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Herr Prof. Mayr, was überrascht Sie an KI?

Robert Mayr: Als führendes Softwareunternehmen im Bereich Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung und Rechtsberatung haben wir uns für die Nutzung großer Datenmengen und maschinellen Lernens schon frühzeitig mit Künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigt und in die Entwicklung entsprechender Lösungen investiert. Wir waren uns stets bewusst, dass die so entstehende KI die Art und Weise, wie wir arbeiten, fundamental verändern kann. In diesem Sinne wurden wir nicht von der Technologie selbst überrascht – wir haben ihre Möglichkeiten frühzeitig antizipiert und uns strategisch darauf vorbereitet. Allerdings muss ich zugeben, dass uns die Geschwindigkeit, mit der sich KI in den letzten Jahren weiterentwickelt hat, in gewisser Weise überrascht hat. Insbesondere die Fortschritte im Bereich der generativen KI, wie etwa Sprachmodelle und maschinelles Lernen, haben sich in einem Tempo entwickelt, das vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Diese Dynamik fordert uns natürlich heraus, aber sie bestärkt uns auch darin, flexibel und agil auf neue Entwicklungen zu reagieren.

Welche Bedeutung hat KI für die bayerische Wirtschaft?

Mayr: KI ist heute bereits ein wesentlicher Treiber für Innovation und Effizienz in der bayerischen Wirtschaft. Perspektivisch betrachtet, wird KI weiter an Bedeutung gewinnen. Sie wird neue Marktchancen eröffnen, die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen fördern und zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Bayern beitragen. Für Datev und unsere Kunden bedeutet dies, dass wir uns weiterhin intensiv mit der Weiterentwicklung von KI-Technologien auseinandersetzen und diese in unsere Lösungen integrieren werden. Unser Ziel ist es, den steuerberatenden Berufsstand und seine Mandanten, nicht nur in Bayern, durch den gezielten Einsatz von KI wettbewerbsfähiger zu machen und so von der digitalen Transformation nachhaltig profitieren zu lassen.

„KI ermöglicht es den Menschen, sich auf anspruchsvollere Aufgaben zu konzentrieren, die kreatives Denken, emotionale Intelligenz und strategische Entscheidungen erfordern.“

Wie verändert KI unsere Lebens- und Arbeitswelt?

Mayr: In der Arbeitswelt erleben wir bereits jetzt einen tiefgreifenden Wandel. KI übernimmt immer mehr Aufgaben, die bisher von Menschen erledigt wurden – von einfachen, repetitiven Tätigkeiten bis hin zu komplexen Datenanalysen. Das ermöglicht es den Menschen, sich auf anspruchsvollere Aufgaben zu konzentrieren, die kreatives Denken, emotionale Intelligenz und strategische Entscheidungen erfordern. Gleichzeitig erfordert diese Entwicklung jedoch auch eine ständige Weiterbildung und Anpassung, um die neuen Technologien optimal nutzen zu können.

Wie können Genossenschaften von KI profitieren?

Mayr: Genossenschaften, die traditionell auf Kooperation und gemeinsamen Erfolg setzen, können durch den Einsatz von KI erheblich profitieren: Ein entscheidender Vorteil liegt in der Fähigkeit, schneller auf Marktveränderungen zu reagieren. Beispielsweise können KI-gestützte Analysen große Datenmengen in Echtzeit auswerten und so frühzeitig Trends erkennen, die für strategische Entscheidungen relevant sind. Dies ermöglicht es, schneller und präziser auf sich verändernde Marktbedingungen einzugehen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Ein weiteres großes Potenzial von KI liegt in der Unterstützung bei der Mitarbeiter- und Mitgliedergewinnung. In der Datev-KI-Werkstatt entwickeln wir zum Beispiel Werkzeuge, die unseren Mitgliedern helfen, effizienter und effektiver zu arbeiten. Ein konkretes Beispiel hierfür ist der Einsatz von KI zur Optimierung von ansprechenden Stellenanzeigen, dem Jobinator. Mithilfe von KI-gestützten Tools können Genossenschaften den Marktwert potenzieller neuer Mitarbeiter prognostizieren und so gezielt Fachkräfte ansprechen, die gut zu den jeweiligen Anforderungen passen. Dies steigert nicht nur die Zufriedenheit der bestehenden Mitglieder, sondern macht die Genossenschaft auch für potenzielle Neumitglieder attraktiver.

