Käselager und Getreidesilo: Der Freistaat unterstützt viele Investitionen ländlicher Genossenschaften mit Zuschüssen. Der GVB hilft ihnen, die Fördermittel abzurufen.
Fragt man Alfred Kraus nach den Ursachen für den Strukturwandel in der Landwirtschaft, dann kann der Geschäftsführer der Raiffeisen-Handels-GmbH (RHG) Rottal aus dem Stegreif zahlreiche Beispiele aufzählen. Etwa von dem Kunden mit einem überregional vorbildlichen Schweinemastbetrieb. Weil die regulatorischen Vorgaben den wirtschaftlichen Betrieb immer mehr erschwert haben und sich die Kinder für andere Berufe entschieden, gab er die Tierhaltung vor Kurzem auf. „Wirklich schade“, sagt der RHG-Geschäftsführer. Der Schweinemäster ist bei Weitem kein Einzelfall: Kraus beobachtet, dass immer mehr Landwirte ihre Viehbestände auflösen. Gleichzeitig geht die Tendenz beim Ackerbau hin zu immer größeren Flächen. Kraus: „Wer im Vollerwerb Felder profitabel bewirtschaften möchte, braucht heute mindestens 50 Hektar plus X.“ In der Konsequenz geben mittlerweile selbst mittelgroße Betriebe auf, und kleine Höfe mit Ackerflächen zwischen zehn und 20 Hektar können nur noch als Nebenerwerbsbetriebe überleben.
Fördermittel abrufen
Der Freistaat Bayern unterstützt Investitionen im ländlichen Raum mit Zuschüssen. Weil die Anträge mitunter sehr komplex sind, hilft der GVB seinen Mitglieds-genossenschaften dabei, passende Fördermittel abzurufen. Mehr Informationen dazu im „Profil“-Artikel „Vom Käselager bis zum Getreidesilo“ aus der Ausgabe 07/2018.
Dieser Trend hat Konsequenzen für den Raiffeisen-Warenhandel. Denn größere landwirtschaftliche Betriebe brauchen einerseits deutlich mehr Saatgut, Dünger oder Futtermittel. Andererseits liefern sie erheblich größere Mengen an Mais, Weizen und Gerste. Um den veränderten Bedürfnissen der Landwirte bestmöglich entsprechen zu können, hat die RHG Rottal eine neue Agrar-Zentrale in Penning gebaut, einem Ortsteil des Markts Rotthalmünster im Landkreis Passau. Im September 2019 wurde die elf Millionen Euro teure Anlage eingeweiht. Einen Zuschuss für das Projekt gab es aus der sogenannten Marktstrukturförderung. Beim Ausfüllen der Anträge unterstützten die Spezialisten des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Kraus: „Das war eine große Hilfe.“
Kampf um den Standort
Neben dem Strukturwandel in der Landwirtschaft gibt es weitere Gründe, warum sich die RHG Rottal für den Neubau entschieden hat. So ersetzt die Agrar-Zentrale drei ehemalige Standorte in Bad Birnbach, Rotthalmünster und Tettenweis. „Die dortigen Anlagen waren rund 40 Jahre alt. Wir mussten erhebliche Geldmittel investieren, nur um sie funktionstüchtig zu erhalten“, sagt Kraus. Mittlerweile hätten einige Landwirte modernere Anlagen gehabt. Zudem waren die Erweiterungs- und Modernisierungsmöglichkeiten begrenzt, da zwei der Standorte zentral in den Orten lagen. Die Trocknungsanlagen durften aus Rücksicht auf die Nachbarn bereits seit Jahren nicht mehr betrieben werden. „Kurzum: Wir wollten ein Gelände, auf dem wir unsere Arbeit wieder vernünftig erledigen können“, sagt Kraus.
Die Standortsuche gestaltete sich jedoch schwierig, obwohl die RHG Rottal nur wenige Bedingungen stellte. Lediglich die Nähe zur B388 war gewünscht – die Bundesstraße ist die Hauptverkehrsader durch das Geschäftsgebiet. Beispielsweise gab es bereits eine Zusage für eine Fläche am Bahnhof von Karpfham – nur rund 1.000 Meter vom endgültigen Standort gelegen. Nach massiven Protesten der Hoteliers im nahen Bad Griesbach sowie der Besitzer des angrenzenden Golf-Ressorts zog das Landratsamt die Genehmigung wieder zurück. Auf diese Weise dauerte allein die Grundstücksuche rund vier Jahre. Die Bauarbeiten selbst gingen schnell und nahmen lediglich 15 Monate in Anspruch.
