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Nähe, Miteinander, Regionalität. Diese Eigenschaften gehören zum Wesenskern von Genossenschaften. Das hat nichts mit Nostalgie oder der Sehnsucht nach einem wohligen Gefühl der Vertrautheit zu tun. Genossenschaften wirken lokal und regional. Sie spielen ihre Stärke dort aus, wo sich der Staat zurückzieht oder die Lösung im Miteinander vor Ort auf der Hand liegt. Ein Verband wie der Genossenschaftsverband Bayern (GVB), der ebenfalls auf dieser Ebene agiert, nimmt diese Struktur auf und trägt dieses Selbstverständnis in seiner Arbeit weiter. Regional fest im Freistaat verwurzelt, trifft er auf Akteure in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die aus derselben Prägung heraus handeln, mit Gestaltungswillen weit über die Grenzen des Freistaats hinaus.

„Dezentrale Strukturen erweisen sich zentralistischen Organisationen immer wieder als überlegen.“

Dezentrale Strukturen erweisen sich zentralistischen Organisationen immer wieder als überlegen. In der Bankenbranche stehen regionale Institute solide da. Auf Ebene der Nationalstaaten gilt ähnliches. Länder wie Deutschland oder Österreich mit ihrem föderalen Aufbau sind trotz aller Komplexität erfolgreicher als zentralistisch regierte Staaten. Föderale Strukturen wirken identitätsstiftend, denn sie sorgen für Ausgleich, Vielfalt, Flexibilität, Kompromissbereitschaft und einen Wettbewerb um die besten Lösungen. Deshalb ist der GVB ein Verfechter einer schlagkräftigen regionalen und dezentralen Verbandsstruktur, verbindet sich mit Gleichgesinnten und vertritt als starke, unterscheidbare, und relevante regionale Stimme die Interessen seiner Mitglieder.

Die regionale Verwurzelung des GVB sorgt dafür, dass der Verband sein Ohr nahe an den Mitgliedern, den Kunden und damit am Markt hat. Das fördert nicht nur Ansprechbarkeit und Erreichbarkeit des Verbands, sondern stärkt auch das Wissen um Probleme, Chancen und Herausforderungen in einem regional umgrenzten Gebiet. Mit regionalen Eigenheiten vertraut zu sein, ist ein wesentlicher Vorteil. Denn von der Nähe zu den Mitgliedern und zur Praxis profitieren nicht nur die Genossenschaften durch den kurzen Draht in den Verband hinein. Auch in der Interessenvertretung, also beim Weitertragen der Anliegen der Mitglieder in den genossenschaftlichen Verbund sowie den politischen Raum, ist die Praxisnähe ein wichtiger Trumpf. Insbesondere auf politischer Ebene schätzt man den ungefilterten Eindruck aus der Praxis, den so nur ein Regionalverband vermitteln kann.

Sprachrohr für genossenschaftliche Anliegen

Gestaltungswille aus der Region heraus ist Teil bayerischen Selbstverständnisses. Der Freistaat Bayern übertrifft 22 der 27 EU-Staaten an Wirtschaftsleistung. Davon, sowie von seiner geografischen Größe und stetig wachsenden Bevölkerungszahl, leitet sich ein eigener Gestaltungsanspruch Bayerns auf allen politischen Ebenen ab. Aufgrund dieses Anspruchs und der Sonderrolle bayerischer Akteure in Bundes- und Europapolitik ist in der mitgliederorientierten Interessenvertretung das eigene Sprachrohr für genossenschaftliche Anliegen im Freistaat  eine komplementäre Notwendigkeit. Diese Rolle übernimmt der GVB und vertritt durchsetzungsstark die Interessen seiner Mitglieder in München, Berlin und Brüssel.

„Ein föderales politisches System braucht auch einen föderalen Ansatz in der Interessenvertretung.“

Ein föderales politisches System braucht auch einen föderalen Ansatz in der Interessenvertretung. Entscheidungen, die auf Europa- und Bundesebene getroffen werden, müssen auf regionaler Ebene umgesetzt werden. Umgekehrt wirken Regionen (Bundesländer) direkt (Bundesrat, Abgeordnete, Mitarbeit in offiziellen Gremien) und indirekt (Vertretung des Freistaats in Brüssel und Berlin) bei der Gesetzgebung maßgeblich mit. Hier bringt sich der GVB frühzeitig ein und wahrt damit die Interessen seiner Mitglieder. Thematisch erst dann einzusteigen, wenn ein Thema auf Bundes- und Europaebene behandelt wird, ist häufig zu spät.

