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Bayern ist seit vielen Jahrzehnten eines der wirtschaftlichen Zugpferde Deutschlands. Mit München als Heimat mehrerer DAX-Konzerne und als bedeutender Finanzstandort wird der wirtschaftliche Erfolg des Freistaats oft auf seine großen Metropolen und Weltkonzerne zurückgeführt. Doch ein wesentlicher Treiber des bayerischen Wohlstands liegt jenseits der urbanen Zentren: Es sind die ländlichen Regionen und der Mittelstand, die das wirtschaftliche Fundament Bayerns bilden.

Mehr als 600.000 Unternehmen prägen die bayerische Wirtschaftslandschaft, darunter zahlreiche „Hidden Champions“, die sich in Nischenmärkten durch innovative Lösungen international behaupten. Insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) sind das Rückgrat der Wirtschaft: Sie schaffen Arbeitsplätze, treiben Innovationen voran und sind stark in ihren Regionen verwurzelt. In diesem diversifizierten Wirtschaftsgefüge spielt der Genossenschaftssektor eine entscheidende Rolle.

Genossenschaften: Wirtschaftskraft aus der Region für die Region

Bayern beheimatet über 1.200 Genossenschaften, die in 35 Branchen aktiv sind – von der Landwirtschaft und Energie über den Handel bis hin zu Handwerk und Dienstleistungen. Mit einem Gesamtumsatz von fast 17 Milliarden Euro leisten diese Unternehmen einen signifikanten Beitrag zur wirtschaftlichen Vielfalt. Sie sind nicht nur Wirtschaftstreibende, sondern auch kulturelle und gesellschaftliche Akteure, die durch ihre Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern sowie durch die Förderung regionaler Wertschöpfungsketten den Wirtschaftsraum Bayern stärken.

Ein Großteil der Genossenschaften agiert in Bereichen, die unseren Alltag berühren: vom morgendlichen Frühstück mit regionalen Produkten wie Milch und Käse bis hin zum Einkauf im Dorfladen oder der Nutzung genossenschaftlicher Energieangebote. Diese Nähe macht die Genossenschaften zu einer einzigartigen Unternehmensform, die vor Ort Wert schafft und die Region nachhaltig prägt.

Volks- und Raiffeisenbanken: Finanzierungspartner des Mittelstands

Neben den zahlreichen genossenschaftlichen Unternehmen sind es vor allem die Volks- und Raiffeisenbanken, die zum wirtschaftlichen Rückgrat Bayerns gehören. Mit 184 Banken und einem Marktanteil von rund 25 Prozent bei Krediten und Einlagen in Bayern sind sie ein zentraler Finanzierungspartner für den Mittelstand. Im Jahr 2023 vergaben die Genossenschaftsbanken Kredite im Gesamtvolumen von mehr als 75 Milliarden Euro an Unternehmen und unterstützten damit insbesondere kleine und mittlere Unternehmen.

Die Volks- und Raiffeisenbanken sind tief in den Regionen verankert und bieten mit über 36 Prozent aller Geldautomaten sowie dem dichtesten Filialnetz aller Bankengruppen – im Schnitt alle sechs bis acht Kilometer - eine flächendeckende Versorgung mit Finanzdienstleistungen. Ihre regionale Präsenz ermöglicht es ihnen, die spezifischen Bedürfnisse der Menschen und Unternehmen vor Ort zu verstehen und passgenaue Finanzlösungen zu bieten. Dieses dezentrale Modell der Kreditvergabe zeigt sich gerade in Krisenzeiten als stabil und nachhaltig, da es auf lokale Wertschöpfung setzt.

Mehr als Banken: Ein gesellschaftlicher Beitrag

Die Volks- und Raiffeisenbanken verstehen sich nicht nur als Finanzdienstleister, sondern auch als Förderer der regionalen Gemeinschaft. Im Jahr 2023 haben sie fast 16 Millionen Euro an Vereine und Initiativen im Freistaat gespendet, wodurch sie das gesellschaftliche Leben aktiv mitgestalten. Mit mehr als drei Millionen Genossenschaftsmitgliedern und fast 30.000 Beschäftigten stehen sie für eine enge Verbindung zu ihrer Region, die sich auch in ihrem Selbstverständnis widerspiegelt: Geld, das lokal gesammelt wird, bleibt in der Region und unterstützt den dortigen wirtschaftlichen Kreislauf.

Genossenschaften als Innovationsmotor der Energiewende

Ein besonders aktuelles Beispiel für die Innovationskraft der Genossenschaften ist ihr Engagement in der Energiewende. Sie investieren in Photovoltaikanlagen, Windkraft und lokale Wärmenetze und bin‐ den die Bevölkerung direkt ein. Diese Projekte stärken nicht nur die regionale Energieversorgung, sondern ermöglichen auch eine Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg, was die Akzeptanz für erneuerbare Energien vor Ort deutlich erhöht. Genossenschaften schaffen so ein Modell der Energiewende, das sich durch Bürgernähe und Nachhaltigkeit auszeichnet.

Genossenschaften: Eine nachhaltige Wirtschaftsform für die Zukunft

„Mehr Genossenschaft wagen" – so könnte das Motto für die erfolgreiche Zukunft Bayerns lauten. Denn Genossenschaften verkörpern – weit über die Rechtsform eG hinaus -Tugenden und Werte, die wir brauchen, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen. Wo andere zögern und klagen, versammeln Genossenschaften Menschen, die anpacken und gemeinsam an Lösungen arbeiten. Wo andere nach dem Staat rufen, verlassen sich die Menschen in Genossenschaften auf ihre eigene Tatkraft. Wo andere Teile der Wirtschaft von den Einzelinteressen weniger Großaktionäre dominiert werden, beziehen Genossenschaften die Bürgerinnen und Bürger vor Ort in ihr Handeln ein. Solidarität, Eigenverantwortung und langfristige Wertschöpfung - mit diesen Prinzipien verkörpern die Genossenschaften wie kaum eine andere Rechtsform die Ideen der Sozialen Marktwirtschaft.

Wir brauchen in Bayern große Unternehmen und Konzerne. Wir brauchen aber mindestens ebenso dringend das feinmaschige Netz der soliden, regionalen mittelständischen Wirtschaft. Und eine Wirtschaftspolitik, die beides gleichermaßen im Blick hat. Dabei ist es wichtig, die regulatorischen Belastungen und die Bürokratie für die kleinen Unternehmen verhältnismäßig zu gestalten. Denn nur wenn Genossenschaften und die gesamte mittelständische Wirtschaft genug Handlungsspielraum bekommen und nicht von unnötiger Bürokratie überfordert werden, können sie ihrer Rolle als Motor der bayerischen Wirtschaft gerecht werden.
 

Dieser Beitrag ist zuerst am 19. Oktober 2024 in der Börsen-Zeitung (Sonderbeilage Wirtschaftsraum Bayern) erschienen.

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