Aufklärung: Die Volksbank Raiffeisenbank Bayern Mitte informiert ihre Kunden über die Funktionsweise von Bitcoin und hilft bei der Verwahrung. Wie das funktioniert, erklärt Vorstand Andreas Streb.
Das Wichtigste in Kürze
- Blockchain ist nicht gleich Blockchain: Was unterscheidet Bitcoin von anderen Kryptowerten?
- Bitcoin zerstört angeblich das Klima – stimmt das wirklich?
- Bitcoin wird gerne von Kriminellen genutzt – Studien widersprechen dieser These.
- Auch die Kundinnen und Kunden bayerischer Volksbanken und Raiffeisenbanken interessieren sich zunehmend für Bitcoin & Co. Damit die Diskussionen nicht an den Kreditgenossenschaften vorbeilaufen, sollten die Beraterinnen und Berater zum Thema sprechfähig sein.
Die Bitcoin-Blockchain verschlingt Unmengen an Strom und schadet somit dem Klima. Ist dem so? Cybergeld wird gerne von Kriminellen zur Geldwäsche genutzt. Oder doch nicht? Über Bitcoin & Co. ist viel Halbwissen im Umlauf, das mitunter auch im Kundengespräch in der Bank zur Sprache kommt. Was ist dran an den Mythen? Ein Faktencheck.
Blockchain ist nicht gleich Blockchain
Die Architektur jeder Blockchain ist anders. Für die sichere Datenaufbewahrung sind sie nur dann eine echte Option, wenn die Datenkette auf vielen unabhängigen Computern dezentral gespeichert wird. Das ist bei den meisten Blockchains aber nicht der Fall. Wenn mehrere Unternehmen ihre Computer zusammenschließen und darauf eine Blockchain laufen lassen, dann können die Beteiligten jederzeit die Daten der gesamten Kette einfach austauschen. Schon existiert eine alternative Version der Daten. Solche Konsortial-Blockchains sind also keine unveränderlichen Datenspeicher, sondern oftmals Augenwischerei. Noch leichter können die Daten verändert werden, wenn nur ein Unternehmen eine Blockchain aufsetzt. Eine solche private Blockchain ist nicht nur ineffizient, die Daten sind auch keineswegs vertrauenswürdig. Auf Knopfdruck können sie ersetzt oder verändert werden.
Um Daten und digitale Werte dauerhaft und vertrauenswürdig zu speichern, bleibt also nur eine öffentliche Blockchain. Bitcoin und Ethereum nutzen zum Beispiel eine solche als Betriebsgrundlage. Die Datenblöcke werden auf vielen Tausenden speziell dafür geschaffenen Computern – sogenannten Nodes – rund um die Welt gespeichert. Die Transaktionsdaten, die diese Nodes jeweils selbst verifizieren, werden in Datenblöcken von sogenannten Minern oder Validatoren geliefert. Diese nutzen einen vorgegebenen Algorithmus, um die Datenblöcke nach bestimmten Regeln zusammenzubauen und sie dann an das verteilte Netzwerk zu liefern.
Ein hoher Energieaufwand schützt vor Manipulation
Die Regeln für das sogenannte „Mining“ – also Erstellung der Datenblöcke – bestimmen dabei den Energieverbrauch. Wenn es nämlich einfach wäre, einen solchen Datenblock zu erzeugen, dann würde zwar wenig Energie benötigt, um die Daten für das Netzwerk vorzubereiten. Aber, und das ist die Krux, dann benötigen Fälscher auch nur wenig Energie, um manipulierte Daten einzuschleusen. Es gilt also die Grundregel: Je mehr Energie aufgewendet werden muss, desto schwieriger und teurer wird es, Daten zu fälschen. Deshalb nutzen Bitcoin und Ethereum das sogenannte „Proof of Work“-Verfahren als Nachweis für die geleistete Arbeit. Viele spezialisierte Computer müssen eine komplizierte Formel berechnen, um die Datenblöcke richtig zusammenzusetzen. Ein Fälscher müsste also auch viel Energie aufwenden, wenn er einen Block manipulieren will.
Informationsgespräch zu Bitcoin
Mit einem Informationsgespräch zu Bitcoin will die Volksbank Raiffeisenbank Bayern Mitte interessierte Kunden über die Funktionsweise von Bitcoin sowie Möglichkeiten zur Sicherung und Aufbewahrung aufklären. Lesen Sie dazu das Interview mit Bankvorstand Andreas Streb in dieser Ausgabe.
