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Lagarde zur Zukunft der Geldpolitik:

„Das aktuelle makroökonomische und internationale Umfeld stellt die EZB kurzfristig vor eine große Herausforderung. Die Wachstumsdynamik im Euroraum hat sich verlangsamt (…). Die Inflation bleibt verhalten. Es ist daher klar, dass die Geldpolitik auf absehbare Zeit äußerst expansiv bleiben muss. Dazu verfügt die EZB über ein breites Instrumentarium und muss handlungsbereit sein. (...) Ich glaube nicht, dass die EZB die effektive Untergrenze der Leitzinsen schon erreicht hat, aber es ist klar, dass niedrige Zinsen Auswirkungen auf den Bankensektor und die Finanzstabilität haben. Daher ist es unerlässlich, genau zu überwachen, ob negative Nebenwirkungen auftreten können, je länger die Zinsen niedrig sind.

Dazu meine ich: „Lagarde wandelt in den Fußstapfen von Mario Draghi. Nullzinsen, negative Einlagezinsen für Banken und milliardenschwere Ankaufprogramme für Wertpapiere werden auch in den kommenden Jahren die Geldpolitik im Euroraum bestimmen. Eine Normalisierung rückt in weite Ferne. Unter Lagarde könnte die EZB ihren Instrumentenkasten sogar ausweiten, um einer drohenden Abkühlung der Konjunktur entgegen zu wirken. In welche Richtung die Reise vermutlich geht, zeigt ein Blick auf Lagardes Vergangenheit beim Internationalen Währungsfonds. In ihrer Amtszeit beschäftigte sich der IWF mit der Abschaffung von Bargeld, negativen Zinsen auf Buchgeld, dem Ankauf von Aktien durch die Notenbank und Helikoptergeld.

Fragwürdig ist, ob die EZB angesichts struktureller Faktoren wie dem demographischen Wandel oder einer zunehmend digitalen Wirtschaft ihr Inflationsziel von „unter, aber nahe 2 Prozent“ überhaupt erreichen kann. Zudem hat die anhaltende Nullzinspolitik massive Auswirkungen auf die Sparer und das Finanzsystem. Die von Lagarde erwähnten „negativen Nebenwirkungen“ sind keine abstrakte Gefahr, sondern schon heute spürbar. Niedrigzinsen beeinträchtigen Sparer bei der Altersvorsorge, sie gefährden das bewährte Geschäftsmodell der Regionalbanken und treiben das Blasen-Risiko an den Kapital- und Immobilienmärkten in die Höhe. Daher ist es dringend notwendig, dass Lagarde in ihrer Amtszeit einen Ausweg aus der ultra-lockeren Geldpolitik aufzeigt und einleitet. Der Ausnahmekurs der vergangenen Jahre muss eine Ende finden.“

Lagarde zur Verantwortung der Eurostaaten:

„In den Mitgliedstaaten ist eine solide nationale Finanzpolitik die beste Versicherung gegen einen möglichen Anstieg der Finanzierungskosten. In der Tat nutzten viele Länder des Euro-Währungsgebiets die Zeit günstiger Wirtschafts- und Finanzierungsbedingungen, um eine starke Haushaltsgrundlage wiederherzustellen, die Raum für eine antizyklische Fiskalpolitik bietet. Es ist entscheidend, dass alle Mitgliedstaaten ihr Engagement für eine nachhaltige Politik unter Anerkennung des EU-Finanzrahmens unter Beweis stellen. Darüber hinaus muss die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion weiterhin Priorität haben.

Dazu meine ich: „Die EZB-Politik der vergangenen Jahre hat verschleiert, dass manche Eurostaaten ihre Hausaufgaben nach wie vor nicht erledigt haben. Anstatt Strukturreformen durchzuführen, ihre Wirtschaft zukunftsfähig aufzustellen und Schulden abzubauen, haben hoch defizitäre Länder wie Italien die günstigen Finanzierungsbedingungen genutzt, um sich noch weiter zu verschulden. Im wirtschaftlichen Abschwung fehlt ihnen nun der fiskalische Spielraum, um dagegen zu steuern. Die designierte EZB-Chefin hat deshalb Recht, wenn sie an diese Staaten appelliert, die EU-Stabilitätsregeln einzuhalten und eine nachhaltige Finanzpolitik zu betreiben.

Allerdings gehört auch zur Wahrheit, dass die EZB mit dem reaktivierten Ankaufprogramm für Staatsanleihen falsche Anreize für diese Staaten setzt. Sie dreht den Geldhahn weiter auf, anstatt disziplinierend einzuwirken. Lösung für die Eurozone kann auch nicht sein, wie von Lagarde vorgeschlagen, die Wirtschafts- und Währungsunion „zu vollenden“. Hinter dieser Formulierung verbergen sich nichts anderes als neue Umverteilungsmechanismen wie gemeinsame Euro-Budgets oder altbekannte Eurobonds. Solche Instrumente würden die Fehlanreize noch verstärken. Abhilfe schafft nur eine EU-Politik, die alle Mitgliedstaaten zu Reformen anhält.“

