Starke Stimme: Was macht den GVB aus? „Profi“ hat die führenden Persönlichkeiten des Verbands zum 130. Jubiläum um ein Statement gebeten.
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Herr Drexl, Sie erleben die Prüfungsarbeit des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) seit fast vier Jahrzehnten. Ist die Tätigkeit damals mit der heutigen Arbeit noch zu vergleichen? Wo liegen Gemeinsamkeiten, was sind zentrale Unterschiede?
Siegfried Drexl: Konstant geblieben ist nur eines: Wir stellen nach wie vor Fragen. Zentraler Unterschied ist aber die Potenz der Frageneinbettung. Arbeitsinhalte, Arbeitsumfang und Arbeitsfelder haben sich erheblich ausgeweitet. Die zwangsläufige Konsequenz der letzten Jahrzehnte war damit ein evolutionärer Prozess vom Generalisten zum Spezialisten – aber beide sind notwendig – in Kombination mit einem Digitalisierungsbooster.
„Es gehört zu unserem Grundverständnis, als moderner und effizienter Prüfungsverband wahrgenommen zu werden.“
Welche Rolle kommt der Digitalisierung konkret bei der Veränderung der Prüfung zu?
Drexl: Effizienz in der Prüfung wird vorrangig durch das Mischungsverhältnis Mensch und Technik gehebelt. IT-Tools sind somit ein maßgebliches Vehikel, mit dem Produktivitätsgewinne erzielt werden. Insoweit gehört es zu unserem Grundverständnis, alle effizienzversprechenden Digitalisierungsoptionen zu nutzen, damit wir gegenüber unseren Mitgliedern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als moderner und effizienter Prüfungsverband wahrgenommen werden. Diese Signaturaussagen zur Digitalisierung gelten auch für unsere Mitglieder und die Erwartungen ihrer Eigentümer und Kunden. Fazit ist somit: Digital gesprochen werden die „Maschinen“ exponentiell intelligenter, schneller und produktiver. Wer sich dem nicht in aller professioneller Konsequenz stellt, wird in unserem Tätigkeitsbereich an Dienstleistungsrelevanz schmerzlich verlieren.
Zur Person
Siegfried Drexl trat 1985 als Prüfungsassistent in den GVB ein. Seitdem war er unter anderem als Revisor, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Abteilungsleiter sowie Marktbereichsleiter Süd tätig. Im Dezember 2021 wurde Drexl zum Prüfungsvorstand bestellt. Ende des Jahres 2023 verabschiedet sich der passionierte Läufer in den Ruhestand. Das Amt übergibt er schrittweise an seinen Nachfolger Alexander Leißl. Auf diese Weise ist ein nahtloser Übergang gewährleistet.
Inwieweit war und ist der Genossenschaftsverband Bayern Vorreiter, die Prüfung zeitgemäß und effizient zu gestalten?
Drexl: Der GVB hat dabei sicherlich eine führende Rolle gespielt und das soll auch so bleiben. Ein Kernprodukt, das mich seit nahezu 40 Jahren in seiner Genese begleitet hat, ist das Hersbrucker Jahresabschlussprogramm. Entwickelt wurde es von einer Bank im Schulterschluss mit unserem ehemaligen Verbandsdirektor Erhard Gschrey. Durch intelligente Verknüpfungen werden vielfach notwendige Unterlagen neben dem eigentlichen Jahresabschluss erstellt. Im Rahmen der prüfungsnahen Betreuung werden aber auch IT-Tools für banksteuerungs- und rechnungslegungsrelevante Themen zur Verfügung gestellt. Mit der Umsetzung der elektronischen Signatur von Prüfungsberichten im Jahr 2019 wurde die Durchlaufzeit reduziert und die Ortsgebundenheit der Berichtsunterzeichner aufgehoben. Das war ein massiver Vorteil für die Berichtsbearbeitung in Zeiten von Corona. Gleiches gilt für den papierlosen Mandanten im Digitalformat. Die Weitergabe von Prüfungsberichten an die Mitglieder und Aufsichtsbehörden wurde damit digital aufgegleist. Letzter Akt war in Kooperation mit den anderen Verbänden die Freischaltung von Atruvia-Leitungen für Prüfungszwecke. Damit gehen wir einen weiteren Schritt nach vorne im Hinblick auf eine flexible und ortsungebundene Prüfungsdurchführung. Wir verstehen unseren Digitalisierungsantritt als Mitspieler im Kreis der Verbände und von Zentraldienstleistern wie Atruvia.
