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Schon die Corona-Pandemie hat beginnend ab November 2020 für eine Rückkehr der Inflation gesorgt. Seit dem Ausbruch des Russland-Ukraine-Kriegs im Februar 2022 verzeichnen die Inflationsraten in den USA und der Eurozone neue Höchststände. So lag die Teuerung in der Eurozone im September bei zehn Prozent und markierte damit den höchsten Stand seit Bestehen der Währungsunion. In den USA hat die Inflation zwar bereits ihren Höhepunkt überschritten, sie fällt jedoch nur sehr langsam.

Um die Inflation zu bekämpfen, erhöhen die Notenbanken rund um den Globus kräftig ihre Zinsen. Die Federal Reserve (Fed) betonte zuletzt erneut, dass die Inflationsbekämpfung absolute Priorität hat. Daher hob sie die Leitzinsen im September weiter in einen nun restriktiv wirkenden Bereich an. Wir erwarten, dass der Leitzins – die Fed Funds Rate – bis Ende dieses Jahres auf 4,25 bis 4,50 Prozent steigt. Bei der Europäischen Zentralbank (EZB) rechnen wir 2023 am Ende mit einer Steigerung auf 2,75 Prozent beim Einlagensatz („terminal rate“).

Dauerhaft erhöhte Inflationsraten und Zinsen

Entscheidend wird für die Märkte kurz- und mittelfristig sein, wie die Notenbanken den weiteren Inflationsdruck einschätzen und wie dosiert sie in ihrer Zinspolitik vorgehen. Auf mittlere Sicht erscheint ein Szenario wahrscheinlich, in dem sich die Inflation nach einer zähen Plateaubildung 2023 zurückbildet – in den USA schneller als in Europa. Die Monate mit starken Preissteigerungen etwa im Energie- und Rohstoffbereich fallen nach und nach wieder aus der Inflationsstatistik heraus. Auch verzögert wirkende Effekte steigender Zinsen dürften die Teuerung dämpfen. Die Inflation und damit die Zinsen dürften jedoch aus strukturellen Gründen höher als vor der Coronakrise bleiben.

Längerfristig werden sich Investoren also daran gewöhnen müssen, dass über die aktuelle Krise hinaus Trends wirken, welche die Inflation dauerhaft erhöhen. Die geopolitische Unsicherheit sowie damit verbunden Anpassungen und Neuordnungen in den Lieferketten aus strategischen Gründen führen zu weiterem Preisdruck. Stärkere Unabhängigkeit und Resilienz werden durch anhaltende Knappheiten und höhere Preise erkauft. Längerfristig spricht dies für eine endgültige Abkehr von der Nullzinspolitik, für höhere Nominalzinsen und Renditen und geldpolitisch restriktivere Notenbanken.

Aktive Selektion am Rentenmarkt entscheidend

Die Zinswende und das schwierige makroökonomische Umfeld führten in diesem Jahr beispielsweise bei Euro-Staatsanleihen zu Verlusten von rund 18,2 Prozent, gemessen am iBoxx Euro Sovereigns-Index. Für die hohen Verluste sind vor allem die gestiegenen Zinserwartungen verantwortlich, weniger etwaige Sorgen vor steigenden Ausfallraten bei den Emittenten. Immerhin stehen den kräftig reduzierten Kursen jetzt deutlich gestiegene Kupons entgegen.

Der Rentenmarkt bietet Anlegern somit erstmals seit Langem wieder eine Schutzfunktion gegen mögliche neuerliche Kursverluste. In den vergangenen zehn Jahren war dies kaum der Fall, da meist nur niedrige oder Null-Kupons bei überschaubaren Risiken erhältlich waren. Die Rückkehr der Inflation und höherer Zinsen macht es wieder attraktiv, über eine aktive Auswahl gezielt und diversifiziert in Anleihen zu investieren – auch wenn die Märkte noch schwankungsanfällig bleiben. Wegen der Ungewissheit über die weitere Zinsentwicklung sind wir der Meinung, dass eine kürzere Zinsbindungsdauer im Portfolio bis auf Weiteres von Vorteil ist.

