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Von Bulgarisch bis Schwedisch – 24 verschiedene Amtssprachen gibt es in der EU. Die Vielzahl an Sprachen resultiert nicht nur aus der EU-Erweiterung der letzten Jahre, sondern drückt aus, wie vielfältig die Union ist. Diese Vielfalt ist ein Wesensmerkmal der EU. Sie ist seit ihrer Gründung in den Rechtsakten verankert. In der allerersten EU-Verordnung, die 1958 von den Gründungsstaaten der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft getroffen wurde, sind in der aktualisierten Fassung inzwischen alle 24 Sprachen als offizielle Amtssprachen der EU festgehalten.

Die Verordnung schreibt zudem vor, dass Schriftstücke der Gemeinschaft in der jeweiligen Amtssprache an Bürger und Unternehmen zu richten sind. EU-Verordnungen und Richtlinien erscheinen daher in allen Amtssprachen. In Deutschland müssen wir nicht jeden Rechtstext erst aus dem Englischen oder Französischen übersetzen, sondern können die europäischen Regeln in Deutsch lesen, verstehen und anwenden.

„Während sämtliche EU-Rechtsakte in alle 24 Amtssprachen übersetzt werden, kommunizieren die nachgelagerten Behörden der EU vornehmlich in Englisch.“

Soweit die Theorie. In der Praxis sieht es leider oftmals anders aus. Denn während sämtliche EU-Rechtsakte, alle Parlamentsprotokolle und selbst jede Konsultation der EU-Kommission von rund 4.300 Übersetzern in alle 24 Amtssprachen übersetzt werden, kommunizieren die nachgelagerten Behörden der EU vornehmlich in Englisch. Das gilt auch für die Finanzaufsichtsbehörden wie die EU-Bankenaufsicht (EBA) oder die Europäische Zentralbank (EZB). Rufen sie zur Konsultation eines neuen Leitfadens für die Bankenaufsicht auf oder wenden sie sich mit einem Schreiben an eine Bank, dann in Englisch. Auch die gesamte EBA-Webseite ist in Englisch. Klickt man auf die Version in einer anderen Amtssprache, so gelangt man zu einer knappen Zusammenfassung der Aufgaben und Organisation der EBA. Details sucht man hingegen vergeblich.

„Regionalbanken bekommen die mangelnde behördliche Beachtung der EU-Verträge immer wieder zu spüren.“

Regionalbanken wie die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken bekommen die mangelnde behördliche Beachtung der EU-Verträge immer wieder zu spüren. So verschickt beispielweise die EZB ihre jährlichen Gebührenbescheide, mit denen sie die Institute im Euroraum zur Zahlung ihres Aufsichtsbeitrags auffordert, bisher nur in Englisch an die Banken. Für Regionalbanken, die weder große Compliance-Abteilungen noch umfangreiche internationale Verbindungen haben und daher nur wenig englische Sprachkenntnisse benötigen, wird es damit deutlich schwerer, den zu zahlenden Betrag nachzuvollziehen oder gar zu widersprechen.

Jüngst startete auch die EBA eine Umfrage unter den europäischen Banken, um den Aufwand des Meldewesens abzuschätzen und Vorschläge für Entlastungen zu verbreiten. Eigentlich ein begrüßenswertes Unterfangen – allerdings mit einer hohen Hürde für die Banken. Denn den Fragebogen legte sie nur in Englisch vor. Antworten der Institute in anderen Sprachen als Englisch sind ebenso unterwünscht. Diese Beschränkung erschwert es insbesondere kleinen Regionalbanken, die von dem überkomplexen Meldewesen am deutlichsten belastet sind, an der Umfrage teilzunehmen und sich und ihrem Anliegen Gehör zu verschaffen.

„Die Sprachenfrage ist keine juristische Spitzfindigkeit im EU-Vertragsrecht, sondern geht an die demokratischen Grundsätze der Union.“

Diese Beispiele zeigen deutlich: Die Sprachenfrage ist keine juristische Spitzfindigkeit im europäischen Vertragsrecht, sondern geht an die demokratischen Grundsätze der Union. Die Finanzinstitute können nur dann ihre Beteiligungsmöglichkeiten bei Umfragen und Konsultationen vollumfänglich nutzen, wenn sie auch in der Lage sind, ihre Informationen und Argumente in ihrer eigenen Sprache mitzuteilen. Widerspruch ist dann am einfachsten möglich, wenn Standards oder Bescheide in der Amtssprache vorliegen, damit Institute diese nachvollziehen können. Die Argumentation der Behörden, eine Kommunikation ausschließlich in Englisch sei einfacher, mag zwar für die Behörden stimmen, in denen die Arbeitssprache Englisch ist, aber nicht für die Vielzahl der betroffenen Institute in ganz Europa. Ist eine Kommunikation in Amtssprache nicht gegeben, dann beschneidet das die Rechte der Regionalbanken und schwächt letztlich die Akzeptanz für die Europäische Union.

Aus diesen Gründen hat der GVB das Sprachregime der EU-Finanzaufsicht wiederholt kritisiert – und stieß damit auf Gehör. Auf Initiative des Verbands griff die EU-Politik schon 2017 bei der EZB ein und forderte die Frankfurter Institution auf, ihre Gebührenbescheide auch in Deutsch vorzulegen. Der Druck aus der Politik wirkte: Die EZB sicherte den Banken inzwischen zu, ab 2021 die Bescheide in der gewünschten Sprache an die Institute zu richten. Auch bei der Umfrage der EBA regt sich inzwischen politischer Widerstand. Auf Intervention des Verbands schrieb ein führender EU-Abgeordneter an den EBA-Chef und mahnte die Kommunikation in deutscher Sprache an. Zwar steht die Antwort der EBA noch aus, die politische Botschaft an die Behörde ist aber deutlich.

„Bei Fällen, in denen die Finanzaufsicht den Sprachengrundsatz verletzt, wird der GVB auch weiterhin wachsam bleiben und intervenieren.“

Bei Fällen, in denen die Finanzaufsicht den Sprachengrundsatz verletzt, wird der GVB auch weiterhin wachsam bleiben und intervenieren. Über die Einzelfälle hinaus ist ein grundsätzliches Umdenken in der EU-Finanzaufsicht von Nöten. Im letzten Jahrzehnt haben die Behörden zahlreiche neue Kompetenzen zugewiesen bekommen. Ihre Rolle im Bankensektor ist inzwischen so zentral und wichtig, dass sich die Finanzaufsicht nicht länger von den EU-Vertragsgrundsätzen ausnehmen kann. Die Vielfalt Europas, auch die sprachliche Vielfalt, muss endlich in die Köpfe der EU-Aufseher.


Daniel Fischer ist Experte für Politik und Regierungsbeziehungen beim Genossenschaftsverband Bayern.

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