Diese Website verwendet Cookies. Wenn Sie unsere Seiten nutzen, erklären Sie sich hiermit einverstanden. Weitere Informationen

Das Wichtigste in Kürze

  • Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken haben zum neunten Mal herausragende publizistische Arbeiten ausgezeichnet.
  • Den Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Preis zum Thema wirtschaftliche Bildung (8.000 Euro) erhielten dieses Jahr mit Nadja Armbrust, Marlen Fercher, Benedikt Nabben, Malcolm Ohanwe, Christian Orth, Bianca Taube, Tatjana Thamerus und Sümeyye Uğur acht Volontäre des Bayerischen Rundfunks für ihre TV-Reportage „Die Unsichtbaren – Bulgarische Wanderarbeiter in Deutschland“.
  • Der Hermann-Schulze-Delitzsch-Preis zum Thema Verbraucherschutz (8.000 Euro) ging an BR-Autorin Sabine Lindlbauer für ihre TV-Dokumentation „Plastikmüll statt Mode – Ersticken wir in Billigklamotten?“.
  • Den Förderpreis für junge Wirtschaftsjournalistinnen und -journalisten (4.000 Euro) nahm Max Ferstl für seine SZ-Reportage „Nichts geht mehr“ entgegen. Darin porträtiert er eine junge Frau, die der Spielsucht verfällt.

Corona verändert die Welt – im Großen wie im Kleinen. Davon war auch die diesjährige Verleihung der Journalistenpreise der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken nicht ausgenommen. Eigentlich sollten die Preisträger Mitte Oktober im Münchner Literaturhaus gefeiert werden – mit Festredner, Laudatoren sowie der Gelegenheit zum Gespräch und zur Vernetzung mit Vertretern aus Journalismus, Politik und Finanzbranche. Stattdessen wurde nun in kleinem Rahmen in Schubecks Südtiroler Stuben am Münchner Platzl gefeiert – in einem ebenso würdigen Rahmen, unter Einhaltung der einschlägigen Corona-Abstandsregeln. „Wir haben uns die Entscheidung darüber, ob beziehungsweise in welchem Rahmen es eine Preisverleihung geben kann, nicht leicht gemacht“, sagte Gerald Schneider, Pressesprecher des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB), bei seiner Festrede. Der Stimmung hat der Ortswechsel nicht geschadet. In kleiner Runde gab es viel Gelegenheit zum intensiven Austausch, den die Preisträger ausgiebig nutzten, bis der Kellner wegen der Corona-Sperrstunde zum Aufbruch mahnte.

Schneider wies in seiner Rede auf die Bedeutung von Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch hin. Die Journalistenpreise der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken erinnern an die beiden Gründerväter des deutschen Genossenschaftswesens. Deren Genossenschaftsidee habe im 19. Jahrhundert eine Antwort auf wirtschaftliche und soziale Fragen gegeben, als die Industrialisierung zu massiven Umbrüchen in Wirtschaft und Gesellschaft führte. „Auch wenn die Herausforderungen heute andere sind, so ist das Anliegen der beiden heute so aktuell wie damals: Es geht um Solidarität, es geht um Miteinander, es geht um Hilfe zur Selbsthilfe und das alles resultierend aus einer einfachen, demokratischen Struktur“, sagte Schneider. Umso wichtiger sei es, dass Medien über Wirtschaft und ihre oft genug komplexen Zusammenhänge berichten und aufklären – so, wie es auch die diesjährigen Preisträger getan haben.

Die drei mit insgesamt 20.000 Euro dotierten Auszeichnungen gingen an einen Volontärsjahrgang des Bayerischen Rundfunks (BR), BR-Autorin Sabine Lindlbauer und den Nachwuchsjournalisten Max Ferstl von der Süddeutschen Zeitung in München.

Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Preis für Volo-Reportage des Bayerischen Rundfunks

Den Friedrich-Wilhelm Raiffeisen-Preis (Preisgeld: 8.000 Euro) erhielten acht Volontäre des Bayerischen Rundfunks für ihre TV-Reportage „Die Unsichtbaren – Bulgarische Wanderarbeiter in Deutschland“. Nadja Armbrust, Marlen Fercher, Benedikt Nabben, Malcolm Ohanwe, Christian Orth, Bianca Taube, Tatjana Thamerus und Sümeyye Uğur sind den Spuren der Menschen gefolgt, die täglich auf dem sogenannten „Arbeiterstrich“ am Münchner Hauptbahnhof auf Billigjobs warten. Im zentralbulgarischen Städtchen Pasardschik erfahren sie, dass die meisten einer armen, ausgegrenzten türkischen Minderheit entstammen. Die Wanderarbeit in Deutschland ist oft ihre einzige Hoffnung auf ein besseres Leben, einen anständigen Verdienst und sozialen Aufstieg.

