Spezialisten: Der Raiffeisen-Handel in Bayern bündelt seine Kräfte, um als zuverlässiger Partner der Landwirtschaft und des Handwerks zu bestehen. Vier Beispiele aus der Praxis.
Die wichtigsten Infos
- Im „RegioMarkt“ der Raiffeisenbank Eschlkam-Lam-Lohberg-Neukirchen b. Hl. Blut sowie im „Ilzer Land Markt“ der Raiffeisenbank i. Lkrs. Passau-Nord können Verbraucher regional erzeugte Lebensmittel wie Nudeln, Mehl oder Konserven sowie Haushaltswaren und Deko-Artikel kaufen.
- Die Kunden nehmen das Konzept gut an, die Umsätze steigen jährlich.
- Die Banken treiben mit der „Shop-in-Shop“-Lösung die Spezialisierung ihrer Märkte voran.
RegioMarkt der Raiffeisenbank Eschlkam-Lam-Lohberg-Neukirchen b. Hl. Blut
Die Raiffeisen-Fachmärkte in Bayern halten für Landwirte, Hand- und Heimwerker, Haustierbesitzer sowie Hobbygärtner ein umfangreiches Sortiment bereit. Auch in den drei Märkten der Raiffeisenbank Eschlkam-Lam-Lohberg-Neukirchen b. Hl. Blut können sich die Kunden mit Schrauben, Farben, Katzennahrung oder Blumenerde eindecken, während sie in den Lagerhäusern nebenan Dünger, Futtermittel und Saatgut in größeren Mengen erhalten. Am Standort Eschlkam hat das Kreditinstitut aus dem Oberpfälzer Landkreis Cham vor Kurzem zusätzlich einen sogenannten „RegioMarkt“ eröffnet. Das Konzept: Auf einer rund 150 Quadratmeter großen Fläche innerhalb des Raiffeisen-Markts werden Lebensmittel, Haushaltswaren und Deko-Artikel aus der Region verkauft. „Shop-in-Shop“ nennt sich diese Lösung, für den Umbau hat die Bank rund 170.000 Euro investiert.
Ein Rundgang durch den RegioMarkt an einem herbstlichen Dienstagvormittag: Nicht ohne Stolz zeigt Roland Altmann, Leiter des Warengeschäfts, das Sortiment. In den Regalen stehen Lebensmittel wie Nudeln, Konserven, Mehl, Milch, Käse, Wurst oder Schokolade. Auch eine Auswahl an Säften und Bier gibt es. Auf zwei weiteren Regalen finden sich sogenannte Non-Food-Produkte wie Seifen, Schmuckketten oder Tierfiguren. Zu jedem Artikel kann Altmann etwas erzählen – kein Wunder, er und sein Team haben alle selbst ausgewählt und kennen die Hersteller persönlich. Rund 60 Prozent der Ware stammt aus dem Landkreis Cham, der Rest wird in anderen Teilen des Freistaats produziert. „Bei der Recherche sind wir auf viele interessante Produzenten gestoßen, ich wusste beispielsweise vorher nicht, dass eine Straubinger Firma Fruchtgummi herstellt“, sagt Altmann. Rund 15 Prozent der Produkte sind biologisch erzeugt.
Bei der Auswahl der Lieferanten ist die Raiffeisenbank zunächst auf die Lebensmittelproduzenten unter den Mitgliedern zugegangen: „Wir haben gefragt, ob sie ihre Waren bei uns anbieten möchten. Die Rückmeldungen waren sehr positiv“, sagt Altmann. Er betont, dass das Konzept perfekt zum genossenschaftlichen Ur-Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe passt: Die Mitglieder erhalten einerseits die Betriebs- und Produktionsmittel von der Raiffeisenbank, andererseits können sie ihre Waren im bankeigenen Markt verkaufen.
Mit dem RegioMarkt möchte sich die Raiffeisenbank bewusst nicht als Wettbewerber zu Supermärkten oder Discountern positionieren. So gibt es beispielsweise keine Tiefkühlprodukte, das Angebot an Obst und Gemüse wird Schritt für Schritt aufgebaut, beschränkt sich aber ebenfalls auf regionale Produkte. „Wir sehen uns als Ergänzung zu den großen Lebensmittelhändlern. Produkte wie Bananen und Kiwis wird es bei uns ebenso wenig geben wie Erdbeeren oder Kirschen im Winter. Das widerspricht unserem Regionalprinzip“, sagt Altmann.
