Zukunftssicherung: Die Raiffeisen-Volksbank Donauwörth hat sich Gedanken gemacht, wie sie ihre Firmenkunden bei der nachhaltigen Transformation unterstützen kann.
Wenn Christian Haberger die Chancen und Risiken des Firmenkundengeschäfts der VR-Bank Rottal-Inn bewerten muss, schlägt sich der Vertriebsdirektor Firmenkunden eindeutig auf die Seite der Optimisten. Zwar spürt auch die niederbayerische Kreditgenossenschaft mit Sitz in Pfarrkirchen eine gewisse Investitionszurückhaltung bei den Unternehmen, aber die aktuell wirtschaftlich schwierige Situation sei eher eine Konjunkturdelle, die überbrückt werden muss, als eine dauerhafte Schwächephase der Wirtschaft. „Wir waren verwöhnt von einer langen Boomphase, die nun vorerst ihr Ende gefunden hat. Konjunkturzyklen gab es schon immer. In Niederbayern sehen wir gut aufgestellte Firmen, die sehr innovativ sind. Deshalb werden wir in nicht allzu ferner Zukunft auch wieder ein deutliches Wachstum erleben“, sagt Haberger.
Bedeutung der Geldanlage steigt
Die niederbayerischen Unternehmen seien in der Regel inhabergeführt und hätten in den guten Jahren Kapital angesammelt. Deshalb seien sie sehr resilient gegen Krisen. Deutlich zurückgegangen sei jedoch die Investitionsbereitschaft. „Hohe Zinsen und Energiekosten, bürokratische Auflagen, fehlende Fachkräfte und politisch unsichere Zeiten veranlassen die Unternehmen dazu, ihr Geld beisammenzuhalten. Viele Investitionen rechnen sich bei einem Darlehenszins von vier bis fünf Prozent einfach nicht mehr“, sagt Haberger.
Dafür steigt laut dem Vertriebsdirektor die Bedeutung der Geldanlage im Firmenkundengeschäft der VR-Bank Rottal-Inn. „Die Unternehmen horten kurzfristige Liquidität auf Tages- und Festgeldkonten, um für den Ernstfall gewappnet zu sein.“ Weil jederzeit kündbare Einlagen schlecht für die Liquiditätskennziffern der VR-Bank Rottal-Inn sind, versucht das Kreditinstitut nun, die geparkte Liquidität umzuschichten, zum Beispiel in Kündigungsgeld mit einer ein- bis dreimonatigen Kündigungsfrist.
Trotz der aktuellen Konjunkturflaute ist Haberger nicht bange. Geschäftspotenzial sieht er vor allem in der Energiewende. „Photovoltaik, Wärmenetze, Wind- und Wasserkraft, Biogas: Wir sehen überall enormen Kapitalbedarf und sind bestrebt, dazu Expertenwissen in unserem Haus vorzuhalten. Die Anfragen nehmen jetzt schon zu“, berichtet Haberger. Deshalb hat die VR-Bank Rottal-Inn auch eine neue Mitarbeiterin eingestellt, die den Firmenkundenberatern der Kreditgenossenschaft als Expertin für Erneuerbare Energien zur Seite steht. Abgesehen davon hat das Institut das Know-how zu Erneuerbaren Energien in der Firmenkundenbank in die Breite getragen. „Jeder Berater kann eine einfache Photovoltaik-Anlage auch alleine finanzieren“, sagt Haberger.
