„Starke Stimme“: Ein Interview mit Bayerns Staatskanzleichef Florian Herrmann über die politische Arbeit des Freistaats in Berlin und Brüssel.
Die Themen im Überblick
- Grünes Finanzwesen: Große Ambitionen in Brüssel, noch größere in Berlin
- Kapital- und Liquiditätsvorschriften: Der Teufel steckt im Detail
- Finanzieller Verbraucherschutz: Umdenken notwendig
- EU-Einlagensicherung: Falsch verstandene Solidarität
- Kapitalmarktunion: Kein Allheilmittel für die Corona-Pandemie
- Digitalisierung: Neues Spiel, neue Regeln
- Fazit: Die Regulierung kommt, die Frage ist wie
- Was hat der GVB in den zurückliegenden Jahren in der politischen Interessenvertretung erreicht?
Als sich auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie der öffentliche Fokus auf die Bankenregulierung richtete, war die wichtigste Frage: Wie erhalten Unternehmen dringend benötigte Kredite? Wie kann man sicherstellen, dass die Banken reibungslos Finanzdienstleistungen anbieten können? Diese Fragen beschäftigten nicht nur die Bankvorstände und Mitarbeiter der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken, sondern auch Politik und Regulatoren. Die deutsche Bankenaufsicht BaFin äußerte sich fast täglich zu Auslegungsfragen der Bankenregulatorik. In einem für die Europäische Union verdächtigen Rekordtempo von wenigen Wochen brachte der Gesetzgeber Erleichterungen an den EU-Bankenregeln (sogenannte CRR Quick Fixes) auf den Weg, die wenige Wochen zuvor noch undenkbar waren.
Diese Krisendynamik hat inzwischen nachgelassen. Bei den Banken sind die neuen Förderprogramme von KfW und LfA umgesetzt. Die Vergabe läuft so flüssig, dass alleine die bayerischen Genossenschaftsbanken zum August 2020 schon weit über 1,3 Milliarden Euro an Corona-Hilfskrediten vermitteln konnten. In der Praxis angekommen sind zudem die angepassten Bankenregeln. Die erweiterten Erleichterungen bei der Kapitalunterlegung von Krediten an kleine und mittlere Unternehmen gelten beispielweise seit Ende Juni. Zwar gibt es aus Sicht der Banken noch Verbesserungsbedarf an vielen einzelnen Vorschriften. Aus Sicht der Politik und der Bankregulatoren sind die unmittelbaren regulatorischen Anpassungen aufgrund der Corona-Pandemie aber erstmal abgeschlossen.
Was die Bankenregulierung angeht, richtet sich der Blick in den politischen Zentren Berlin und Brüssel wieder nach vorne. Regulierungsmaßnahmen, die in der Krise ausgesetzt oder verschoben wurden, sollen jetzt nachgeholt werden. Das gilt zum Beispiel für die noch ausstehende Umsetzung der internationalen Bankenregeln Basel III. Das Regelwerk muss in den nächsten zwei Jahren in EU-Recht übersetzt werden. Das schon 2019 beschlossene EU-Bankenpaket – inklusive wichtiger Erleichterungen für die Regionalbanken – muss Berlin noch dieses Jahr umsetzen. Unbeachtet davon sind strukturelle Veränderungen durch die Corona-Pandemie nicht verschwunden. So bleibt die Bekämpfung des Klimawandels als Mammut-Aufgabe bestehen. Auch die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran.
Grünes Finanzwesen: große Ambitionen in Brüssel, noch größere in Berlin
Ganz oben auf der Prioritätenliste in Brüssel und Berlin steht das grüne Finanzwesen („Green Finance“). Angestoßen im Juni 2018, will die EU-Kommission den Finanzsektor umbauen, damit er einen stärkeren Beitrag zum Klimaschutz leistet. Ein erster, wichtiger Schritt ist hier schon getan. Noch vor der Corona-Krise hat sich die EU auf ein Regelwerk geeinigt, das definiert, was als „grün“ und damit klimaschonend gilt. Darauf aufbauend können grüne Finanzprodukte identifiziert werden. Die Bankenaufsicht wiederum will verstärkt darauf achten, welche Risiken aus dem Klimawandel und der Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft in den Bankbilanzen schlummern.
