Verbund: GVB und Sparda-Verband schließen eine Kooperation. Die Vorstandsvorsitzenden beider Verbände sprechen über gemeinsame Ziele und die Herausforderungen in der Interessenvertretung.
Anzeige
Anzeige
Zentrale Aussagen von Staatsminister Florian Herrmann
Zur Bedeutung der bayerischen Regionalbanken während der Corona-Pandemie: „Kleine und mittelständische Regionalbanken haben ihre zentrale Rolle auch im Zusammenspiel mit den staatlichen Förderbanken einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt.“
Warum es wichtig ist, die Europapolitik mitzugestalten: „Europapolitik ist Innenpolitik. Mehr als 50 Prozent der deutschen Innenpolitik werden durch europäisches Recht bestimmt. In einzelnen Bereichen sind es bis zu 80 Prozent.“
Zur Finanzmarktregulierung: „Die Bayerische Staatsregierung setzt sich mit Nachdruck für eine Stärkung des Proportionalitätsprinzips in der Bankenregulierung ein. Im Rahmen des jüngsten EU-Bankenpakets wurde ein erster wichtiger Schritt auf der europäischen Ebene erreicht.“
Zur Ausgestaltung des „Green Deal“: „Bayern fordert in einem Bundesratsantrag unter anderem, Finanz- und Realwirtschaft in die Erarbeitung der Kriterien zur Bestimmung nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten einzubeziehen, die Kriterien schlank und handhabbar zu halten sowie kleine und mittelständische Unternehmen und kleine und mittlere Banken bürokratisch nicht zu überfordern.“
Herr Minister Herrmann, das Corona-Virus hat unser Leben auf den Kopf gestellt. Welche ganz praktischen Auswirkungen hat die Pandemie auf Ihren Arbeitsalltag als Leiter der Bayerischen Staatskanzlei sowie als Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten?
Florian Herrmann: Die vergangenen Monate gehörten für mich zu den herausforderndsten, seit ich politisch tätig bin. Als Leiter des Bayerischen Katastrophenstabs war und als Corona-Koordinator der Staatsregierung bin ich täglich eng mit der Krise und ihrer Bewältigung befasst. Natürlich merkt man Corona jeden Tag. Mir geht es da nicht anders als Ihnen. Aber ich kann mich an die Einschränkungen gut anpassen, weil sie dazu dienen, vor Infektionen zu schützen. Bei meinen Terminen achte ich zum Beispiel sehr genau auf Hygiene- und Schutzabstände, auch auf eine reduzierte Teilnehmerzahl. Was es derzeit kaum beziehungsweise überhaupt nicht gibt, sind Dienst- und Auslandsreisen, was ich sehr bedauere.
Die Pandemie hat vielen Menschen sichtbar vor Augen geführt, dass Deutschland ein föderaler Staat ist. So gibt es in den einzelnen Bundesländern teilweise erhebliche Unterschiede bei den Corona-Regeln. Wie wichtig ist es vor diesem Hintergrund, dass sich Bayern mit einer starken Stimme in Berlin einbringt?
Herrmann: Die Staatsregierung steht im ständigen Austausch mit Bund und Ländern. Dies derzeit noch in besonderem Maße, da Bayern den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz innehat. Wir hatten deshalb stets Kontakt zu den anderen Landesregierungen und waren als Vorsitzland Garant und Scharnier der Abstimmung im bundesstaatlichen System. Alle Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wurden laufend unter Berücksichtigung der jeweiligen Situation diskutiert. Im Bundesrat haben wir, zum Teil auch in Sondersitzungen, schnell reagiert und die wichtigen Krisenpakete mit auf den Weg gebracht. Der Föderalismus hat sich als wichtiges Instrument der Krise erwiesen. Die Regionalisierung hilft dabei, passgenau bei lokalen Infektionsgeschehen zu reagieren. Zudem ermöglicht der Föderalismus Erfahrungen im Umgang mit dem noch nicht in allen Facetten erforschten Corona-Virus.
Erklärtes Ziel der Staatsregierung ist es, den Mittelstand zu unterstützen sowie den Industriestandort Bayern zu sichern. Nun hat die bayerische Wirtschaft durch Corona einen historischen Einbruch erlitten. Was ist nötig, um die Wirtschaft wieder in Fahrt zu bringen und welcher Einsatz ist dafür in Berlin nötig?
