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Walter Eberhard, Raiffeisenbank Pfaffenhausen: „Das ist doch verrückt, was wir alles melden müssen“

Wenn Walter Eberhard an die überbordenden Meldepflichten von Regionalbanken denkt, kann er nur den Kopf schütteln. „Das ist doch verrückt, was wir alles melden müssen“, meint der Vorstandsvorsitzende der Raiffeisenbank Pfaffenhausen. Zum Beispiel der LSI-Stresstest für kleine und mittelgroße Kreditinstitute, den die Banken im Frühjahr ausfüllen mussten. „Wir mussten für die Finanzaufsicht BaFin und die Bundesbank 2.000 Datenfelder manuell befüllen. Das hat uns sieben bis acht Manntage gekostet, ohne dass wir davon profitieren“, sagt Eberhard. Als er 1979 seine Banklehre begonnen habe, mussten Kreditinstitute fünf Meldungen abgeben: die Grundsatzmeldungen I, II und III, die Großkreditmeldung sowie die Millionenkreditmeldung. „Heute sind es über 100 Meldevorschriften. Daran sieht man, welche Entwicklung die Regulatorik seitdem genommen hat“, sagt Eberhard.

Eine Entwicklung, die auch bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nicht unbemerkt geblieben ist. BaFin-Präsident Mark Branson sprach sich wiederholt dafür aus, bei kleinen und mittelgroßen Instituten stärker auf Proportionalität zu achten und die Komplexität der Meldepflichten zu reduzieren, ohne dabei die Regulierung zu schleifen. In einem Podcast mit dem Online-Finanzmagazin Finanz-Szene kündigte Branson an, auch mit kleinen Banken über die Folgen der Regulatorik zu sprechen. Eberhard hörte diesen Podcast und nahm den BaFin-Präsidenten beim Wort. „Ich habe ihm eine E-Mail geschrieben und das Gespräch angeboten. Nach einigen Wochen kam die Antwort von seinem Vorzimmer, dass Herr Branson gerne persönlich in Pfaffenhausen vorbeischaut, wenn er in Süddeutschland zu tun hat.“

Persönliches Gespräch mit BaFin-Chef Mark Branson

Mitte November war es so weit. Branson kam nach Pfaffenhausen und hörte sich fast eineinhalb Stunden lang an, wie Regulatorik auf kleine Banken wirkt. Neben dem BaFin-Präsidenten nahmen Walter Eberhard, sein Vorstandskollege Erwin Schilling sowie Stefan Miller, der bei der Raiffeisenbank Pfaffenhausen den Bereich Banksteuerung/Meldewesen leitet, an dem Gespräch teil. „Es war eine sehr angenehme Runde auf Augenhöhe, Mark Branson war tief in den Themen drin. Dass er tatsächlich zu uns kommt und sich die Zeit nimmt, um mit uns im kleinen Kreis zu sprechen – wow“, meint Eberhard. Branson habe ein offenes Ohr für die Anliegen der Bank gehabt, berichtet der Bankvorstand. Er habe das Gefühl, dass es Branson wirklich ernst damit meine, die Auflagen für kleine Banken zu reduzieren. Genau das hat die BaFin mittlerweile angekündigt. Institute mit einer Bilanzsumme von weniger als fünf Milliarden Euro sollen von Lockerungen bei den Regeln zum Risikomanagement und zum Berichtswesen profitieren. Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) begrüßte die Erleichterungen in einer Pressemitteilung.

