Diese Website verwendet Cookies. Wenn Sie unsere Seiten nutzen, erklären Sie sich hiermit einverstanden. Weitere Informationen

Beispiel 1: Das Förderprogramm „Zukunftsbauer“ der Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land

Der Kuhstall von Franz Xaver Demmel ist nicht einfach nur ein Stall, sondern einer mit „Herz und Gehirn“, wie der Landwirt sagt. Das Gehirn befindet sich in einem Raum im Obergeschoss: Dort steht ein Server so groß wie ein Schrank. Er steuert das Energiemanagementsystem des Gebäudes und würde manchem IT-Unternehmen gut zu Gesicht stehen. Das Herz der Anlage schlägt ein paar Meter weiter in einer Fertiggarage: ein stationärer Stromspeicher mit einer Kapazität von 137 Kilowattstunden. Das reicht, um alle Verbraucher vom Melkroboter bis zur Eiswasseranlage zur Kühlung des Milchtanks drei Tage lang mit Energie zu versorgen.

Demmel betreibt den Huabahof in Schönrain bei Bad Tölz zusammen mit seiner Frau Gerlinde und Sohn Xaver Franz. 2019 hat er den Stall für 80 Milchkühe am Ortsrand neu gebaut. Ihre Milch liefert die Familie an die Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land, die mit ihren 1.800 Mitgliedern bei Zukunftsthemen wie Klimawandel, erneuerbare Energien und Tierwohl eng zusammenarbeitet.

Externer Inhalt

Nach Ihrer Einwilligung werden Daten an YouTube übertragen.

Die Molkerei Berchtesgadener Land und Penny haben gemeinsam das Programm „Zukunftsbauer“ ins Leben gerufen. Was steckt dahinter? Zu Wort kommen Sylvia Schindecker und Bernhard Pointner von der Molkerei, Penny-Warenleiter Philipp Stiehler und Milchbauer Franz-Xaver Demmel. Video: Florian Christner und Karl-Peter Lenhard (Schnitt), Redaktion „Profil“

Der Strom auf dem Huabahof kommt von der eigenen Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Stalls. An sonnigen Tagen liefert die Anlage das Dreifache dessen, was im Stall verbraucht wird. Das Energiemanagementsystem sorgt dafür, dass die elektrischen Maschinen immer dann mit Strom versorgt werden, wenn sie laufen müssen. Beispielsweise wird der Eisvorrat für die Milchkühlung dann produziert, wenn ausreichend Energie vorhanden ist. Auch die Akkus der beiden elektrisch betriebenen Hoflader und des Futtermischwagens werden hauptsächlich dann geladen, wenn die PV-Anlage genügend Strom liefert. Der Melkroboter läuft dagegen immer, damit die Kühe Tag und Nacht den Melkstand ansteuern können, um sich automatisch melken zu lassen. Das erhöht das Tierwohl. Demmel spielt mit dem Gedanken, zusätzlich noch eine Wasserstoff-Brennstoffzelle zu installieren, um mit überschüssigem Sonnenstrom Wasserstoff herzustellen, der später wieder zur Stromproduktion verwendet werden kann. „Dann könnten wir unseren Stall das ganze Jahr über komplett energieautark betreiben“, sagt er.

Franz Xaver Demmel (v.li.), seine Frau Gerlinde und Sohn Xaver Franz betreiben den Huabahof im Königsdorfer Ortsteil Schönrain bei Bad Tölz. Den Stall haben sie 2019 am Ortsrand neu gebaut.

Das „Gehirn“ des Stalls auf dem Huabahof von Franz Xaver Demmel: Das Energiemanagementsystem vernetzt alle elektrischen Verbraucher auf dem Hof und legt fest, wann welche Maschine oder welches Gerät mit Strom versorgt wird.

Das „Herz“ des Stalls ist ein stationärer Akkuspeicher mit einer Kapazität von 137 Kilowattstunden. Das reicht, um den Betrieb drei Tage lang am Laufen zu halten.

Luftaufnahme des Huabahofs von Franz-Xaver Demmel in Schönrain bei Bad Tölz.