Herrmann: Mittelstand und Industrie sind Garanten für Wohlstand und Arbeitsplätze in Bayern. Ohne Erholung dieser Bereiche kann es in Bayern keinen gesamtwirtschaftlichen Aufschwung geben. Bayern hat frühzeitig – und in enger Abstimmung mit dem Bund – massive Schutzmaßnahmen für die Wirtschaft ergriffen und ist dabei an seine Grenzen gegangen. Das hat vielen Unternehmen das Leben gesichert. Das darauffolgende Konjunkturpaket der Bundesregierung gibt wichtige Impulse, damit die Wirtschaft nun wieder durchstarten kann. Bayern beobachtet genau die Entwicklungen der Wirtschaft, um bei Bedarf die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. So hat sich Bayern beispielsweise erfolgreich im Koalitionsausschuss des Bunds für die Verlängerung der Überbrückungshilfe eingesetzt. Dadurch können Branchen, die noch mit Einschränkungen belastet sind, weiterhin mit direkten Zuschüssen unterstützt werden.
„Die Regionalbanken haben ihre zentrale Rolle während der Corona-Krise auch im Zusammenspiel mit den staatlichen Förderbanken einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt.“
In den vergangenen Monaten haben Kreditinstitute wie die Volksbanken und Raiffeisenbanken dafür gesorgt, die staatlichen Förderkredite an ihre Firmenkunden zu vermitteln. Welche Bedeutung haben Regionalbanken für die bayerische Wirtschaft und wie hat sich das in der Corona-Krise gezeigt?
Herrmann: Ein entscheidendes Ziel der letzten Monate war es, alle bankenmäßigen Mittel zu nutzen, dass wirtschaftlich gesunde Unternehmen in Bayern durch die Corona-Krise nicht in ernsthafte Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Dabei kam kleinen und mittelständischen Regionalbanken als Hausbanken des Mittelstands ein besonders hoher Stellenwert bei der Kreditversorgung des Mittelstands zu. Diese haben ihre zentrale Rolle während der Corona-Krise auch im Zusammenspiel mit den staatlichen Förderbanken einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Mit welchen Instrumenten kann sich der Freistaat in der Bundeshauptstadt für die bayerischen Anliegen einsetzen und haben Sie dafür ein aktuelles Beispiel?
Herrmann: Zum einen bringt Bayern seine Interessen über den Bundesrat ein. Durch seine Arbeit in der Länderkammer gestaltet Bayern die Gesetzgebung des Bunds mit. Bayern kann auch eigene Gesetzentwürfe in den Bundesrat einbringen oder den Bundesgesetzgeber mit einem Entschließungsantrag zum Handeln auffordern. Aktuell hat Bayern zum Beispiel eine Initiative zur Anpassung der Erbschaft- und Schenkungsteuer an die aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen vorgelegt, die unter anderem auf eine Erhöhung der persönlichen Freibeträge für Vermögensübertragungen im engsten Familienkreis abzielt. Zum anderen wird in Gesprächen mit Mitgliedern der Bundesregierung und Abgeordneten des Bundestags für bayerische Anliegen geworben und das Gewicht des Freistaats in bundespolitische Entscheidungen eingebracht.
Bayern ist nicht nur in Berlin aktiv, auch in Brüssel unterhält der Freistaat eine eigene Vertretung. Warum ist es wichtig, die Europapolitik mitzugestalten?
Herrmann: Europapolitik ist Innenpolitik. Mehr als 50 Prozent der deutschen Innenpolitik werden durch europäisches Recht bestimmt. In einzelnen Bereichen wie der Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Umweltpolitik sind es bis zu 80 Prozent. Die Vertretung bayerischer Interessen in Brüssel und Straßburg ist deshalb genauso wichtig wie auf Bundesebene. Die Bayerische Vertretung in Brüssel unterstützt mich tatkräftig bei der Erfüllung meiner Aufgaben als Europaminister und ist das Sprachrohr Bayerns in Brüssel. Sie ist Schnittstelle zwischen Bayern und Brüssel und zugleich wichtige Anlaufstelle für den gemeinsamen Austausch. In Zeiten von COVID-19 erfolgt die Kontaktpflege dabei über die verschiedenen digitalen Kanäle – sprich über Videokonferenzen und Online-Events anstelle der vormals gesetzten Präsenzveranstaltungsformate, um im Gespräch mit den Verantwortlichen vor Ort wichtige bayerische Anliegen zu adressieren. Hier zahlt sich aus, dass der Freistaat Bayern frühzeitig auf das „digitale Pferd“ gesetzt hat und somit bei den wesentlichen Themen der Deutschen Ratspräsidentschaft im 2. Halbjahr 2020 und den laufenden beziehungsweise neuen EU-Gesetzgebungsprozessen auch in dieser für uns alle sehr herausfordernden Zeit im europapolitischen „Driver Seat“ sitzt.
