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Erst die Corona-Pandemie, dann die wirtschaftlichen Folgen des Angriffskriegs auf die Ukraine und jetzt noch die unabsehbare Entwicklung im Nahen Osten, die sich unter Umständen gleichfalls auf die Energiepreise auswirken kann – die Unternehmerinnen und Unternehmer scheinen aktuell mit permanent neuen Herausforderungen konfrontiert zu sein. Unabhängig von den globalen Krisen stehen sie vor der Aufgabe, nachhaltiger zu produzieren, da sowohl die Bundesregierung als auch die Europäische Kommission das Ziel ausgegeben haben, bis spätestens 2050 eine wettbewerbsfähige klimaneutrale Wirtschaft aufbauen zu wollen.

Fachkräftemangel das dominierende Thema

Fragt man mittelständische Unternehmerinnen und Unternehmer, was für sie aktuell die größte Herausforderung ist, so zeigt sich, dass dies der Fachkräftemangel ist. Bereits zum dritten Mal in Folge bezeichneten sie im Juni 2023 in der Befragung des IfM Bonn für das Zukunftspanel Mittelstand die demografische Entwicklung mit all ihren Folgen für die Arbeitswelt als das TOP-Thema. Insbesondere die Alterung der Belegschaft bereitet den Unternehmerinnen und Unternehmern große Sorge: Sie befürchten, den Generationswechsel aufgrund fehlenden Nachwuchses nicht bewältigen zu können. Auch kritisieren sie die mangelnde Qualifikation von Bewerberinnen und Bewerber für Ausbildungsstellen, sofern sie überhaupt Bewerbungen erhalten.

Erst mit größerem Abstand folgen auf den Plätzen 2 und 3 die Herausforderungen „Erhöhter Wettbewerbsdruck“ und „Energieversorgung/-sicherheit“. Während die Themen „Internationalisierung“ und „Unternehmensfinanzierung“ deutlich an Bedeutung verloren haben, sehen sich die Unternehmerinnen und Unternehmer vor die Aufgabe gestellt, die steigenden Lohn-, Material- und Energiekosten aufzufangen. Ein Teil der Führungskräfte äußerte sogar die Befürchtung, das eigene Unternehmen könnte aufgrund dessen nicht mehr lange wettbewerbsfähig agieren. Zum Vergleich: Bei der letztjährigen Befragung für das Zukunftspanel Mittelstand hatte die Herausforderung „Erhöhter Wettbewerbsdruck“ noch auf Platz 7 gelegen, im zweiten Coronajahr 2021 auf Rang 3.

Was bedeuten all diese Befragungsergebnisse nun für den Umgang mit der aktuellen Situation im Mittelstand? Was brauchen die mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmen, um angesichts der vielen Herausforderungen weiter bestehen zu können?

Stark nur mit verlässlichen Rahmenbedingungen

Damit die mittelständischen Unternehmen wieder ihre Stärken im (globalen) Wettbewerb ausspielen können, brauchen sie in der aktuellen Situation gute und verlässliche Rahmenbedingungen.

Während der Corona-Pandemie haben viele Unternehmerinnen und Unternehmer belegt, was den Mittelstand in Deutschland auszeichnet: Sie bemühen sich darum, ihre Unternehmen an die Krisensituation anzupassen. Viele von ihnen richteten nicht nur die Geschäftsprozesse und -modelle an den veränderten Markterfordernissen aus, sondern sie nutzten auch unternehmensintern und -extern die vielfältigen Möglichkeiten der Digitalisierung, wie die Studie „Die Auswirkungen der Innovationstätigkeit von KMU in Krisenzeiten auf ihre wirtschaftliche Entwicklung“ des IfM Bonn von 2022 zeigt.

Mit dem Abklingen der Pandemie nahmen insbesondere Unternehmen in den Branchen, die besonders durch coronabedingte, temporäre Schließungen betroffen gewesen waren, wie das Hotel- und Gaststättengewerbe und der Sektor Kunst/Unterhaltung/Erholung, Anpassungen zurück und aktivierten wieder ihr eigentliches Geschäftsmodell. In anderen Branchen empfanden die Unternehmen dagegen die vorgenommenen Anpassungen als Bereicherung – und beabsichtigen auch dauerhaft daran festzuhalten. Auf diese Anpassungsfähigkeit der mittelständischen Unternehmen können wir auch weiterhin vertrauen, auch wenn angesichts der steigenden Kosten infolge der globalen Krisen, der laufenden ökologischen Transformation und des Fachkräftemangels das wirtschaftliche Umfeld komplex und herausfordernd ist.

