Personalentwicklung: Die Fähigkeit zum Wandel ist für den Unternehmenserfolg elementar. Wie können Genossenschaftsbanken Mitarbeiter finden, die Veränderungen aktiv vorantreiben?
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Ertrag, Aufwand, Ergebnis: Anhand dieser Größen aus der Gewinn- und Verlustrechnung können Unternehmen messen, ob sie wirtschaftlichen Erfolg haben. In der Außendarstellung oder bei der Rekrutierung von Mitarbeitern liegt es jedoch zunehmend im Trend, sich mit anderen „weichen“ Werten wie etwa Transparenz, Fairness oder Vertrauen auseinanderzusetzen. Immer öfter wird in diesem Zusammenhang von der Unternehmenskultur gesprochen. Auch die Volksbanken und Raiffeisenbanken beschäftigen sich aktiv damit, wie sie ihre Kultur beeinflussen können. Zum Beispiel die VR-Bank Mittelfranken West und die Volksbank Raiffeisenbank Würzburg.
VR-Bank Mittelfranken West: Aus zwei Kreditinstituten wird eins
Im Jahr 2015 haben sich die RaiffeisenVolksbank eG Gewerbebank und die VR-Bank Rothenburg o.d.Tbr. zur VR-Bank Mittelfranken West zusammengeschlossen. Eine Frage beschäftigte die Vorstände damals intensiv: Wie können wir eine Bank werden, die einerseits auf dem Fundament der beiden Ursprungsinstitute aufbaut und andererseits eine gemeinsame Identität für alle Mitarbeiter schafft? Sie entschieden sich dazu, ihre Unternehmenskultur neu zu denken.
Am Anfang ging es darum, die zur Bank passenden Grundprinzipien zu bestimmen. „Das war eine der schwersten Aufgaben im gesamten Prozess“, erzählt der Vorstandsvorsitzende Gerhard Walther. Als Ergebnis arbeiteten die leitenden Angestellten zwei Kernelemente heraus. Erstens: Die Bank hinterfragt ständig und konsequent ihr Handeln und richtet es auf den Nutzen von Mitgliedern und Kunden aus. Zweitens: Nur mit überzeugten und engagierten Mitarbeitern lassen sich Herausforderungen wie die Einführung neuer Technologien und die veränderten Kundengewohnheiten meistern. Als Ziel wurde ausgegeben, eine Kultur der gegenseitigen Wertschätzung aufzubauen. Die Mitarbeiter sollten spüren, dass sie gebraucht werden, um die Bank zukunftsfähig aufzustellen. „Wir sind davon überzeugt, dass sich Unternehmen profitabel am Markt behaupten und gleichzeitig die Mitarbeiter fair und respektvoll behandeln können“, sagt Walther.
Anschließend ging es darum, die definierten Prinzipien mit Leben zu füllen. Einige Beispiele: Bei der Fusion achteten die Verantwortlichen darauf, die neuen Strukturen effizient zu gestalten. Unnötige Bürokratie sollte vermieden werden. Stattdessen standen Projekte im Fokus, um die Mitarbeiter beider Häuser miteinander zu vernetzen. Dazu wurde etwa ein Innovationskreis gebildet. In diesem können sich Mitarbeiter frei von Hierarchien treffen, um an der Bank von morgen zu arbeiten oder um digitale Produkte einzuführen. Ebenso hat das Kreditinstitut sein Baufinanzierungsgeschäft überarbeitet und die Plattform für Immobilienfinanzierungen „Genopace“ in ihr Angebot eingebunden. Ein interdisziplinäres Team der Bank stemmte diese Aufgabe in kurzer Zeit.