Die Datenblöcke sind zudem durch eine aufwendige mathematische Formel miteinander verkettet. Wird ein Block verändert, verändert sich auch der Wert, der es erlaubt, den Block in die Kette einzufügen. Bildlich gesehen würden also die Kettenglieder der Blockchain auseinanderfallen, wenn ein Block verändert wird. Das würde Bilanzbetrüger und Wirtschaftstrickser dazu zwingen, nicht nur den betreffenden Datenblock zu manipulieren, sondern auch alle jüngeren Blöcke neu zu berechnen, um die Kette wieder zusammenzufügen.
Um es kurz zu machen: Nirgendwo auf der Erde steht theoretisch ausreichend Energie zur Verfügung, um mehr als sechs Blöcke – also die in der vorangegangenen Stunde gespeicherten Daten – rückwirkend zu verändern. Zudem ist das Zeitfenster für einen Manipulationsversuch sehr klein, denn alle zehn Minuten wird ein weiterer Block an die Kette angehängt, sodass die vorhergehenden Blöcke spätestens nach einer Stunde nicht mehr erreichbar sind.
Im Vergleich mit der Bitcoin-Blockchain ist die Ethereum-Blockchain, die zurzeit noch den gleichen Mechanismus zur Erstellung der Datenblöcke benutzt, bei Weitem nicht so sicher. Denn sie wird von einer zentralen Gruppe von Programmierern rund um den Initiator Vitalik Buterin betreut, die bei Problemen mitunter recht robust reagieren. So wurden die Ketten im August 2021 oder im Sommer 2016 durch eine neue Programmierung einfach getrennt. Dann gibt es eine zusätzliche Kette mit einem neuen Kryptowert. So wurde neben ETC (Ethereum Classic) ETH (Ethereum) erzeugt. Vertrauensfördernd ist das nicht.
Ethereum stellt auf neues Verfahren um
Inzwischen haben die Ethereum-Programmierer die nächste Stufe gezündet. Um den Energieverbrauch zu senken, stellen sie die Ethereum-Blockchain auf ein anderes Verfahren um, das weniger Strom frisst. Die einzelnen Blocks werden dabei nicht mehr per Mining erzeugt, sondern „validiert“. Validatoren sind einzelne Computer in dem verteilten Netzwerk, die einen bestimmten Teil ihrer Ether, dem Kryptowert hinter der Ethereum-Blockchain, als Sicherheit hinterlegen und damit das Recht erwerben, einen Datenblock zu erstellen. Je mehr Ether hinterlegt werden, desto häufiger kann sich ein Validator dieses Recht erkaufen. Es gilt also das Recht des Stärkeren. Wer viel hat, der kann viel bestimmen.
Bestraft wird der Validator nur, wenn ihm ein offensichtlicher Betrug nachgewiesen wird. Dann werden die als Sicherheit hinterlegten Ether teilweise eingezogen. Das ist natürlich eine einfache Rechenaufgabe. Wenn die Strafe geringer ausfällt als der Betrugsgewinn, dann wird die Ethereum-Blockchain für Betrüger interessant. Es bleibt also trotz des hohen Energieaufwands nur die Bitcoin-Blockchain, um Daten dauerhaft und manipulationssicher zu speichern.
Bitcoin – ein Thema für Regionalbanken?
Kryptowerte sind bei vielen Regionalbanken nach wie vor kein Beratungsfeld. In diesem Fall drohe jedoch die Gefahr, dass die Kunden sich anderweitig informieren und möglicherweise ein Konto bei einer Neo-Bank oder einer Krypto-Börse eröffnen, warnt Bitcoin-Experte Joe Martin. Genauso gefährlich könne es sein, wenn die Kunden ihre Bank bei Kryptowerten als nicht kompetent wahrnehmen und dies auf andere Geschäftsfelder übertragen. Beides könne nicht im Interesse der Bank sein. Deshalb empfiehlt Martin Regionalbanken, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sprechfähig zu machen, damit sie Kundenanfragen zu Kryptowerten kompetent beantworten und gängige Mythen zu Bitcoin und Blockchain entkräften zu können.
