Zustimmung: GVB-Präsident Jürgen Gros teilt die Einschätzung von Dorothea Schäfer vom DIW Berlin. Dem risikoarmen Geschäftsmodell der Regionalbanken muss bei der Regulierung stärker Rechnung getragen werden.
Nach zähen und langwierigen Verhandlungen haben sich die Notenbankchefs und Bankenaufseher im Baseler Ausschuss Ende 2017 auf die Finalisierung der internationalen Bankenstandards Basel III geeinigt. Damit werden Methoden und Ansätze zur Berechnung der Eigenkapitalanforderungen für Banken neu geregelt. Schon in drei Jahren, am 1. Januar 2022, sollen die neuen Vorgaben in Kraft treten. Davor muss die EU allerdings die internationalen Vorschriften in europäisches Recht umsetzen.
Da umfangreiche Auswirkungen auf die Eigenkapitalanforderungen der Banken zu erwarten sind, wurde in der Branche frühzeitig von „Basel IV“ gesprochen. Nach ersten Berechnungen ist über alle Forderungsklassen hinweg im Durchschnitt mit strengeren Vorgaben zu rechnen. Laut Berechnungen der Bundesbank werden die Eigenkapitalanforderungen für deutsche Banken durch das neue Regelwerk um fast ein Viertel ansteigen. Doch das mindert das Potenzial der Banken zur Kreditvergabe. Damit drohen Auswirkungen auf die Realwirtschaft, da sich der deutsche Mittelstand überwiegend mit Fremdkapital finanziert.
Handlungsbedarf besteht vor allem in drei Bereichen:
- Erstens muss der in Europa bewährte KMU-Faktor erhalten bleiben.
- Zweitens sollten die EU-Gesetzgeber bei den Kriterien für das Mengengeschäft die weiche Formulierung des Granularitätskriteriums beibehalten.
- Und drittens müssen die Besonderheiten der Immobilienfinanzierung in Deutschland berücksichtigt werden.
1. Europäischen KMU-Faktor erhalten
Um kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) einfacheren Zugang zu Krediten zu verschaffen, wurde in Europa vor einigen Jahren der sogenannte KMU-Faktor eingeführt. Er senkt die Eigenkapitalanforderungen der Banken für Firmenkredite, die ein Gesamt-Kreditvolumen von 1,5 Millionen Euro nicht übersteigen. Der KMU-Faktor hat sich in der Praxis bewährt und gewährleistet diversen Studien zufolge eine risikoadäquate Kapitalunterlegung („Support for the SME supporting factor – multi-country empirical evidence on systematic risk factor for SME loans“, Deutsche Bundesbank Discussion Paper No 45/2016). Er ist jedoch weiterhin kein Bestandteil des Basel III-Finalisierungspakets.
Bei einer Eins-zu-eins-Umsetzung der internationalen Vorgaben würde der KMU-Faktor in der EU entfallen. Einen wichtigen Schritt zum Erhalt des Faktors haben die EU-Gesetzgeber immerhin in ihrer kürzlich erzielten Einigung zum Bankenpaket erzielt. Der KMU-Faktor wurde nicht nur beibehalten, sondern auch ausgeweitet. Zukünftig soll er bei KMU-Krediten mit einem Beleihungsrahmen von bis zu 2,5 Millionen Euro angewendet werden können.
2. Weiche Formulierung des Granularitätskriteriums beibehalten
Mit dem Basel III-Finalisierungspaket werden die Regeln für kleinteiliges Kreditgeschäft verschärft. Bisher konnten Kleinkredite mit einem Volumen von bis zu 1 Million Euro dem sogenannten Mengengeschäft zugeordnet und dadurch mit weniger Eigenkapital unterlegt werden. Die Idee dahinter: Ein kleinteiliges Portfolio an Krediten hilft, Risiken zu diversifizieren.
