Käselager und Getreidesilo: Der Freistaat unterstützt viele Investitionen ländlicher Genossenschaften mit Zuschüssen. Der GVB hilft ihnen, die Fördermittel abzurufen.
Herr Schuler, als Mitglied des Vorstands der BayWa sind Sie unter anderem für die Bereiche Technik und Digital Farming verantwortlich. Wohin wird sich die Landwirtschaft in den kommenden zehn Jahren entwickeln?
Roland Schuler: Ich sehe hier drei große Trends. Zum einen wird sich der Strukturwandel in der Landwirtschaft weiter fortsetzen und beschleunigen. Folglich sinkt die Anzahl der Betriebe weiter, die verbleibenden Betriebe dagegen nehmen an Größe zu. Die Gründe dafür liegen vor allem an dem hohen Marktdruck und der zum Teil schwierigen Einkommenssituation der Landwirte. Auch in diesem Zusammenhang wird der Landwirt immer mehr Hochtechnologie bei seiner Arbeit einsetzen, Stichwort „Digital Farming". Die zunehmende Automatisierung und Vernetzung führt schließlich zu höherer Produktivität, die wir angesichts steigender Bevölkerungszahlen weltweit auch dringend brauchen werden.
Wie bereitet sich die BayWa auf diese Entwicklungen vor?
Schuler: Den Strukturwandel in der Landwirtschaft beobachten wir schon seit vielen Jahren. Mit den wachsenden Betriebsgrößen steigen natürlich die Anforderungen der Kunden an uns. Landwirte verstehen sich heute mehr als früher als Unternehmer und sind hochqualifiziert. Um den wachsenden Ansprüchen gerecht zu werden, investieren wir regelmäßig in unsere Standorte, in unsere technischen Anlagen und in die Qualifikation unserer Mitarbeiter. Beispiel Getreideerfassung: Die Landwirte fahren mit großen Anhängern zu uns auf den Hof und wollen zügig bedient werden, denn Zeit ist knapp. Oder unsere Werkstätten: Immer größere und komplexere Maschinen erfordern entsprechendes Equipment und Know-how. Nicht zuletzt die Digitalisierung: Hier sind wir in Deutschland schon Marktführer bei Smart Farming und wollen dies auch in Europa werden.
Kaum eine Rede zur Lage der Landwirtschaft kommt ohne das Thema Smart Farming aus. Wie ist die BayWa in diesem Bereich aufgestellt – und wo sehen Sie Potenzial?
Schuler: Mit unserer Tochtergesellschaft FarmFacts GmbH und unserer Beteiligung an der Vista GmbH haben wir zwei starke Gesellschaften an Bord, die an Lösungen für den Digitalisierungsprozess auf dem Hof und auf dem Acker arbeiten. Die FarmFacts deckt ein breites Spektrum ab, von der Software für das Betriebsmanagement – Düngemittelplanung, digitale Schlagkarteien, Kostenplanung und vieles andere – bis hin zur Flächenanalyse und zur vernetzten, satellitengestützten Ausbringung von Betriebsmitteln oder der Aussaat. Die Vista bringt ihr Know-how aus der Satelliten-Fernerkundung ein, die für die teilflächenspezifische Bewirtschaftung eines Ackerschlags Grundlage ist. Eine Herausforderung beim vernetzten Arbeiten ist die Kommunikation von Maschinen unterschiedlicher Hersteller. Die FarmFacts arbeitet hier mit namhaften Landtechnik-Herstellern an einem Modul, das gemischte Flotten übergreifend vernetzt – ein Meilenstein in der Digitalisierung der Landwirtschaft.
Wo ist Digital Farming in der landwirtschaftlichen Praxis bereits angekommen?
Schuler: Landwirte waren schon immer aufgeschlossen gegenüber innovativer Technik. In einem Traktor steckt heute mehr Hightech als in einem Auto. Schon jetzt verfügen über 70 Prozent der in Deutschland verkauften Großtraktoren über automatische Lenksysteme. Inzwischen findet auch die teilflächenspezifische Bewirtschaftung eines Ackerschlags Eingang in die Praxis. Dabei geht es um die punktgenau dosierte Ausbringung von Betriebsmitteln, unterstützt durch Daten etwa aus der Satellitenfernerkundung. Entsprechende Systemlösungen haben wir letztes Jahr zur Marktreife entwickelt. Von der Farmmanagement-Software, die Produktionsabläufe dokumentiert und auswertet, bis hin zum Melkroboter im Stall könnte ich viele weitere Beispiele aufzählen. Digitale Angebote nutzt heute sicher der Großteil der Landwirte, die Frage ist natürlich, in welchem Umfang und in welcher Komplexitätsstufe.
Im bundesweiten Vergleich ist die Landwirtschaft in Bayern überwiegend kleinteilig strukturiert. Können sich auch kleinere Betriebe Investitionen in digitale Farming-Anwendungen leisten?
