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Die deutsche Wirtschaft steht vor immensen Herausforderungen: Die Corona-Pandemie hat die Unternehmensverschuldung erhöht, während die hohen Rohstoffpreise und die Energiekrise existenziellen Kostendruck erzeugt haben. Bonitätsverschlechterungen wirken mit eingetrübten Wirtschaftsaussichten blockierend auf die Neukreditvergabe. Gleichzeitig fordern die Megatrends Digitalisierung, Dekarbonisierung, Demografie und De-Globalisierung Investitionen in neue, noch nicht marktreife Technologien zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit. Gerade in dieser Situation müssen Banken Partner der Realwirtschaft bleiben, da für den überwiegenden Teil der Unternehmen eine Finanzierung über den Kapitalmarkt nicht möglich sein wird.

Der Dekarbonisierungswiderspruch der ESG-Bankenregulierung

Kontraproduktiv dazu erfordert die laufende Umsetzung der Bankenregulierung, dass die Eigenkapitalquoten erhöht und Risikoaktiva reduziert werden müssen. Digitalisierung und Dekarbonisierung werten traditionelle Assets ab, was in Portfolioanpassungen und der Neubewertung von Kreditsicherheiten mündet. Zudem besteht aufsichtsrechtlicher Druck, die finanzierten CO2-Emissionen zu senken. Es entsteht ein Dekarbonisierungswiderspruch: Die Finanzwirtschaft wird gedrängt, ihre Portfolios schneller zu dekarbonisieren als die Industrie in Klimaneutralität investieren kann. Finanzierungsengpässe drohen, wenn der CO2-Fußabdruck über die Kreditgewährung entscheidet und nicht anerkannt wird, dass die Innenfinanzierung von Klimaschutzinvestitionen nur über die Einbehaltung von CO2-intensiven Gewinnen erfolgen kann.

Green Bond Standard wendet sich an wenige Unternehmen, Hausbanken an alle Unternehmen

Für die Finanzierung der Dekarbonisierung hat die EU einen Green Bond Standard entwickelt. Doch die Vorteile durch Green Bonds und Sustainable Finance betreffen vor allem wenige, insbesondere kapitalmarktfähige Unternehmen. Für die mittelständisch geprägte Wirtschaft ist hingegen die beziehungsbasierte Finanzierung und die Arbeitsteilung zwischen regional ausgerichteten kleinen und mittelgroßen Banken sowie Großbanken entscheidend, denn Banken können durch lange Geschäftsbeziehungen den Erfolg der Transformation nachhaltiger begleiten als unternehmensfernere, international ausgerichtete Investoren.

Die durchschnittlichen Emissionsvolumina am deutschen Anleihenmarkt verdeutlichen, warum für KMU und Mid-Cap-Unternehmen die Finanzierung über den Kapitalmarkt kaum möglich ist. Diese Volumina liegen bei 450 Millionen Euro pro Emission. Einen solch hohen Kapitalbedarf haben aber nur Großunternehmen und diese großen Losgrößen sind für international ausgerichtete Investoren deutlich attraktiver als sie mittelständische Unternehmen am Kapitalmarkt emittieren können.

Für kleine und mittelständische Unternehmen ist die Finanzierung über eine Hausbank vorteilhafter. Denn diese ist beziehungsbasiert, das heißt, dass die Hausbank über eine lange Geschäftsbeziehung das Kreditrisiko eines mittelständischen Unternehmens besser einschätzen kann als global ausgerichtete Investoren oder Ratingagenturen, die nicht über diese langen Geschäftsbeziehungen verfügen. Möglicherweise könnten selbst die Hidden Champions nur schwierig Zugang zu global ausgerichteten Investoren finden, so dass die Finanzierung über die Hausbank hier zu besseren Finanzierungskonditionen führt. Für diese Unternehmen ist der Kapitalmarktzugang zudem mit hohen Fixkosten verbunden, da sie damit in ein strengeres Transparenz- und Compliance-Regime fallen und häufig nicht die Mitarbeiterkapazitäten besitzen, um eigene Compliance-Abteilungen zu führen.

Die Struktur des Bankenmarkts spiegelt die mittelständische Struktur der Wirtschaft wider

Der Großteil der Banken verfügt über ein Portfolio aus Krediten an Unternehmen von bis zu 1,2 Milliarden Euro im Durchschnitt pro Bank. Dazu gehören auch die Kreditgenossenschaften mit einer Unternehmenskreditvergabe von durchschnittlich 0,3 Milliarden Euro pro Bank und die Sparkassen mit durchschnittlich 0,9 Milliarden Euro pro Bank. Die Zweigstellen ausländischer Banken verfügen über Unternehmenskredite in Höhe von durchschnittlich 0,7 Milliarden Euro pro Bank. Bausparkassen vergeben Unternehmenskredite in Höhe von durchschnittlich 0,2 Milliarden Euro pro Bank. Basierend auf der Größe dieser Banken und ihrer häufig regionalen Ausrichtung, sind diese in der Regel nicht an den großen Industriefinanzierungen beteiligt und vergeben eher kleinere Kredite an kleinere Unternehmen, wie Handwerksbetriebe, aber auch an mittelständische Unternehmen aus der Region.