Bitcoin-Mining rechnet sich mit erneuerbaren Energien
Ist Bitcoin deshalb aber ein Klimasünder? Entscheidend dafür ist nicht so sehr der Stromverbrauch wie die Methode, mit der der benötigte Strom erzeugt wird. Und da ist Bitcoin auf einem guten Weg: Über 50 Prozent des für die Erstellung der Datenblöcke verbrauchten Stroms stammt inzwischen aus erneuerbaren Energien. Abgesehen davon benötigt Bitcoin nur rund zwei Prozent der weltweit von der Finanz- und Versicherungswirtschaft beanspruchten Energie.
Wegen des hohen Energieaufwands lassen sich Mining-Anlagen eigentlich nur noch mit Strom aus Wind,- Solar-, Wasser- und Geothermie-Kraftwerken wirtschaftlich betreiben. Denn durch die gewaltige Konkurrenz der Miner rund um die Welt sind Anlagen, die für den benötigten Strom mehr als zehn Cent pro Kilowattstunde zahlen müssen, nicht rentabel. Da immer mehr Miner angeschlossen werden, wird der Preisdruck bei der Energieversorgung sogar noch steigen. Das zwingt die Betreiber dazu, in innovative Mining-Technik und den Ausbau der erneuerbaren Energien zu investieren. Zudem könnten die Mining-Rechenzentren auch dazu verwendet werden, Stromnetze zu stabilisieren, weil man die Nodes ohne Nebenwirkungen zu- und abschalten kann – je nachdem, ob gerade zu viel oder zu wenig Strom in den Netzen fließt. Es kommt also immer auf den Blickwinkel an, ob man den Energiehunger der Bitcoin-Rechner positiv oder negativ bewertet.
Geldwäsche: Kriminelle geben Bargeld den Vorzug
Ein weiteres Vorurteil: Kriminelle nutzen Bitcoin, um Geld zu waschen oder illegal zu transferieren. Das kommt vor, ist aber entgegen der vorherrschenden Meinung nicht die Regel. Eine aktuelle Untersuchung schätzt das illegale Transfervolumen im Verhältnis zu allen Krypto-Überweisungen auf unter ein Prozent. Diese Angabe bezieht sich zudem nicht nur auf Bitcoin, sondern auf alle Kryptowerte. Nach wie vor benutzen Kriminelle für ihre illegalen Machenschaften bevorzugt Bargeld, allen voran Dollar und Euro, sowie Diamanten, Gold und Inhaberpapiere. Außerdem wird viel Geld an offiziellen Stellen vorbei über komplizierte Firmenkonstrukte in Niedrigsteuerländer und Offshore-Paradiese verschoben.
Dass Bitcoin für Kriminelle prinzipiell uninteressant ist, um Zahlungsflüsse zu verschleiern, liegt in der Natur der Bitcoin-Blockchain. Denn alle Transaktionen sind zwar nicht manipulierbar, wie oben beschrieben, aber öffentlich einsehbar und damit keinesfalls anonym. Zwar lässt die Bitcoin-Adresse des Absenders und auch die des Empfängers zunächst keine Rückschlüsse auf die ausführende Personen zu, aber durch heuristische Verfahren kann man in den allermeisten Fällen eine Bitcoin-Transaktion sehr viel leichter einer natürlichen Person zuordnen als eine Bargeldtransaktion. Es gibt neben Bitcoin jedoch einige Kryptowerte, die tatsächlich anonyme Transaktionen ermöglichen. Insofern ist nicht auszuschließen, dass der Anteil illegaler Transaktionen bei Kryptowerten in Zukunft ansteigen wird.
In der Diskussion um Kryptowerte gilt es deshalb, genau zu argumentieren und Vorurteile abzubauen. Denn Bitcoin & Co. sind aus unserer Welt nicht mehr wegzudenken, zumal das Interesse der Anleger von Tag zu Tag steigt, solange die Kurse immer weitere Höhen erklimmen. Als kleine Beimischung zum Portfolio können Bitcoin also durchaus interessant sein – solange Kunde und Berater wissen, wovon sie reden.
Joe Martin ist Experte für Bitcoin, Kryptowerte und die Blockchain-Technologie. Er berät dazu Genossenschaftsbanken und schult deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In seinem aktualisierten Taschenbuch „Bitcoin, Blockchain & Co. Wie die Blockchain funktioniert“ erklärt er anschaulich die Welt der Kryptowerte (erhältlich über times-ahead.de).