Was für das politische System gilt, ist ebenso prägend für die dezentrale genossenschaftliche Verbundstruktur. Durch seine regionale Verwurzelung und die konsequente Positionierung als Anwalt der Mitgliedsgenossenschaften bündelt der GVB Interessen, verstärkt sie und trägt diese in den Verbund. Nicht zuletzt aus historischen Gründen haben die bayerischen Genossenschaftsbanken oftmals eigenständige Positionen im genossenschaftlichen Verbundsystem. Allein das macht schon eine entsprechende Verbandsstruktur im Freistaat notwendig, die sich dieser Interessen bewusst ist und nachdrücklich annimmt.

Dass die Volksbanken und Raiffeisenbanken in Bayern im Schnitt wirtschaftlich auf noch stabileren Füßen stehen als jene in den meisten anderen Regionen Deutschlands, ist ein weiterer Ausdruck bayerischer Besonderheit. Sicher tragen auch das günstige wirtschaftliche Umfeld in Bayern und die wirtschaftsfreundliche politische Rahmensetzung in hohem Maße dazu bei. Doch auch ein Regionalverband, der schnell reagieren kann, durch seine Nähe zu Mitgliedern als auch zu politischen sowie anderen Akteuren heraussticht und den politisch Handelnden auf Augenhöhe begegnet, ist ein wichtiger Begleiter der genossenschaftlichen Gruppe auf ihrem Erfolgskurs.

Auf europäischer Ebene haben die Regionen ebenfalls eine große Bedeutung. Die Bezeichnung „Europa der Regionen“ verdeutlicht, dass es bei der Suche nach Kompromissen und dem Ausgleich von Interessen nicht alleine um Nationen geht. Die EU fördert und schützt regionale Eigenheiten. Dem wird die Struktur regionaler Genossenschaftsverbände gerecht, die damit über das rein Nationale (Europa der Regionen versus Europa der Vaterländer) hinausreicht.

„Die Interessenvertretung auf Landes-, Bundes- und Europaebene ist sehr fordernd und wird immer komplexer. Zentralisierung kann darauf nicht die Antwort sein.“

Die Interessenvertretung auf Landes-, Bundes- und Europaebene ist sehr fordernd und wird immer komplexer. Zentralisierung kann darauf nicht die Antwort sein. Vielmehr gilt es, Kräfte aus der dezentralen Struktur heraus zu aktivieren und zu verknüpfen. Die Möglichkeit, sich auf eine Landesregierung zu konzentrieren, stärkt die Nähe zu den politischen Akteuren, erlaubt die gezielte Kooperation mit anderen Interessenvertretern aus Industrie, Handel und Handwerk und erhöht damit die Durchsetzungsfähigkeit.

Auch dieses Vorgehen knüpft an den genossenschaftlichen Wesenskern an. Denn Genossenschaften sind Netzwerke. Der GVB bildet einen wichtigen Knotenpunkt im genossenschaftlichen Netzwerk des Freistaats. Mit ihm sind wiederum zahlreiche Entscheidungsträger auf den Verbands- und Kammerebenen verknüpft. Dieses System der verbundenen Netzwerke ermöglicht umfassende Interessenvertretung in der Breite und vielfältige politische Wirkung.

„Netzwerke bündeln Kräfte und erhöhen die Schlagkraft, ohne die regionale Identität und die Vielfalt regionaler Interessen zu vernachlässigen.“

Bewusst erweitert der GVB immer wieder sein Netzwerk. So schließt er gezielt strategische Kooperationen (PSD- und Sparda-Verband), um auf Bundes- und Europaebene, aber auch in den Verbundgremien Kräfte zu bündeln. Solche gezielten Kooperationen, in die jeder wiederum seine Stärken und Netzwerke einbringt, erhöhen die Schlagkraft, ohne die regionale Identität und Vielfalt regionaler Interessen zu vernachlässigen oder die Eigenständigkeit der Kooperationspartner zu beeinträchtigen.

Genossenschaften sind nicht nur ein Gesellschaftsmodell, sondern auch eine Kultur – ein Bekenntnis dazu, wie regional verankertes Wirtschaftsleben organisiert werden kann. Genossenschaften leben vor allem von dieser regionalen Verankerung. Daher entspricht ein regionaler Verband sowohl kulturell als auch systemisch der genossenschaftlichen Denkweise und wirkt daher in besonderem Maße identitätsstiftend.


Dr. Jürgen Gros ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Er twittert als @JGros_GVB und ist Mitglied des Netzwerks LinkedIn.

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