestanden, für die sie als Viehvermarktung keine schnelle Lösung gefunden hätten.
„Wir sind eine Genossenschaft, ein Betrieb mit etwa 50 Mitarbeitern. Somit kein Großkonzern, der für alle Bereiche Spezialisten hat“, berichtet Brandmaier und kommt auf europäische Innovations-Programme zu sprechen, die sich eigentlich für ihren Betrieb eignen würden. „Zur Umsetzung allerdings müsste ich zwei bis drei Leute einstellen. Da geht es um Anforderungen, die massiv am Ziel vorbeischießen. So hoffe ich, dass Neue ans Ruder kommen, die mehr abfangen können, was von europäischer Seite an uns herangetragen wird.“
Großbetriebe wolle keiner. „Auch ich bin ein Fan von dem normalen, bäuerlichen Familienbetrieb. Dort ist es um die Viehhaltung meiner Meinung nach am besten bestellt. Diese kleinen Betriebe, die jeder Verbraucher sieht, wenn er von hier aus Richtung Österreich in die Berge fährt, gilt es zu erhalten. Doch wenn diese eine tatsächliche Überlebenschance haben sollen, dann braucht es langfristige Maßnahmen, nicht immer nur kurzfristig geltende.“
„Mit einer anderen Priorisierung wäre viel gewonnen“
„Der Molkerei-Wirtschaft geht es wie vielen anderen Branchen auch: Wir wünschen uns Veränderungen“, sagt Andreas Kraus, Geschäftsführer der Goldsteig Bayerwald. „Wenn ich für genossenschaftliche Mittelstands-Betriebe hier in Süddeutschland spreche, dann prägen unsere Arbeit bürokratische Verfahrensweisen, die leider dafür sorgen, dass sich vieles zu lange hinzieht, zum Beispiel Baugenehmigungen.“ Außer einem Bürokratieabbau wünscht sich Kraus Veränderungen bei der Unternehmensbesteuerung. „Im Vergleich zum internationalen Umfeld sind wir nicht mehr vorne an der Spitze.“
Goldsteig Käsereien Bayerwald
Zu den wichtigen Wirtschaftsfaktoren in Bayern gehören die Molkereigenossenschaften wie die Goldsteig Käsereien Bayerwald, die von vier Genossenschaften getragen wird. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Cham verarbeitet rund eine Milliarde Kilogramm Milch pro Jahr und wird von rund 2.300 Milchlieferanten angeliefert. Hauptprodukt ist Mozzarella, zudem stellt das Unternehmen Emmentaler, Schnittkäse, Frischkäse, Molkeneiweißkäse, Butter, Laktose, Molke, Molkekonzentrat und Magermilchkonzentrat her. Goldsteig beschäftigt rund 770 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Auch die Energieversorgung ist für die Molkerei-Branche ein großes Thema. „Wir sind eine energielastige Branche, als Molkerei-Betrieb haben wir einen sehr hohen Stromverbrauch. Somit war das Jahr 2022 für uns ein harter Schlag mit einem Preisschock, der schwer zu verkraften war“, blickt Kraus zurück. Er habe für eine gesicherte Energieversorgung selbst kein Patentrezept. „Womit uns aber schon geholfen ist, wäre, wenn es einer neuen Bundesregierung gelingt, mehr Planungssicherheit auf die Beine zu stellen.“
Verlässlichkeit sei ein gutes Stichwort in Hinblick auf die Agrarpolitik. „Da wünsche ich mir ehrlich gesagt mehr Expertise“, sagt Kraus. Ernüchternd sei es, wenn es nur um Ideologiediskurse unter fachfremden Entscheidungsträgern gebe. „Viel gewonnen wäre, wenn wir mehr zu praxisnahen Handhabungen zurückkehren könnten. Doch da habe ich eher geringe Hoffnungen.“
Was aber möglich sei, und daher begrüßt der Geschäftsführer von Goldsteig den nun bevorstehenden Regierungswechsel, sei die Verbreitung einer Aufbruchsstimmung: „Ganz gleich, welches Farbenspiel die neue Bundesregierung haben wird, das ist schwer vorherzusagen – ich erhoffe ich mir eine andere Stimmungslage.“
„Man dachte womöglich, dass man es sich leisten könne, andere Themen zu priorisieren. Wirtschaft und Wohlstand stellen allerdings für so vieles die Basis dar."