Durch Corona hat das grüne Finanzwesen einen Schub erhalten. Noch im Herbst dieses Jahres will die EU-Kommission ein ganzes Bündel an neuen Maßnahmen vorlegen, mit denen das Finanzwesen noch grüner werden soll. Erwogen wird unter anderem, grüne Kredite und Anlagen bei der Eigenkapitalunterlegung zu bevorzugen, sodass Banken vermehrt Kapital für solche Zwecke zur Verfügung stellen. Allerdings ist bisher vollkommen unklar, ob grüne Kredite überhaupt ein geringeres Risiko haben als eine herkömmliche Investition. Ein sogenannter „Grüner Unterstützungsfaktor“ wäre daher ein Spiel mit dem Feuer. In Brüssel prüft man zudem derzeit, ob es nicht einer Definition von „braunen“ Investitionen bedarf, die das Klima potenziell schädigen könnte. Für Banken könnte das mit einer Beschränkung der Kreditvergabe an diese Sektoren einhergehen.
Generell müssen sich Banken darauf einstellen, dass sie künftig mehr Auskunft über die Nachhaltigkeit ihrer eigenen Kreditportfolios geben müssen. Denn in Brüssel hat man sich darauf verständigt, dass zumindest Unternehmen von öffentlichem Interesse, darunter Banken mit mehr als 500 Mitarbeitern, künftig regelmäßig über den Anteil grüner Kredite berichten. Unter Umständen könnte diese Grenze nochmals abgesenkt werden. Damit Banken überhaupt über die Nachhaltigkeit ihres Kreditportfolios berichten können, arbeitet die EU momentan an einer komplett neuen Nachhaltigkeits-Berichterstattung für Unternehmen. Die Überarbeitung der sogenannten Richtlinie für nicht-finanzielle Berichtspflichten soll noch dieses Jahr abgeschlossen sein.
Neben der EU-Ebene hat die Bundesregierung das grüne Finanzwesen als Priorität definiert. Berlin hat die Parole ausgegeben, dass Deutschland zum „führenden Standort für ein nachhaltiges Finanzwesen“ werden soll. Aus ersten Zwischenberichten lässt sich schon heute ablesen, dass die Ambitionen groß sind. Diskutiert werden neue kleinteilige Meldepflichten für Banken, verpflichtende Nachhaltigkeitsschulungen für Bankmitarbeiter und weitere Vorschriften, die über das hinausgehen, was auf EU-Ebene geplant ist. Kritik an den Zwischenergebnissen kam nicht nur vom GVB und anderen kreditwirtschaftlichen Verbänden, sondern auch aus der Realwirtschaft und der Union.
Kapital- und Liquiditätsvorschriften: Der Teufel steckt im Detail
Was ebenfalls ansteht: Die Umsetzung der finalen Basel III-Standards. Die internationalen Bankenregeln, die schon 2017 vereinbart wurden, müssen in EU-Recht übertragen werden, bevor sie greifen. Zeit dazu bleibt bis zum Jahresbeginn 2023. Dann läuft die international vereinbarte Frist ab, die um ein Jahr nach hinten verschoben wurde.
Durch Corona erscheinen die Basel III-Regeln in einem neuen Licht. Denn die finalen Basel III-Standards reformieren die Methode, mit der Banken bestimmen, mit wie viel Eigenkapital sie Risiken unterlegen müssen. Werden die Standards falsch kalibriert, kann es passieren, dass die Banken mehr Eigenkapital vorhalten müssen als bisher. In der Konsequenz würden Kredite teurer oder Banken müssten die Kreditvergabe drosseln. Basel III könnte somit die wirtschaftliche Erholung nach Corona ausbremsen.