Beratungsqualität zum Thema Nachhaltigkeit
Auch die Transformation zu nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen hat Haberger als interessantes Geschäftsfeld ausgemacht. „Hier bauen wir ebenfalls Beratungsqualität auf, um den Investitionsstau aufzulösen“, berichtet er. Viele Unternehmen wollen zum Beispiel bei der Stromversorgung auf Erneuerbare Energien umstellen und so weit wie möglich autark werden. Andere planen, ihren Fuhrpark zu elektrifizieren, um weniger Klimagas CO2 auszustoßen. „Dafür brauchen sie geeignete Speichertechnik und eine Ladeinfrastruktur, die finanziert werden wollen. Daraus schöpfen wir unser Kreditwachstum. Das Thema wird uns nachhaltig begleiten“, sagt Haberger. Viele Firmenkunden hätten das Thema Nachhaltigkeit schon auf dem Schirm, vor allem die größeren. „Sie fragen uns, wie sich die ESG-Kriterien auf die Kreditvergabe und die Konditionen auswirken und was sie tun können, um in diesem Bereich bestmöglich aufgestellt zu sein“, berichtet Haberger. Um diesen Beratungsbedarf zu decken, soll sich eine neue Mitarbeiterin auf das Thema Nachhaltigkeit spezialisieren und dann als Fachberaterin zu den Kundengesprächen dazukommen.
Das Ohr am Kunden haben
Generell sei es in der aktuell wirtschaftlich schwierigen Phase wichtig, das Ohr am Kunden zu haben. Die Bank lade ihre Firmenkunden deshalb zu regelmäßigen Strategiegesprächen ein. „Wir müssen frühzeitig auf die Bedürfnisse der Unternehmen reagieren, damit es gar nicht erst zu einem Problem kommt. Wir können unseren Firmenkunden zum Beispiel dabei helfen, ihre Kosten zu reduzieren, indem wir uns gemeinsam die Gewinn- und Verlustrechnung anschauen und analysieren, wo sich Posten einsparen lassen. Auf diese Weise schöpfen wir für das Unternehmen Liquidität“, erklärt Haberger. Viel Potenzial sieht er etwa bei den Energiekosten. Mit einem Energie-Audit, wie es auch der Genossenschaftsverband Bayern anbietet, lassen sich Energiefresser aufspüren und durch sparsamere Maschinen ersetzen. Oft helfe es schon, die Beleuchtung gegen moderne LED-Lampen auszutauschen. „Hier können wir gemeinsam mit unseren Kunden die Posten analysieren und Lösungen bieten, auch für die Finanzierung neuer Anlagen, die weniger Energie verbrauchen.“
Die vielfältigen Kriege und Krisen dieser Welt hätten zudem anschaulich gezeigt, wie sensibel manche Geschäftsmodelle auf äußere Einflüsse reagieren. „Da bietet sich zum Beispiel ein Versicherungs-Check in Verbindung mit einem Risiko-Check an, um dem Firmenkunden aufzuzeigen, welche Risiken noch nicht abgedeckt sind. Möglicherweise lassen sich bei so einem Termin auch bestehende Verträge optimieren, um die beste Absicherung zu erhalten“, sagt Haberger. Besonders großen Bedarf hat der Vertriebsdirektor bei den Cyberrisiken festgestellt. „Da sind viele Unternehmen noch nicht optimal geschützt.“
Vermögensberatung immer ein wichtiges Thema
Neben der Erhöhung der Autarkie bei der Energieversorgung und der Abwehr von Cyberrisiken hat Haberger noch bei einem dritten Thema einen hohen Beratungsbedarf erkannt. Viele Unternehmer seien durchaus vermögend und daran interessiert, ihr Geld auch in schwierigen Zeiten bestmöglich anzulegen. „Diese Chance sollten wir nutzen, und unsere Firmenkunden mit Tipps und Informationen versorgen“, sagt Haberger. Welche Anlageformen bieten sich im Moment an? In welche Branchen und Unternehmen kann man derzeit investieren, weil sie mit der aktuellen Wirtschaftslage gut zurechtkommen? Wo halten sich eine vernünftige Rendite und überschaubare Risiken die Waage? Stoff für eine umfassende Beratung sei immer vorhanden, meint Haberger. Um den Bedarf zu decken, sind bei der VR-Bank Rottal-Inn zwei Berater für Private Banking ausschließlich der Firmenkundenbank zugeordnet. Bei jedem Firmenkunden sei einer der beiden Private Banker als Co-Berater im System hinterlegt. „Diese Vorgehensweise hat sich bewährt“, berichtet Haberger.