„Ein Hauptziel unserer Unternehmenskultur ist es, fair und transparent mit den Mitarbeitern umzugehen.“
Um die Maßnahmen in der Innen- und Außenkommunikation griffig darzustellen, entwickelte die Bank den Slogan: „Was Menschen bewegt – Begeisterung. Erfolg. Heimat“. Im Mittelpunkt steht der Begriff „Mensch“, der sowohl die Mitglieder und Kunden als auch die Mitarbeiter einschließt. Die drei weiteren Begriffe sollen verdeutlichen, dass die Bank zum Erfolg der Menschen in ihrer Heimat beitragen möchte. Zudem soll der Slogan ein Zeichen dafür sein, dass sich die Mitarbeiter im Institut wohlfühlen.
Eine wichtige Aufgabe beim Schärfen der Firmenkultur war und ist es, die Mitarbeiter zu involvieren. Um das zu gewährleisten, schult die Bank die Führungskräfte, beispielsweise durch Seminare an der ABG. Außerdem hat sie neue Dialogformate wie Hausmessen oder sogenannte „Kommunikationskreise“ organisiert. In der Regel sind das Webinare, die Mitarbeiter etwa über neue Entwicklungen im Haus informieren. Komplettiert wird das Angebot durch altbewährte Formate wie Betriebsversammlungen.
Die neue Unternehmenskultur ist darauf ausgerichtet, die Mitarbeiter bei Veränderungen zu begleiten. Beispielsweise mit Entwicklungsplänen: Das zeigt den Mitarbeitern und den Führungskräften ihre Karrierechancen auf und bindet sie an die Bank. Hilfreich sind die Pläne auch, wenn Bereiche umstrukturiert werden. Einen Umbruch gab es beispielsweise 2017, als die Bank ihr Geschäftsstellennetz konsolidierte. Einige Service-Mitarbeiter sorgten sich um ihre Zukunft. Um dem entgegenzuwirken, erläuterten ihnen die Führungskräfte alternative Entwicklungsmöglichkeiten. So gab es für die Betroffenen die Option, sich zum Berater fortzubilden oder ins KundenDialogCenter zu wechseln. „Ein Hauptziel unserer Unternehmenskultur ist es, fair und transparent mit den Mitarbeitern umzugehen. Auf diese Weise konnten wir für alle Beteiligten eine gute Lösung finden“, sagt Walther.
In ihre neue Unternehmenskultur investiert die VR-Bank Mittelfranken West nicht nur Geld, sondern vor allem Zeit. Die Führungskräfte müssen hinter dem Prozess stehen und Veränderungen aktiv antreiben. Das ist für Vorstand Walther der kritische Punkt. Eine Herausforderung ist es, den Fortschritt zu evaluieren. Die Bank bewertet den Prozess anhand verschiedener Indikatoren. Das sind zum Beispiel die Fluktuationsrate, die Rückmeldungen aus den Jahresgesprächen und das betriebswirtschaftliche Ergebnis. Ebenso von Bedeutung ist die Haltung der Mitarbeiter zu neuen Entwicklungen. Beispielsweise war das Institut Pilotbank für den digitalen Geldanlage-Assistenten MeinInvest von Union Investment. „Seit der Fusion haben wir schon viel bewegt, die beiden Häuser sind spürbar zusammengewachsen. Nun geht es darum, weiter an Schlagkraft zu gewinnen und dabei unsere Prinzipien nach innen und außen zu leben“, sagt Walther.
Volksbank Raiffeisenbank Würzburg: Innovativ nach „Happiness“-Fortbildung
Auch die Volksbank Raiffeisenbank Würzburg beschäftigt sich seit 2016 intensiv mit ihrer Unternehmenskultur. Auslöser dafür waren einerseits veränderte Rahmenbedingungen wie etwa die Digitalisierung und andererseits die Entwicklung in der Bank zu einem zukunftsorientierten Unternehmen. „Um auf die Herausforderungen zu reagieren, haben wir bei uns massiv in den Werte- und Kulturprozess investiert, da wir der festen Überzeugung sind, dass nur ein funktionierendes Team die Anforderungen der Zukunft meistern kann“, sagt Vorstand Joachim Erhard.
