„Oft länger gut“: Warum sich die Goldsteig Käsereien Bayernwald einer Initiative gegen Lebensmittelverschwendung angeschlossen haben, erklärt Geschäftsführer Andreas Kraus im Interview.
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Seit April 2021 ist Andreas Kraus Vorsitzender des GVB-Fachausschusses Genossenschaftliche Milchwirtschaft. Die Mitglieder wählten den Geschäftsführer der Goldsteig Käsereien Bayernwald in einer virtuellen Sitzung. Vor Kurzem traf sich der Fachausschuss erstmals seit langer Zeit wieder in einer Präsenzveranstaltung. „Es war gut, dass wir uns persönlich austauschen konnten“, betont Kraus. Zu besprechen gab es viel, wie auch das folgende Interview zeigt, das die „Profil“-Redaktion wenige Tage nach der Fachausschusssitzung mit Kraus geführt hat.
Herr Kraus, die bayerischen Molkereigenossenschaften sind wegen der Corona-Pandemie mit vielen Unsicherheiten in das Jahr 2021 gestartet. Sind die Unternehmen zufrieden mit dem Geschäftsverlauf?
Andreas Kraus: Grundsätzlich fällt das Zwischenfazit positiv aus. Nach dem Ende des Teil-Lockdowns im Frühjahr hat sich die Lage im weiteren Verlauf des Jahres 2021 erheblich normalisiert. Vor allem der Export läuft gut. Es gibt jedoch drei Faktoren, die das Geschäft derzeit belasten.
Welche sind das?
Kraus: Erstens die Gastronomie, an die viele Molkereigenossenschaften liefern. Nehmen wir etwa die Restaurants, Cafés oder Verkaufsstände an Flughäfen oder an Bahnhöfen. Diese haben das Vor-Corona-Niveau noch lange nicht erreicht. Ähnlich sieht es bei den Kantinen aus. Dort ist es sogar besonders fraglich, ob die Umsätze jemals wieder an die Zeit vor der Pandemie anknüpfen – Stichwort Mobile Office. Dazu kommt der Personalmangel. Viele Gastro-Kunden sagen uns, dass sie gerne mehr Geschäft machen würden, ihnen aber schlichtweg die Leute fehlen. Somit bestellen sie logischerweise weniger Produkte.
Und die beiden weiteren Faktoren?
Kraus: Zweitens ist derzeit noch nicht abzusehen, ob wir die Pandemie überwunden haben, oder ob beispielsweise der Winter erneut Einschränkungen mit sich bringt. Dazu kommt drittens eine indirekte Folge von Corona, nämlich die Preisrallye an den Rohstoffmärkten. Beispielsweise sind Packstoffe, Folien und Kartonagen erheblich teurer geworden. Oder nehmen wir Europaletten, eigentlich ein gängiges Produkt. Diese kosten normalerweise rund 6 Euro pro Palette, zwischenzeitlich musste man 20 Euro und mehr zahlen, wenn es sie überhaupt gab. Solche Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen. Ein weiterer Aspekt sind die Energiekosten. Nicht nur, dass Deutschland seit 2019 die höchsten Strompreise in Europa hat. Nun ist auch noch der Gaspreis extrem gestiegen, was für viele Molkereiunternehmen, die ihre Dampfkessel auf diese Art betreiben, eine absolute Katastrophe ist. Wir hoffen, dass sich die Preisdynamik insgesamt und vor allem im Energiebereich abschwächt.
Die bayerischen Molkereigenossenschaften im Kurz-Portrait
Die insgesamt acht bayerischen Molkereigenossenschaften sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im Freistaat. Jährlich nehmen sie über 4,1 Millionen Tonnen Milch auf – fast die Hälfte der gesamten bayerischen Menge. Der aggregierte Umsatz beträgt weit über zwei Milliarden Euro. Ein Überblick über die Molkereigenossenschaften (in alphabetischer Reihenfolge):
Allgäu Milch Käse eG
Die Allgäu Milch Käse eG ist ein Zusammenschluss von über 1.000 Mitgliedern. Sie liefern Milch an die zwei Standorte in Kimratshofen und Hawangen. Insgesamt verarbeitet die Genossenschaft rund 430 Millionen Kilogramm Milch pro Jahr und stellt daraus Käse, Quark und Butter her. Sie beschäftigt 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und macht einen Umsatz von circa 220 Millionen Euro. Die heutige Allgäu Milch Käse eG entstand 2009/10 durch Umfirmierung und Fusion, die Wurzeln gehen bis ins Jahr 1960 zurück.