Firmenkunden erwarten unkomplizierte Lösungen
Generell hätten die Firmenkunden mittlerweile einen sehr hohen Anspruch an ihre Hausbank. „Sie erwarten von uns unkomplizierte und unbürokratische Finanzlösungen, aber auch Empfehlungen und spezifische Informationen zu Finanzthemen, etwa zur optimalen Zinsgestaltung. Wir geben zum Beispiel auch regelmäßig Neuigkeiten zu Fördermitteln weiter oder laden die Unternehmer zu Kundenveranstaltungen ein, um ihnen ein bestimmtes Thema näherzubringen“, sagt Haberger. In der klassischen Beratung würden sich die Firmenkundenberater immer mehr zu Kundenbeziehungs-Managern weiterentwickeln, die bei Bedarf weitere Spezialisten der Bank hinzuziehen, etwa zu Versicherungen, zur Nachfolgeberatung, zur Vermögensplanung oder zu Erneuerbaren Energien und Nachhaltigkeit.
Für die VR-Bank Rottal-Inn habe das Firmenkundengeschäft schon immer eine hohe Bedeutung gehabt, sagt Haberger. Seitdem die Immobilienfinanzierungen infolge des Zinsanstiegs eingebrochen seien, sogar noch mehr. „Das Firmenkundengeschäft ist unser Stabilitätsanker. Dort können wir noch Potenziale heben und langfristig Erträge generieren. Darauf legen wir unseren Fokus“, sagt der Vertriebsdirektor. Finanzierungen von Energiewende-Projekten hätten das Potenzial, das weggebrochene Kreditgeschäft im Immobiliensektor zumindest zum Teil auszugleichen.
Um im Firmenkundengeschäft weiter zu wachsen, möchte die VR-Bank Rottal-Inn strategisch Neukunden gewinnen und vor allem bei den Erneuerbaren Energien und im Projektgeschäft noch deutlich stärker zulegen als bisher. Ein großer Fokus liege dabei auf den Landwirtschaftskunden, die bei der VR-Bank Rottal-Inn traditionell sehr stark vertreten sind. In der Firmenkundenbank kümmern sich zwei Agrarberater nur um die Belange der Landwirte. „Landwirtschaftliche Betriebe in unserer Region haben mittlerweile eine beachtliche Größe erreicht, die Landwirte sind super ausgebildet und offen für Innovationen. Zudem wird in der Landwirtschaft immer investiert“, sagt Haberger. Auch für die Energiewende spielten die Landwirte eine wichtige Rolle. „Wir sehen die Landwirte als Energiewirte. Sie haben die Flächen für große Photovoltaik-Anlagen, wir können sie finanzieren, das ist für uns ein großes Thema. Deshalb kooperieren wir hier auch mit dem Bayerischen Bauernverband im Landkreis Rottal-Inn“, sagt Haberger.
Wegbegleiter in der Transformation
Angesprochen auf die große Transformation, die der Wirtschaft angesichts des Fachkräftemangels, der Energiewende und der steigenden Anforderungen an die Nachhaltigkeit bevorsteht, kommt bei Christian Haberger wieder der Optimist hervor. „Ich sehe große Chancen in der Transformation. Es gibt viele Geschäftsideen und Lösungen, die Hoffnung machen, aber auch finanziert werden müssen.“ Künstliche Intelligenz, eine stärkere Automatisierung und flexiblere Arbeitszeiten könnten zum Beispiel dabei helfen, dem Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen. „Wenn wir das alles umsetzen, erreichen wir ein ganz anderes Produktionslevel. Dafür braucht es neue Produktionsstraßen, die sich untereinander vernetzen. Neue Maschinen benötigen zudem neue Software. Außerdem müssen die Anlagen vor Cyberangriffen geschützt werden, denn im Internet der Dinge läuft keine Maschine mehr autark. Falls doch mal etwas passiert, braucht es die richtige Versicherung, um das Unternehmen vor Schaden zu bewahren. Wenn wir nur einen kleinen Teil dieser großen Transformation finanzieren, dann mache ich mir um die Volksbanken und Raiffeisenbanken keine Sorgen“, sagt Haberger.