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Viermal im Jahr besucht ein Rabbiner unangekündigt die Milchwerke Oberfranken West eG, um die Produktion von koscherer Export-Milch zu überprüfen. Intensiv kontrolliert er an den beiden Produktionsstandorten Wiesenfeld bei Coburg und Lendershausen die gesamten Anlagen, vom Wareneingang über die Verarbeitung bis hin zum Vertrieb. Der Rabbiner achtet darauf, dass die Produktion den Vorschriften entspricht. Beispielsweise darf kein echtes Lab verwendet werden: Die Enzyme aus dem Kuhmagen gelten als nicht koscher, da nach den jüdischen Speisevorschriften Fleisch und Milch nicht vermischt werden dürfen. Die Genossenschaft nutzt stattdessen mikrobakterielles Lab. Außerdem setzt sie für die Herstellung von Käse koscheres Speisesalz ein.

Die Kontrollen durch den Rabbiner sind ein wesentlicher Bestandteil, um ein Koscher-Zertifikat zu erhalten. Es gibt jedoch weitere Anforderungen: Die Genossenschaft muss beispielsweise die Produktionsschritte sorgfältig dokumentieren, die Rückverfolgbarkeit ihrer Waren gewährleisten und die Belegschaft regelmäßig schulen. Erst wenn alle Anforderungen erfüllt sind und der Rabbiner nichts zu beanstanden hat, gibt es das Koscher-Zertifikat.

Eine bayerische Molkerei, die nach den jüdischen Speisevorschriften produziert, mag auf den ersten Blick verwundern. Doch mittlerweile gehöre die Herstellungsmethode zum absoluten Standard, erzählt Ludwig Weiß, geschäftsführender Direktor der Milchwerke Oberfranken West eG. Das Gleiche gilt für halal, also die Verarbeitung von Lebensmitteln nach islamischen Speisevorschriften. Der Grund: Die Mehrheit der bayerischen Molkereigenossenschaften exportiert weltweit und damit auch in Länder, in denen eine große Zahl an Menschen mit jüdischem beziehungsweise muslimischem Glauben leben. „Insbesondere Produkte im Bio-Bereich lassen sich ohne Koscher- und Halal-Zertifikate nur noch schwer bis gar nicht exportieren. Die Produktionsweisen haben sich international durchgesetzt“, sagt Weiß.

Was ist koscher, was ist halal?

Im Judentum regeln jahrtausendealte Speisegesetze die Zubereitung und den Genuss von Lebensmitteln. Sie basieren auf der Tora, der hebräischen Bibel. Als koscher („tauglich“) werden Speisen und Getränke bezeichnet, die erlaubt sind. Beispielsweise gilt Milch als koscher, sollte aber nicht zusammen mit Fleisch zubereitet und gegessen werden. Auch im Islam gibt es bestimmte Speiseregeln. Grundsätzlich sind alle Lebensmittel halal („erlaubt“), die nicht ausdrücklich verboten („haram“) sind. So ist es untersagt, Schweinefleisch zu essen oder Alkohol zu trinken. Für den Verzehr von Geflügel, Rind und Lamm müssen die Tiere vorschriftsgemäß geschlachtet werden.

Auch nicht gläubige Konsumentinnen und Konsumenten beziehen zunehmend koschere und Halal-Produkte. Sie vertrauen darauf, dass die Ware sehr strengen Kontrollen unterliegt und dadurch eine höhere Qualität und Sicherheit aufweist. Insbesondere zeigt sich das in den USA, aber auch vielen Menschen in China ist die Angabe wichtig, seitdem vor einigen Jahren Hunderttausende Kleinkinder wegen verunreinigtem Milchpulver aus heimischer Produktion erkrankten.

Die Mitglieder der Genossenschaft müssen einige Regeln beachten, damit sie ihr Vieh koscher halten. So dürfen die Kühe beispielsweise nicht in Berührung mit anderen Tieren wie Schweinen oder Pferden kommen. Da die Landwirtinnen und Landwirte diese Vorschriften ohnehin einhalten, ist die gesamte zugelieferte Milchmenge zu 100 Prozent koscher. „Die Mitglieder haben keinen extra Aufwand. Es geht vor allem um die koschere Verarbeitung der Milch“, betont Weiß.

Aus der angelieferten Milch produzieren die Milchwerke Oberfranken West insgesamt zwölf Produkte in koscher und Halal-Qualität: Molkenkonzentrat, Milchkonzentrat, Milch, Rahm, Hartkäse im Block sowie halbfester Schnittkäse im Block – alle jeweils konventionell und Bio. Zentrales Exportprodukt der Genossenschaft ist Molkenkonzentrat, ein wichtiger Ausgangsstoff für Babynahrung, aber auch Back- und Süßwaren wie Schokolade und Eis.

Neben koscher gibt es noch super-koscher. Das bedeutet, dass ein Rabbiner den gesamten Produktions- und Verpackungsprozess überwacht hat – bei der Milch also vom Melken im Stall bis zum Abfüllen. Zudem gibt es spezielle Reinigungsprozesse. Die Milchwerke Oberfranken West eG stellt gelegentlich super-koscher Produkte her. Der Markt sei jedoch relativ klein, erzählt Weiß. „Das ist ein Nischenprodukt.“

Zufrieden mit dem Geschäftsjahr, Sorgen über gestiegene Preise

Mit dem aktuellen Geschäftsjahr zeigt sich die Milchwerke Oberfranken West eG zufrieden. „Der Absatz läuft gut und der Milchpreis ist gestiegen. Das kommt unseren Mitgliedern zugute“, betont der geschäftsführende Direktor Ludwig Weiß. Sorgen bereiten die deutlich gestiegenen Preise, einerseits für Futter- und Düngemittel, andererseits für Energie. Dazu kommen neue Haltungsformen wie zum Beispiel die Kombinationshaltung, die mehr Bewegung für die Milchkühe außerhalb des Stalls vorsieht. Um die Anforderungen zu erfüllen, müssen manche Landwirtinnen und Landwirte viel Geld investieren, berichtet Weiß. Außerdem seien die Genehmigungsprozesse oft langwierig. „Es wäre wünschenswert, wenn der Einzelhandel die gestiegene Qualität sowie den Einsatz für das Tierwohl mit einem höheren Preis honorieren würde“, sagt Weiß.

Die Genossenschaft investiert laufend in ihre Produktion – allein in den vergangenen beiden Jahren über sieben Millionen Euro. Unter anderem hat das Unternehmen seine Reiferäume erweitert, eine Halle für panierte und frittierte Käse-Spezialitäten gebaut und die Produktionsprozesse automatisiert. Perspektivisch plant die Milchwerke Oberfranken West eG eine neue Weichkäserei, der Baustart ist für das vierte Quartal 2022 geplant.

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