Während er erzählt, kommen immer wieder Kunden vorbei, grüßen, und greifen zu Schokolade, Nudeln oder dem Feierabendbier. Doch nicht nur Stammkunden sind vor Ort: Eine Mutter mit Kind hat sich einen Einkaufswagen geschnappt und Mehl, Konserven und Käse aus dem Regal gegriffen. Altmann freut sich darüber: „Mit dem Konzept haben wir zahlreiche Neukunden gewonnen, die bisher selten oder gar nicht in unsere Raiffeisen-Märkte gekommen sind“, sagt er. Um das Angebot noch attraktiver zu machen, wurden die Öffnungszeiten angepasst. Der Markt ist nun werktags durchgehend von 7:30 Uhr bis 17:30 Uhr sowie samstags von 7:30 Uhr bis 12 Uhr geöffnet. „Die Spitzenzeiten für den Lebensmitteleinkauf sind eindeutig Freitag und Samstag“, sagt Altmann.
Kompromisse bei der Schokolade
Im Sortiment des RegioMarkts der Raiffeisenbank Eschlkam-Lam-Lohberg-Neukirchen b. Hl. Blut in Eschlkam finden Kunden ausschließlich Produkte von bayerischen Herstellern. Diese müssen bei manchen Grundzutaten jedoch auf Importware setzen, schließlich wächst etwa weder die Kaffee- noch die Kakaobohne im Freistaat. „Das ist uns natürlich bewusst, wir haben deswegen einen – wie ich finde – guten Kompromiss gefunden“, sagt Altmann. Konkret gibt es im Markt nur Schokolade und Kaffee vor Herstellern, die sich besonders für Nachhaltigkeit und Fairness einsetzen. So garantieren die Unternehmen beispielsweise, dass die Kakaobauern eine faire Bezahlung erhalten und die Bohnen ohne Zwischenhändler nach Bayern kommen.
Mit dem RegioMarkt treibt die Bank die Idee voran, ihre Raiffeisen-Märkte zu spezialisieren. „Unsere drei Warenbetriebe in Neukirchen, Eschlkam und Furth im Wald liegen jeweils nur wenige Kilometer auseinander. Da unsere Kunden immer mobiler werden, macht es betriebswirtschaftlich immer weniger Sinn, überall das gleiche Sortiment anzubieten“, sagt Altmann. So hat die Bank – neben dem RegioMarkt in Eschlkam – am Standort Neukirchen einen Bereich für Motorgeräte der Firma Stihl für Forst und Garten eingerichtet. Dort finden die Kunden eine breite Auswahl an Kettensägen, Rasenmähern und Hochdruckreinigern. Durch die Spezialisierung mit den „Shop-in-Shop“-Lösungen kann die Bank an den Standorten jeweils hochqualifizierte Berater beschäftigen.
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Anderen Warengenossenschaften, die in den Handel mit regionalen Lebensmitteln einsteigen möchten, rät Altmann, einige Besonderheiten zu beachten. „Bei Schrauben ist es kein Problem, ein paar Packungen mehr zu bestellen, die werden ja nicht schlecht. Bei Frischeprodukten wie Wurst, Käse oder Milch sieht das schon anders aus“, sagt er. Erst mit der Zeit lassen sich Erfahrungswerte sammeln, damit einerseits die Regale nicht leer sind und andererseits die Mitarbeiter keine Lebensmittel wegwerfen müssen, die das Haltbarkeitsdatum überschritten haben.
Eine weitere Herausforderung ist es, die sogenannten Stammdaten der Artikel aufzunehmen. Gerade kleinere Händler können nicht immer die standardisierten Identifikationsnummern liefern. An dieser Stelle müssen die Mitarbeiter schon einmal nachetikettieren. „Wie so häufig haben sich in der Praxis einige Herausforderungen ergeben. Mittlerweile haben wir jedoch wertvolle Erfahrungen gesammelt und können uns viel besser auf die Bedürfnisse unserer Kunden einstellen. Wir sind sehr zufrieden mit dem Start und freuen uns, dass immer mehr Menschen im Landkreis auf regionale Produkte setzen“, sagt Altmann.
Der Ilzer Land Markt der Raiffeisenbank i. Lkrs. Passau-Nord
Auch im niederbayerischen Landkreis Passau kaufen immer mehr Menschen Lebensmittel aus der Region ein, hat Manuel Niedermeier beobachtet. Er leitet den „Ilzer Land Markt“ im Raiffeisen-Markt Tittling, der zur Raiffeisenbank i. Lkrs. Passau-Nord gehört. Auch hier gibt es eine Shop-in-Shop-Lösung: Auf 250 Quadratmetern, rund ein Fünftel der Gesamtfläche des Raiffeisenmarkts, finden die Kunden ein großes Angebot an regionalen Lebensmitteln, Getränken sowie Deko- und Bastel-Artikeln. „Das Konzept kommt wirklich super an, seit der Eröffnung im Jahr 2016 verzeichnen wir jedes Jahr steigende Umsätze. Auch in der Corona-Pandemie erzählen uns viele Kunden, dass sie regionale Produkte bevorzugen“, sagt Niedermeier.