Externer Inhalt

Nach Ihrer Einwilligung werden Daten an YouTube übertragen.

Sehen Sie hier die Reportage „Die Unsichtbaren – Bulgarische Wanderarbeiter in Deutschland“ der Volontäre des Bayerischen Rundfunks.

Die Jury überzeugte die gänzlich unvoreingenommene, hartnäckige und mutige Vor-Ort-Recherche. Auch dass das Stück komplett aus der Hand gedreht worden sei – ganz ohne Kamerateam – mache es preiswürdig. Allein schon der Beginn des TV-Stücks sei herausragend: Er zeige, wie mühsam es war, an diese Menschen heranzukommen. Die jungen Journalisten hätten sich in einer Weise entmutigen lassen, urteilt die Jury. Einige Medien hätten schon über die Wanderarbeiter aus Bulgarien berichtet. Diese Reportage aber sei eindringlich und wirke stark nach. Sie sei echte Reporterarbeit.

Die Recherche habe er als mühsam und aufwendig empfunden, berichtet Malcolm Ohanwe, einer der Preisträger aus dem Reporterteam des Bayerischen Rundfunks. „Neben den Sprachbarrieren gab es viele Situationen, wo wir in Sackgassen gerieten, nicht sicher waren, wie ernst jemand etwas meint oder wie verlässlich das Wort eines Protagonisten ist, oder ob wir die kulturellen oder sprachlichen Codes einfach nicht richtig entziffert hatten“, berichtet er. Oft musste das Team mit dem Handy drehen, da es sehr schnell gehen musste und wichtige Kern-Momente sonst verflossen wären.

Als persönliche Erkenntnis sei hängen geblieben, dass zum einen viele Wanderarbeiter, die in Deutschland als Türken wahrgenommen werden, tatsächlich bulgarische Staatsbürger sind. „Wir haben gelernt, wie die Bulgaren der Roma- und türkischen Minderheit, die einen dunkleren Phänotyp haben, in eigenen segregierten Ghettos leben und eine sehr kaputte bis kaum vorhandene Infrastruktur haben, während die weißen Bulgaren gute funktionierende Schulen oder Straßen genießen. Das grenzt schon an Apartheid“, sagt Ohanwe. Kinder würden in der Europäischen Union in Abhängigkeit von ihrer ethnokulturellen Zugehörigkeit in Verhältnisse der Ungleichheit geboren.

Hermann-Schulze-Delitzsch-Preis für BR-Dokumentation

Den Hermann-Schulze-Delitzsch-Preis (Preisgeld: 8.000 Euro) bekam Sabine Lindlbauer überreicht für ihre TV-Dokumentation „Plastikmüll statt Mode – Ersticken wir in Billigklamotten?“. Dabei beschäftigt sie sich hintergründig mit der weltweiten Textilproduktion, die sich seit der Jahrtausendwende verdoppelt hat. Mode wird immer mehr zu billiger Wegwerfware – und damit zu biologisch nicht abbaubarem Plastikmüll. Die Doku-Expertin zeigt eindringlich auf, dass für diese Entwicklung am Ende Klima und Umwelt einen hohen Preis zahlen.

„Sabine Lindlbauer gebührt der diesjährige Hermann-Schulze-Delitzsch-Preis, denn ihr ist eine aufklärende, ungemein tiefgründig recherchierte TV-Dokumentation gelungen“, so die Jury. Sie erzähle ohne moralischen Zeigefinger und mache dem Verbraucher keinerlei Vorwurf. Vielmehr stelle sie ideenreiche Lösungsansätze dar und setze auf Verhaltensänderung durch Erkenntnisgewinn. Das sei preiswürdiger Verbraucherjournalismus.

Externer Inhalt

Nach Ihrer Einwilligung werden Daten an YouTube übertragen.

Sabine Lindlbauer über ihre Erfahrungen bei der Recherche zur TV-Dokumentation „Plastikmüll statt Mode – Ersticken wir in Billigklamotten?“.

Einer Greenpeace Studie zufolge kauft jeder Deutsche im Schnitt sechzig Kleidungsstücke pro Jahr – ohne Unterwäsche und Strümpfe. Tendenz steigend. „Wir alle müssen beim Kleiderkauf runter vom Gas: länger tragen, mehr reparieren, weniger kaufen“, fasst Sabine Lindlbauer ihre persönliche Erkenntnis von der Recherche zusammen. Vor allem stehe jedoch die Branche selbst in der Pflicht: „Billigst produzierte Fast Fashion ist ökologisch nicht vertretbar. Die Textilindustrie, ohnehin eine der schmutzigsten Branchen weltweit, steht nicht nur wegen skandalöser Produktionsbedingungen immer wieder am Pranger, sondern schafft auch am Ende der textilen Kette enorme Umweltprobleme“, sagt Lindlbauer.