Andreas Kraus, Geschäftsführer der Goldsteig Bayerwald
In den vergangenen Jahren wären oft Themen im Vordergrund gestanden, bei denen viele Menschen das Gefühl hätten, dass es nicht um die Themen gehe, die für sie aktuell zählen. Wirtschaft und Wohlstand seien in Deutschland als profan abgetan worden. „Man dachte womöglich, dass man es sich leisten könne, andere Themen zu priorisieren. Wirtschaft und Wohlstand stellen allerdings für so vieles die Basis dar“, sagt Kraus. „Ich hoffe also auf eine andere Sprache, eine andere Betonung und eine neue Priorisierung, wenn eine neue Bundesregierung am Zuge ist. Die Menschen treiben derzeit heikle Fragen um, diese müssen wieder in die richtige Relation zu anderen Themen gesetzt werden. Dann ist viel gewonnen.“
In der Wirtschaft gehe es viel um Psychologie, fasst Kraus zusammen. „Das ist eine Binsenweisheit, aber wenn ich mich mittags in unserer Kantine umhöre beziehungsweise mithöre, dann wird mir sehr bewusst, wie wichtig es wäre, dass ein neuer Touch und eine andere Tonlage in die politischen Diskurse zurückkehren.“ Veränderungen gäbe es jetzt nicht von heute auf morgen. „Eine neue Bundesregierung kann aber auf eine andere Betonung achten, was für uns alle wichtig ist.“
„Die Vorgaben müssen verändert werden “
Im Dezember 2024 wurde das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) beschlossen. Dieses Gesetz zur Gewährleistung der Versorgungsqualität in Krankenhäusern und zur Reform der Vergütungsstrukturen trat im Januar 2025 in Kraft. „Reformen sind grundsätzlich notwendig, das bestreiten wir nicht“, sagt Robert Wieland, Vorstandsmitglied der Klinik-Kompetenz-Bayern und Vorstand der Kreiskliniken Günzburg-Krumbach, die seit 2023 Mitglied der KKB sind.
Die Genossenschaft Klinik-Kompetenz-Bayern (KKB) verfolgt seit 2011 das Ziel, kommunale und freigemeinnützige Kliniken in Bayern effektiv zu vernetzen. 66 Kliniken sind in der KKB vertreten, diese bemüht sich für ihre Mitglieder um praxistaugliche und bedarfsgerechte Lösungen sowie flexible Herangehensweisen. „Veränderungen sind in der klinischen Versorgungslandschaft dringend notwendig“, sagt der Vorstand der KKB. „Überall, also in jeder Klinik alles anbieten zu können, das geht wirtschaftlich nicht und es funktioniert nicht, weil Fachkräfte fehlen. Daher bedarf es durchaus einer Restrukturierung. Unsere Kritik entzündet sich aber daran, wie die Krankenhausstrukturreform umgesetzt werden soll.“
Das KHVVG gibt den Kliniken „dezidierte Spielregeln“ vor und legt den Fokus darauf, einige Disziplinen in Zentren zu konzentrieren. „Die Vorgaben sind für viele Krankenhäuser beispielsweise in ländlichen Regionen so gar nicht erfüllbar – letztlich mit der Folge, dass nicht wenige aus der klinischen Versorgungslandschaft verschwinden dürften. Dies kommt einer kalten, also ungeordneten Strukturbereinigung gleich. Das Erfüllen des Regelwerks ist weder bedarfsorientiert noch vernünftig“, sagt Wieland. „Wir als Genossenschaft sind der Meinung, dass diese Regeln noch verändert werden müssen, um in ländlichen Strukturen eine wohnortnahe medizinische Versorgung auch in Zukunft zu gewährleisten.“
„Die neue Bundesregierung könnte die Spielregeln versorgungsgerechter gestalten.“
Robert Wieland, Vorstandsmitglied der Klinik-Kompetenz-Bayern
Die KKB hofft also darauf, dass die künftige Bundesregierung noch Einfluss auf die neuen Regelungen nimmt. Die vorgezogene Bundestagswahl komme „gerade recht“, sagt Wieland. Denn: „Die neue Bundesregierung könnte die Spielregeln versorgungsgerechter gestalten.“ Das KHVVG wird erst nach und nach umgesetzt. Das wird wegen der anstehenden Bundestagswahl noch etwas dauern. Die KKB rechnet mit Mai oder Juni. Es ist, so Wielands Ansicht, also noch Zeit, dass die künftige Bundesregierung das Regelwerk mit Blick auf die medizinische Versorgung der Menschen sinnvoller ausgestaltet und Ausnahmeregeln für Flächenländer wie Bayern definiert.