Die Umsetzung der Standards muss genau geprüft werden. Das gilt insbesondere für die Vorgaben, die das Kerngeschäft der Volksbanken und Raiffeisenbanken mit kleinen und mittleren Unternehmenskunden regeln. Durch eine Verschärfung der Vorgaben in diesem sogenannten „Mengengeschäft“ würde es vor allem für kleinere Regionalbanken teurer, Kredite zu vergeben. Die neuen Regeln zum Immobiliengeschäft und zur Unterlegung von Verbundbeteiligungen sollten ebenso nochmal abgewogen werden.
Daneben ist die Basel III-Umsetzung eine Chance, Regionalbanken weiter zu entlasten. In der Corona-Krise hat sich verdeutlicht, unter welcher administrativen Belastung selbst Banken mit einfachstem Geschäftsmodell und überschaubarer Größe stehen. Hier sind Nachbesserungen dringend nötig.
Auf Bundesebene kommt noch einiges auf die Banken zu. Das EU-Bankenpaket, in dem viele Aspekte der ersten Basel III-Novelle geregelt wurden, muss noch in deutsches Recht umgesetzt werden. Im Frühjahr präsentierte die Bundesregierung das „Risikoreduzierungsgesetz“. Zwar enthält das Gesetz richtige Elemente zur Entlastung nicht-komplexer Institute, doch es setzt auch zahlreiche Vorschriften um, die Regionalbanken zusätzlich belasten und die nicht durch das EU-Recht gedeckt sind. Ein Beispiel sind strenge Anforderungen an die Qualität des vorzuhaltenden Kapitals, was die Kreditvergabe erschwert. Nachbesserungen sind nötig.
Finanzieller Verbraucherschutz: Umdenken notwendig
Wie im Brennglas haben die letzten Monate gezeigt, dass einige Verbraucherschutzvorschriften der vergangenen Jahre zu starr und bürokratisch sind, um in Krisenphasen rasch zu handeln. Bestes Beispiel: Die EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID II. Die EU-Kommission hat das erkannt und schon teilweise Lockerungen vorgeschlagen (sogenannte MiFID II Quick Fixes). So soll bald die ärgerliche Regelung zur Zustellung der Kosteninformation im Telefongeschäft fallen, die es Kunden ohne E-Mail-Postfach nahezu unmöglich machte, per Telefon Wertpapiere zu handeln. Für Banken gibt es punktuelle Entlastungen im Wertpapiergeschäft.
Allerdings ist das nur der Anfang. Eine grundlegende Reform der MiFID II steht aus und ist für Jahresende angekündigt. Diese Reform ist überfällig. Denn viele Banken berichten in der Praxis von Problemen mit der Anwendung der Regeln. Hier helfen kleine Korrekturen wenig, ein grundsätzliches Umdenken ist nötig. Die Regeln zur Anlageberatung sollten so gestaltet sein, dass sie den Privatanleger auf dem Kapitalmarkt unterstützen und ihm keine Steine in den Weg legen.
Neben der MiFID stehen weitere EU-Regeln zur Überprüfung an. Der europäische Rechtsakt zu Verbraucherkrediten soll überarbeitet werden. Dieser regelt, unter welchen Voraussetzungen Banken Verbraucherkredite vergeben können und wie sie zu informieren haben. In der Planung sind strenge Vorschriften, die den Verbraucherkredit näher an die Immobilienfinanzierung rücken; eine Gleichbehandlung, die angesichts des unterschiedlichen Umfangs nicht gerechtfertigt ist.
EU-Einlagensicherung: Falsch verstandene Solidarität
Die Corona-Pandemie nutzen die Befürworter einer gemeinsamen Einlagensicherung (EDIS), um für ihre Sache zu werben. In Krisenzeiten soll die gemeinsame Haftung ein Zeichen europäischer Solidarität sein, so die Unterstützer. Sie argumentieren, dass ein gemeinsames Sicherheitsnetz nötig ist, um mögliche anstehende Verluste der Banken aus der Corona-Pandemie aufzufangen und das Vertrauen in die Institute zu stärken. Ökonomen des EU-Krisenmechanismus ESM sehen in EDIS daher sogar eine „strategische Priorität“ der kommenden Monate. Deutschland, das noch bis Jahresende dem Rat der EU vorsitzt, hat EDIS wieder auf die Tagesordnung gehoben.