Dinge konkret beim Namen nennen

Eberhard freut sich über diesen Erfolg. Man müsse sich trauen, Dinge konkret beim Namen zu nennen, damit die Dringlichkeit des Problems klar werde. Mit Branson sei man sich bei der Diagnose einig gewesen, dass die Regulatorik zu viel, zu schnell und zu komplex sei (zu den Ergebnissen des Gesprächs siehe Kasten). Statt weiter Bürokratie aufzubauen, müsse man endlich anfangen, Regeln zu reduzieren. „Je schneller der Bürokratie-Zug fährt, desto länger wird der Bremsweg. Wenn wir jetzt nicht mit dem Bürokratieabbau beginnen, wird es nie etwas“, mahnt Eberhard, der seinen Appell für die gesamte Wirtschaft verstanden wissen will. Jede neue Regel sei ein Misstrauensvotum gegenüber den Unternehmen verbunden mit der Sorge, dass diese ihr Geschäft nicht richtig verstehen. Statt kleinteiliger Regulierung brauche es einen großzügigen regulatorischen Rahmen, in dem sich die Wirtschaft bewegen könne. „Die engen Fesseln der Regulatorik lähmen den ganzen Wirtschaftsstandort Deutschland“, sagt Eberhard.

Der Bankvorstand macht das an einem Beispiel fest: Die Raiffeisenbank Pfaffenhausen kommt auf eine Bilanzsumme von rund 400 Millionen Euro und beschäftigt 55 Mitarbeitende. Inzwischen seien fast die Hälfte der Beschäftigten im Betriebsbereich beschäftigt, ein großer Teil davon mit Regulatorik. Nur etwas mehr als die Hälfte der Mitarbeitenden arbeitet noch direkt mit den Kunden. „Das ist ein totales Missverhältnis. Wann kippt die Waage in die falsche Richtung?“, fragt Eberhard. Ein Verhältnis von 70 zu 30 bei Mitarbeitenden mit Kundenkontakt zu Mitarbeitenden im Backoffice wären für den Bankvorstand ideal.

„Es muss sich was ändern“: Raiffeisenbank Pfaffenhausen im Dialog mit BaFin-Präsident Mark Branson

Die überbordende Regulatorik im Bankwesen stellt eine unverhältnismäßig hohe Belastung insbesondere für kleinere und mittlere Banken dar. Diese muss nach Ansicht der Raiffeisenbank Pfaffenhausen deutlich reduziert werden, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Das war ein Kernthema bei dem Gespräch, das die Bank mit BaFin-Präsident Mark Branson geführt hat.

Branson sind die Kritikpunkte hinlänglich bekannt. Keine Abstriche will der BaFin-Präsident bei der Strenge der Regulierung zulassen, etwa bei den Eigenkapitalvorschriften für Banken. Er plädiert aber bereits seit geraumer Zeit für mehr Proportionalität auch bei aufsichtsrechtlichen Vorschriften. Ansatzpunkte sieht er vor allem bei der Proportionalität und Komplexität. So könne es für kleinere Banken etwa Erleichterungen bei den Meldepflichten geben. Veränderungen müssen nach seiner Meinung sowohl in Europa als auch in Deutschland angegangen werden. Sein Haus hat bereits viele Vorschläge für Entschlackung der europäischen und deutschen Regulierung über das Finanzministerium eingereicht. Ein wichtiger Schritt wäre auch, das Tempo zu reduzieren, in dem die Komplexität wachse. Branson unterstrich, dass die BaFin am Thema dranbleibe.

Die vier Kernforderungen der Raiffeisenbank Pfaffenhausen:

  1. Unnötiges abschaffen
  2. Komplexität reduzieren
  3. Tempo verlangsamen, Anzahl reduzieren
  4. Ausreichend Zeit zur Umsetzung einräumen

Unternehmen können sich nicht mehr entfalten

Auch im Gespräch mit Unternehmerkunden sei Bürokratie ein großes Thema, sagt Walter Eberhard von der Raiffeisenbank Pfaffenhausen. „Die Anzeichen mehren sich, dass manche Unternehmen in eine Krise kommen, weil sie sich nicht mehr entfalten können. Da schlägt auch die schlechte Konjunktur langsam durch“, hat Eberhard beobachtet. Bürokratie und Regulatorik seien nie alleine schuld, dass Unternehmen ins Schlingern kommen, ursächlich dafür seien fast immer strategisch falsche Entscheidungen. „Aber die Bürokratie überlagert alles“, sagt der Bankvorstand.