Ein Betrieb, sechs Gesellschafter: Die RHG Rottal in Zahlen
Die RHG Rottal wurde 1994 unter dem Namen „Raiffeisen Warenhandels- und Dienstleistungs GmbH Rotthalmünster“ von den Raiffeisenbanken Fürstenzell, Tettenweis, Sammarei, Unteres Inntal, Kößlarn und der Lagerhausgenossenschaft Rotthalmünster gegründet. Im ersten Geschäftsjahr erwirtschaftete das Unternehmen mit 41 Mitarbeitern einen Umsatz von knapp 20 Millionen Euro (38,5 Millionen D-Mark). Bis heute haben sich die Zahlen vervierfacht: Im Jahr 2018 erzielte die RHG Rottal einen Umsatz von 94 Millionen Euro und beschäftigte 158 Mitarbeiter. Das Geschäftsgebiet erstreckt sich über die Landkreise Rottal-Inn, Passau und Deggendorf. Dort werden auf einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von rund 225.000 Hektar vor allem Mais, Weizen und Gerste angebaut. Dazu kommen Milchviehhalter mit circa 50.000 Kühen und Mastbetriebe mit rund 300.000 Schweinen. Die RHG unterhält neben der neuen Agrar-Zentrale in Penning noch acht weitere Standorte. Sie liefert an rund 3.000 Landwirte in Bayern sowie 600 in Österreich. Der Geschäftsbetrieb verteilt sich auf vier Bereiche: Agrar, Baustoffe, Haus- und Gartenmärkte sowie Energie. Seit 2017 gehört die RHG Rottal sechs Gesellschafterbanken: Der VR-Bank Rottal-Inn, der Rottaler Raiffeisenbank, der VR-Bank Passau, der Volksbank - Raiffeisenbank Vilshofen, der Raiffeisenbank Unteres Inntal sowie der Raiffeisenbank Hengersberg-Schöllnach. Geschäftsführer Alfred Kraus ist seit der Gründung des Unternehmens vor 25 Jahren dabei: zunächst als Prokurist, ab 2009 in der heutigen Position.
Beeindruckende Dimensionen
Die Dimensionen der Agrar-Zentrale sind beeindruckend. Auf einer Fläche von 4,6 Hektar stehen eine Stückguthalle, Boxen für Futtermittel und Dünger, Getreidesilos sowie eine Trocknungsanlage. Außerdem befinden sich ein Haus- und Gartenmarkt sowie Büroräume für die Zentrale auf dem Gelände. Herzstück der Anlage ist eine Getreideerfassungsanlage mit zwei Annahmegossen, die je 150 Tonnen pro Stunde verarbeiten können. Die Lagerkapazitäten sind für 20.000 Tonnen Getreide, 4.200 Tonnen Düngemittel, 2.800 Tonnen Futtermittel sowie 100 Tonnen Pflanzenschutzmittel ausgelegt.
Das hohe Fassungsvermögen ist nötig, schließlich ändert die RHG Rottal mit der Agrar-Zentrale ihre Vertriebsstruktur. Früher lagerten Saatgut oder Futtermittel verteilt an allen Standorten. Bestellte ein Landwirt größere Mengen, mussten die LKW-Fahrer teilweise von Außenstelle zu Außenstelle fahren, bis sie die Bestellung beisammen hatten. Nun hat die RHG Rottal ihr Warenlager in der neuen Agrar-Zentrale in Penning konzentriert. Das erspart viele Wege und für die LKW-Fahrer den Griff zum Telefon, um zu ermitteln, in welchem Lager sich noch ausreichende Mengen der gewünschten Ware befinden. In gleicher Weise zentralisiert die RHG Rottal die Erfassung der Ernte. Liefern die Landwirte ihr Getreide an einen anderen RHG-Standort ab, übernimmt der Raiffeisen-Warenbetrieb den Transport nach Penning.
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Zwei Waagen für LKW
Beim Neubau haben die Verantwortlichen streng darauf geachtet, das Gelände auf die Bedürfnisse der Landwirte auszurichten. Es gibt vorgegebene Fahrspuren und zwei getrennte Waagen, auf der die LKW und Traktorgespanne jeweils bei der Ein- und Ausfahrt gewogen werden. Das verhindert Stau auf dem Gelände. Bei der Warenannahme wird automatisch eine Probe zur Qualitätskontrolle gezogen und ans Labor weitergeleitet, damit die Mitarbeiter diese analysieren können. So weiß der Silo-Meister, wo er die Ware lagern muss. Nach spätestens zehn Minuten sollen die Landwirte wieder vom Gelände rollen können – auch zu Spitzenzeiten während der Erntesaison. „Das ist unser Bestreben“, sagt Kraus. An den ehemaligen Standorten dauerte die Anlieferung bis zu 45 Minuten und die Traktoren stauten sich manchmal bis zur Straße zurück.
Alles in allem bietet die neue Agrar-Zentrale drei wesentliche Vorteile.
- Schnelligkeit: Die Landwirte können ihr Getreide in kürzerer Zeit abliefern und sind dadurch schneller zurück in ihren Betrieben.
- Zentraler Warenbestand: Da alle Produkte gebündelt vor Ort lagern, können die Bestellungen unverzüglich an die Landwirte ausgeliefert werden.
- Beratung: Am neuen Standort sind immer genügend Ansprechpartner vor Ort, um die Landwirte qualifiziert zu beraten. Diese Dienstleistung wird immer wichtiger, weil mittlerweile alle jungen Landwirte Ackerbau studiert haben, auf der Höheren Landbauschule waren oder Landwirtschaftsmeister sind. „Das ist ein Top-Niveau, dem wir auf Augenhöhe begegnen müssen“, sagt Kraus.
Da die Agrar-Zentrale erst im September eingeweiht werden konnte, war ein Großteil der Ernte bereits vorbei. Lediglich der Mais wurde bereits mit der neuen Anlage erfasst. Das hat gut funktioniert: „Die Kunden haben ein super Feedback gegeben“, berichtet der Geschäftsführer. Das sei wichtig für die RHG Rottal, denn der Agrarhandel stehe durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft unter Druck. „Mit der neuen Agrar-Zentrale haben wir die besten Voraussetzungen geschaffen, weiterhin ein wichtiger Partner der Landwirtschaft zu bleiben“, sagt Kraus zuversichtlich.