Die Krankenhausstrukturreform ist aber nicht alles, was dem Vorstandsmitglied der KKB Sorgen bereitet. Ein weiterer Punkt ist die mangelnde Betriebskostenfinanzierung der Kliniken. „Die Ausgaben sind wegen steigender Personal- und Materialkosten und der Inflationsrate höher als die Erlöse. Die Kliniken machen somit weitere Defizite“, erklärt Wieland.
„Die Länder sind für die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser nicht zuständig, die Bundesregierung steht auch hier in der Verantwortung. Doch diese kommt ihrer Verpflichtung nicht beziehungsweise nicht in ausreichendem Maße nach. Mit der Reform erhalten die Krankenhäuser im Jahr 2027 zwar sogenannte Vorhaltebudgets. Dabei geht es allerdings nicht um eine Refinanzierung der Vorhaltekosten um 100 Prozent, sondern um deutlich geringere Anteile.“ Die Vergütung der Krankenhausleistungen reicht aus Sicht des KKB-Verbunds nicht aus.
Und wie viele andere Branchen in Deutschland leiden die Kliniken unter einem hohen Bürokratieaufwand. „Der derzeitige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach spricht von Entbürokratisierung. Das komplette Gegenteil ist aber der Fall“, widerspricht Wieland. „Der Medizinische Dienst wurde aufgestockt, um die Einhaltung der Regularien zu kontrollieren. Zusätzliche Personaldaten müssen in sehr kurzen Abständen regelmäßig gemeldet werden. Man setzt also an dieser Stelle Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegepersonal für bürokratische Kontrollarbeiten ein. Genau dieser Personenkreis fehlt dann an anderer Stelle – nämlich bei der Versorgung der Patientinnen und Patienten.“
Zudem würde die KKB es sehr begrüßen, wenn das Anerkennungsverfahren von Fachkräften beschleunigt werden könnte. „Das gilt insbesondere für ausländische Fachkräfte.“ Leiharbeit müsse eingeschränkt werden, lautet eine weitere Forderung Wielands, „denn die kostet das Dreifache“. Das KKB-Vorstandsmitglied erwähnt ebenso die Aus- und Weiterbildung, die anzupassen sei: „Die neuen Regularien erfordern beispielsweise für die Notaufnahmen zusätzliche Akut- und Notfallmediziner. Diese sind in ganz Deutschland nicht in ausreichender Zahl vorhanden.“ Sollte hier keine Anpassung der Anforderungen erfolgen, bestehe das Risiko, dass zahlreiche Notaufnahmen nicht mehr betrieben würden. Das führe zu medizinischen Versorgungslücken gerade im ländlichen Raum.