Den Strom für den Huabahof liefert eine große PV-Anlage auf dem Dach des Stalls. An sonnigen Tagen produziert sie das Dreifache dessen, was im Stall verbraucht wird. Fotos: Molkerei Berchtesgadener Land

Zugegeben, Franz Xaver Demmel ist nicht nur Milchbauer, sondern auch Bau- und Umweltingenieur und ein ausgesprochener Technik-Fan. Nebenher betreibt er ein Ingenieurbüro und berät andere Landwirte, wie sie ihren Betrieb energetisch optimieren können. Das Energiemanagementsystem in seinem Stall ist ein Pionierprojekt, das er gemeinsam mit der Technischen Universität München und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf fortlaufend weiterentwickelt. Ein Zukunftsbauer sozusagen, der auf erneuerbare Energien setzt, dadurch weniger CO2 emittiert und so das Klima schützt. Sein Ziel: Eine klimaneutrale Milchproduktion auf seinem heute schon fast energieautarken Bauernhof.

So einer wie Demmel ist wie geschaffen für das Förderprogramm „Zukunftsbauer“, das der Rewe-Konzern mit seinem Discounter Penny und der Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land Ende Oktober 2021 aufgelegt hat. Das Projekt unterstützt die Landwirtinnen und Landwirte der Genossenschaftsmolkerei, ihre Bauernhöfe energetisch zu optimieren. Gefördert werden Investitionen in energiesparende Technik und regenerative Energieträger. So sollen die Landwirte auf ihrem Weg zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft unterstützt werden. Außerdem wollen Molkerei und Discounter einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zum Erhalt der familiengeführten Bauernhöfe im Alpenraum leisten. Demmel wird das Programm als Energieberater begleiten. Aus diesem Grund fand auch die Auftaktveranstaltung auf seinem Hof statt.

Den Fördertopf füllen die Molkerei Berchtesgadener Land und Penny zu gleichen Teilen. Der Lebensmittelhändler verzichtet beim Verkauf aller „Berchtesgadener Land“-Milchprodukte auf einen Teil der Handelsspanne und die Molkerei verdoppelt den Betrag. So unterstützen auch alle Konsumenten mit ihrem Kauf der Produkte die Aktion. „Nachhaltigkeit ist ein zentraler Leitwert unserer Molkerei. Unsere 1.800 Landwirte bei allen Maßnahmen zu unterstützen, die dem Umweltschutz dienen, ist seit jeher unser Ziel. Als Genossenschaft freut es uns besonders, mit unserem Partner Penny ein Förderprogramm entwickelt zu haben, bei dem alle zusammen – Handel, Unternehmen, Landwirtschaft und Verbraucher – an einem Strang ziehen. Klimaschutz geht nur gemeinsam“, betont der Geschäftsführer der Molkerei Berchtesgadener Land, Bernhard Pointner.

Davon ist auch Penny überzeugt. „Penny strebt an, 2040 klimaneutral zu sein. Bereits 2030 wollen wir 30 Prozent weniger Treibhausgase emittieren. Im gleichen Jahr wollen wir in den Lieferketten unserer nationalen Eigenmarken 15 Prozent weniger Klimagase verursachen. Das schaffen wir aber nur im Zusammenspiel mit den Erzeugern und Landwirten. Daher freue ich mich sehr, dass wir gemeinschaftlich mit der Molkerei Berchtesgadener Land das Projekt Zukunftsbauer ins Leben gerufen haben“, sagt Stefan Magel, Bereichsvorstand Handel Deutschland der Rewe-Gruppe und Leiter des operativen Geschäfts bei Penny.

Das Zukunftsbauer-Projekt startet mit einer intensiven Beratung für alle teilnehmenden Landwirte. Dazu gehört der Workshop „Energieeffizienz in der Landwirtschaft“, der Teil der „Wissenswerkstatt“ der Molkerei Berchtesgadener Land ist. Seit 1999 finden diese Kurse regelmäßig in der Genossenschaftsmolkerei statt. Über 5.000 Bäuerinnen und Bauern haben bisher bereits daran teilgenommen und sich in unterschiedlichsten Bereichen der Landwirtschaft weitergebildet. In dem Workshop wird den Landwirten gezeigt, wie sie ihre Höfe energetisch von der Milchkühlung bis zur Gebäudetechnik optimieren können.