Doch eine EU-Einlagensicherung ist und bleibt der falsche Ansatz, um das europäische Bankensystem stabiler aufzustellen. Schon vor der Pandemie gab es strukturelle Probleme in den Bankensektoren einzelner Länder, die heute besonders vehement für EDIS eintreten. Dort sind die Bestände notleidender Kredit schon seit Jahren erhöht. Die Insolvenzprozesse sind langsam und verkrustet, was eine schnelle Abwicklung und einen wirtschaftlichen Neustart erschwert. Diese Probleme werden durch die Corona-Pandemie verschärft. Erste Schätzungen gehen davon aus, dass sich das Volumen notleidender Kredite insbesondere in Italien oder Griechenland verdoppelt. Demgegenüber stehen Länder wie Deutschland solide da: Hier haben die Banken ihre Bilanzen sauber gehalten. Die öffentlichen Stellen haben schnelle und umfassende Maßnahmen aufgesetzt, um die Folgen der Pandemie abzufedern.
Angesichts dieser Unterschiede ist eine gemeinsame Haftung durch EDIS unverantwortlich. Denn über den Umweg der Bankbilanzen führen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise in einem Mitgliedsstaat zu Risiken anderswo. Es entsteht eine Infektionskette, die bestehende solide Einlagensicherungssysteme schwächt und die Stabilität des gesamten Finanzsystems gefährdet. Unter diesen Umständen EDIS voranzutreiben, ist falsch verstandene Solidarität. Will man die Banksysteme langfristig stabiler aufstellen und die Folgen der Corona-Krise abfedern, ist es stattdessen zielführender, die zugrundeliegenden strukturellen Probleme in den betroffenen Ländern endlich anzupacken. Mit dem EU-Wiederaufbaufonds gibt es genügend finanzielle Mittel, um diese Reformen anzustoßen.
Kapitalmarktunion: Kein Allheilmittel für die Corona-Pandemie
Ein gemeinsamer, EU-einheitlicher Kapitalmarkt nach US-amerikanischem Vorbild – das war die Vision der unter Jean-Claude Juncker gestarteten Kapitalmarktunion, der sich auch die neue EU-Kommission verschrieben hat. Mit der Corona-Pandemie hat das Projekt nochmal an Dynamik gewonnen. In Reaktion auf die Pandemie präsentierte die Behörde im Juni einige kleinere Änderungen am Kapitalmarktrecht (die sogenannten Kapitalmarkt Quick Fixes). Auf Empfehlung einer eigens errichteten Expertengruppe will die EU-Kommission zudem im Herbst einen Aktionsplan vorlegen. Die Idee: Durch einen EU-einheitlichen Kapitalmarkt soll in den Nachwehen der Corona-Pandemie dringend benötigtes Kapital mobilisiert werden und Anleger neue Chancen erhalten.
Allerdings sind die EU-Pläne für die Kapitalmarktunion kein Allheilmittel für die Wirtschaft. In Europa kann der Kapitalmarkt allenfalls eine Ergänzung zur bewährten Bankfinanzierung sein, aber sicherlich kein Ersatz. Denn bei der Beschaffung von neuer Liquidität setzt die Wirtschaft auf Banken als Kapitalgeber. Insbesondere für die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland ist die Mittelaufnahme am Kapitalmarkt keine passende Alternative zum Bankkredit. Für die verhältnismäßig geringen Investitionsvolumina im Mittelstand ist der Aufwand, der mit der Erstellung eines Wertpapierprospekts und einer Listung verbunden ist, einfach zu groß. Im Gegensatz dazu haben die Unternehmen in ihrer Hausbank einen festen Ansprechpartner, der in Krisen-Situationen schnell und unkompliziert Kapital bereitstellt und mit Rat und Tat zur Seite steht. Das hat sich in der Corona-Pandemie als Stabilitätsfaktor erwiesen.