Das Bruttoinlandsprodukt von Bayern ist höher als bei einem Großteil der EU-Staaten. Welchen Anspruch leiten Sie daraus ab?
Herrmann: Es stimmt: Bayern hatte 2019 ein größeres Bruttoinlandsprodukt als 22 EU-Mitgliedstaaten. Daraus folgt natürlich, dass Bayern eine starke Stimme in Europa hat und wir engagiert und selbstbewusst für unsere Interessen streiten können. Europa ist für mich aber keine Frage von „Ansprüchen“. Vielmehr ist das Gelingen der europäischen Einigung für Bayern in erster Linie eine Verpflichtung: Die EU bietet uns Chancen und Möglichkeiten, von denen unsere Großeltern nur träumen konnten. Auch die starke wirtschaftliche Leistung Bayerns hängt an der engen Einbettung im europäischen Binnenmarkt. Diesen Fortschritt dürfen und wollen wir nicht verspielen.
Um die Folgen der Corona-Pandemie zu bekämpfen, hat die EU jüngst ein Finanzpaket in Höhe von 1,8 Billionen Euro beschlossen. Integriert ist ein sogenannter Wiederaufbaufonds mit einem Volumen von 750 Milliarden Euro. Wie setzt sich Bayern dafür ein, dass das Paket eine einmalige Maßnahme bleibt und nicht den Weg in eine Schuldenunion ebnet?
Herrmann: Eine beispiellose Situation wie die Corona-Pandemie braucht besondere Antworten. Die Einigung der EU-Staats- und Regierungschefs auf ein europäisches Wiederaufbauprogramm zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie gibt diese. Sie stärkt das Gesamtvertrauen in die EU und schafft eine positive Grunddynamik, die sich günstig für Europa, Deutschland und Bayern auswirken wird. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ist erfolgreich dafür eingetreten, dass die Maßnahmen zielgerichtet, aber eben auch zeitlich sowie hinsichtlich Höhe und Umfang begrenzt sind. Eine Schuldenunion würde bei Einführung sogenannter Corona-Bonds entstehen, bei denen Deutschland unbegrenzt für alte Schulden anderer Mitgliedsstaaten haftet. Dies ist hier nicht der Fall und Bayern wird auch in Zukunft einer solchen Entwicklung deutlich widersprechen.
„Die Bayerische Staatsregierung setzt sich dabei mit Nachdruck für eine Stärkung des Proportionalitätsprinzips in der Bankenregulierung ein.“
Auch ein Großteil der Finanzmarktregulierung findet mittlerweile in Brüssel statt. Die seit der Finanzkrise beschlossenen Regeln sind auf internationale Großbanken gemünzt, betreffen aber auch häufig Regionalbanken. Beispiele dafür sind die Eigenkapitalregulierung (CRR/CRD) oder die Finanzmarktrichtlinie MiFID II. Welche Lehren sollten – auch aus den Erfahrungen der Corona-Pandemie, bei der viele Vorschriften kurzfristig gelockert wurden – für die künftige Finanzmarktregulierung gezogen werden?