Berichtspflichten treffen indirekt alle Unternehmen

Zu mittelstandsfreundlichen Rahmenbedingungen zählt aber auch ein konsequenterer Bürokratieabbau beispielsweise durch eine stärkere Berücksichtigung der indirekten Auswirkungen von Gesetzen für kleinere Unternehmen. Ein Beispiel: Im Rahmen ihrer „Strategie zur Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft“ macht die EU-Kommission den Unternehmen Vorgaben, was sie in Bezug auf die sogenannten ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) berichten müssen. Diese Berichtspflichten betreffen zwar laut Gesetz nur Großunternehmen, tatsächlich sind aber auch die noch nicht berichtspflichtigen Unternehmen hiervon betroffen. Schließlich benötigen die Großunternehmen von ihren zuliefernden kleinen und mittleren Unternehmen Nachhaltigkeitsinformationen innerhalb der Wertschöpfungskette.

Finanzierungseigenheiten des Mittelstands bleiben

Unseren Untersuchungen zufolge hat in der jüngsten Vergangenheit gut jedes vierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bauliche Maßnahmen umgesetzt, um sich vor den Folgen des Klimawandels zu schützen beziehungsweise nachhaltiger zu wirtschaften. Im Zuge der ökologischen Transformation sind jedoch weitere Investitionen notwendig. Dies soll laut der IfM-Studie „Die Förderung nachhaltiger Finanzierung durch die EU – Auswirkungen auf den Mittelstand“ von 2022 vorrangig mit Eigenmitteln erfolgen (80 Prozent). Erst an zweiter Stelle wollen die Unternehmerinnen und Unternehmer Förderdarlehen oder klassische Bankdarlehen nutzen. Grüne Anleihen/Green Bonds spielen hingegen laut der der damaligen Befragung kaum eine Rolle.

Folglich besitzen die klassischen Hausbanken weiterhin für die Finanzierung der nachhaltigen Transformation einen wichtigen Stellenwert. Der Vorteil dabei: In der Regel ist die Hausbank durch die oft jahrelangen Beziehungen zum mittelständischen Unternehmen gut mit dem jeweiligen Geschäftsmodell vertraut und kann die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeitsrisiken für den Geschäftserfolg bei der Kreditvergabe möglicherweise besser einschätzen.

Kleine Unternehmen frühzeitig informieren

Allerdings sind Banken und Sparkassen zunehmend dazu verpflichtet, die Nachhaltigkeit ihrer Kreditvergabe an Unternehmen zu prüfen. Auch müssen sie zum Beispiel im Rahmen der Green Asset Ratio (GAR) die Anteile taxonomiekonformer Anlagewerte in ihrem Portfolio offenlegen. Da Kredite an kleine und mittlere Unternehmen zumindest bis ins Jahr 2025 pauschal als „braun“ gewertet werden, kann dies dazu führen, dass Sparkassen und genossenschaftliche Banken bei der GAR-Berechnung benachteiligt werden, weil sie im Vergleich zu größeren Geschäftsbanken überproportional viele Kredite an KMU vergeben. Zudem steigt durch den zusätzlichen Informationsbedarf der Kreditgeber auch der Aufwand für die KMU, die erforderlichen Informationen zu erheben. Es empfiehlt sich daher frühzeitig, die kleineren Unternehmen für die zukünftigen Informationsbedarfe ihrer berichtspflichtigen Kunden und Finanzpartner zu sensibilisieren. Nur so erhalten sie auch die notwendige Zeit, sich für die zukünftigen Aufgaben zu rüsten – und sich auf die kommenden Vorgaben einzustellen.
 

Dr. Siegrun Brink ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn. Sie beschäftigt sich unter anderem mit den aktuellen Herausforderungen für die mittelständischen Unternehmen.

Dr. Jonas Löher ist gleichfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter am IfM Bonn und untersucht unter anderem die Finanzierungsformen im Mittelstand.

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