Beimischung inflationsgeschützter Anleihen

Angesichts der Konjunkturrisiken bleiben sichere Häfen wie US-Staatsanleihen oder Bundesanleihen ein unentbehrlicher Teil in einem Rentenportfolio, auch wenn die gestiegenen Renditen die Inflation weiterhin nicht voll kompensieren können. Vorsichtiger sind wir angesichts der höheren Konjunkturrisiken gegenüber Euro-Peripherieanleihen, da die EZB als dominanter Käufer zumindest in Teilen wegfällt. Im Bereich der Schwellenländer sehen wir nur Chancen bei Schuldnern mit glaubwürdiger Wirtschafts- und Geldpolitik und hoher Kreditwürdigkeit. Wir favorisieren hier insbesondere Länder mit tragfähigen Leistungsbilanzsalden.

Als Beimischung im Rentenportfolio eignen sich inflationsgeschützte Anleihen (Linker, TIPS) und variabel verzinste Anleihen (Floating Rate Notes). Linker entwickelten sich – entsprechend ihrer Konstruktion – umso besser, je höher die Inflation ausfiel. Der Nennwert und/oder die Kuponzahlungen sind an die jeweilige Entwicklung eines Inflationsindex gekoppelt. Sie erhöhen die Robustheit bei einem Überschießen der Inflation und helfen, den realen Ertrag des Portfolios zu erhalten. Floating Rate Notes bieten keinen festen, sondern einen variablen Kupon. Dieser ist an einen Referenzzinssatz gekoppelt und wird meist alle drei, sechs oder zwölf Monate neu festgelegt. Zinsanhebungen wirken sich somit positiv auf den Kupon aus.

Unternehmensanleihen als wichtiger Baustein im Rentenportfolio

Als weitere Ergänzung im Portfolio eignen sich ebenfalls Unternehmensanleihen („Corporates“) guter Qualität. Chancenreich sind aus unserer Sicht Investment-Grade-Unternehmensanleihen mit kürzeren und mittleren Laufzeiten, da sie hohe Kupons bieten. Die Ausfallraten dürften hier trotz Rezession überschaubar bleiben. Extremrisiken aus einer möglichen Gas-Mangellage lassen sich durch eine aktive Auswahl vermeiden: Unternehmen aus stark betroffenen Sektoren wie Chemie, Industrie und zyklischer Konsum sollten gemieden werden.

Perspektivisch hilft dem Corporates-Bereich eine höhere Inflation, da der Verschuldungsgrad von Unternehmen mit funktionierendem Geschäftsmodell eher sinken dürfte. Insgesamt sind wir zuversichtlich, dass gerade große Emittenten die Kombination von steigenden Refinanzierungskosten und einer Konjunkturschwäche gut abfedern können. Emittenten mit schwacher Kreditwürdigkeit dürften es im gegenwärtigen Umfeld jedoch schwerer haben. Vorsicht ist somit bei Nachrang- sowie Hochzinspapieren angezeigt. In der Titelauswahl bleibt die Risiko- und Bonitätskontrolle zentral.

Favoritenwechsel am Aktienmarkt

Auch am Aktienmarkt ergeben sich neue Chancen durch die Zinswende. Lange Jahre profitierten am Aktienmarkt vor allem wachstumsstarke Unternehmen – sogenannte Growth-Titel – von dem Nullzinsumfeld. Durch die eingeleitete Zinswende kam es an den Aktienmärkten aber nun zu einem Favoritenwechsel. Für Wachstumstitel sind steigende Zinsen ein Dämpfer:  Denn bei Wachstumsaktien nimmt die Bewertung viel künftiges Gewinnwachstum vorweg. Steigen die Zinsen, sind zukünftige Gewinne heute weniger wert.

