Heimatbier: Vor 25 Jahren wurde bei der Kulmbacher Kommunbräu erstmals Bier gebraut. Heute ist die Genossenschaft aus der Stadt nicht mehr wegzudenken. Mit Video.
Herr Dr. Lehmair, kurz vor der Hopfenernte hat die Meldung für Aufsehen gesorgt, dass das „Citrus Bark Cracking Viroid“ Hopfenpflanzen in der Hallertau befallen hat. Sollten sich Biertrinker zur Sicherheit einige Kästen als eiserne Reserve in den Keller stellen?
Lehmair: Genug Bier im Haus zu haben schadet auf jeden Fall nicht! (lacht) Aber Spaß beiseite: Das Viroid stellt für Menschen, das Bier oder die Umwelt absolut keine Gefahr dar. Es ist in Europa seit Jahren weit verbreitet und viele Menschen nehmen es regelmäßig unbewusst auf, wenn sie Zitrusfrüchte wie Orangen oder Zitronen essen. Zudem tritt das Viroid aktuell nur in einem Dorf auf. Weitere Fälle sind trotz intensiver Untersuchungen nicht gefunden worden.
Sind die Schreckensmeldungen folglich übertrieben?
Lehmair: Zumindest ist das Viroid für den Menschen ungefährlich. Nichtsdestotrotz stellt der Krankheitserreger ein ernstes Problem für die Hopfenbauern dar. Denn das Infektionsrisiko für die Pflanzen ist außerordentlich hoch. Sind sie einmal befallen, dann bilden sie nur noch wenige Dolden aus, die jedoch zum Bierbrauen benötigt werden. Insofern nehmen wir die Thematik sehr ernst.
Was kann getan werden, um eine weitere Verbreitung zu verhindern?
Lehmair: Die Behörden haben nach Rücksprache mit Experten aus der Hopfenwirtschaft entsprechende Maßnahmen angeordnet. Beispielsweise mussten die Bauern alle befallenen Pflanzen roden – und zwar nicht nur die Rebe selbst, sondern auch die Wurzeln. Dieses Pflanzenmaterial durfte auch nicht als Kompost für gesunde Flächen genutzt werden. Zusätzlich mussten sie alle mutmaßlich kontaminierten Gegenstände, etwa Werkzeuge oder Maschinen, desinfizieren.
Gibt es eine Theorie darüber, wie das Viroid nach Deutschland gekommen ist?
Lehmair: In Europa wurde das Viroid erstmals 2007 in Slowenien nachgewiesen. Wahrscheinlich lagerte der Erreger in den Schalen von Zitrusfrüchten, die gemeinsam mit anderem Abfall als Kompost zum Düngen der Hopfenpflanzen genutzt wurden. Da auch die Landwirte in der Hallertau Kompost verwenden, ist zu vermuten, dass das Viroid auf ähnliche Weise den Hopfen befallen hat. Diese Theorie ist bisher jedoch unbestätigt.
Welche Auswirkungen hatte das Viroid auf die diesjährige Ernte und wie fällt diese generell aus?
Lehmair: Da nur wenige Pflanzen befallen waren, hatte das Viroid keine messbaren Auswirkungen auf die Ernte. Viel wichtiger in diesem Zusammenhang war das Wetter. Im Juni und Juli gab es wenig Niederschläge sowie hohe Temperaturen und damit keine optimalen Bedingungen. Dass es im August mehr geregnet hat und generell nicht mehr so heiß war, hat dem Hopfen sehr gut getan. Wir erwarten deutschlandweit voraussichtlich eine Erntemenge von rund 46.000 Tonnen – das ist durchschnittlich im langjährigen Trend, aber zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Auch die Qualität der Ernte scheint nach aktuellem Stand ordentlich zu sein.
Generell wird es in Bayern immer wärmer und trockener. Wie bereiten sich die Hopfenbauer auf die veränderten klimatischen Bedingungen vor?