Bayerische Milchindustrie eG
Mit einem Umsatz von 665 Millionen Euro (Geschäftsjahr 2020) ist die 1952 gegründete Bayerische Milchindustrie eG (BMI) eine der großen Molkereigenossenschaften im Freistaat. An sieben Produktionsstandorten verarbeiten knapp 1.100 Mitarbeiter die Milch von rund 1.075 Lieferanten. Knapp die Hälfte der Produkte exportiert die Genossenschaft ins Ausland, die Kunden sitzen in 73 Ländern weltweit. Im vergangenen Jahr hat die BMI 16,1 Millionen Euro für die technische und bauliche Weiterentwicklung der Werke eingesetzt, für 2021 sind Investitionen in Höhe von insgesamt 23,3 Millionen Euro eingeplant.
Bayernland eG
Die Wurzeln der Bayernland eG reichen bis ins Jahr 1930 zurück. Damals entstand in Nürnberg als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise die „Bayerische Markenbutter-Verkaufsgenossenschaft“. Die jährliche Absatzleistung liegt heute bei über 300.000 Tonnen Milchprodukten. Ihre Waren vertreibt die Genossenschaft weltweit: Insbesondere der italienische Markt ist von Bedeutung, wo die Bayernland-Tochter in Sterzing (rund 18 Kilometer südlich von Brennerpass) zum größten Vermarkter für bayerische Butter- und Käsespezialitäten in Italien aufgestiegen ist.
Goldsteig Käsereien Bayerwald GmbH
Die von vier Genossenschaften getragene Goldsteig Käsereien Bayernwald GmbH verarbeitet rund eine Milliarde Kilogramm Milch pro Jahr. Angeliefert wird diese von rund 2.650 Milchbäuerinnen und -bauern. Hauptprodukt ist Mozzarella, zudem stellt das Unternehmen Emmentaler, Schnittkäse, Frischkäse, Molkeneiweißkäse, Butter, Laktose, Molke, Molkekonzentrat und Magermilchkonzentrat her. Goldsteig beschäftigt rund 760 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Jahresumsatz liegt bei knapp 540 Millionen Euro. Hauptsitz ist Cham, derzeit erweitert die Genossenschaft ihr Werk in Stephansposching bei Deggendorf.
Milchverwertung Ostallgäu eG
Die Milchverwertung Ostallgäu eG mit Sitz in Rückholz wird täglich von rund 400 Milchlieferanten mit circa 380.000 Kilogramm Milch versorgt. Daraus ergibt sich eine jährliche Verarbeitungsmenge von knapp 140 Millionen Kilogramm Milch. Die Genossenschaft produziert Käse sowie Frischprodukte und beschäftigt 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie drei Auszubildende. Gegründet wurde das Unternehmen 1964 unter dem Namen „Milchverwertung Rückholz“ durch sechs Sennereien, 1966 firmierte sich die Genossenschaft in Milchverwertung Ostallgäu um.
Milchwerke Berchtesgadener Land-Chiemgau eG
Rund 1.800 Landwirtinnen und Landwirte zwischen Watzmann und Zugspitze beliefern die Milchwerke Berchtesgadener Land-Chiemgau eG. 650 von ihnen sind Bergbauern, 500 konventionelle Landwirte und 650 Bio-Landwirte. Das Rohmilchaufkommen liegt bei 300 Millionen Kilogramm, das Bio-Rohmilchaufkommen bei 100 Millionen Kilogramm. Inklusive Frischedienst setzt die Genossenschaft 200 Millionen Euro um. Unternehmenssitz ist Piding. Die Milchwerke beschäftigen 480 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ihre Produkte exportiert sie in 14 Länder.
Milchwerke Ingolstadt-Thalmässing eG
An den Produktionsstandorten in Ingolstadt und Thalmässing stellt die Milchwerke Ingolstadt-Thalmässing eG vor allem walzengetrocknetes Milchpulver für die Schokoladenindustrie sowie Shake- und Eisgrundstoffe für die Systemgastronomie her. Die Milch liefern 318 Landwirtinnen und Landwirte aus den Einzugsgebieten Ingolstadt, Thalmässing, Riedenburg, Langquaid, Gerolsbach und dem Ammerseegebiet. Das Rohmilchaufkommen beträgt circa 114 Millionen Kilogramm. Die Milchwerke beschäftigen 72 Angestellte, der Umsatz liegt bei 63,5 Millionen Euro.
