Bilderstrecke: Mit Genossenschaften können die Menschen dafür sorgen, dass ihre Heimat lebenswert bleibt. Zehn Beispiele.
Es gibt schöne Wirtshäuser in Bayern. Der Schweinsbraten schmeckt, genauso wie der Krautsalat und das Bier, aber man geht nicht noch einmal hin. Wieso? Vielleicht weil diese Läden keine Seele haben. Und dann gibt es Lokale, in denen man sich auf Anhieb wohlfühlt, ohne unbedingt zu wissen, warum. Weil sie ein Gefühl erzeugen, ein wohlig-warmes. Griabig würde man in Bayern sagen. Genau so ergeht es einem in der „Fanni“, einer Wirtschaft in Pischelsdorf, die nach 40 Jahren wieder eröffnet wurde.
Fanni kennt jeder alteingesessene Pischelsdorfer. Fanni war eine kleine, resolute, durchsetzungsstarke Frau, ein Original. Sie war jahrzehntelang die Wirtin in Pischelsdorf. Fanni wusste, was sie wollte. Noch an ihrem Sterbebett mussten die Erben der 92-Jährigen versprechen, die Wirtschaft nicht zu verkaufen, sie sollte in der Familie bleiben. Die betagte Frau hing an ihrem ehemaligen Lokal, dem Herz des Dorfs.
Die Erben hielten ihr Versprechen. Das Gebäude blieb im Besitz der Familie Goldbach. Bis zum Jahr 2019. Damals konnten einige Dorfbewohner sie überzeugen, das Gebäude der Gemeinde zu verkaufen, sodass die Chance bestand, die ehemalige Wirtschaft irgendwann wieder als Dorfmittelpunkt zu eröffnen. Vier Jahre später wurde diese Vision Wirklichkeit. Seit dem 29. Juli 2023 hat Pischelsdorf wieder eine eigene Gastwirtschaft.
Die „Fanni“ blieb lange Zeit in Familienbesitz
Fanni wäre stolz, wenn sie sehen würde, was aus ihrer ehemaligen Wirtschaft geworden ist. Das Gebäude im Sankt-Michael-Weg 1 mit den petrolfarbenen Fensterläden und Türen gleich neben dem alten Kastanienbaum macht einiges her.
Dass das Gasthaus heute so dasteht, war harte Arbeit, ein Mammut-Projekt für den 400-Einwohner-Ort Pischelsdorf. Doch im Reichertshausener Ortsteil gibt es engagierte Menschen, die anpacken, statt zu lamentieren. Die Zeit und Herzblut investieren – in ihrer Freizeit, ehrenamtlich. Menschen wie Konrad Moll und Norbert Bergmeier, die beiden Vorstände der Dorfheim Fanni eG.
3.300 Arbeitsstunden für die „Fanni“
„3.300 Arbeitsstunden haben wir hier reingesteckt“, sagt Bergmeier. Mit „wir“ meint er ein motiviertes Team von Pischelsdorfern, die 2020 den Plan fassten, die „Fanni“ nach fast vier Jahrzehnten wiederzueröffnen und das zum Teil 160 Jahre alte Gebäude zu restaurieren.
Für das Kernteam war sofort klar: Dieses Projekt umzusetzen, geht nur mit der Gründung einer Genossenschaft. „Nur so war es möglich, die Finanzierung zu stemmen“, betont Moll. Gesagt, getan. 2021 wurde die Genossenschaft Dorfheim Fanni eG ins Leben gerufen. Im Nu waren 100.000 Euro durch die Genossenschaftsanteile zusammen, die in die Inneneinrichtung des Gebäudes flossen. Die Baukosten in Höhe von 520.000 Euro trugen vor allem die Gemeinde Reichertshausen und der Freistaat Bayern. Inzwischen zählt die eG 158 Mitglieder, „158 Frauen und Männer, denen ein Stück des Dorfheims gehört“, sagt Bergmeier stolz.
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Kritische Stimmen aus der Dorfgemeinschaft
Anfangs war nicht abzusehen, dass so viele Menschen die Genossenschaft unterstützen würden. Als fünf Männer 2020 für ihre Idee im Dorf warben, war die Resonanz erst einmal verhalten. „Es gab natürlich Kritiker“, erzählt Moll. „Bürgerinnen und Bürger, die sagten: ,Ihr habt einen Vogel‘“, schiebt Bergmeier hinterher und lacht. Davon haben sich die Männer nicht entmutigen lassen. „Wenn wir es nicht gemacht hätten, hätte es keiner getan“, ist sich Moll sicher. Es habe natürlich Zeit gebraucht, um die Dorfgemeinschaft vom Projekt zu überzeugen, davon, dass es wichtig ist, in Pischelsdorf wieder einen Mittelpunkt zu haben, ein Zentrum, in dem Jung und Alt zusammenkommen. Ein Dorfheim zum Festefeiern, ein Lokal zum Essengehen, Karteln und Kaffeetrinken, ein Herz des Orts, wo das Leben pulsiert und die Welt in Ordnung ist.