Wie hat sich konkret die Arbeit der Prüferinnen und Prüfer in den vergangenen Jahrzehnten verändert?
Drexl: Neben der reinen haptischen beziehungsweise digitalen Prüfungstätigkeit hat sich das Informationsmanagement massiv verändert. Den notwendigen Wissensstand umzumünzen auf die Erfordernisse der jeweiligen Prüfung ist eine Frage der Erfahrung und der Kompetenztiefe. Prüfungsqualität bedingt, dass wir sowohl die Problemsensibilität eines Generalisten benötigen als auch das Spezialisten-Know-how. Zudem haben sich die Größenverhältnisse, bis hin zu Konzernstrukturen, und die Geschäftsfelder unserer Mandanten mit allen regulatorischen Nebenbedingungen weiterentwickelt. Organisationsformate mit digitaler Statik müssen auf der Höhe der Zeit an den aufsichtlichen Vorgaben abgespiegelt und beurteilt werden. Die Betreuung soll aber auch hier noch Raum für Optimierungsaussagen haben. Maßgeblich sind hier auch unsere IT-Spezialisten der GCS gefordert. Die Prüfung muss sich organisatorisch, fachlich und auch räumlich auf diese Gegebenheiten einnorden. Nur so bleibt die gesetzliche Prüfung Vertrauensgarant für unsere Mitglieder und die breite Öffentlichkeit.
„Zur DNA eines erfolgreichen Karrierewegs gehört ein permanenter, aufgeschlossener Appetit auf Theorie und Praxis.“
Welchen Ratschlag hätten Sie denn mit Ihrer Erfahrung für neue Prüfer, für Menschen, die sich dafür entscheiden, die Prüferkarriere einzuschlagen?
Drexl: Es ist heute unerlässlicher denn je, sich auch im Bereich IT fit zu halten und biodigital zu denken und handeln, wie die Prüfungsstrecke aufgesetzt wird. Die Halbwertszeit in der fachlichen und noch mehr in der technischen Themenagenda wird immer kürzer. Allerdings betrifft dies nahezu alle Branchen. Checklisten sind auch weiterhin notwendig, aber es ist eine Illusion zu glauben, dass mit dem Aufblähen der Fragenkataloge eine positive Korrelation zu Prüfungsqualität und Mandantenzufriedenheit hergestellt werden kann. Hierauf liegt auch bisher schon der besondere Fokus unserer Grundsatzabteilung mit dem Tenor, so viel wie nötig und so wenig wie möglich. Kompetenzaneignung und praktische Intelligenz sind kein reiner Akt akademischer Aneignung, sondern es gilt sie zu professionalisieren im Maschinenraum der Prüfung. Fazit: Eigene Kompetenzen immer wieder auf den Prüfstand stellen, neue Kompetenzen aneignen, Wechselbereitschaft in andere Kompetenzbereiche des GVB nicht ausschließen. Zur DNA eines erfolgreichen Karrierewegs gehört ein permanenter, aufgeschlossener Appetit auf Theorie und Praxis.
Der GVB verfolgt den Ansatz der betreuenden Prüfung. Dadurch unterstützt er als Sparringspartner den Vorstand und Aufsichtsrat der Mitglieder bei seiner Tätigkeit. Wo liegen die Vorteile?