Um den Unternehmen zu helfen, müsse die Politik wieder verlässlicher werden und Perspektiven schaffen. „Es fehlt die Vertrauensbasis für langfristige Investitionen, ohne diese werden wir kein Wirtschaftswachstum generieren“, sagt Eberhard. Die Politik müsse wieder mehr Verständnis für die Bedürfnisse der Wirtschaft entwickeln. „Wir müssen erst Geld verdienen, bevor wir es ausgeben können. Das wird von der Politik gerne übersehen.“ Bürokratie und Regulatorik verursachten hohe Kosten, die von den Unternehmen erst wieder erwirtschaftet werden müssen. „Im Wesentlichen sind das Personalkosten, die erst am Markt wieder verdient werden müssen, auch bei uns“, sagt Eberhard. Am Ende laufe das auf Preiserhöhungen zu Lasten der Kunden heraus. „Wenn das so weiter geht, mache ich mir ernsthafte Sorgen um den Standort Deutschland.“

Es muss wieder Spaß machen, Unternehmer zu sein

Der Bankvorstand fordert deshalb die Wirtschaft auf, gemeinsam gegen überzogene Regulatorik und Bürokratie vorzugehen. Es nütze nichts, im stillen Kämmerlein zu schimpfen. „Es muss sich etwas ändern. Diese Botschaft muss die Politik hören. Deshalb müssen wir präsent sein und gemeinsam Kante zeigen, jeder in seinem Bereich. Steter Tropfen höhlt den Stein“, sagt Eberhard. Die Politik müsse ihr Misstrauen gegenüber der Wirtschaft ablegen und ihr wieder mehr zutrauen. „Es muss wieder Spaß machen, Unternehmer zu sein und den Markt zu bearbeiten. Dafür blieb in den vergangenen Jahren einfach zu wenig Zeit, weil man permanent damit beschäftigt war, Regeln einzuhalten, um sich gegenüber der Politik und den Behörden nicht angreifbar zu machen“, sagt Eberhard.

Florian Wolz, Franken-Gemüse Knoblauchsland eG: „Wir brauchen Planungssicherheit, und zwar über Jahre hinweg“

Seit 20 Jahren ist Florian Wolz Geschäftsführer der Franken-Gemüse Knoblauchsland eG. Die Vertriebs-Genossenschaft gibt es seit 1972. Im Städtedreieck Nürnberg-Fürth-Erlangen bildet das Knoblauchsland mit einer Fläche von etwa 385 Hektar eines der größten zusammenhängenden Gemüseanbaugebiete. Die genossenschaftliche Vermarkungsorganisation bietet je nach Saison erntefrisches Gemüse an. In den Wintermonaten ist die Genossenschaft Partner für europäische Importwaren. Die Kühlfahrzeuge von Franken-Gemüse beliefern regional und überregional tätige Großhändler.

Nach dem Aus der Ampelkoalition und mit Aussicht auf Neuwahlen im Februar äußert der Geschäftsführer von Franken-Gemüse Kriterien, die seiner Meinung nach entscheidend dafür wären, dass sich Deutschlands Wirtschaft zukunftsfähiger aufstellen kann.