Milchwerke Oberfranken West eG
Die Milchwerke Oberfranken West eG blicken auf eine knapp 100-jährige Geschichte zurück: 1927 gründeten 32 Bauern das erste Vorläuferunternehmen, die Milchverwertungsgenossenschaft Coburg und Umgebung. Die heutige Genossenschaft entstand 1975 aus einer Fusion. Heute beliefern rund 850 Milcherzeugerinnen und -erzeuger die Genossenschaft. Die Produktionsstandorte liegen in Wiesenfeld bei Coburg und Lendershausen (Landkreis Haßberge). Dort stellt die Genossenschaft Hart-, Schnitt- und Weichkäse, aber auch Convenience-Lebensmittel wie zum Beispiel Back-Camembert her.
Welche Lehren haben die Molkereigenossenschaften aus den bisherigen Erfahrungen mit Corona gezogen?
Kraus: Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die Unternehmen während der gesamten Dauer der Pandemie den Einzelhandel beliefern konnten. Gerade im Frühjahr 2020, als es zu den Hamsterkäufen kam, stand die Frage der Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln ja durchaus im Raum. Anderthalb Jahre später lässt sich festhalten, dass die Molkereigenossenschaften die Bewährungsprobe Corona-Krise durch ihre Anpassungsfähigkeit erfolgreich gemeistert haben. Eine weitere Erfahrung: Es lässt sich nicht alles planen und wir können auch Herausforderungen bewältigen, die anfangs schier unlösbar erscheinen, etwa ein weitgehend reibungsloser Produktionsablauf unter den strengen Corona-Hygiene- und Schutzmaßnahmen.
„Die Anbindehaltung ist kein Zukunftsmodell, es muss aber vernünftige Übergangsfristen geben.“
Lassen Sie uns auf die aktuellen Herausforderungen blicken. Der Lebensmitteleinzelhandel hat ein Siegel für Haltungsformen mit vier verschiedenen Stufen eingeführt. Ziel des Kennzeichens ist es, Verbraucherinnen und Verbrauchern eine bessere Orientierung beim Einkauf zu liefern. Ab 2022 können auch Milch und Milchprodukte mit dem Siegel ausgezeichnet werden. Was bedeutet das für die Molkereigenossenschaften?
Kraus: Die Themen Haltungsformen sowie generell Tierwohl werden unsere Arbeit in den nächsten Monaten und Jahren bestimmen. Schließlich ist zu erwarten, dass sich der Lebensmitteleinzelhandel perspektivisch mindestens von der Haltungsform 1 verabschieden möchte. Für die süddeutschen Molkereien stellt das eine große Herausforderung dar, weil die Strukturen kleinteilig sind und es in vielen Betrieben Ställe mit Anbindehaltung gibt. Diese sind ab der Haltungsform 2 verboten. Wir verschließen unsere Augen nicht vor der Realität und wissen, dass die Anbindehaltung kein Zukunftsmodell ist. Gleichzeitig muss es vernünftige Übergangsfristen geben. Es ist essenziell, dass die Umstellung auf die neuen Haltungsformen für unsere Mitglieder so verträglich wie möglich abläuft. Unsere Aufgabe als Molkereien ist es, sie dabei zu unterstützen und den Wandel gemeinsam zu gestalten. Ansonsten ist zu erwarten, dass viele Milchviehhalter ihren Betrieb aufgeben. So ein Strukturbruch kann weder politisch noch gesellschaftlich gewünscht sein.
Was befürchten Sie konkret?
Kraus: Dass es in es der Landwirtschaft im Allgemeinen sowie bei den Tierhaltern im Speziellen einen Strukturwandel gibt, und als Folge die Zahl der Höfe kontinuierlich zurückgeht, ist keine neue Erkenntnis. Aber: In den vergangenen Jahren sind die Anforderungen erheblich gestiegen. Und am Horizont erwarten uns bereits neue Prüfsteine, etwa der Green Deal der EU oder die verstärkten Anstrengungen für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Als Folge ist der Umstellungs- und damit Investitionsbedarf für die Betriebe enorm. Wir machen uns Sorgen, dass viele Michviehhalter jetzt oder in naher Zukunft aufhören. Damit verbunden ist die Frage, wie es mit den Milchmengen weitergeht. Wenn signifikante Bestände vom Markt verschwinden, können die Molkereien schließlich nicht mehr wie gewohnt produzieren. Es muss also alles getan werden, um die Tierhalter beim Wandel mitzunehmen.
Die bayerische Landesregierung hat eine Beratungsinitiative zum Ausstieg aus der ganzjährigen Anbindehaltung gestartet. Ein richtiger Schritt?