Die „Fanni“ ist immer noch die „Fanni“
Das haben Moll, Bergmeier und ihr Team geschafft. Wer sich im Gastraum der „Fanni“ umsieht, merkt: Bayerischer und uriger geht es kaum mit Holzofen, Vorhängen und Dämmerlicht. Die „Fanni“ ist immer noch die „Fanni“ von damals, auch nach der Sanierung. Das war dem Team wichtig. Einige Tische im Gastraum sind noch aus Fanni-Zeiten und mussten vom Schreiner gegenüber lediglich auf Vordermann gebracht werden, die Stühle waren eine Spende. Die Fenster sind laut Bergmeier originalgetreu nachgebaut und würden nun energetischen Anforderungen genügen. „Die Gaststube ist das Herzstück unseres Dorfheims“, sagt Moll.
Ein Film über die „Fanni“
Die Entstehung des Dorfheims Fanni wurde von Dokumentarfilmer Hubert Neufeld (auf dem Foto links) dokumentiert. Als gebürtiger Pischelsdorfer kennt er die Geschichte der Fanni und rückt in seinem Film die Themen Wirtshausleben und -sterben in Bayern ins Rampenlicht. Weiterer Drehort war außerdem die Dorfwirtschaft Giggenhausen, die ebenfalls im Besitz einer Genossenschaft ist. GVB-Gründungsberater Max Riedl (auf dem Foto rechts) hat sowohl die Dorfheim Fanni eG als auch die Dorfwirtschaft Giggenhausen eG bei der Genossenschaftsgründung begleitet und tritt im Dokumentarfilm als Interviewpartner auf. Er berichtet darüber, wieso Genossenschaften eine gute Rechtsform sind, um Wirtshäuser am Leben zu halten. Der Film wird im kommenden Jahr erscheinen.
Doch die „Fanni“ hat noch viel mehr zu bieten, wie in den anderen Gebäudeteilen zu sehen ist – Gastro-Küche, Kühlkammer und einen Stadl für Veranstaltungen. „Dort wird im kommenden Jahr meine Tochter ihre Hochzeit feiern“, erzählt Moll mit einem Lachen im Gesicht. Die Wirtschaft ist einmal die Woche geöffnet, Mitglieder der Genossenschaft stehen dann hinter dem Tresen, schenken aus und kellnern. Ansonsten kann die „Fanni“ gemietet werden – „zum Beispiel für Geburtstagsfeiern oder Stammtische“, sagt Moll.
Wer sich heute in der „Fanni“ umschaut, kann kaum glauben, dass das Gebäude noch vor zwei Jahren ein verfallenes, altes Haus war. Nur mit viel Vorstellungsvermögen ließ sich erahnen, dass hier einmal eine Gastwirtschaft entsteht. „Es war der Wahnsinn, was bei der Renovierung zum Vorschein kam“, sagt Bergmeier und erinnert sich an feuchte Wände, Statik-Probleme und die aufwendige Sanierung des Dachstuhls beim angebauten Stadel. „Gott sei Dank hatten wir einen erfahrenen Architekten an unserer Seite, Franz Grahammer“, sagt Bergmeier. Allein der Architekt hätte das Team bestimmt 100.000 Euro gekostet, Grahammer verlangte keinen Cent, weil er als damaliger Kreisheimatpfleger des Landkreises Pfaffenhofen und als alteingesessener Pischelsdorfer vom Projekt überzeugt war.
Am 12. Juni 2021 war der erste Arbeitstag für das Team. Seitdem habe man jeden Samstag geschuftet. Insgesamt 70 Leute seien auf der Baustelle zugange gewesen, erzählen die beiden Vorstände. „Es war beeindruckend, wie groß der Zusammenhalt war“, sagt Moll. Aber nur so konnte es funktionieren: „Es braucht Menschen, die zu 100 Prozent hinter dem Projekt stehen“, gibt Bergmeier zu bedenken. Solche wie die beiden Vorstände. Menschen, die weitermachen, wo andere aufgeben würden.