Planungssicherheit statt Lotteriespiel

„Es klingt hart, aber nun hat das Chaos der vergangenen Jahre ein Ende“, sagt Wolz zum Aus der Ampelkoalition im Bund. „Ob das logistische Themen, Elektromobilität, Photovoltaik oder Maut waren – der Entscheidungsdrang für uns Unternehmen war hoch. Kaum hatten wir uns in ein Thema eingearbeitet, konnten wir unsere Pläne wieder über den Haufen werfen und mussten anders planen.“

Was Unternehmen dringend brauchen, um nicht unnötig Kalkulationen anzustellen oder gar umsonst Investitionen zu tätigen, ist laut Wolz Planungssicherheit. „Und zwar über Jahre hinweg“, betont der Geschäftsführer von Franken-Gemüse. „Nehmen Sie das Thema Maut, das ist für uns relevant. Das darf kein Lotteriespiel sein.“

Nach längerem Hin und Her hatte sich die Ampelkoalition zum Beispiel auf eine Reform der Lkw-Maut zum 1. Juli 2024 geeinigt. Zu dieser Reform gehört, dass die Lkw-Maut auf Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen ausgedehnt werde. Ausgenommen sollen Fahrten von Handwerksbetrieben sein. Zudem wurde eine CO2-Differenzierung eingeführt, um den Wechsel zu alternativen Antriebstechnologien anzureizen. Emissionsfreie Lastwagen sollen bis Ende 2025 von der Maut befreit sein. Doch dafür müsste ein Unternehmen in die Anschaffung von Elektro-Lkw investieren und sich sicher sein, dass es bei diesen Plänen für Mautbefreiung bleibt.

„Gefühl großer Unsicherheit“

Nach Meinung von Wolz ziehe sich „ein Gefühl großer Unsicherheit quer durch sämtliche Wirtschaftsbereiche“. Als Gemüse-Vermarktungsgenossenschaft würden sie sich zwar in keiner Notlage befinden. „Wir können das kommende Jahr mit der Bundestagswahl geduldig abwarten“, sagt Wolz und fügt hinzu: Er sei kein Fan des designierten US-Präsidenten Donald Trump. Aber Wolz hofft ähnlich wie in den USA auf ein eindeutiges Votum auch hier bei der Wahl im Februar. „Das wünsche ich mir für Deutschland.“ Und er fügt hinzu: „Eine Minderheitsregierung bringt Deutschland nicht weiter.“ Aufbruchstimmung könne in diesem Land nur dann entstehen, wenn alle Seiten wieder mehr daran glauben, dass vieles reibungslos funktionieren könne.

Kaufzurückhaltung, aber noch kein Stau

„Bei Kunden erleben wir derzeit allerdings eine Kaufzurückhaltung“, sagt Wolz. Gleichermaßen hielten sie sich auf der Erzeugerseite mit Investitionen zurück. Doch wenn kein Geld ausgegeben wird, kann die Wirtschaft nicht wachsen – sie stagniert. Denn die Betriebe halten ebenso ihr Geld zurück. „Um den Anbau gewisser Gemüsesorten geschützter zu gestalten, könnte man investieren. Die Qualität gewisser Produkte ließe sich auch durch gewisse Anschaffungen und Veränderungen verbessern.“ Innovationen wären eigentlich dafür geeignet, die Wirtschaft anzukurbeln, wenn ein Produkt dem Verbraucher einen Mehrwert bietet.

Solange sich die Kunden womöglich aus Unsicherheit weiterhin zurückhielten, verzichteten die Erzeuger eben auch auf Investitionen, auch wenn sie dadurch die Produktion nicht weiter optimieren oder sich an „Prozesse abseits des Mainstreams“ wagten. Wolz betont aber auch: „Wir haben zwar eine Investitionszurückhaltung, aber noch keinen Investitionsstau.“ Doch landwirtschaftliche Betriebe müssten sich verändern und mitwachsen. „Wir wollen nicht auf der Stelle treten“, sagt Wolz. Damit eine neue Wirtschaftsdynamik entstehe, sollte man eigentlich Ambitionen haben, im Wettbewerb zu bleiben und Geld für Investitionen in die Hand zu nehmen. Dafür bedürfe es aber Regularien, die über einen Zeitlauf von mindestens zehn Jahren Gültigkeit bewahren.