Lehmair: Es gibt vor allem zwei Anpassungs-Strategien. Erstens: Die Züchtung von neuen und stabilen Sorten. Die sogenannte Klimatoleranz spielt – neben klassischen Zielen wie Qualität oder Menge – eine immer wichtigere Rolle bei der Entwicklung am Forschungszentrum im Hüll. Die HVG unterstützt die Einrichtung seit Langem. Züchtung benötigt jedoch Zeit, es dauert in der Regel mehr als zehn Jahre, bis eine neue Sorte auf den Markt kommt. Zweitens: Die Optimierung der Bewässerungsstrategie. Während ein Großteil der hopfenproduzierenden Länder ihre Pflanzen bewässern, war das Thema bei uns lange Zeit nur in der Nische präsent. Aktuell werden in Deutschland lediglich 20 Prozent der Flächen bewässert. Der Grund dafür ist einfach: In der Vergangenheit gab es dazu keine Notwendigkeit, da der vorhandene Regen den Bedarf gedeckt hat. Weil die Niederschläge im Sommer aber zunehmend ausbleiben, ist es das Gebot der Stunde, Abhilfe zu schaffen.
Installieren Sie nun flächendeckend Bewässerungssysteme?
Lehmair: Leider ist das gar nicht so einfach. In einzelnen Gebieten stehen etwa nicht genug Wasservorräte zur Verfügung. Aber es geht auf verschiedenen Ebenen voran: Beispielsweise haben wir vor zehn Jahren ein Programm aufgelegt, mit dem wir die Errichtung von Bewässerungsanlagen bei Landwirten finanziell fördern. Das hat einiges in Bewegung gesetzt. Weiterhin bringen wir unser Knowhow bei verschiedenen Projekten mit ein. Beispielsweise unterstützen wir vier Gemeinden, die derzeit auf Initiative des Bayerischen Umweltministeriums Pläne für Gemeinschaftsbewässerungen erarbeiten. Generell wollen wir das Thema noch stärker in den Mittelpunkt stellen, um die Zukunft des bayerischen Hopfenbaus zu sichern.
Was ist ein Viroid?
Viroide sind die kleinsten bekannten infektiösen Krankheitserreger. Sie sind bis zu 100-fach kleiner als die kleinsten Viren.
Gibt es neben der Bewässerung weitere Herausforderungen für die Hallertauer Hopfenbauern?
Lehmair: In diesem Zusammenhang sind vor allem zwei Bereiche zu nennen. Zum einen erscheinen uns die Umsetzungsvorgaben der EU-Düngemittelverordnung sowie die bereits jetzt diskutierten Verschärfungen zum Teil als wenig zielführend oder praktikabel. Wir stehen deshalb im Dialog mit den verantwortlichen Stellen und versuchen, tragfähige Kompromisse auszuloten. Zum anderen gibt es Herausforderungen im Bereich der Pflanzenschutzmittel. Bei einer Intensivkultur wie Hopfen ist es wirtschaftlich nicht möglich, ohne entsprechende Mittel zu arbeiten. Derzeit gibt es leider die Entwicklung, bewährte Pflanzenschutzmittel im Rahmen eines Fahrplans Stück für Stück zu verbieten, ohne gleichzeitig für Ersatz zu sorgen. Die Zulassungsverfahren sind überlastet und somit dauert es häufig mehrere Jahre, bis ein neues Mittel auf den Markt kommt. In der Zwischenzeit stehen die Hopfenbauern vor der Problematik, dass für bestimmte Anwendungsfälle nur noch sehr wenige oder gar nur ein Wirkstoff zugelassen sind. Dadurch können die Krankheiten und Schädlinge viel schneller Resistenzen entwickeln. Es besteht folglich die Gefahr, dass Erträge und Qualitäten leiden, was sicherlich so nicht im Sinne des Gesetzgebers ist.
Herr Dr. Lehmair, vielen Dank für das Gespräch!