Ab Januar 2022 sind Praxisfahrten mit der Besichtigung von Musterhöfen geplant. Einer der Musterbetriebe ist der Huabahof von Demmel. Der Landwirt und Ingenieur wird auf seinem Hof zeigen, wie eine weitestgehend CO2-neutrale Haltung der Milchkühe möglich ist. Darauf folgen individuelle Energiechecks bei den teilnehmenden Betrieben. Berater der Molkereigenossenschaft analysieren die Energiefresser und zeigen Optimierungsmöglichkeiten auf. Anschließend werden den Landwirten individuell angepasste Maßnahmen vorgeschlagen, die sowohl Energie sparen, die Effizienz steigern als auch den möglichen Einsatz erneuerbarer Energien beinhalten können. Die Teilnehmer müssen dann auf Basis dieser Vorschläge ein Umsetzungskonzept erarbeiten und dieses bei der Molkerei Berchtesgadener Land einreichen.

Ein Fachgremium bewertet die Konzepte nach einem festgelegten Kriterienkatalog. Dem Gremium gehören Vertreter von Penny, der Molkerei Berchtesgadener Land, der Wissenschaft und Franz-Xaver Demmel als Energieberater an. Ausgewählt werden die stärksten Maßnahmenkonzepte, die dann jeweils 50 Prozent – maximal bis zu 10.000 Euro – Förderung erhalten. Die Auszahlung der Fördersumme erfolgt umgehend. Nach Abschluss der Investition reichen die Landwirtinnen und Landwirte die Rechnung zur Dokumentation nach.

Das Projekt des Rewe-Konzerns mit seinem Discounter Penny, an dem sich die Molkerei Berchtesgadener Land beteiligt, fördert Investitionen in energiesparende Maschinen und Geräte wie Vorkühler in Milchkühlanlagen, elektrifizierte Landmaschinen oder effizientere Pumpen und Ventilatoren, aber auch Geothermie- oder Photovoltaikanlagen und Energiespeicher. Ziel ist es zudem, die vielen kleinen familiengeführten Bauernhöfe der Molkerei Berchtesgadener Land zu stärken und damit die besondere Natur- und Kulturlandschaft zwischen Watzmann und Zugspitze zu schützen.

Das betont auch Sylvia Schindecker, Leitung Landwirtschaft der Molkerei Berchtesgadener Land: „Unsere vielen familiengeführten Betriebe leisten einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz und zum Erhalt unserer einzigartigen Kulturlandschaft. Dabei zählt jeder Einzelne. Deshalb haben wir das Projekt Zukunftsbauer mit Penny so aufgestellt, dass jeder Betrieb  – unabhängig von seiner Größe – die gleiche Förderung erhält. Klimaschutz geht nur, wenn alle dazu beitragen und nur gemeinsam entlang der Wertschöpfungskette.“

Die Gemeinsamkeit unterstreicht auch Philipp Stiehler, Geschäftsleiter Ware bei Penny: „Penny verbindet mit der Molkerei Berchtesgadener Land eine lange und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Deswegen wollen wir das Projekt Zukunftsbauer im kommenden Jahr gemeinsam ausbauen, den Fördertopf vergrößern und noch mehr Kunden die Möglichkeit zu geben, sich mit ihrem täglichen Einkauf für die Landwirtschaft und das Klima zu engagieren.“ Die Landwirte der Molkerei Berchtesgadener Land werden solche Nachrichten aufmerksam registrieren. Bei ihnen stößt das Förderprogramm auf enormes Interesse, wie Geschäftsführer Bernhard Pointner berichtet. „Innerhalb von wenigen Tagen, nachdem wir das Projekt unseren Mitgliedern vorgestellt haben, waren bereits alle im ersten Schritt geplanten Workshops ausgebucht.“ Dementsprechend werden derzeit weitere Workshops für das kommende Frühjahr 2022 geplant und organisiert.

