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Frau Marten, der dänische Notenbankchef Lars Rohde hat Anleger mit den Worten „Bleiben Sie weg. Das ist tödlich“ vor Kryptowährungen wie Bitcoins gewarnt. Sollten sich Anleger daran halten?

Sonja Marten: Die Warnung ist zwar sehr drastisch formuliert, aber dennoch angebracht. Ich glaube, dass vor allem unerfahrene Anleger vor dem Hintergrund des Hypes um Kryptowährungen im Dezember nur die enormen Renditen sehen, die Anlagen in Cybergeld mit etwas Glück abwerfen können. Die substanziellen Risiken werden gerne verdrängt. Eine Anlage in Kryptowährungen bietet keinerlei Schutz. Wenn die Bitcoins weg sind, sind sie weg. Da kommt hinterher niemand und reguliert den Schaden.

Welche Risiken gehen Anleger ein, wenn sie auf Kryptowährungen setzen?

Marten: Die Risiken sind vielfältig. Allein schon durch die extremen Kursschwankungen können die Anleger hohe Verluste erleiden. Das schlimmste Szenario ist der Totalausfall, wenn zum Beispiel eine Plattform gehackt wird oder die Zugangsdaten zur digitalen Geldbörse – der sogenannten Wallet – verloren gehen. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass Investoren zwar über eine hübsche Summe an Bitcoins oder anderen Kryptowährungen verfügen, das virtuelle Geld am Ende aber nicht ausgeben können, weil es niemand mehr haben will. Im Euroraum ist Euro-Bargeld das alleinige gesetzliche Zahlungsmittel. Zwar gibt es vor allem im Internet immer mehr Händler, die Cyberwährungen als Zahlungsmittel akzeptieren, doch das ist rein freiwillig. Anleger können niemanden dazu zwingen, ihr Kryptogeld zurück in Euro oder Dollar zu tauschen, auch wenn das im Moment viele trotz der enormen Kursschwankungen mit Handkuss tun würden.
 

Es gibt also niemanden, der bei Ärger mit Cybergeld hilft…

Marten: Genau, das ist ein ganz wichtiger Faktor. Es gibt bei virtuellen Währungen keine zentrale Institution oder eine Behörde, die bei Problemen einschreitet. Es war ja auch das erklärte Ziel der Bitcoin-Gemeinschaft, eine dezentrale Währung zu erschaffen, die von niemandem beeinflusst werden kann – weder durch die Geldpolitik einer Zentralbank noch durch andere politische oder wirtschaftliche Interessen. Das ist auch eine Frage der Ideologie. Damit ist aber auch das Risiko verbunden, dass niemand eingreifen wird, wenn es Schwierigkeiten gibt, sei es durch technische Probleme, einen Hacker-Angriff oder Marktverwerfungen.

„Der Anlegerschutz wird bei Kryptowährungen nicht gerade großgeschrieben.“

Wie können Anleger ihre Rechte durchsetzen?

Marten: Nochmal: Es ist niemand da, den Sie zur Verantwortung ziehen können. Wen wollen Sie denn verklagen? Banken verkaufen in der Regel keine Kryptowährungen. Und der Handel mit Cybergeld findet online in dezentralen Netzwerken zwischen anonymen Partnern statt. Wie will der Investor nachweisen, dass er geschädigt worden ist? Ich drücke es mal sehr vorsichtig aus: Der Anlegerschutz wird bei Kryptowährungen nicht gerade großgeschrieben.


Dennoch hat der Bitcoin gerade einen Höhenflug hinter sich. Wie bewerten Sie die Kursentwicklung in den vergangenen Wochen?

Marten: Was wir Ende 2017 beim Bitcoin gesehen haben, war eine Blase. Die Wertentwicklung war vollkommen losgelöst von der Realität. Auch das ist ein Kernproblem von Kryptowährungen: Wie lassen sie sich bewerten? Da stecken ja keine realen Werte dahinter – keine Wirtschaftsleistung eines Staats wie bei Staatsanleihen, und auch keine reale Substanz von Unternehmen wie bei Unternehmensanleihen oder Aktien. Letztendlich gibt es nichts, woran man eine Bewertung festmachen könnte. Das heißt nicht, dass Kryptowährungen ein Strohfeuer sind. Aber es stellt sich die Frage, in welcher Form und auf welchem Niveau sie sich weiterentwickeln werden. Denn auch wenn wir bei Kryptowährungen wie dem Bitcoin von Wertsteigerungen von über 1.000 Prozent reden, sprechen wir auch von Schwankungen von 500 Prozent und mehr. Wer investiert, wagt ein sehr riskantes Spiel.

Wer spielt bei diesem Spiel mit?

Marten: Wahrscheinlich sind darunter auch viele private Investoren, von denen wir es nicht vermuten würden, weil sie sich von der Aussicht auf einen hohen Gewinn zu einem Investment haben verleiten lassen. Seit die US-Derivatebörse CME in Chicago Bitcoin-Futures ausgibt, ist es für institutionelle Anleger zudem leichter geworden, in diese virtuelle Währung zu investieren. Ein möglicher Gewinn bei Kryptowährungen resultiert jedoch allein aus der Kurssteigerung. Da gibt es keine Zinsen und keine Rendite. Deshalb müssen Investoren sehr risikofreudig sein und auch die Fähigkeit haben, diese hohen Risiken zu tragen. Es gibt den schönen Spruch „Gier frisst Hirn“, und gerade bei Kryptowährungen drängt sich mir der Eindruck auf, dass dieser Spruch hin und wieder zutrifft.

Was würden Sie Anlegern stattdessen empfehlen?

Marten: Ein normaler Investor ist gut beraten, wenn er auf Investments setzt, die mit einem realen Wert unterlegt sind, zum Beispiel Aktien, Unternehmensanleihen oder Staatsanleihen. Auch da ist es nicht einfach, die Wertentwicklung vorherzusagen, aber ich habe immerhin einen Ankerwert. Selbst bei Devisen, die immer schwierig zu bewerten sind, kann ich mir immer noch die Politik der Zentralbank und die Wirtschaftsleistung des jeweiligen Lands ansehen. All das kann ich bei Kryptowährungen nicht. Sie machen auch deshalb allenfalls als Beimischung Sinn, um das Portfolio zu diversifizieren. Das kommt aber nur für Investoren mit einem sehr hohen Risikoappetit infrage.

„Wir reden hier von einem sehr kleinen, illiquiden Markt.“

Ende Januar hatten alle Kryptowährungen zusammen einen Marktwert von rund 530 Milliarden Dollar. Mit welcher Entwicklung rechnen Sie?

Marten: Die Marktkapitalisierung wird wachsen. Aber man muss die Entwicklung im Kontext betrachten. Auch wenn es nicht zuletzt dank der Ausgabe von Bitcoin-Futures immer leichter wird, in Kryptowährungen zu investieren, reden wir hier doch von einem sehr kleinen, illiquiden Markt. Allein im Vergleich mit der Geldmenge der Europäischen Währungsunion – rund 12 Billionen Euro – erscheint der Marktwert von 530 Milliarden Dollar für alle Kryptowährungen weltweit doch recht gering. Solange das so ist, werden sich Krisen kaum auf andere Finanzsegmente auswirken. Das heißt im Umkehrschluss: Es gibt keine Notwendigkeit für irgendeine Zentralbank auf dieser Welt, bei einer Krise virtueller Währungen einzugreifen, weil niemand einen Flächenbrand befürchten muss.

Frau Marten, vielen Dank für das Interview!

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