Drexl: Die betreuende Prüfung ist im Grunde nichts anderes als eine Ableitung aus der Mission des GVB: „Wir helfen unseren Mitgliedern, erfolgreich zu sein.“ Dazu können wir unseren großen Erfahrungsschatz einbringen. Zudem entfaltet dies auch einen regulatorischen Schutzschirm, indem aufgezeigt wird, wo gegebenenfalls die Grenzen von pragmatischen Lösungen sind. Das hilft, bei allem Respekt vor der Verantwortungskompetenz der Vorstände und Aufsichtsräte, als Zusatzinformation bei anstehenden Entscheidungen. Im Verband sind unsere Kolleginnen und Kollegen der Prüfung insbesondere spezialisiert auf die genossenschaftlichen Besonderheiten. Zudem sind wir nicht gedrängt von Beratungsakquisition und wir dosieren die Inanspruchnahme von GVB-Dienstleistungen nur auf das notwendige Lösungsmaß. Betreuung ist im weitesten Sinne so zu verstehen, dass damit auch präventiver Eigenschutz vor möglichen Mängelhärten verbunden ist.
„Die Mitglieder erwarten und bekommen eine qualitativ hochwertige Prüfung.“
Welche Anforderungen stellen die Mitglieder im Bereich Prüfung an den Verband und wie geht dieser damit um?
Drexl: Die Mitglieder erwarten und bekommen eine qualitativ hochwertige Prüfung. Die Erwartungshaltung seitens der Mitglieder ist aber auch der Schutz der genossenschaftlichen Solidargemeinschaft. Darüber hinaus erwarten sie von uns eine effektive Interessenvertretung, das gilt gegenüber Politik, Verbund, aber auch bei Prüfungsfragen. Interessenvertretung im Prüfungsbereich ist die Vermeidung beziehungsweise Linderung von regulatorischen Vorgaben, die ein eigenverantwortliches Wirtschaften erschweren und somit nicht legitimiert werden durch einen erkennbaren Stabilitätsnutzen für die Kreditwirtschaft beziehungsweise den Verbraucherinteressen. Letztlich verkörpert sich darin auch das Proportionalitätsprinzip. Ein wesentlicher Beitrag wird hier auch durch Teilnahme an Gremien erbracht wie zum Beispiel beim Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW), das die Interessen des Berufsstands wahrt. Dort kompetent vertreten zu sein, ist uns ein besonderes Anliegen. Die umsetzbaren Erwartungen unserer Mitglieder aufzunehmen, muss zur guten Routine werden.
Die zu prüfenden Kreditgenossenschaften werden immer größer. Was bedeutet diese Entwicklung für die Prüfung?
Drexl: Ausgangspunkt einer jeden Prüfung ist die Ableitung des Risikoprofils iSe Stärke-Schwäche-Einwertung. Die Bilanzsumme des Unternehmens ist für sich ein grundsätzlicher Komplexitätstreiber. Dies hat Konsequenzen für die fachliche Zusammensetzung (Prüfungsleiter, Spezialisten) und Personalanzahl des Prüfungsteams beim Mandanten. Die Organisation der Prüfungsdurchführung und die Kommunikation an den Mandanten zum Prüfungsverlauf sind dezidierter abzustimmen. Zudem sind außerhalb des Prüfungsteams Mitunterzeichner und auftragsbegleitende Prüfungspersonen in die GVB-interne Kommunikation einzubeziehen. Auch Betreuungsaspekte sind entsprechend der Erwartungshaltung des Mandanten granularer im Prüfungskonzept zu berücksichtigen.
Was resultiert daraus?
Drexl: Für die Gesamtausrichtung der Prüfung Banken des GVB hat dies zur Folge, dass entsprechende Personalkompetenzen aufgebaut und weiterentwickelt werden. Zeitweise regionale Mobilitätsbereitschaft der Prüfenden bekommt einen höheren Stellenwert, damit Teamdispositionen nicht zum Flaschenhals werden. Der Zugriff auf digitalisierte Datenbestände des Mandanten und deren zentrale Aufbereitung für Prüfungszwecke wird zu einem verstärkten Effizienzhebel. Dies sind nur einige Beispiele, wie sich die strukturellen Ausrichtungen des GVB hinsichtlich Personal, Technik oder auch neuer Formate der Datenanalyse an den strukturellen Entwicklungen der Bankengruppe zu orientieren haben. Gleiches gilt aber auch für die ausgeprägt heterogenere Gruppe der Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften. Auch Kooperationen mit anderen Prüfungsverbänden, Dienstleistungen aus dem genossenschaftlichen Verbund oder anderen Drittdienstleistern sind hierzu Entwicklungsstränge des GVB.