Schuler: Ja, wobei es, wie gesagt, jeweils von Umfang und Komplexität einer digitalen Lösung abhängt. Auch kleinere Betriebe sind bereit, in digitale Angebote zu investieren. Dabei geht es ihnen nicht nur um Wirtschaftlichkeit, sondern sehr oft auch um Arbeitserleichterung, sei es auf dem Acker beim stundenlangen, monotonen Traktorfahren, oder im Büro bei der Betriebsmittelplanung. Die teilflächenspezifische Bewirtschaftung, die ich schon angesprochen habe und die auf den optimalen Betriebsmitteleinsatz abzielt, bieten wir in Zusammenarbeit mit Partnern als Dienstleistung im Gesamtpaket an. So können sich das auch kleinere Betriebe leisten, ohne in kostspielige Maschinen und Software investieren zu müssen.
„Die Raiffeisengenossenschaften betreiben ihr Geschäft nah am Kunden und sind daher wichtige Multiplikatoren.“
Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit den bayerischen Raiffeisen-Handelsunternehmen und wo sehen Sie Ansätze, diese Zusammenarbeit auszubauen – auch im digitalen Bereich?
Schuler: Die Raiffeisengenossenschaften sind zum Teil enge und langjährige Vertriebspartner innerhalb der zweistufigen Handelsstruktur, gleichzeitig stehen wir mit ihnen im Wettbewerb. Sie betreiben ihr Geschäft nah am Kunden und sind daher wichtige Multiplikatoren. Deshalb sind wir bestrebt, unsere Lieferbeziehungen weiter zu intensivieren und zu optimieren. Eine Zusammenarbeit im Bereich der Digitalisierung ist willkommen, es bedeutet für die Partner aber auch, entsprechende Kompetenz aufzubauen und Ressourcen dafür bereitzustellen.
Die BayWa AG im Überblick
Die BayWa AG wurde 1923 gegründet und hat ihren Hauptsitz in München. Aus ihren Wurzeln im genossenschaftlichen Landhandel hat sich die BayWa durch einen kontinuierlichen Ausbau des Leistungsspektrums zu einem internationalen Handels-, Dienstleistungs- und Logistikkonzern entwickelt. Die Geschäftstätigkeit gliedert sich in die drei operativen Segmente Agrar, Energie und Bau sowie das Entwicklungssegment Innovation & Digitalisierung mit dem Fokus auf Smart Farming und E-Business. Die Schwerpunkte der internationalen Aktivitäten liegen neben Europa in den USA und in Neuseeland. Im Segment Agrar deckt die BayWa die gesamte Wertschöpfungskette vom Feld bis zur Vermarktung der Erzeugnisse ab. Das Leistungsspektrum umfasst den internationalen Handel und die Logistik ausgewählter Agrarrohstoffe sowie den Vertrieb von Betriebs- und Futtermitteln. Bei landtechnischen Maschinen ist die BayWa vom Verkauf von Neumaschinen über Wartung und Instandsetzung bis zur Vermarktung von Gebrauchtmaschinen tätig. 2017 erzielte der Konzern einen Umsatz von 16 Milliarden Euro und beschäftigte weltweit über 17.000 Mitarbeiter.
Ein wichtiges Standbein der BayWa-Agrarsparte ist der Vertrieb von Landtechnik. Wie entwickelt sich das Geschäft in Bayern angesichts der guten Konjunktur?
Schuler: Die BayWa ist hier sehr breit aufgestellt, wir sind Vollsortimenter für Maschinen, Geräte und Anlagen, und das für alle Bereiche der Land-, Forst- und Kommunaltechnik, ebenso für den Stallbau. Die Sparte Technik spielt für uns eine sehr wichtige Rolle, sie steuert auf Konzernebene rund 10 Prozent zum Umsatz bei. Und sie bringt uns als Treiber bei der Digitalisierung maßgeblich voran. Was Bayern betrifft: Auch hier bereitet uns das Technik-Geschäft sehr viel Freude. Die Landwirte zeigen eine ungebrochen hohe Investitionsbereitschaft, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. 2018 war auch die Düngeverordnung ein Top-Thema, die ebenfalls erhöhte Investitionen bei Gülletechnik und -lagerung nach sich zogen.
„Die Herausforderung für uns als Händler ist, die richtige Mischung zwischen persönlicher und digitaler Nähe zu finden.“
Die BayWa betreibt unter der Adresse www.tecparts.com eine eigene Internetplattform für den Landtechnik-Ersatzteilvertrieb. Welchen Einfluss haben die Digitalisierung und Technisierung der Landwirtschaft auf den Landtechnikhandel?
Schuler: Sie haben schon ein typisches Beispiel angesprochen: Auch im Landtechnikhandel verlagert sich ein Teil der Aktivitäten ins Netz, wie etwa das Ersatzteilgeschäft oder der Gebrauchtmaschinenhandel, der über unsere Plattform www.baywaboerse.com Maschinen bis nach Osteuropa und Afrika verkauft. Die Digitalisierung verändert aber auch die Art, wie wir mit unseren Kunden kommunizieren. Viele, vor allem jüngere Landwirte, erledigen grundsätzlich vieles online, informieren sich und bestellen im Internet. Die Herausforderung für uns als Händler ist, die richtige Mischung zwischen persönlicher und digitaler Nähe zu finden. Bei aller Euphorie für Landwirtschaft 4.0: Auch im digitalen Zeitalter bleibt die persönliche Nähe zum Landwirt wichtig. Deshalb investieren wir auch laufend in unser flächendeckendes Werkstättennetz und unsere Vertriebsstandorte.