Trotz geringer finanzieller und personeller Ressourcen geht es Robert Wieland als Klinikmanager darum, handlungsfähig zu bleiben. Die wohnortnahe klinische Versorgung dürfe nicht unter die Räder kommen, dafür kämpft Wieland als Vorstand der KKB. Eine Umkehr im Denken und Handeln sei notwendig. „Die Qualität der medizinischen Versorgung wird leiden, wenn Kontrollen und Bürokratie unsere Arbeit weiter in diesem Maße beeinflussen und Standards formell immer weiter nach oben gesetzt werden, ohne ausreichend Fachkräfte zur Verfügung zu haben.“
Sicherung einer wohnortnahen medizinischen Versorgung
Zur Klinik-Kompetenz-Bayern gehören 34 Träger mit 66 Kliniken. 1,6 Millionen Patientinnen und Patienten werden in diesen Häusern versorgt. Mit der KKB, die Landkreise und kreisfreie Städte unterstützt, sind auch zahlreiche Medizinische Versorgungszentren, Pflegeheime und Service-Wohnanlagen („Betreutes Wohnen“) verbunden. „Als KKB bündeln wir die Ressourcen in allen Bereichen, in denen es möglich ist, und greifen unseren Mitgliedern unter die Arme. So haben wir vergangenes Jahr auch eine genossenschaftliche Klinik IT ins Leben gerufen“, sagt Robert Wieland. Der KKB-Vorstand, der im Nebenamt tätig ist, besteht aus Martin Rederer, Krankenhausdirektor der Kreisklinik Wörth an der Donau, Manfred Wendl, Vorstand Klinikum Amberg, sowie Robert Wieland, Vorstand Kreiskliniken Günzburg-Krumbach. Weitere Infos über den Klinik-Verbund gibt es im Internet unter www.klinik-kompetenz-bayern.de.
„Neue Ideen braucht das Land, auch bei politischen Konzepten“
180 Volksbanken und Raiffeisenbanken gibt es in Bayern (Stand 31. Dezember 2024). Markus Schappert ist Vorstand der VR Bank Oberfranken Mitte mit Sitz in Kulmbach. Was erwartet er als Vertreter einer bayerischen Kreditgenossenschaft von der nächsten Bundesregierung? „Die bayerischen Kreditgenossenschaften haben sich auch in den zurückliegenden gesamtwirtschaftlich schwierigen Jahren als grundsolide und wertvolle Säule der deutschen Bankenlandschaft erwiesen. Unsere Banken sind, ebenso wie der Wirtschaftsstandort Deutschland, überwiegend mittelständisch geprägt, unser Geschäftsmodell beruht auf Werten wie Regionalität, Fairness und Verantwortung. Ich erhoffe mir von der nächsten Bundesregierung, dass sie den Wert dieser Strukturen erkennt und sie schützt“, sagt Schappert.
Damit meine er den Schutz vor überbordender Bürokratie, vor undifferenzierter Regulierung und vor der geplanten Vergemeinschaftung der EU-Einlagensicherung (EDIS). „Auch als überzeugte Europäer sollten wir die deutschen Wirtschaftsinteressen robuster vertreten und nicht alle in Brüssel entworfenen Gesetzesvorhaben einfach so hinnehmen wie etwa beim Lieferkettengesetz“, sagt der Bankvorstand. Beispielsweise sollte die EU die nationalen Institutssicherungssysteme besser anerkennen, die frühzeitig präventiv einer Schieflage entgegenwirken, statt sich insbesondere mit pauschalen Abwicklungsmechanismen zu beschäftigen (CMDI-Review). „Diese greifen aus meiner Sicht zu spät und helfen nicht bei der Stabilisierung des EU-Bankenmarkts.“
Wie kann die Politik in Wirtschaft und Gesellschaft verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen? Dazu Markus Schappert: „Neue Ideen braucht das Land, keine Frage, auch bei politischen Konzepten. Diese aber sollte man frühzeitig und umfassend mit fachlich qualifizierten Experten von allen Seiten beleuchten, damit nach einer fundierten Entscheidung eine langfristige Verlässlichkeit sichergestellt ist.“ Professionalität und Planungssicherheit seien hier die Stichworte. „Ändern muss sich, dass fachfremde und wenig praxiserfahrene Politiker ideologisch getriebene Entscheidungen von großer Reichweite treffen, die zunächst alle verunsichern und kurz darauf wegen weitgehender Realitätsferne aufwändig geändert oder abgeschafft werden müssen“, kritisiert der Vorstand der VR Bank Oberfranken Mitte.