Kraus: Jede Maßnahme, die den Landwirtinnen und Landwirten dabei hilft, ihren Betrieb für die Zukunft aufzustellen, hilft weiter. Deswegen ist das Programm begrüßenswert. Aber: Beratung ist das eine, Umsetzung das andere. Wir erleben regelmäßig, dass es jahrelang dauert, bis die Genehmigungen oder Förderungen etwa für neue Ställe vorliegen. Häufig ist der Zug dann abgefahren. Es wäre also wünschenswert, wenn alle politischen Stellen daran arbeiten, die Verfahren und Prozesse deutlich zu beschleunigen.
„Wir sind mehr denn je dazu aufgerufen, nachhaltig zu wirtschaften.“
Generell fordern immer mehr Menschen ein nachhaltiges Wirtschaften sowie einen schonenden Umgang mit Ressourcen. Wie reagieren die Genossenschaften darauf?
Kraus: Genauso wie alle anderen Unternehmen sind wir mehr denn je dazu aufgerufen, nachhaltig zu wirtschaften. Wir müssen intensiv prüfen, welche Auswirkungen unser Tun hat. Ein erster Schritt ist es, offen und ehrlich den eigenen Betrieb zu analysieren sowie Optimierungspotenziale aufzuzeigen und anzugehen. Nachhaltigkeit muss in der Unternehmensstrategie einen zentralen Stellenwert einnehmen. Die Molkereigenossenschaften unterstützen ein aktuelles Projekt des Vereins milch.bayern und der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, wissenschaftlich den CO2-Fußabdruck in der Milcherzeugung zu untersuchen. In diesem Bereich gibt es bis heute leider mehr Schätzungen und Vermutungen als Fakten. Ziel ist es, möglichst transparent darzustellen, welchen Beitrag die Milchwirtschaft zur Verringerung des CO2-Ausstoßes leisten kann. Zusätzlich muss sich jedes Unternehmen selbst fragen, was es im Bereich Nachhaltigkeit unternehmen kann. Beispielsweise Plastik bei Verpackungen zu reduzieren oder die Energiebilanz zu verbessern. Wir bei Goldsteig beziehen unsere Wärme beispielsweise durch ein regionales Hackschnitzelheizkraftwerk.
Erklärtes Ziel der bayerischen Molkereigenossenschaften ist es, internationale Absatzmärkte zu erschließen. Sie hatten zu Beginn des Gesprächs betont, dass der Export gut läuft. Wie ist die aktuelle Lage und sehen Sie trotz Corona Chancen, diesen Geschäftsbereich auszubauen?
Kraus: In Bayern liegt der Selbstversorgungsgrad für Milch bei über 160 Prozent, bei Käse ist er noch höher. Deshalb sind viele Molkereigenossenschaften intensiv im Exportgeschäft tätig und beliefern die Zielmärkte mit passenden Produkten. Eine wichtige Absatzregion ist Asien. Von dort gibt es positive Signale, viele Staaten haben die Corona-Pandemie im Griff und die Wirtschaft zieht an. Insofern sind die Absatzmärkte stabil und die Prognosen für die kommenden Monate gut. Das stimmt uns zuversichtlich, gerade auch, weil diese Entwicklung ein Garant für einen stabilen Milchpreis ist. Für die Zukunft ist es selbstverständlich weiterhin das Ziel, bestehende Geschäftsbeziehungen auszubauen und neue Märkte zu beliefern. Allerdings lässt sich wegen der aktuellen Lage und der gestiegenen Rohstoffpreise keine seriöse Prognose dazu abgeben. Und in Europa erschweren Entwicklungen wie der Brexit oder auch die Diskussionen über verpflichtende Herkunftskennzeichnungen unsere Exportbemühungen.
Sie sprechen es an: Die EU-Kommission plant, geltende Ursprungs- und Herkunftsangaben auszuweiten. In Zukunft müssten die Hersteller eventuell angeben, woher die Milch stammt. Was halten die bayerischen Molkereigenossenschaften von dieser Idee?
Kraus: Wir stehen diesem Vorhaben eher skeptisch gegenüber. Einerseits widerspricht das Projekt den Grundsätzen der EU und des freien europäischen Binnenmarkts. Wie soll es funktionieren, wenn die einzelnen Länder weiter ihre Waren exportieren möchten, aber gleichzeitig ihre nationalen Märkte abschotten. Das geht doch nicht zusammen! Andererseits glauben wir nicht an die beschworenen finanziellen Vorteile. Die Idee ist ja, dass die Molkereien zwar einen erhöhten Aufwand durch getrennte Erfassung und Verarbeitung der Milch haben, die Verbraucherinnen und Verbraucher das aber mit einer deutlich höheren Zahlungsbereitschaft honorieren. Diese Vorstellung ist aus unserer Sicht eine Illusion. Viel sinnvoller sind Kennzeichnungen wie die etablierte geschützte Ursprungsbezeichnung. Diese verdeutlichen die Qualitätsunterschiede, in dem sie sich auf Produktmerkmale und nicht auf das Produktionsland konzentrieren.