Die Landwirtschaft unterliegt immer strengeren regulatorischen Vorgaben. Ein Beispiel ist die von Ihnen bereits erwähnte neue Düngeverordnung. Wie wirkt sich das auf den Vertrieb der BayWa aus?
Schuler: Die Landwirte erwarten von uns, dass wir sie in diesen Dingen beraten und Lösungen anbieten können. Die Düngeverordnung ist ein gutes Beispiel, weil hier sogar viele unterschiedliche Bereiche zusammenwirken: Unter anderem sind Aussaat, Düngung, Fütterung, Gülletechnik sowie Güllelagerung zu berücksichtigen. Unser Vertrieb muss sich dafür extrem gut vernetzen, um dem Landwirt passende Lösungen aus einer Hand zu liefern. Und natürlich – aber das versteht sich von selbst – muss er die gesetzlichen Vorgaben aus dem Effeff beherrschen.
Die vielen regulatorischen Vorgaben genauso wie die Technisierung der Landwirtschaft erfordern immer mehr Expertenwissen. Wie stellt die BayWa bei ihren Mitarbeitern, Geschäftspartnern und den Landwirten dieses Wissen sicher?
Schuler: Wir stellen unseren Mitarbeitern ein umfangreiches und strukturiertes Weiterbildungsangebot zur Verfügung. Einmal jährlich werden im Rahmen eines Mitarbeiterjahresgesprächs für jeden einzelnen Mitarbeiter Qualifizierungsbedarf und -maßnahmen identifiziert. So können wir ein anhaltend hohes fachliches Niveau im Unternehmen gewährleisten. Zudem gibt es eine Vielzahl von Veranstaltungen, wo wir unser Expertenwissen an unsere Kunden und Geschäftspartner weitergeben, zum Beispiel unsere Feld- und Praxistage, Maschinenvorführungen oder unsere so genannten Digital Days, die wir in verschiedenen Regionen anbieten. Dort referieren Mitarbeiter der BayWa und externe Experten über die neusten Entwicklungen rund um Smart Farming. Die Veranstaltungen nehmen sowohl Kunden als auch Mitarbeiter wahr und sie erfreuen sich großer Beliebtheit.
Ende des Jahres gehen Sie nach 16 Jahren im Vorstand der BayWa in den Ruhestand. Welche Bilanz ziehen Sie?
Schuler: Die BayWa hat sich in dieser Zeit enorm weiterentwickelt und den Umsatz seitdem mehr als verdreifacht. Der Konzern ist heute auf allen Kontinenten vertreten, und hat mit den erneuerbaren Energien und der Digitalisierung innovative und zukunftsträchtige Geschäftsfelder erschlossen. Dass wir ein stabiler Player im Markt sind, verdanken wir nicht zuletzt unserer diversifizierten Aufstellung mit den Kernsegmenten Agrar, Energie und Bau. Nach meinem Wechsel zur BayWa übernahm ich neben dem Autohandel bald die Sparte Technik – zu jener Zeit ein Sanierungsfall. Heute ist das eine sehr erfolgreiche Sparte mit internationaler Ausweitung der Aktivitäten nach Holland, Südafrika und Kanada. Später kam dann im Zuge des Umbaus im BayWa-Vorstand weitere Verantwortung mit der Sparte Energie und den erneuerbaren Energien hinzu. Eine große Herausforderung war schließlich ab 2015 der Bereich Agrar Deutschland. Der BayWa-Vorstand und auch die Mitarbeiter haben mir in all den Jahren dieses große Vertrauen entgegengebracht, dass ich die Geschäftsbereiche mit ihren ganz individuellen Problemstellungen erfolgreich weiterentwickeln und voranbringen konnte. Darauf bin ich auch ein wenig stolz.
Herr Schuler, vielen Dank für das Interview!
Roland Schuler (*1956) stammt aus Baden-Württemberg und studierte in Stuttgart Betriebswirtschaftslehre. Seine berufliche Laufbahn begann der Diplom-Kaufmann bei Hewlett Packard in Böblingen. 1993 wurde er in den Vorstand der damaligen WLZ Raiffeisen AG in Stuttgart bestellt. 1997 stieg er zum Sprecher des Vorstands auf. Im Zuge der Verschmelzung der WLZ mit der BayWa AG wechselte Schuler 2002 in den Vorstand des Münchner Handels- und Dienstleistungskonzerns. In sein Ressort fallen aktuell die Bereiche Corporate IT, BayWa Agri Services (Technik und Digital Farming), Informationssysteme sowie der Vorsitz der Führungs- und Aufsichtsgremien der internationalen Agri Services-Beteiligungen. Zum 31. Dezember 2018 geht Schuler in den Ruhestand. Der Aufsichtsrat bestimmte den BayWa-Generalbevollmächtigten Marcus Pöllinger zu seinem Nachfolger. Er wird sein neues Amt zum Jahresbeginn 2019 antreten.