Vor allem kleinere Betriebe, so beobachtet Wolz von der Vertriebs-Genossenschaft, mache die Bürokratie zu schaffen.  „Doch dies kreide ich nicht allein der Ampelkoalition an“, sagt Wolz. „Gerade in unserem Bereich sind das oft europapolitische Themen.“ Zum Beispiel das Lieferkettengesetz: „Das betrifft uns voll, aber es ist kein Thema, das allein von der Ampelkoalition verantwortet wurde.“

Ernsthaft beunruhigt sei er angesichts der aktuellen Lage nicht. „Ich hab‘ schon einige Krisen in meinen 20 Jahren Geschäftstätigkeit für Franken-Gemüse mitgemacht. Supermärkte wird es auch noch in ein paar Jahren geben“, sagt Wolz. „Aber dennoch hoffe ich, dass es etwas ruhiger wird – für unsere Branche und für andere.“

Roland Gieß, VR Bank Neuburg-Rain: „Es ist der Blick nach vorne, der den Unternehmen Sorge bereitet“

Roland Gieß ist Vorstandsvorsitzender der VR Bank Neuburg-Rain. Neuburg an der Donau, der Sitz der Genossenschaftsbank, gehört noch zum Einzugsgebiet von Ingolstadt mit einer starken Automotive-Industrie und vielen Zulieferern. Aber auch Hightech-Unternehmen aus der Luft- und Raumfahrtbranche sowie aus der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie sind starke Zugpferde im direkten und angrenzenden Geschäftsgebiet. Das Stimmungsbild der Unternehmen vor Ort nimmt Gieß als sehr uneinheitlich wahr. „Die Stimmung ist verhalten, vielerorts auch nicht gut, aber eigentlich ist die wirtschaftliche Lage gar nicht so verkehrt. Es ist der Blick nach vorne, der den Unternehmen Sorge bereitet“, beschreibt Gieß das Dilemma.

Die Probleme der Autobauer und der Zulieferbetriebe, die aktuell vor allem mit ihren Plänen zum Abbau von Stellen Schlagzeilen machen, betreffen die VR Bank Neuburg-Rain nur indirekt. Trotzdem spürt die Kreditgenossenschaft die Auswirkungen, etwa auf dem Immobilienmarkt. „In guten Zeiten sind viele gut bezahlte Fachkräfte in den Großraum Ingolstadt gezogen, die in der Region dann gebaut beziehungsweise Immobilien erworben haben. Dieser Markt ist beinahe zum Erliegen gekommen, das Betongold liegt jetzt eher wie Beton herum“, sagt Gieß. Niemand nehme viele hunderttausend Euro Schulden für den Hausbau auf, wenn er sich nicht sicher sein kann, dass er in einem Jahr noch einen Job hat. Das belaste vor allem den Hochbau, der aktuell nur wenige Aufträge erhält. „Andere Gewerke aus der Baubranche können sich mit der Renovierung oder der energetischen Sanierung von Gebäuden besser über Wasser halten“, beobachtet Gieß.

Hohe Personalkosten gehen zulasten der Liquidität

Viele Gewerbe- und Firmenkunden der VR Bank Neuburg-Rain beklagen sich auch über die hohen Arbeitskosten, verstärkt durch steigende Lohnnebenkosten und auch die hohen Mindestlöhne. Ein Beispiel sei die Gastronomie, aber auch viele Fachbetriebe seien betroffen. „Die Unternehmen versuchen, ihr Personal zu halten, auch wenn sie nicht ausgelastet sind. Aber in Zeiten des Fachkräftemangels gibt man gute Leute nicht so einfach her“, berichtet Gieß. Die hohen Personalkosten gehen dann zulasten der Liquidität und der Produktivität der Unternehmen.

