Verbund: GVB und Sparda-Verband schließen eine Kooperation. Die Vorstandsvorsitzenden beider Verbände sprechen über gemeinsame Ziele und die Herausforderungen in der Interessenvertretung.
Die Pandemie hält die Welt in Atem und bestimmt im Jahr 2020 sämtliche politische und gesellschaftliche Debatten in unserem Land. Die wenigsten dürften die historischen Ausmaße zu Beginn des Jahres erwartet haben – auch wenn das Virus zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Weg nach Europa war.
Trotz dieser nachvollziehbaren Dominanz eines Themas bleiben andere, wichtige gesellschaftliche Entwicklungen nicht stehen. Die Fragen, wie sich die Strukturen unseres Zusammenlebens darstellen, ob und wie sich Menschen Wohnraum leisten können und ob junge Familien noch in der Lage sind, Kinder, Beruf und ein lebenswertes Wohnumfeld zusammenzubringen, sind auch – oder gerade – in der Pandemie essentiell.
Die Sparda-Gruppe hat sich vor diesem Hintergrund auch in diesem besonderen Jahr 2020 entschieden, eine Neuauflage der Studie „Wohnen in Deutschland“ herauszugeben. Schwerpunkte der diesjährigen Untersuchung, die erneut in Kooperation mit dem Institut der deutschen Wirtschaft erstellt wurde, sind neben der Betrachtung der Preisentwicklung von Wohneigentum unter anderem die Wanderungsbewegungen in Deutschland und die hiermit zusammenhängenden Pendlerströme.
Über die Studie
„Wohnen in Deutschland 2020 – Unterschiede zwischen Stadt und Land“ ist eine Studie des Verbandes der Sparda-Banken e.V., die mit dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) und seiner Beratungsgesellschaft (IW Consult) durchgeführt wurde. Sie stellt eine Anschlussstudie zur dritten Sparda-Studie „Wohnen in Deutschland“ 2019 dar und betrachtet insbesondere die dort angelegten Fragen hinsichtlich der Unterschiede und Wanderungsbewegungen zwischen Stadt und Land sowie die Effekte der Corona-Pandemie auf den Immobilienmarkt.
Preise steigen im Umland ähnlich wie in Metropolen
Ein wesentlicher Aspekt der Untersuchung war, inwieweit sich die stark gestiegenen – und auch weiter steigenden – Immobilienpreise in den Großstädten auf das direkte Umland auswirken. Die Ergebnisse zeigen, dass der Immobilien-Kaufpreis in Agglomerationsräumen in den letzten zwölf Jahren um 74 Prozent gestiegen ist; allerdings sind die Preise auch im ländlichen Umland um 66 Prozent gestiegen. Betrachtet man die Entwicklung der letzten drei Jahre, ist sogar zu erkennen, dass die Preise im Umland in ähnlicher Weise gestiegen sind, wie dies in der Großstadt selbst der Fall war. In Berlin, München, Köln, Hamburg und Stuttgart sind die Preise im Umland seit 2017 sogar stärker gestiegen. Trotz dieses „Aufholeffekts“ bleibt jedoch festzuhalten, dass Immobilien im Umland der sieben Metropolen noch immer im Schnitt 35 Prozent günstiger sind als in den Metropolen selbst.
Platzangebot spielt entscheidende Rolle
Neben der Frage des Preises einer Wohnimmobilie – und der Verfügbarkeit – spielt gerade für junge Familien das Platzangebot eine entscheidende Rolle. Bei der Suche nach einem Einfamilienhaus zum Kauf stehen die Chancen, fündig zu werden, in ländlichen Räumen deutlich besser als in den Ballungsräumen: Während die mittlere Wohnfläche in den Metropolen bei 86 Quadratmeter liegt, werden in den peripheren ländlichen Räumen im Durchschnitt 120 Quadratmeter angeboten. Auch diese großen Unterschiede in der Wohngröße und im Preisniveau tragen dazu bei, dass das Umland immer beliebter wird. Wer auf der Suche nach mehr Wohnraum für die Familie ist, geht raus aus den Großstädten ins Umland.
Je höher die Immobilienpreise, desto mehr wird gependelt
Die Folgen der „Verdrängungseffekte“ durch Preis, Verfügbarkeit und Größe von Immobilien für den Pendlerverkehr zwischen Großstädten und Umland sind signifikant. Bereits in der letztjährigen Ausgabe der Studie „Wohnen in Deutschland 2019“ gaben rund 78 Prozent der Befragten an, das Pendeln bis zu 30 Kilometer zwischen Wohnort und Arbeitsplatz in Kauf nehmen zu wollen. Die diesjährige Studie zeigt, dass insbesondere die berufstätigen 30- bis unter 50-Jährigen aus den Städten ins Umland ziehen, was zu teilweise gewaltigen Pendlersalden führt. Man kann es treffend auf die – zugegeben einfache und nicht überraschende – Formel bringen: Je höher der Immobilienpreis, desto größer das Pendlersaldo. Aus diesen Wanderungsbewegungen von der Großstadt ins Umland erwächst der klare Auftrag an die Politik: Die Infrastruktur ins Umland muss weiter ausgebaut werden.
Wohnraum ist vor allem in Boomregionen knapp
Wohnraum vor allem in den Boomregionen Deutschlands ist knapp. Diese Binsenweisheit lässt sich mit dutzenden statistischen Erhebungen und Studien der letzten Monate und Jahre bestätigen. Und: Deutschland ist beim Wohneigentum trauriges Schlusslicht in Europa. Nur 45 Prozent der deutschen Haushalte wohnen in den eigenen vier Wänden. Im Osten der Bundesrepublik sind es 36 Prozent und im Westen 48 Prozent. Doch woran liegt das eigentlich?