„Leistung und Erfolg müssen gefördert und belohnt werden, statt gute Initiativen mit viel Bürokratie zu schwächen.“
Markus Schappert, Vorstand der VR Bank Oberfranken Mitte
Weiterhin sollten die Menschen und Unternehmen wieder spüren, dass der Staat ihnen etwas zutraut, so der Vorstand. „Leistung und Erfolg müssen gefördert und belohnt werden, statt gute Initiativen mit viel Bürokratie zu schwächen und durch eifrige Arbeit erwirtschaftete gewerbliche wie private Einkommen mit immer höheren Steuern und Abgaben zu belegen.“ Für zunehmend erforderlich hält es Schappert, dass der Staat seine eigene Ausgabendisziplin hoch priorisiert, denn ein sorgsamer Umgang mit Steuergeldern sei eine wichtige Voraussetzung für Vertrauen von Wirtschaft und Gesellschaft in die Politik. „Da ist meines Erachtens in den vergangenen Jahren einiges aus dem Ruder gelaufen, allein der Regierungsapparat wurde von der letzten Regierung beispielsweise um 1.600 neue Beamtenstellen erweitert, solche Maßnahmen sorgen bei der Bevölkerung nicht für Begeisterung“, sagt Schappert.
Auf die Frage, welche politischen Schwerpunkte es im Bund braucht, um Wirtschaftskraft und Wohlstand in Bayern und Deutschland dauerhaft zu sichern, formuliert Schappert drei Punkte. Der erste und wichtigste Punkt sei hier: „De-Industrialisierung stoppen!“. Nach dem Rückgang im Jahr 2023 sei die Wirtschaftsleistung Deutschlands im Jahr 2024 nochmals um 0,2 Prozent gesunken. In der Industrie, von deren Aufträgen viele weitere Branchen, zum Beispiel im Handwerk, stark abhängig sind, sei der Wert sogar um 3,0 Prozent gesunken, die Investitionen in Ausrüstungen wie Maschinen, Geräte und Fahrzeuge gingen um 5,5 Prozent zurück. „Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung prognostiziert, dass Deutschland für 2025 beim Wirtschaftswachstum das Schlusslicht unter weltweit 38 Ländern mit einer entwickelten Industrie sein wird. Unsere Großunternehmen verlagern ihre Produktion ins Ausland, der Mittelstand leidet oder muss schließen. Die damit verbundenen Ängste der Menschen um ihre Arbeitsplätze führen hierzulande zu deutlich geringeren Konsumausgaben“, betont Schappert. Aus dieser Abwärtsspirale führe nur schnelles und entschlossenes Handeln heraus, die wichtigsten Punkte seien eine deutliche Senkung der Energiekosten, Reduzierung der Steuerlasten, erheblich weniger Regulierung und Berichtspflichten an staatliche Organisationen, Modernisierung der Verkehrsnetze sowie der Ausbau sicherer digitaler Infrastrukturen im ganzen Land.
Um den Wohlstand des immer größeren Teils der älteren Bevölkerung zu sichern, ohne gleichzeitig den Jüngeren große Lasten aufzubürden, wie das im jetzigen Modell unvermeidlich kommen werde, brauche es zweitens ein modernes Rentensystem. „Das rein über Umlagen finanzierte deutsche Rentenmodell ist nicht geeignet für den bevorstehenden demografischen Wandel. Hier lohnt sich ein Blick nach Schweden. Dort hat sich seit nunmehr 25 Jahren ein teilweise kapitalmarkorientiertes Rentenmodell erfolgreich etabliert, in welchem auch Beamte und Selbstständige integriert sind“, sagt der Bankvorstand. Die Idee einer aktienbasierten Rentenkomponente für alle Beitragszahler sei schon in vielen Ländern Europas umgesetzt worden. „Hier sollten wir schnell nachziehen, um den Generationenvertrag nicht zu gefährden.“
Als dritten wesentlichen Punkt hält Schappert das Thema „Finanzielle Bildung“ für wichtig, um den Wohlstand zu erhalten. Auf Basis einer repräsentativen Studie hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Herbst 2024 eine nationale Finanzbildungsstrategie für Deutschland vorgeschlagen, um die Finanzkompetenz zu stärken. Auftraggeber waren das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die im März 2023 gemeinsam die Initiative Finanzielle Bildung gestartet hatten. Zentrales Element der Initiative ist die Erarbeitung einer Finanzbildungsstrategie für Deutschland auf Basis der OECD-Vorschläge. „Diese Initiative sollte in jedem Fall von der neuen Regierung weiter gestärkt werden“, fordert Schappert.