Wie so viele benennt auch Gieß die ausufernde Bürokratie und die Regulierung als großes Problem – „ein Dauerbrenner“, sagt der Bankvorstand und betont: „Überzogene Regulierung und Bürokratie sind kein spezifisches Bankenproblem, sondern betreffen alle Sektoren und Unternehmen.“ Beispiele seien die Bereiche Gesundheit und Pflege, die mit Dokumentationspflichten völlig überfrachtet werden. Aber auch die Banken seien von überzogener Regulierung massiv betroffen. „Aufklärungs- und Dokumentationspflichten im Wertpapierhandel sowie dem Immobilienfinanzierungsgeschäft, oder das Urteil des Bundesgerichtshofs, dass Banken bei Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder des Preis- und Leistungsverzeichnisses die Zustimmung jedes einzelnen Kunden einholen müssen – puh, das belastet unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter massiv“, sagt Gieß. Die 36 Vorschläge zum Abbau von Bürokratie im Bankenbereich des GVB kämen genau zum richtigen Zeitpunkt. Auch das langsame Tempo von Ämtern und Behörden lähme die Wirtschaft, etwa bei Genehmigungsverfahren. Das könne sich ziehen.

Förderpolitik erzeugt Unsicherheit

Sorgen bereiten dem Bankvorstand auch die unsteten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, etwa bei der Förderpolitik. An einem Tag werde ein Fördertopf aufgemacht, nur um dann kurze Zeit später die Mittel dafür wieder zusammenzustreichen. „Das erzeugt Unsicherheit und verhindert Investitionen. Viele Unternehmen warten lieber ab, weil sie Angst haben, eine Förderung zu verpassen oder dann doch nicht zum Zuge zu kommen, weil die Mittel nicht ausreichen“, weiß Gieß.

Orientierung und Planungssicherheit

Was also braucht die deutsche Wirtschaft, um wieder auf die Beine zu kommen? „Wir brauchen eine klare wirtschaftspolitische Ausrichtung, die den Unternehmen Orientierung und Planungssicherheit gibt“, fordert der Bankvorstand. Unternehmen müssten zudem durch bessere Rahmenbedingungen in der Breite gefördert werden, statt Einzelvorhaben massiv zu fördern und so den Wettbewerb zu verzerren. Und vor allem: „Wir müssen die Bürokratie dringend verringern, sonst leidet darunter unsere Produktivität.“ Der Bankvorstand macht diese Aussage am demographischen Wandel fest: „Das Arbeitskräftepotenzial wird immer kleiner, weil die Babyboomer nach und nach in Rente gehen. Wenn sich jedoch weiterhin die gleiche Anzahl an Mitarbeitenden mit Bürokratie beschäftigen muss, geht die Produktivität zurück.“ Wichtig sei aber, das Produktivitätslevel mindestens zu halten, um unseren Wohlstand zu sichern. Niemand wolle beim Wohlstand Abstriche hinnehmen, aber dafür müsse man etwas tun. „Und ich rede gar nicht von einem Ausbau der Produktivität, den wir eigentlich dringend bräuchten, um international nicht den Anschluss zu verlieren“, sagt Gieß.

Das Glas muss immer halb voll sein

Ziel müsse sein, durch den Abbau von Bürokratie den Unternehmen wieder mehr Luft zu verschaffen, damit sie sich um ihr Kerngeschäft kümmern können. Das gelte für alle Branchen. „Ob Ärztin, Pflegekraft oder Bankberater – letztlich geht es immer darum, mehr Zeit für die Menschen zu haben, um die wir uns kümmern wollen.“ Gieß ruft jedoch auch dazu auf, nicht ständig zu jammern und auf dem Status quo zu verharren, sondern den Wandel aus eigenem Antrieb zu gestalten. „Wir müssen aufzeigen, wo sich etwas verändern muss, und dann unsere Aufgaben mit Zuversicht angehen.“ Das Wort „Zuversicht“ ist Gieß dabei sehr wichtig. „Zuversicht steckt an. Wenn alle anpacken, kommen wir vorwärts. Das Glas muss immer halb voll sein, nie halb leer.“

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