Im ersten Schritt kooperierte die Bank mit dem Unternehmen „Corporate Happiness“. 20 Mitarbeiter aus allen Hierarchien und Bereichen durchliefen ein 13-monatiges Ausbildungsprogramm. Sie sollten als „Corporate-Happiness-Botschafter“ den Kulturwandel in der Bank vorantreiben und die Kollegen dafür sensibilisieren. „Das Programm war sehr wertvoll für uns, da wir uns mit fundamentalen Fragen unseres täglichen Handelns beschäftigt haben“, sagt Erhard.
In der Folge setzten sich ohne externe Begleitung zahlreiche Mitarbeiter mit der Unternehmenskultur auseinander. Sie diskutierten in Workshops und Arbeitsgruppen grundlegende Themen, beispielsweise: Für welche Werte wollen wir einstehen? Was für Führungsgrundsätze sollen die leitenden Angestellten vertreten? Mit welcher Strategie möchten wir auf die Herausforderungen reagieren?
Auf diese Weise entstand im Laufe der Jahre 2017 und 2018 ein neues Unternehmensleitbild. Es basiert auf zehn Werten, für die Bank und Mitarbeiter einstehen wollen. Dazu gehören Zuverlässigkeit, Freude oder Dynamik. „Das Leitbild entstand mit viel Engagement und wurde anschließend ausführlich im Haus kommuniziert und diskutiert“, sagt Erhard. Um es prägnant zu verpacken, entstand der Slogan „Gemeinsam.Zukunft.Gestalten“. Er symbolisiert den eingeschlagenen Weg zur gemeinschaftlichen „MitMachBank“ für Mitarbeiter und Mitglieder.
Neben dem Leitbild entwickelten die Mitarbeiter aus den Werten eine neue Grundstrategie und leiteten Führungsgrundsätze ab. „Nur wenn wir ein einheitliches Führungsverständnis haben, können wir die festgelegten Werte in der Praxis umsetzen“, sagt Erhard. Ebenso wurde die jährliche Mitarbeiterbefragung überarbeitet und am Leitbild orientiert.
Ein Ziel der neuen Unternehmenskultur ist es, aktuelle Trends dynamisch aufzugreifen. Dieses Vorhaben trägt bereits Früchte. Beispielsweise hat das Kreditinstitut im Herbst 2018 die Crowdinvesting-Plattform VR-Crowd aufgebaut. Anleger können über die Plattform in regionale Unternehmen investieren. Ein weiteres Beispiel ist der VR-Energieservice. Dabei übernimmt die Bank eine Maklerfunktion und vermittelt gegen Provision die Leistungen von zwölf Strom- und Gasversorgern an ihre Kunden. „Bei Projektarbeiten hat sich die Geschwindigkeit deutlich erhöht und das Miteinander spürbar verbessert“, sagt Erhard.
Um die veränderte Kultur weiterzutreiben, hat die Volksbank Raiffeisenbank Würzburg eine Beauftragtenstelle geschaffen. Diese Position übernimmt Bettina Schmitt. Sie erstellt Konzepte, setzt Maßnahmen um und trägt neue Erkenntnisse in die Bank. Dafür stehen ihr pro Woche 16 Stunden zur Verfügung.
„Wir sind davon überzeugt, dass wir den Erfolg der Maßnahmen langfristig auch in den betriebswirtschaftlichen Zahlen wiederfinden werden.“
Die Bank ist überzeugt, dass der eingeschlagene Weg richtig ist. „Ein Anfang ist gemacht. In den kommenden Monaten werden wir die Unternehmenskultur mit einem gestärkten Team weiterentwickeln. Wir sind davon überzeugt, dass wir den Erfolg der Maßnahmen langfristig auch in den betriebswirtschaftlichen Zahlen wiederfinden werden“, sagt Erhard. Dafür müsse die Unternehmenskultur nachhaltig in der Bank verankert werden. Das funktioniere nur, wenn der Vorstand gemeinsam hinter den Maßnahmen steht, den Mitarbeitern Vertrauen schenkt und ihnen Freiheiten einräumt.