Bei der Weiterentwicklung des Kapitalmarkts kommt es darauf an, den richtigen Fokus zu setzen. Es ist sinnlos, den Kapitalmarkt als Ersatz für die Mittelstandsfinanzierung zu gestalten. Zur Struktur der europäischen und deutschen Wirtschaft passt die Regionalbank ums Eck einfach besser als die Investmentbank an der Wallstreet. Reformbedarf gibt es stattdessen an anderer Stelle: Seit der Finanzkrise wird das Geschehen am Kapitalmarkt zunehmend von Akteuren wie Hedgefonds, Geldmarktfonds oder Kreditfonds dominiert. Diese sogenannten „Schattenbanken“ sind kaum reguliert und stellen daher ein wesentliches Risiko für die Finanzstabilität dar. Auf dem Höhepunkte der Pandemie, im März und April dieses Jahres, sorgten sie für massive Ausschläge an den Märkten. Die US-Notenbank prüft daher eine strenge Regulierung. Diesem Beispiel sollte Europa folgen.
Digitalisierung: Neues Spiel, neue Regeln
Schon lange steht ein Thema auf der Agenda der Regulatoren und Aufsichtsbehörden, das durch die Corona-Krise noch einmal einen Schub erfahren hat: die Digitalisierung. Die EU-Kommission plant im Herbst die Vorlage eines neuen Aktionsplans für neue Finanztechnologien. Anlass sind neue, technologieaffine Anbieter wie Fintechs oder Bigtechs (Amazon, Google und Co), die mit eigenen Produkten auf den Finanzmarkt drängen. So soll es zum Beispiel für digitale Währungen wie das von Facebook angestoßene Libra-Projekt oder für Kyrptowährungen wie Bitcoin endlich einen gesetzgeberischen Rahmen geben, der klar vorschreibt, was erlaubt ist und was nicht.
Diese Entwicklung ist zunächst richtig. Denn am digitalen Finanzmarkt haben sich viele Anbieter und Modelle ausgebildet, die de-facto gleiche oder ähnliche Finanzdienstleistungen erbringen wie Banken, aber weniger bis keiner Regulierung unterliegen. Das führt zu Risiken: Einerseits bietet der digitale Finanzmarkt ein Spielfeld für Kriminelle, zum Beispiel der Bitcoin für Geldwäscher, andererseits wissen viele Verbraucher nicht um das ungleiche Regulierungsniveau und damit den schlechteren Schutz bei derartigen Anbietern. Dass die EU hier nun endlich für mehr Gleichheit sorgen will, ist überfällig.
Daneben rückt eine neue Art von Risiko in den Fokus. Bei den Aufsichtsbehörden in Paris, Bonn und Frankfurt ist man von der Sorge getrieben, dass die zunehmende Digitalisierung im Geschäft der Banken neue Risiken mit sich bringt. Denn mit der Digitalisierung steigen die Anforderungen an die Funktionsfähigkeit und Sicherheit der Systeme. Die BaFin hat bereits gewarnt, dass der abrupte Digitalisierungsschub in der Corona-Pandemie Hacker auf den Plan gerufen hat, die IT-Systeme der Banken anzugreifen. Die Aufsicht reagiert darauf, indem sie die Anforderungen an die IT hochschrauben will. Selbst wenn die Banken schon gut vorbereitet sind und vermehrt in ihre IT-Sicherheit investieren, müssen sich die Institute schon jetzt auf strenge Vorgaben einstellen.
Fazit: Die Regulierung kommt, die Frage ist wie
Das Fazit ist klar: Auf die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken rollt eine neue Regulierungswelle zu. Die Frage ist jetzt, wie können diese Vorgaben so angepasst werden, dass sie zum Bankgeschäft der Institute passen und die wichtige Leistung der Regionalbanken als Finanzdienstleister der lokalen Wirtschaft nicht drosseln? Die Corona-Pandemie hat verdeutlicht, dass ein Regelwerk nötig ist, das einerseits Risiken richtig abbildet und in Krisen Stabilität gewährleistet. Anderseits muss die Regulatorik so flexibel und praxistauglich sein, dass sie den Banken Spielräume lässt und ihre originären Funktionen unterstützt.
Daniel Fischer ist Experte für Politik und Regierungsbeziehungen beim Genossenschaftsverband Bayern.