Beispiel 2: Wie die Allgäu Milch Käse eG für ihre Mitglieder neue Vermarktungswege erschließt

Wo sitzen die meisten Bio-Betriebe in Deutschland? Im Landkreis Oberallgäu, und damit im Einzugsgebiet der Allgäu Milch Käse eG. Ein Zufall ist das nicht: Seit 1989 erfasst die Genossenschaftsmolkerei Bio-Milch. Damit hat das Unternehmen wesentlich dazu beigetragen, dass viele Bauern in der Region auf den ökologischen Landbau umgestellt haben. Heute sind rund 40 Prozent der 1.000 Mitglieder Bio-Betriebe. „Die Entscheidung war ein absolut zukunftsweisender Schritt, um die Milch zu höheren Preisen zu vermarkten. Außerdem verzögert sie aktiv den Strukturwandel, denn die ökologische Landwirtschaft bietet vielen Mitgliedern eine Chance, weiterhin ein auskömmliches Einkommen zu erhalten“, sagt Geschäftsführer Hubert Dennenmoser.

Die Molkerei unterscheidet nicht nur zwischen konventioneller Milch und Bio-Milch, sondern auch noch zwischen Bergbauernmilch, Heumilch und Bio-Heumilch. Sie erfasst und verarbeitet also fünf verschiedene Milchsorten. Daraus produziert die Allgäu Milch Käse eG ein breites Portfolio an Käse, Quark und Butter für den Einzelhandel. „Unsere Milcherfassung und die daraus resultierende Produktvielfalt sind ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem wir uns von den Wettbewerbern abheben“, betont Dennenmoser. Zudem schaffe die Genossenschaft neue Vermarktungschancen für die Mitglieder. Schließlich seien viele Verbraucherinnen und Verbraucher bereit, für Käse oder Butter etwa aus Heumilch etwas mehr Geld auszugeben, erklärt der Geschäftsführer. Um diesen Vertriebsweg zu forcieren, arbeitet das Unternehmen eng mit der Käsemanufaktur Allgäu zusammen und entwickelt Produkte mit Geschmacksrichtungen wie Trüffel, Kürbiskernen oder Zitronenpfeffer, Ingwer und Rosenblüten.

In das Konzept hat die Genossenschaft viel Geld investiert. Das macht Dennenmoser anhand eines Beispiels deutlich. Beispielsweise benötigt die Molkerei von Zeit zu Zeit neue Milchtanks. Würde sie nur eine Milchsorte erfassen, könnte sie einen großen Tank mit einem Volumen von etwa 200.000 Liter kaufen. Da sie jedoch fünf verschiedene Milchsorten verarbeitet, braucht sie mehrere Tanks mit einem kleineren Volumen. Die Kosten für fünf kleinere Tanks sind aber höher als für einen großen Tank. „Alles in allem müssen wir auf diese Weise 50 bis 70 Prozent mehr Geld einsetzen. Trotzdem haben wir die Entscheidung nicht bereut, schließlich kommt sie den Landwirten zugute“, erklärt Dennenmoser.

Investiert hat die Genossenschaft zudem neun Millionen Euro in eine Quarkproduktion – gemeinsam mit Edeka. Der Lebensmittelhändler hat dazu ein zinsloses Darlehen bereitgestellt. Die Quarkerei betreiben die Partner seit 2017, nach sieben Jahren, also 2024, geht sie ins Eigentum der Allgäu Milch Käse eG über. Der Milchpreis ist vertraglich festgehalten und gegenüber den Marktentwicklungen abgesichert. Dennenmoser: „Auf diese Weise können wir den Mitgliedern ein ausgeglichenes und stabiles Milchgeld zahlen.“

Das aktuelle Megathema Nachhaltigkeit passt laut dem Geschäftsführer ideal zur Allgäu Milch Käse eG. Bereits in den vergangenen Jahren hat sich die Genossenschaft intensiv darum bemüht, den Energieverbrauch signifikant zu senken. Beispielsweise gibt es seit 2010 ein Blockheizkraftwerk mit einer Leistung von knapp 1.300 Kilowatt. Nun hat das Unternehmen ein Energiekonzept bis 2030 aufgestellt. Geplant ist unter anderem ein neues Blockheizkraftwerk mit einer Leistung von 1.200 Kilowatt. Beide zusammen sollen einen Großteil des Strom- und Wärmebedarfs decken. Zudem plant das Unternehmen perspektivisch, die Milchsammelwagen auf E-Mobilität umzustellen. Den Strom soll eine PV-Anlage beziehungsweise ein Windrad liefern. „Wir wollen uns kontinuierlich verbessern, um nachhaltig und gesellschaftlich verantwortlich zu wirtschaften“, betont Dennenmoser.

Artikel lesen
Topthema