Der Baseler Ausschuss hat hingegen beschlossen, dass einzelne Kredite grundsätzlich nur dann dem Mengengeschäft zugeordnet werden dürfen, wenn ihr Volumen weniger als 0,2 Prozent des gesamten Mengengeschäfts umfasst. Dieses sogenannte Granularitätskriterium stellte bis jetzt lediglich eine Empfehlung des Baseler Ausschusses an die Aufseher dar („weiches“ Kriterium). Mit der Basel III-Finalisierung wird das Granularitätskriterium „gehärtet“ und soll als verbindliches, zusätzliches Kriterium zur Anwendung gelangen.
Die Härtung des Granularitätskriteriums verteuert die Mittelstandsfinanzierung gerade bei kleineren Banken. Umfasst das Mengengeschäfts-Portfolio einer Bank beispielsweise ein Volumen von 100 Millionen Euro, würde der Schwellenwert für die Zuordnung zum Mengengeschäft von 1 Million Euro auf 200.000 Euro je Kredit sinken. In der Folge müssten größere Mittelstandskredite mit mehr Eigenmitteln unterlegt werden. Eine Verteuerung dieser Kredite wäre die Folge. Zudem würden kleinere Banken im Wettbewerb benachteiligt. Auf Grund ihres geringeren Mengengeschäfts müssten kleinere Banken ein und denselben Kredit mit mehr Eigenkapital unterlegen als eine Großbank.
Im Interesse des Mittelstands sollte bei der Umsetzung der neuen Baseler Regeln in Europa an der aktuellen Regelung zum Mengengeschäft festgehalten werden: Diese ermöglicht es auf Basis qualitativer Kriterien, Mittelstandskredite mit einem Volumen von bis zu 1 Million Euro dem Mengengeschäft zuzuordnen. Das harte Granularitätskriterium sollte daher im EU-Recht nicht umgesetzt werden.
3. Besonderheiten bei der Immobilienfinanzierung berücksichtigen
Gemäß Basel III-Finalisierungspaket soll die Methode für die Berechnung der Risikogewichtung von Krediten, die mit Immobilien besichert sind, neu ausgestaltet werden. Künftig soll die Beleihungsquote „Loan-to-Value“ (LTV) ausschlaggebend für das Risikogewicht sein. Sie beschreibt das prozentuale Verhältnis der Kreditforderung zum Wert der gestellten Immobiliensicherheit bei Vertragsbeginn. Neben der LTV ist zu prüfen, ob die Rückzahlung der Forderung im Wesentlichen von den aus der Immobilie erwirtschafteten Zahlungsströmen abhängt.
Die Neuregelung der Immobilienfinanzierung führt dazu, dass Banken mehr Eigenkapital vorhalten müssen. Das erschwert die Vergabe von Immobilienkrediten an Mittelständler. Aufgrund der hohen Werthaltigkeit besicherter Kredite und der stabilen Wertentwicklung in Deutschland ist die Erhöhung der Risikogewichtung für den deutschen Kreditmarkt nicht nachvollziehbar. Insbesondere der Grundstücksmarkt zeigt sich sehr liquide und ist von regelmäßigen Wertsteigerungen geprägt. Die Erfahrungen zeigen, dass bei Immobilienfinanzierungen die Ausfallquoten überschaubar sind. Von der Immobilienfinanzierung gehen daher keine akuten Risiken für die Stabilität der deutschen Banken oder des Finanzsystems aus. Das bestätigt auch der Sachverständigenrat für Wirtschaft in seinem jüngsten Gutachten.
Um diese Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen, sollte die EU die neuen Basel III-Vorgaben erst nach der Durchführung eines „Hard-Tests“ umsetzen, mit dem die Verluste aus dem Immobilienkreditgeschäft ermittelt werden. Nationale Immobilienmärkte mit geringen Risiken könnten entsprechend geringere Risikogewichte erhalten als im Basel III-Finalisierungspaket vorgesehen. Darüber hinaus sollten die in den Baseler Vorgaben vorgesehenen Risikogewichtsbänder gespreizt werden. Damit kann sichergestellt werden, dass dem geringen Risiko des deutschen Immobilienmarkts ausreichend Rechnung getragen wird.
Daniel Fischer ist wirtschaftspolitischer Referent beim Genossenschaftsverband Bayern.