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Nach Jahren intensiver Diskussionen hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) am 26. November 2024 eine Aufsichtsmitteilung veröffentlicht, die auf den ersten Blick wie eine unspektakuläre Klarstellung wirkt. Tatsächlich enthält die Mitteilung deutliche Neuerungen, zu denen sich die BaFin noch bis vor Kurzem in dieser Form nicht positioniert hätte. Die klare Positionierung in Bezug auf Auslegungsfragen der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) von Banken stellen ein absolutes Novum dar. Von diesem Paradigmenwechsel werden über 1.000 Banken in Deutschland profitieren. Es ist ein erster, hart erkämpfter Schritt in die richtige Richtung, dem nun weitere folgen müssen.

Verständnis bei der BaFin wächst

Bei der BaFin ist erst in der letzten Zeit Bewegung beim Thema Proportionalität zu beobachten. Im Jahr 2024 besuchten Top-Beamte der BaFin verschiedene Volks- und Raiffeisenbanken in Bayern, um sich Feedback zur Regulierungspraxis einzuholen. Diese Gespräche wurden vom GVB personell und inhaltlich unterstützt. Im Fokus standen dabei die häufig unverhältnismäßig hohen Anforderungen für kleine und mittlere Institute. In der Aufsichtspraxis müssen sie oft die gleichen Anforderungen wie Großbanken erfüllen – und das, obwohl ihr Risikoprofil wesentlich geringer einzuschätzen ist.

„Viele Aufsichtsanforderungen bringen einen erhöhten administrativen Aufwand mit sich, ohne dabei die Sicherheit zu erhöhen.“

Nur durch das unablässige Einwirken von Banken und ihren Verbänden – vor allem aus dem Genossenschaftssektor, die einen Großteil der kleinen Institute in Deutschland ausmachen – stellt sich bei der BaFin jüngst die Einsicht ein, dass überzogene Aufsichtsanforderungen der Stabilität des deutschen Bankensystems nicht helfen, sondern schaden. Denn viele Aufsichtsanforderungen bringen einen erhöhten administrativen Aufwand mit sich, ohne dabei die Sicherheit zu erhöhen. Bei kleinen Instituten ohne entsprechende Skaleneffekte drückt dies zudem auf die Profitabilität. Ein Wettbewerbsnachteil entsteht, der den Fusionsdruck erhöht. Die damit verbundenen Effekte gefallen auch der BaFin meist nicht.

Auch die BaFin sieht im deutschen Drei-Säulen-Modell mit seinen vielen unabhängigen Instituten eine Stärke. Denn es ist gerade die Fragmentierung des deutschen Bankensystems, die es für viele Arten von Krisen weniger anfällig macht. Vor allem sind Kreditgenossenschaften als regional verankerte Mittelstandsfinanzierer und Nahversorger für Privatpersonen ein wichtiger Baustein der Finanzdienstleistung hierzulande. Das sehen auch die Aufsichtsbehörden so.

Das Understatement der BaFin

Die BaFin selbst betont in ihrer Mitteilung, dass keine wesentlichen Neuerungen eingeführt würden. Sie hält den Ball bewusst flach, um sich nicht dem Vorwurf aussetzen zu müssen, man hätte kleine Institute bisher unverhältnismäßig beaufsichtigt. Die Spielräume hätten schon immer bestanden, Banken und Prüfungsverbände hätten sie nur anwenden müssen, so die Aussage des scheidenden Chefs der Bankenaufsicht, Raimund Röseler, in einem begleitenden Interview zur Aufsichtsmitteilung.

Die BaFin verklärt hier unnötigerweise etwas die Realität der Aufsichtspraxis. Sie sollte den gemachten Paradigmenwechsel selbstbewusst kommunizieren. Denn die Aufsichtsmitteilung stellt eine positive Neuentwicklung dar, die entsprechend gewürdigt werden sollte. Definitiv neu ist beispielsweise die Einführung von Größenklassen für die MaRisk. Die BaFin beruft sich hier für die Definition „kleiner“ Institute auf die Grenze von fünf Milliarden Euro Bilanzsumme aus der Eigenkapitalverordnung CRR. Für die Definition „sehr kleiner“ Institute gibt es so eine gesetzliche Basis aber nicht. Dennoch hat sich die Aufsicht positiverweise zu einem klaren Größenmerkmal von einer Milliarde Euro Bilanzsumme bekannt, was im Kontext der deutschen Bankenstruktur ein wichtiges Kriterium darstellt.