„Gerade junge Menschen haben nicht mehr so eine enge Beziehung zu Milch und Milchprodukten wie die ältere Generation.“
In den Supermarktregalen stehen zunehmend Produkte wie Hafer- oder Mandeldrinks, der Markt für pflanzliche Milchersatzprodukte wächst. Wie kann es gelingen, die positiven Seiten von Milch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern herauszustellen?
Kraus: Es ist Realität, dass gerade junge Menschen nicht mehr so eine enge Beziehung zu Milch und Milchprodukten haben wie die ältere Generation. Viele von ihnen kaufen zwar die Produkte, sind aber für Alternativen offen. Deshalb finden wir es gut, dass sich die Branche in der Initiative Milch zusammengetan und entsprechende Finanzmittel bereitgestellt hat. Wir wollen zurück in die Köpfe der Leute und positive Emotionen wecken. Dazu hat die Initiative Milch eine Plattform aufgebaut, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen sowie transparent und ehrlich auch auf kritische Fragen einzugehen. Beispielsweise, wie nachhaltig die Milchproduktion ist oder was Pflanzendrinks von Milch unterscheidet. Wir wollen nicht die anderen schlecht machen, sondern mit Klischees aufräumen, die Vorteile von Milch aufzeigen und kommunizieren, wie die Branche die Zukunft der Milch gestalten möchte.
Deutschland wird künftig voraussichtlich von einer Ampel-Koalition regiert. Welche Erwartungen haben Sie an die kommende Bundesregierung und welche Strukturen braucht es, damit die Betriebe eine Zukunft haben?
Kraus: Unabhängig von der Regierungskonstellation ist die Aufgabe klar: Es braucht verlässliche Rahmenbedingungen, damit die Betriebe erfolgreich wirtschaften können. In der Milchverarbeitung im Besonderen geht es dabei vor allem um das Thema Tierwohl. Derzeit ist unklar, welche Mindestanforderungen der Gesetzgeber an die Tierhaltung oder die Tierwohlkennzeichnung stellt. In diesen Feldern braucht es dringend Planungssicherheit. Ansonsten betreffen uns die Themen, die für alle verarbeitenden Betriebe eine Rolle spielen. Dazu zählen beispielsweise eine unternehmensfreundliche Steuerpolitik, eine Bildungsoffensive mit Förderung der Ausbildung oder der Einsatz für freien Waren- und Personenverkehr. Ebenso stellt sich die Frage, wie sich die künftige Regierung zu den Energiethemen wie Versorgungssicherheit, EEG-Umlage oder CO2-Steuer positioniert. Die Energiepreise dürfen sich nicht beliebig weiter verteuern.
„Genossenschaften haben eine zentrale Funktion in der Milchwirtschaft.“
Die bayerischen Molkereigenossenschaften haben sich in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich am Markt behauptet. Welche Rolle hat dabei die Rechtsform Genossenschaft?
Kraus: Genossenschaften haben eine zentrale Funktion in der Milchwirtschaft, da sie die breite Basis der Milcherzeuger abbilden. Ihr Geschäftsmodell ist nicht auf kurzfristigen Profit, sondern auf dauerhafte Verlässlichkeit und Partnerschaft angelegt. Der Stresstest Corona-Pandemie zeigt, dass die Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Molkereien auch in Krisenzeiten hervorragend funktioniert. So gewinnt auch das Genossenschaftsmodell an Attraktivität.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Kraus: Die in diesem Gespräch skizzierten Prüfsteine sind vielfältig und unterscheiden sich von denen in der Vergangenheit. Schließlich stehen wir vor einem großen Transformationsprozess, bei dem sowohl der Weg als auch das Ziel noch nicht klar zu erkennen sind. Das Genossenschaftsmodell eignet sich ideal dafür, den Wandel gemeinsam mit der Landwirtschaft zu gestalten. Denn die Mitglieder können mitbestimmen und mitgestalten. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das nicht immer einfach ist und manche Entscheidungen unpopulär oder schmerzhaft sind. Wichtig ist aber: Bei Genossenschaften sitzen die Landwirtinnen und Landwirte nicht unbeteiligt am Spielfeldrand, sondern mischen aktiv mit. Zusammen können wir die Herausforderungen angehen.
Herr Kraus, vielen Dank für das Gespräch!