Das erhebliche Missverhältnis von Angebot und Nachfrage für Immobilien insbesondere in den Boomregionen Deutschlands hat einen Grund auch in der allgemeinen Bevölkerungsentwicklung: Zwischen 2011 und 2019 ist diese um 3,5 Prozent gestiegen – das ist ein Plus von über 2,8 Millionen Menschen. Fast ein Viertel des gesamten Bevölkerungszuwachses entfällt hierbei auf die Millionenstädte Berlin, Hamburg, München und Köln.
Diese Bevölkerungsentwicklung und der fortschreitende Zuzug in die Ballungsräume treffen auf eine Bautätigkeit, die dem Bedarf – stellenweise nicht einmal im Entferntesten – gerecht wird: Lediglich 83 Prozent beträgt diese im Vergleich zum Wohnungsbaubedarf auf Deutschland gesehen. Während Hamburg und Düsseldorf hier vergleichsweise gut abschneiden, liegt die Quote zwischen Bedarf und Bautätigkeit in Köln beispielsweise sogar unter 50 Prozent. Schlusslicht ist die Stadt Speyer mit gerade einmal 21 Prozent. Ohne erhebliche Ausweitung der Bautätigkeit wird die Wohnungsknappheit in Ballungsregionen weiter zunehmen. Gleichzeitig muss natürlich darauf geachtet werden, schrumpfende Regionen durch Leerstände und fehlende Infrastruktur nicht abzuhängen. Ein Spagat, der offensichtlich leider auch durch den mit großen Erwartungen verbundenen Wohnungsgipfel von Bund und Ländern im Jahr 2018 bislang noch nicht gelungen ist.
Immobilienmarkt trotzt der Coronakrise
Natürlich konnten und wollten wir in diesem durch das Coronavirus geprägten Jahr die Auswirkungen der Pandemie auf den Immobilienmarkt bei unserer Betrachtung nicht außen vor lassen. Die Einschnitte in Wirtschaft und Gesellschaft durch die Pandemie haben eine Tragweite, die es in der Bundesrepublik Deutschland seit ihrem Bestehen so noch nicht gegeben hat. Vor diesem Hintergrund ist eine Kernerkenntnis der diesjährigen Sparda-Wohnstudie zweifelsohne, dass der Immobilienmarkt auch in der Krise äußerst robust ist – und dies aller Voraussicht nach auch bleibt.
Seit Beginn der Pandemie im März 2020 ist im Gegenteil insbesondere die Nachfrage zum Kauf von Einfamilienhäusern stark gestiegen. Auch Suchanfragen für Wohnungsmieten liegen über dem Vorkrisenniveau. Auf der Angebotsseite ist nach den Lockerungen der Kontaktbeschränkungen nach der ersten Corona-Welle kein Wiederanstieg der Verkaufsinserate für Immobilien auf das Niveau vor Ausbruch der Pandemie zu erkennen – im Gegenteil besteht auf Seiten der Verkäufer weiterhin große Zurückhaltung. Die Immobilieninserate für den Kauf von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen liegen deutlich unter dem Niveau von Anfang 2019.
Auch die Immobilienpreise werden kaum von der Corona-Pandemie beeinflusst. Nach einer kurzen Seitwärtsbewegung sind diese in fast allen Großstädten höher als vor Beginn der Krise. Auf die letzten anderthalb Jahre betrachtet heißt das: Während die Mieten vergleichsweise moderat um rund vier Prozent gestiegen sind, liegt der Zuwachs bei den Kaufpreisen (Bestand und Neubau zusammen) bei rund 15 Prozent.
Preise verharren ungebrochen auf hohem Niveau
Die Preise sind also ebenso ungebrochen auf hohem Niveau wie die Nachfrage nach Wohneigentum selbst. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Sei es die Funktion einer Immobilie als sichere Wertanlage in unsicheren Zeiten, die Verunsicherung gegenüber dem Kapitalmarkt oder eben der nach wie vor große Wunsch nach mehr Wohn- und Lebensqualität durch ein Eigenheim. Letzteres wird sicher durch die Schließungen von Begegnungsstätten im öffentlichen Raum sowie Home Office eher verstärkt. Man darf davon ausgehen, dass dies auch nach dem (hoffentlich baldigen) Ende der Pandemie nicht abreißen, sondern sich verstetigen wird. Die auch weiterhin historisch günstigen Finanzierungskonditionen, bei denen nach den jüngsten Einlassungen der EZB auch für die nächsten Jahre kaum Änderung zu erwarten ist, befördern dies sicher.
Keine Anzeichen für eine Immobilienblase
Fazit: Wer angesichts des Zuzugs in die Boomregionen und der damit verbundenen großen Nachfrage, des auf der anderen Seite knappen Angebots, der historisch niedrigen Finanzierungskonditionen sowie der viel zu geringen Bautätigkeit auf das baldige Platzen einer Immobilienblase spekuliert, dürfte vergeblich warten. Für uns Genossenschaftsbanken heißt das, dass wir mit unserer Marktpositionierung in Sachen Wohnen gut aufgestellt sind.
Florian Rentsch ist Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Sparda-Banken.
Interaktives Online-Tool zur Studie
Das Online-Tool zur Studie ist unter www.sparda-wohnen2020.de verfügbar. Hier können Sie detaillierte Informationen zu Ihrer gewünschten Region interaktiv abrufen und vergleichen. Selbstverständlich steht Ihnen die Sparda-Studie „Wohnen in Deutschland 2020“ dort auch zum Download bereit.