Vor solch klaren Bekenntnissen schreckt die deutsche Aufsicht normalerweise zurück. Häufig äußert sich die BaFin informell kritisch zu Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) oder europäischen Regelungen. Wenn es dann darum geht, diese Ansichten auch gegenüber der EBA zu vertreten, oder um verbindliche Aussagen, die für die Prüfungspraxis relevant wären, warten Banken und Verbände meist vergeblich auf Schützenhilfe. Die Aufsichtsmitteilung stellt eine klare Abweichung von diesem häufig praktizierten Prinzip dar. Banken und Verbände haben nun Sicherheit, dass wahrgenommene Erleichterungen nicht doch zu Feststellungen führen können.

Die Aufsichtsmitteilung zeigt Hebel für Entlastung auf

In der Diskussion um Bürokratieabbau wird häufig auf die Gesetzgebung geschaut. Außenstehende mag es überraschen, dass viel Bürokratie erst in der Konkretisierung und Auslegung durch die Aufsicht entsteht. Gerade in der sogenannten Säule 2 des Bankaufsichtsrechts, die das Risikomanagement einschließt, ist auf Gesetzesebene lediglich ein grober Rahmen vorgegeben. Die Aufsicht füllt diesen Rahmen mit Verwaltungsvorschriften und Leitfäden. Es liegt daher allein in der Macht der Aufsicht, Unklarheiten beispielsweise in Bezug auf Berichtwesen, Stresstests oder das Auslagerungsmanagement auszuräumen und die administrative Belastung der Banken zu senken.

Der Umstand, dass die Aufsicht eine so große Rolle in der Regelanwendung spielt, ist auch ein Segen. Denn per Verwaltungsakt wäre die BaFin in der Lage, für viel Erleichterung zu sorgen – unabhängig davon, ob wir aktuell eine funktionierende Bundesregierung haben oder nicht.

Ein erster Schritt – weitere müssen folgen

Neben den Besuchen bei Ortsbanken beschäftigt sich die BaFin in Arbeitsgruppen, in denen auch der GVB vertreten ist, wieder verstärkt mit dem Thema Proportionalität. Auf der Agenda ist das Thema vor allem deshalb, da die neuen europäischen Vorgaben (CRR III/ CRD VI) eine wesentliche Mehrbelastung bringen und viel Konkretisierungsarbeit an die europäischen Behörden ausgelagert wurde.

„Dabei bleibt zu hoffen, dass die aktuelle Aufsichtsmitteilung nicht nur ein einmaliger Schritt ist, sondern der Auftakt zu einer umfassenderen Reform der Bankenregulierung in Deutschland.“

Dies wird zahlreiche neue Leitlinien der EBA zur Folge haben, die nicht für kleine Institute gedacht sind, und deshalb in der deutschen Anwendung entsprechend angepasst werden müssen – ganz abgesehen von den regulatorischen Altlasten, die weiterhin bestehen. Dabei bleibt zu hoffen, dass die aktuelle Aufsichtsmitteilung nicht nur ein einmaliger Schritt ist, sondern der Auftakt zu einer umfassenderen Reform der Bankenregulierung in Deutschland. Möglicherweise kann dies ein erster, zaghafter Schritt hin zu einem eigenen Kleinbankenregime sein, wie es zum Beispiel in der Schweiz existiert.

Die Zurückhaltung der BaFin, ihre Mitteilung als Neuerung zu kommunizieren, mag politisch motiviert sein. Doch es ist wichtig, die Tragweite dieser Entscheidung anzuerkennen. Dieser Paradigmenwechsel öffnet den Weg für eine nachhaltigere Aufsichtspraxis, die kleinen Instituten Luft zum Atmen lässt. Es bleibt nun an der Politik und der Aufsicht, diesen Weg konsequent weiterzugehen und die Vielfalt des deutschen Bankensystems zu sichern. Der GVB wird die BaFin auf diesem Weg weiter unterstützen.

Stefan Müller ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern.
Zu seinem Profil auf LinkedIn.

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