Herrmann: Kleine und mittelständische Regionalbanken als Hausbanken des Mittelstands haben ihren hohen Stellenwert bei der Kreditversorgung des Mittelstands während der Corona-Krise auch im Zusammenspiel mit den staatlichen Förderbanken einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Um diese volkswirtschaftlich eminent wichtige Rolle ausfüllen zu können, benötigen sie aber adäquate Rahmenbedingungen. Die Bayerische Staatsregierung setzt sich dabei mit Nachdruck für eine Stärkung des Proportionalitätsprinzips in der Bankenregulierung ein. Im Rahmen des jüngsten EU-Bankenpakets wurde mit Erleichterungen für kleine und nicht-komplexe Institute bei bestimmten Offenlegungs- und Meldepflichten und der Ausweitung des Anwendungsbereichs des sogenannten KMU-Korrekturfaktors ein erster wichtiger Schritt auf der europäischen Ebene erreicht. Bei der anstehenden Umsetzung der finalisierten Basel-III-Regelungen in europäisches Recht werden wir hohes Augenmerk darauf richten, diese Erfolge abzusichern und möglichst noch auszubauen. Auch bei der Finanzmarktrichtlinie MiFID II haben sich seit deren Inkrafttreten kritische Stimmen gemehrt, die eine bürokratische Entschlackung des Regelwerks gefordert haben. Dies scheint nunmehr auch auf der europäischen Ebene angekommen sein. Als Reaktion auf die Corona-Pandemie hat die EU-Kommission vor Kurzem einen Vorschlag zur Anpassung der MiFID II vorgelegt. Dieser zielt auf schlankere Vorgaben für die Wertpapierberatung ab, ohne das notwendige Maß an Anlegerschutz infrage zu stellen und gleichzeitig die Voraussetzungen für eine unkomplizierte Anwendbarkeit der Vorgaben auch in Ausnahmesituationen wie der Corona-Pandemie zu verbessern.
Die EU hat sich im Rahmen des „Green Deal“ zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu sein. Bei der Ausgestaltung gibt es unter anderem den Plan, dass Banken Kredite bevorzugt für grüne Finanzierungen vergeben sollen (sogenannte Taxonomie). Wie kann sichergestellt werden, dass im Rahmen des „Green Deals“ weder die Finanzmarktstabilität ausgehöhlt noch der Mittelstand mit finanziellen oder bürokratischen Zusatzaufwand belastet wird?
Herrmann: Bayern unterstützt Europas Vorreiterrolle in der Klimapolitik, sieht jedoch Anpassungsbedarf bei der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten in das Finanzsystem. Daher hat sich der bayerische Ministerrat auch bereits mehrmals mit dem Thema Nachhaltige Finanzierung befasst. Bayern hat schließlich im März 2020 einen Bundesratsantrag eingebracht. In diesem Antrag fordert Bayern unter anderem, Finanz- und Realwirtschaft in die Erarbeitung der Kriterien zur Bestimmung nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten einzubeziehen, die Kriterien schlank und handhabbar zu halten sowie kleine und mittelständische Unternehmen und kleine und mittlere Banken bürokratisch nicht zu überfordern. Abgelehnt werden sogenanntes „Goldplating“, also nationale Vorfestlegungen, ebenso wie eine Privilegierung ökologisch nachhaltiger Investitionen zulasten der Finanzmarktstabilität und eine Aufweichung der Stabilitäts- und Wachstumsregeln. Die bayerischen Anliegen habe ich auch selbst auf Bundes- und europäischer Ebene deutlich adressiert.
Seit rund zwei Monaten hat Deutschland den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft inne. Wie bringt sich Bayern dort ein?
Herrmann: Man sollte mal mit einem Vorurteil aufräumen: EU-Ratspräsidentschaft bedeutet nicht, dass Deutschland in diesen sechs Monaten eigene Interessen einfacher durchsetzen kann. Im Gegenteil: Vordringlichste Aufgabe der Ratspräsidentschaft ist es, Kompromisse unter den Mitgliedsstaaten zu finden. Bayern steht in Bezug auf die Ratspräsidentschaft selbstverständlich in engem Austausch mit der Bundesregierung. Wir unterstützen diese personell und fachlich und richten - soweit dies corona-bedingt möglich ist - auch informelle Ratssitzungen sowie eigene Veranstaltungen aus.
Zum Abschluss eine persönliche Frage: Als Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten sind Sie nicht nur in Berlin, sondern auf der ganzen Welt unterwegs. Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Sie wieder in der bayerischen Heimat sind?
Herrmann: Wie anfangs bereits gesagt: ich bin derzeit zwangsläufig viel weniger im Ausland unterwegs als vor Corona. Bayern ist stolz auf seine vielfältigen internationalen Beziehungen und der unmittelbare Austausch mit unseren Partnern fehlt mir. Aber natürlich freue ich mich immer darauf, wieder nach Bayern zurückzukehren.
Herr Minister, vielen Dank für das Gespräch!