Lagarde zur Rolle der Zentralbanken beim Klimaschutz:

„Angesichts der großen Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Gesellschaft müssen auch Zentralbanken und Aufsichtsbehörden den Klimawandel berücksichtigen und über die angemessene Reaktion auf den Klimawandel nachdenken. Tatsächlich unterstützt die EZB (…) die Agenda der Europäischen Kommission für nachhaltige Finanzen. Eine solche Agenda könnte letztendlich helfen, die Risiken des Klimawandels und des Übergangs zu einer klimaneutralen Wirtschaft einzupreisen und die Neuausrichtung der Finanzströme auf nachhaltige Anlageprodukte fördern. Mit Blick auf die Zukunft erwarte ich, dass die EZB diese Arbeit fortsetzt und im Rahmen ihres Mandats ihren eigenen Beitrag zur Erreichung der im Pariser Abkommen festgelegten Ziele leistet.“

Dazu meine ich: „Lagarde will der EZB einen grünen Anstrich verpassen. Klimaschutz und Nachhaltigkeit sollen das Handeln der Notenbank bestimmen, zum Beispiel indem sie Klimarisiken bei ihrer Aufsichtstätigkeit ein größeres Gewicht beimisst. Hierbei ist es wichtig, dass die Maßnahmen der Aufsichtsbehörden aufeinander abgestimmt sind und insbesondere dem Mittelstand und den Regionalbanken keine unverhältnismäßigen Lasten aufbürden. Schon die Berücksichtigung von Klimarisiken in der Aufsicht ist ein ambitioniertes Vorhaben. Trotzdem geht der Kurs Lagardes den Grünen im Europaparlament noch nicht weit genug. Sie wollen, dass die EZB im Rahmen ihrer Anleihekaufprogramme mehr in „grüne“ Projekte investiert und den Klimaschutz sogar in ihr Mandat aufnimmt.

Vor solchen Überlegungen kann man nur warnen. Die Aufweichung des Stabilitätsziels der Notenbank ist ein Spiel mit dem Feuer. Die Geldpolitik ist nicht der richtige Kanal, um den ökologischen Wandel voranzutreiben. Vielmehr bestehen enorme Gefahren für die Stabilität unseres Finanzsystems. Was passiert beispielsweise, wenn die EZB ihr 2,6 Billionen Euro schweres Portfolio plötzlich zu einen großen Teil in grüne Anlagen umlenkt? Schlagartig fließen riesige Summen in einen vergleichsweise winzigen Markt. Preisblasen und Marktverzerrungen wären die Folge. Wir brauchen keine Notenbank, die Klimapolitik betreibt, sondern eine EZB, die auf Preisstabilität und die Sicherheit des Finanzsystems achtet. Klimapolitik ist Aufgabe der gewählten Volksvertreter. Diese haben in der Fiskalpolitik genügend Instrumente an der Hand, um den CO2-Ausstoß zu regulieren.“

Lagarde zur Bankenunion:

„Die Gründung der Bankenunion war ein wichtiger Schritt für die europäische Integration. Sie hat das Bankensystem sicherer und solider und die Wirtschafts- und Währungsunion insgesamt widerstandsfähiger gemacht. Die Bankenunion ist jedoch nach wie vor unvollständig und daher anfällig für Schocks. (…) Ein europäisches Einlagensicherungssystem ist die fehlende Säule in der Bankenunion. EDIS würde dazu beitragen, das Vertrauen der Einleger in die Währungsunion zu stärken, die finanzielle Stabilität erhöhen und die finanzielle Integration erleichtern.“

Dazu meine ich: „Spätestens seit der Übernahme der EU-weiten Bankenaufsicht durch die EZB im Jahr 2014 spricht die Notenbank in der Finanz- und Bankenpolitik mit. Auch hier handelt Lagarde politisch und positioniert sich als klare Befürworterin einer gemeinsamen Einlagensicherung (EDIS) – ähnlich wie ihr Vorgänger Draghi. Unter seiner Amtszeit hatte sich die Notenbank mehrfach für EDIS ausgesprochen und Studien veröffentlicht, die die Notwendigkeit und Wirksamkeit von EDIS – wenig überzeugend – darlegen sollten. Doch es ist nicht die Rolle der Notenbanker und Bankenaufseher, den EU-Gesetzgebern die Agenda zu diktieren. Vielmehr sollte sich die EZB darauf konzentrieren, die bestehenden Aufgaben konsequent abzuarbeiten. Dazu zählt beispielsweise der Abbau von faulen Krediten. Diese belasten noch immer die Bankbilanzen in Ländern wie Italien und Griechenland. Die erzielten Fortschritte gehen noch nicht weit genug. In Italien haben beispielsweise die notleidenden Engagements im ersten Quartal 2019 wieder um 10 Mrd. Euro zugenommen. Angesichts der nach wie vor hohen Risiken in einigen EU-Staaten ist es der falsche Zeitpunkt, um über eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung nachzudenken. Das sollte auch Frau Lagarde einsehen.“
 

Dr. Jürgen Gros ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Er twittert als @JGros_GVB und ist Mitglied des Netzwerks LinkedIn.

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