In dem veränderten Marktumfeld haben daher Value-Aktien einen Bewertungsvorteil. Sie verfügen über ein etabliertes Geschäftsmodell und stetige Cashflows. Das Value-Segment verfügt zudem mit einem hohen Anteil an Pharma- und Telekom- sowie Basiskonsumgüter-Unternehmen über vergleichsweise defensive Geschäftsmodelle. Viele qualitativ solide und innovative Unternehmen haben die Möglichkeit, Preissteigerungen an die Abnehmer ihrer Produkte oder Dienstleistungen weiterzugeben und so ihre Margen auch in einem Umfeld steigender Kosten zu schützen.

Gezielte Sektor-Investments vornehmen

Eine weitere Möglichkeit, von den höheren Inflationsraten zu profitieren, sind fokussierte Sektor-Engagements. Wir sehen aktuell Infrastruktur-Aktien als attraktiv an. Sie entwickelten sich historisch gesehen mit steigender Inflation zunehmend besser als der Gesamtmarkt, da die Einnahmen von Infrastruktur-Unternehmen zum Teil inflationsgeschützt sind.

Zudem legen die 1.263 Milliarden US-Dollar schweren Investitionspläne der USA den Grundstein für einen langfristigen Investitionsboom. Bei den drei verabschiedeten Paketen der Biden-Regierung liegt der Fokus auf Investitionen in die Energiesicherheit und die Infrastruktur Amerikas. Das Ziel ist es, unter anderem durch Investitionen in die Transportinfrastruktur die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft zu erhöhen. Davon könnten auch Infrastruktur-Aktien profitieren.

Beimischung von Rohstoffen

Eine weitere Option ist es, jene (Sub-)Assetklassen in das Portfolio aufzunehmen, deren Preisanstiege letztlich eine Mitursache für die Inflation sind, wie im Fall der Rohstoffe. In der Rückschau entwickelten sich diese im Umfeld von niedriger Inflation negativ. Stieg die Inflation, schnitten Rohstoffe jedoch immer besser ab – wobei ihre Preissteigerung selbst ein Grund für eine anziehende Teuerung ist.

Doch nicht nur die historischen Daten sprechen für Rohstoffe als Inflationsschutz, sondern auch strukturelle Entwicklungen: Der nachhaltige Umbau der Wirtschaft, der mehr Elektromobilität sowie Energieeffizienz und alternative grüne Technologien erforderlich macht, wird perspektivisch die Nachfrage nach ausgewählten Industriemetallen stärken. Vor allem jene Metalle sind gefragt, die für neue Kapazitäten in der Erzeugung, dem Transport und der Speicherung von Strom benötigt werden.

Chancen identifizieren und nutzen

Die strukturelle Trendwende, die in eine Welt von mittel- und längerfristig höheren Inflationsraten und damit höheren Zinsen führt, schafft heute neue Anlagechancen. In der Kombination aus höheren Kupons und stärkerer Geldentwertung bleibt die Jagd nach Rendite am Rentenmarkt weiter bestimmend. Nach dem Kursrutsch bietet der Rentenmarkt erstmals seit Langem die Aussicht auf mittelfristig auskömmliche Erträge.

Institutionelle Investoren mit hohen Verpflichtungen gegenüber Kunden wie Versicherer und Pensionskassen kehren daher schrittweise als Käufer zurück. Die deutlich gestiegenen Kupons bieten zudem wieder eine Schutzfunktion gegen Kursverluste. Das ebnet institutionellen Anlegern wieder verstärkt den Weg zurück in ihre traditionelle Kern-Anlageklasse. Die Beimischung anderer Assetklassen wie Rohstoffe und Anpassungen innerhalb von Aktien und Renten können außerdem das Portfolio widerstandsfähiger machen.
 

Dr. Jörg Zeuner ist seit Juni 2019 Chefvolkswirt und leitet den Bereich Research & Investment Strategy des Portfoliomanagements von Union Investment. Zudem ist er Mitglied des „Union Investment Committee“ (UIC). Das UIC formuliert auf monatlicher Basis die Kapitalmarktstrategie von Union Investment und setzt damit die Leitplanken für die taktische Steuerung der Fonds durch die einzelnen Portfoliomanager.

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