Die Großbanken und Landesbanken finanzieren zwar auch KMU, doch können sie aufgrund ihrer Bilanzsumme und Kapitalisierung auch größere Industriefinanzierungen durchführen. Großbanken verfügen über ein Portfolio von im Durchschnitt 54 Milliarden Euro an Unternehmenskrediten. Die Landesbanken kommen im Durchschnitt auf 29 Milliarden Euro an Unternehmenskrediten.

An der Aufteilung des Kreditvolumens nach Bankengruppen lässt sich erkennen, dass fast 60 Prozent dieses Kreditvolumens in Form von vielen sehr kleinen Krediten von vielen kleinen regionalen Banken vergeben wurden, was deren hohe Relevanz für die Unternehmensfinanzierung widerspiegelt. Weitere 15 Prozent wurden durch die Realkreditinstitute und die Förderbanken vergeben, während die Großbanken und die Landesbanken ein Viertel des Kreditvolumens vergeben.

Die mittelständisch geprägte Wirtschaftsstruktur spiegelt sich ebenfalls in der Kreditvergabe nach Branchen wider. Rund 92 Prozent der Kredite an die Landwirtschaft werden durch die kleineren regionalen Institute vergeben und nur sechs Prozent durch Großbanken und Landesbanken. Eine ähnliche Ausrichtung zeigt sich im Baugewerbe, das 88 Prozent des Kreditvolumens von kleinen und regional tätigen Banken bezieht und nur acht Prozent von Großbanken und Landesbanken. Anders stellt es sich bei der Kreditvergabe in der Elektroindustrie dar, die von größeren Unternehmen geprägt ist. Hier werden nur 53 Prozent des Kreditvolumens durch kleine und regional tätige Banken vergeben und 41 Prozent durch Großbanken und Landesbanken. Ähnlich sieht die Kreditvergabe an den Maschinenbau aus. Hier werden 53,5 Prozent durch kleine Banken und 35,8 Prozent durch größere Banken vergeben. In der chemischen Industrie werden 34,1 Prozent der Kredite und im Bereich Glas und Keramik 35,7 Prozent der Kredite von den großen Banken vergeben, während 53,7 Prozent und 58,7 Prozent des Kreditvolumens von kleinen Banken vergeben werden.

Diese Zahlen spiegeln die hohe Bedeutung der Hausbanken, vor allem der kleineren und regional ausgerichteten Institute, für die Unternehmen wider. Während die wenigen großen Unternehmen sich über den Kapitalmarkt finanzieren und auf global tätige Investoren zurückgreifen können, spielt die Hausbank für die kleinen und mittelständischen Unternehmen eine bedeutsame Rolle. Für die Verknüpfung ihrer Kreditfinanzierung und den Kapitalmarktinvestoren ist das Instrument der Kreditverbriefung deshalb besser geeignet als ein direkter Zugang zum Kapitalmarkt.

Mutige Reformen für Zukunftsinvestitionen notwendig

Damit die Unternehmen den Strukturwandel erfolgreich meistern können, muss die beziehungsbasierte Finanzierung über Hausbanken gestärkt werden. Hierzu bedarf es mutiger Reformen:

  • Reduzierung von aufsichtsrechtlichem Druck zur Senkung der finanzierten CO2-Emissionen. Die Anreize zu Klimaschutzinvestitionen sollten stattdessen über den CO2-Preis gesetzt werden, was zur Dekarbonisierung von Kredit- und Anlageportfolien beiträgt.
  • Stärkung der Kreditverbriefung zur Freisetzung von Eigenkapital für die Neukreditvergabe bei den Intermediären, Nutzung der Spezialisierungsvorteile und Risiko-Analyseexpertise der Hausbanken, unter zunehmender Einbindung von Kapitalmarktinvestoren als Kapitalquelle. 
  • Abbau von Bürokratie, insbesondere die Auflösung der Widersprüche der ESG-Regulierung. Die Regulierung sollte stattdessen einem stärker prinzipienbasierten Ansatz folgen und insbesondere auch die haftungsrechtlichen Konsequenzen für die Organe der Gesellschaften berücksichtigen.
  • Ein wachstumsfreundlicher Politikansatz: Da die Transformation hin zur Klimaneutralität schuldenfinanziert sein wird, müssen die Rahmenbedingungen für Unternehmen stimmen, damit ihre Verschuldung nachhaltig bleibt und zukünftiges Wachstum nicht eingeschränkt wird. So ließen sich durch eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung sowie die Einführung von Superabschreibungen Investitionen besser fördern als durch komplexe Regelwerke.
     

Dr. Markus Demary ist Senior Economist für Geldpolitik und Finanzmarktökonomik am Institut der Deutschen Wirtschaft (IW).

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