Was hat der GVB in den zurückliegenden Jahren in der politischen Interessenvertretung erreicht?
Erleichterungen im Wertpapiergeschäft
Seit mehreren Jahren tritt der GVB dafür ein, die EU-Regeln zum Wertpapiergeschäft (MiFID) praxistauglicher und Anleger-freundlicher zu gestalten. Die steten Bemühungen des Verbands zeigen Wirkung: Die EU-Kommission hat erste Lockerungen bei den übermäßig bürokratischen Informationspflichten vorgeschlagen. Weitere könnten folgen. Auch das Bundesfinanzministerium hat signalisiert, dass man sich für flexiblere Regeln einsetzen will.
Erhalt des KMU-Faktors
Risikoarme Kredite an den Mittelstand können Banken auch weiterhin mit weniger Eigenkapital unterlegen. Der KMU-Faktor in der EU-Bankenregulierung bleibt erhalten, obwohl er in den internationalen Standards nicht vorgesehen ist. Dafür hatte sich der GVB in Brüssel und Berlin stark gemacht. Zum Juni 2020 hat der EU-Gesetzgeber die Erleichterungen sogar nochmal ausgeweitet: Konnten Banken bisher nur bis zu einem Volumen von 1,5 Millionen Euro vergünstigt Kredite an Mittelständler vergeben, sind es jetzt 2,5 Millionen Euro.
Untersuchung zur Kostenreduktion im Meldewesen
Das bestehende Meldewesen ist sehr komplex und belastet Regionalbanken übermäßig. Der GVB befürwortet daher eine Reduktion der Meldeanforderungen. Auf EU-Ebene setze sich der Verband mit Erfolg dafür ein, dass die EBA Vorschläge erarbeitet, wie die Kosten für kleine und nicht-komplexe Banken im Meldewesen um bis zu einem Fünftel reduziert werden können. Über das EU-Parlament wirkte der GVB darauf hin, dass die EBA ihre Vorschläge zügig erarbeitet. Die entsprechende Untersuchung läuft momentan und soll bis zum Oktober abgeschlossen sein.
Mehr Marktwirtschaft im nachhaltigen Finanzwesen
Der GVB hat sich maßgeblich dafür eingesetzt, dass die EU-Agenda für ein nachhaltiges Finanzwesen stärker an marktwirtschaftlichen Prinzipien ausgerichtet wird. Zusammen mit realwirtschaftlichen Vertretern der Industrie- und Handelskammer sowie des Handwerks warb der Verband für eine kritische Auseinandersetzung. Die Bayerische Staatsregierung positionierte sich differenziert und übernahm viele Positionen des Verbands. Auch die Unionsparteien in Berlin forderten mehr Marktwirtschaft bei der Ausgestaltung eines nachhaltigen Finanzwesens.
Definition von kleinen und nicht-komplexen Banken
Eingang in die EU-Gesetzgebung fand ein vom GVB entwickeltes Konzept zur Einstufung von Banken als „kleine und nicht-komplexe“ Institute. Die im Bankenpaket 2019 beschlossene EU-Definition orientiert sich an dem Konzept des Verbands. Durch diese Definition können solide Regionalbanken mit risikoarmem Geschäftsmodell künftig von bestimmten regulatorischen Anforderungen ausgenommen werden. Das Konzept des GVB ermöglichte es, dass möglichst viele der bayerischen Genossenschaftsbanken von den Entlastungen profitieren.
Regulatorische Maßnahmen in der Corona-Krise
Mit Erfolg trat der GVB für regulatorische Erleichterungen und Anpassungen an den Förderprogrammen in der Corona-Krise ein. So setzte sich der Verband früh für eine Anpassung der EU-Beihilferegeln ein, dank der die Banken heute Schnellkredite mit vollständiger staatlicher Haftungsübernahme anbieten können. Zudem machte der Verband auf regulatorische Barrieren bei der Kreditvergabe und der Stundung an von der Corona-Krise betroffene Unternehmen aufmerksam, die inzwischen von der Aufsicht beseitigt wurden.