Ein Besuch im Ilzer Land Markt kann den Wocheneinkauf im Supermarkt quasi ersetzen. Neben abgepackter Ware gibt es ein stattliches Angebot an Brot- und Backwaren, Obst und Gemüse, Fleisch- und Wurstwaren sowie Molkereiprodukten. Es fehlen lediglich Tiefkühlprodukte und in der kälteren Jahreszeit gibt es weniger Obst und Gemüse. „Viele Neukunden sind überrascht, dass unser Angebot an regionalen Produkten so vielfältig ist. Ein Großteil kombiniert den Einkauf bei uns dennoch mit einem Besuch beim Supermarkt, schließlich wollen viele Menschen nicht auf Bananen oder Ananas verzichten“, sagt Niedermeier. Besonders gut laufen übrigens die Fleisch- und Wurstwaren. Niedermeier: „Die liefert eine qualitativ sehr hochwertige Metzgerei. Die Kunden schätzen das und sind gerne bereit, etwas mehr Geld auszugeben.“ Neben den Lebensmitteln würden auch die Deko- und Bastel-Artikel gut ankommen, betont der Marktleiter.
Regional bedeutet beim Ilzer Land Markt nicht zwangsläufig, dass die Produkte aus Niederbayern stammen. Ein Teil des Sortiments wie Kartoffeln, Gelbe Rüben, Kekse oder Öle kommt aus Oberösterreich – schließlich ist die Grenze nur rund 40 Kilometer entfernt. Im Nachbarland haben sich viele der dort ansässigen Erzeuger unter dem Label „Genussland Oberösterreich“ zusammengeschlossen, um ihre Produkte gemeinsam zu vermarkten. „Die Marke ist gut aufgestellt und der Kontakt läuft sehr professionell ab“, sagt Niedermeier. Ein weiterer Grund: Die Erzeuger aus Österreich können früher im Jahr als die heimischen Landwirte frische Lebensmittel wie Kartoffeln oder Gemüse liefern.
„Unser eigenes Label schafft einen hohen Wiedererkennungswert, die Produkte gibt es ausschließlich bei uns zu kaufen.“
Manuel Niedermeier, Marktleiter
Niedermeier hat es sich zur Aufgabe gemacht, die regionalen Produzenten für die Verbraucher sichtbar zu machen. Deshalb erfahren die Kunden beispielsweise auf einem Aufsteller im Markt, dass die Nudeln und Eier von einem rund zehn Kilometer entfernten Geflügelhof stammen, der ohne Gentechnik arbeitet. Aufgedruckt ist zudem ein Foto mit den Familienmitgliedern. „Regionaler geht’s nicht“, sagt der Marktleiter. Einige Produkte verkauft der Ilzer Land Markt sogar unter seinem eigenen Label in Form einer Gelben Rübe mit Raiffeisen-Giebelkreuz in der Mitte. Dieses ziert beispielsweise die Verpackungen einer Kaffeemanufaktur oder eines Schokoladen-Herstellers. „Unser eigenes Label schafft einen hohen Wiedererkennungswert, die Produkte gibt es ausschließlich bei uns zu kaufen“, sagt Niedermeier.
Die Geschichte des Ilzer Land Markts geht bis ins Jahr 2013 zurück. Die Verantwortlichen hatten damals die Idee, die Angebotspalette des Raiffeisen-Markts in Tittling mit ausgewählten Produkten zu ergänzen. „Bei der Suche haben wir gemerkt, wie viele tolle Lebensmittel und Deko-Artikel aus der Region kommen. Daraus ist der Plan entstanden, ein möglichst vollständiges Sortiment gebündelt an einem Ort zu verkaufen“, sagt Niedermeier. In den folgenden Monaten waren er und weitere Mitarbeiter unterwegs, um die Hersteller näher kennenzulernen. „Es war und ist uns sehr wichtig, dass wir uns ein genaues Bild vor Ort machen und die Produktionsbedingungen kennenlernen“, sagt Niedermeier. Nach zwei Jahren hatte das Team rund 50 regionale Lieferanten ermittelt und der Ilzer Land Markt konnte an den Start gehen. 2018 wurde die Kooperation mit dem Genussland Oberösterreich aufgenommen. Inzwischen gibt es ein Pool von 85 Lieferanten. Viele von diesen sind gleichzeitig Mitglieder der Raiffeisenbank.
Ein Großteil der Kunden des Ilzer Land Markts kommt aus den umliegenden Orten, das Einzugsgebiet schätzt der Marktleiter jedoch auf einen Umkreis von 50 Kilometer. Viele Menschen nehmen folglich eine Anfahrt von bis zu 60 Minuten auf sich. Zudem kennt Niedermeier einige Kunden aus dem rund 200 Kilometer entfernten München – die Fahrzeit in die Landeshauptstadt beträgt einfach rund zwei Stunden. „Die kommen vierzehntägig oder monatlich, um sich mit unseren regionalen Produkten einzudecken“, sagt er. Falls ihnen auch noch Katzenfutter oder Schrauben fehlen, müssen sie nur wenige Schritte weiter in den Raiffeisen-Markt gehen.