„Für die Klein- und Kleinstgenossenschaften arbeiten wir an einer digital orientierten Prüfungslösung, damit diese Prüfungen zeiteffizienter und kostengünstiger durchgeführt werden können.“
Welche prüfungsrelevanten Trends erkennen Sie bei den Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften?
Drexl: Die Trends verteilen sich hier auf 34 Branchen und größenmäßig von Klein- und Kleinstgenossenschaften bis hin zu Konzernstrukturen. Unsere Prüferinnen und Prüfer sind häufig in mehreren Branchen spezialisiert. Für die Klein- und Kleinstgenossenschaften arbeiten wir an einer digital orientierten Prüfungslösung, damit diese Prüfungen zeiteffizienter und kostengünstiger durchgeführt werden können. Dieser Mitgliederkreis zeichnet sich durch Neugründungen aus. Die Nachhaltigkeitsvorgaben vonseiten der Gesetzgebung, aber auch allein im Hinblick auf Verbrauchererwartungen, ist und wird eine Herausforderung mit zunehmender Brisanz. Größenbedingte Branchenbereinigungen sind dabei nicht auszuschließen. Umso wichtiger, dass unsere Mitglieder GVB-seitig noch stärker begleitet werden. Zwischenzeitlich hat im GVB schon der organisatorische Aufbau von Spezialisten und Spezialistinnen über die dominanten Branchen und Unternehmensgrößen begonnen. Die vertrieblichen Prozessketten und ebenso die unternehmensinternen Abläufe sind schon und werden wohl noch intensiver Digitalisierungsüberlegungen unterworfen. Auch hier wird die Prüfung mit IT-technischen und damit einhergehend organisatorischen Fragestellungen konfrontiert. Herausfordernd ist in diesem Zusammenhang, dass hier auch ein breiteres Spektrum an Drittdienstleistern tätig wird. Strukturbestimmende Entwicklungen zeichnen sich aufgrund gesetzlicher Vorgaben, verändertes Verbraucherverhalten und -erwartungen bei den ernährungswirtschaftlichen Erzeuger- und Veredelungsbetrieben sowie auch bei den Molkereien ab. Die Herausforderungen für unsere größte Mitgliedergruppe, den Energiegenossenschaften, werden zu einer verstärkten Konzentration im überregionalen Versorgungsbereich führen, aber auch zu einer kleinteiligen Regionalversorgung. Die Ausrichtung und Konzeptionierung der Kommunen spielen hier eine strukturbestimmende Rolle für unsere Energiegenossenschaften. Das Fachkräftethema sei hier nur der Vollständigkeit halber angesprochen.
„Wir wollen durch qualitativ überzeugende Prüfung mit zulässigen Betreuungsleistungen eine noch stärkere Mitgliederbindung in allen Sparten erreichen.“
Wie wird sich die Prüfung in den kommenden Jahren weiterentwickeln?
Drexl: Wir orientieren uns vorrangig an den Erwartungen und strukturellen Entwicklungen unserer Mitglieder sowie den Notwendigkeiten eines zeitgemäß ausgestatteten Prüfungsdiensts. Dies betrifft die Personalausstattung, Digitalisierungschancen und zeitgemäßen, offenen Organisations- und Kooperationsstrukturen. Darüber hinaus werden Betreuung und Beratung weiter an Gewicht bekommen. Wir wollen durch qualitativ überzeugende Prüfung mit zulässigen Betreuungsleistungen eine noch stärkere Mitgliederbindung in allen Sparten erreichen. Dass Digitalisierung und Remoteprüfung zu einer teilweisen Anonymität der Prüfungsdienstleister führt, ist uns bewusst und muss durch andere Formen der Kommunikation bestmöglich kompensiert werden. Die Nähe zum Mitglied, damit O-Ton-Botschaften nicht nur gehört, sondern mitgliederspürbar umgesetzt werden, ist unser Verständnis zum Förderauftrag gegenüber unseren Mitgliedern. Trotz aller Besonderheiten durch eine Verbandsstruktur scheuen wir nicht den Vergleich mit den Leistungsprofilen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.
Herr Drexl, vielen Dank für das Gespräch!