Reportage „Plastikmüll statt Mode – Ersticken wir in Billigklamotten?“ von Sabine Lindlbauer im Internet ansehen.

Förderpreis für Max Ferstl von der Süddeutschen Zeitung (SZ)

SZ-Redakteur Max Ferstl nahm den Förderpreis für junge Wirtschaftsjournalistinnen und -journalisten (Preisgeld: 4.000 Euro) entgegen. Ausgezeichnet wurde er für seine Reportage „Nichts geht mehr“. Darin porträtiert er eine junge Frau, die der Spielsucht verfällt. Er beschreibt, wie schnell die bunte Fantasiewelt der Spielautomaten, gerade wenn es Probleme im echten Leben gebe, zu einem vermeintlichen Zufluchtsort werde. Auch spürt Ferstl nach, wie sich die Krankheit allmählich und auf subtile Weise einstellt und wie schwierig es ist, ihr zu entkommen.

180.000 Spielsüchtige gebe es in Deutschland, hat Ferstl recherchiert. Zusätzliche 326.000 würden ein problematisches Spielverhalten aufweisen. Das Geschäft mit den Automaten boome seit Jahren, obwohl die Politik sich um eine Regulierung bemühe. Die Branche berufe sich darauf, Wert auf faires Spielen zu legen. Vertrauenserweckende Werbebotschafter wie Bastian Schweinsteiger verharmlosen die Gefahren des Glückspiels, warnen Suchtberater. Die Porträtierte sei nie von verantwortungsvollen Hallenbetreibern gewarnt worden. Erst als sie ihr komplettes Vermögen verspielt habe, fasste sie den Entschluss, gegen die Sucht anzukämpfen.

„Max Ferstl hat die Protagonistin und ihre fast ruinöse Spielsuchtvergangenheit mit bemerkenswerter Beobachtungsgabe feinfühlig porträtiert“, urteilt die Jury. Die Reportage rüttle nicht nur mit ihrer Eindringlichkeit auf, sie arbeite auch die gesellschaftliche Brisanz der Spielsucht heraus. Das verdiene eine Auszeichnung.

Externer Inhalt

Nach Ihrer Einwilligung werden Daten an YouTube übertragen.

Max Ferstl berichtet im Video, was er bei der Recherche über Spielsucht gelernt hat.

Es sei nicht einfach gewesen, Betroffene zu finden, die über ihre Sucht zu sprechen bereit waren, berichtet Ferstl über die Herausforderungen bei der Recherche. „Spielsucht ist ein Thema, das stark mit Scham besetzt ist und über das viele aus nachvollziehbaren Gründen nicht gerne reden möchten – schon gar nicht mit einem Journalisten.“ Bei Spielsucht gehe es um mehr als den Verlust von Geld. „Unter ihr leidet oft das gesamte Leben, die Beziehung zum Partner, die Familie, die Arbeit. Menschen, die spielsüchtig sind, müssten eigentlich geschützt werden“, meint der SZ-Reporter. Zwar betonten die Automatenbetreiber regelmäßig ihre eigene Verantwortung. „Doch man kann, vorsichtig formuliert, Zweifel bekommen, ob sie den Spielerschutz so ernst nehmen, wie es nötig wäre“, sagt Ferstl.

Die Reportage von Max Ferstl aus der SZ lesen.

Die Jury der Journalistenpreise

Die 227 bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken vergeben die Preise seit dem Jahr 2012 an Journalistinnen und Journalisten aus dem Freistaat. Die eingereichten Beiträge werden von einer Fachjury aus renommierten Journalistinnen und Journalisten bewertet, die auch die Preisträger küren. Der Jury gehören an:

  • Robert Arsenschek, Akademie der Bayerischen Presse
  • Astrid Freyeisen, Bayerisches Fernsehen
  • Markus Hack, Nürnberger Nachrichten
  • Roland Losch, Deutsche Presse-Agentur
  • Martin Prem, Münchner Merkur
  • Wolfgang Sabisch, freier Journalist, Trainer
  • Holger Schellkopf, Werben & Verkaufen Verlag
  • Gerald Schneider, Genossenschaftsverband Bayern
  • Stefan Stahl, Augsburger Allgemeine Zeitung
  • Valerie Tielich, Straubinger Tagblatt 
Artikel lesen
Genogramm