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Corona bestimmt zurzeit unseren Alltag und dominiert Medien sowie Politik. Unabhängig davon läuft die politische Arbeit in allen Bereichen weiter, jedoch mit weniger öffentlicher Aufmerksamkeit. So auch bei der nachhaltigen Finanz- und Geldpolitik, an der in der EU mit Hochdruck gearbeitet wird. Die sogenannten ESG-Ziele (Umwelt, Soziales, Governance) sollen Teil der Kapitalmarktregulierung werden.

Hier wird jedoch das richtige Ziel – der Kampf gegen den Klimawandel – mit den falschen Mitteln verfolgt. Denn die geplante Taxonomie schafft eine bisher nie da gewesene Bürokratie, blockiert notwendige Innovationen und ist für viele Betriebe existenzbedrohend.

Ziel der Kapitalmarktregulierung ist die Stabilität der Finanzmärkte. Mit ihrer Politisierung, wie zum Beispiel durch den Green-Supporting-Faktor (das heißt, geringere Eigenkapitalanforderungen bei grünen Unternehmen), sowie der Abkehr von der Risikoorientierung nehmen die Gefahren zu. Eine Blasenbildung wie 2008 in den USA wird wahrscheinlicher. Als ob grün gleich risikoarm bedeutet. Nach dieser Logik hätte der Windkrafthersteller Prokon nie in Konkurs gehen dürfen.

„Die Demokratie wird ausgehöhlt.“

Mit steigender Komplexität der Produkte werden diese anfälliger für Betrug. Der Fall Wirecard zeigt aktuell, wie schwer es ist, komplexe Strukturen zu beaufsichtigen. Hauptziel der treibenden Kräfte – vorranging sogenannte Expertengremien aus europäischen Finanzaufsehern und Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) – ist es, die Transformation der Wirtschaft in ihrem Sinne voranzutreiben. Die Umwelt- und Sozialpolitik wird nicht mehr in den zuständigen Parlamenten diskutiert und entschieden. Die Demokratie wird ausgehöhlt. Wichtige gesellschaftspolitische Entscheidungen erfolgen in nicht demokratisch legitimierten Expertengruppen. Die extreme Detailtiefe erschwert beziehungsweise verhindert künftig die Finanzierung vieler Unternehmen, zusätzlich zu den aktuellen Problemen in der Corona-Pandemie. Wird zukünftig der konventionelle Bauer noch finanziert oder nur der Bio-Bauer? Sind Mittelständler der Kfz-Industrie, die Produkte mit besserem Wirkungsgrad herstellen, bald noch finanzierbar? Einem innovativen Entsorgungsunternehmen wird das „grüne Siegel“ verweigert, weil es ein Kriterium nicht erfüllen kann.

Es droht ein Diktat der Regulierung, die den Markt aussetzt und Innovationen verhindert. Der europäischen Regulierung folgen zusätzlich noch Vorgaben von der Aufsichtsebene, Ratingagenturen sowie Wirtschaftsprüfern. Jedes Unternehmen wird zukünftig ein grünes Rating mit entsprechenden Kosten benötigen – ein wirtschaftliches Rating hat heute nur rund jedes fünfte Unternehmen in Deutschland.

Statt dieser ökologischen Planwirtschaft sollte eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft unser Ziel sein. Denn um den Klimawandel effektiv gestalten zu können, benötigen wir dringend Innovationen bei bestehenden und neuen Technologien. Politische Institutionen müssen den Rahmen vorgeben und im Wettbewerb werden sich dann die besten Lösungen durchsetzen.

Mit dem Green Deal der EU und den damit verbundenen Projekten geht es um das richtige Ziel. Es wird jedoch der falsche Weg eingeschlagen. Am Ende könnten wir damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft verlieren und die ambitionierten Klimaziele verfehlen. Nur mit einer sozialökologischen Marktwirtschaft können wir sie nachhaltig erreichen.

Zur Person

Der Finanzpolitiker Alexander Radwan (*1964) kennt den politischen Betrieb von der kommunalen bis zur europäischen Ebene. Nach seinem Abschluss als Flugzeugbau-Ingenieur studierte er Jura. 1995 wurde er als Rechtsanwalt zugelassen. Als Europaabgeordneter spezialisierte er sich ab 1999 auf die Themen Wirtschaft und Finanzen. 2008 wechselte er als Abgeordneter in den Bayerischen Landtag. Seit 2013 vertritt Radwan im Deutschen Bundestag den Wahlkreis Bad Tölz-Wolfratshausen – Miesbach. Im Parlament gehört er unter anderem dem Finanzausschuss an. Seit 2018 ist Radwan zudem Mitglied des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Alexander Radwan und dem Münchner Merkur. Dieser Beitrag erschien zuerst im Münchner Merkur vom 27. Oktober 2020.

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