„KI ist ein Werkzeug, das uns unterstützt, nicht ersetzt.“

Wo liegen die Gefahren von KI?

Mayr: Künstliche Intelligenz bietet viele Chancen, aber auch die Risiken dürfen nicht unterschätzt werden. Eine der größten Gefahren liegt in der mangelnden Transparenz von KI-Systemen. Diese Systeme treffen Entscheidungen auf der Grundlage von Daten, die schwer nachvollziehbar sind. Dies birgt die Gefahr, dass Vorurteile oder Fehlinterpretationen unbemerkt in den Entscheidungsprozess einfließen. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die zunehmende Abhängigkeit von KI-Systemen menschliche Fähigkeiten und Urteilsvermögen schwächt, was gerade in unserem steuerberatenden Beruf kritisch zu betrachten ist. Schließlich dürfen auch Fragen des Datenschutzes und ethische Bedenken nicht vernachlässigt werden, da KI mit großen Mengen sensibler Daten arbeitet, deren Missbrauch weitreichende Folgen haben könnte. Eines darf man dabei aber nicht vergessen: KI ist ein Werkzeug, das uns unterstützt, nicht ersetzt. Sie kann repetitive Aufgaben erleichtern und uns Zeit für die wesentlichen, strategischen Überlegungen verschaffen. Am Ende bleibt es jedoch der Mensch, der mit seiner Expertise und seinem Urteilsvermögen den entscheidenden Mehrwert für unsere Mandanten liefert. KI hilft uns dabei, unsere Stärken noch gezielter einzusetzen.


Sie haben erwähnt, dass die Datev mit dem Jobinator bereits eine KI-Anwendung implementiert hat. Haben Sie weitere Beispiele für Bereiche, in denen Sie KI einsetzen?

Mayr: Bei Datev setzen wir KI bereits in verschiedenen Bereichen ein, um die Effizienz und Qualität unserer Dienstleistungen zu steigern. Ein Beispiel sind die Automatisierungsservices Rechnungswesen und Bank, die bei der Erfassung und Verarbeitung von Belegen und Bankkontoumsätzen unterstützen. Mehr als 5.000 Kanzleien profitieren bereits davon. Darüber hinaus entwickeln wir beispielsweise eine KI-gestützte Lösung zur Anomalieerkennung im Bereich der Wirtschaftsprüfung, die Auffälligkeiten in Finanzdaten identifiziert und erklärt. In der Datev-KI-Werkstatt haben unsere Mitglieder die Möglichkeit, neue Prototypen zu testen, die speziell auf die Bedürfnisse von Steuerberaterinnen und -beratern zugeschnitten sind. Dazu gehören unter anderem der sogenannte Einspruchsgenerator, ein Tool, das einen Vorschlag für einen Einspruch gegen einen Steuerbescheid erstellt, wobei relevante Rechtsquellen automatisch berücksichtigt werden. Und unser intelligenter Assistent für Steuerfragen namens Frag LEA wird bis zum Ende des Jahres pilotiert und auf den Markt gebracht.

„Die bisherigen Erfahrungen mit KI bei Datev sind durchweg positiv.“

Wie lautet Ihr Zwischenfazit zu den KI-Anwendungen, die die Datev bislang nutzt?

Mayr: Die bisherigen Erfahrungen mit KI bei Datev sind durchweg positiv. Unsere Mitglieder berichten, dass die eingesetzten KI-Lösungen, wie zum Beispiel der Rechnungsservice, ihre tägliche Arbeit spürbar erleichtern und beschleunigen. Auch die Datev-KI-Werkstatt hat sich als wertvolle Plattform für die Entwicklung und Erprobung neuer KI-gestützter Werkzeuge erwiesen. Diese positiven Rückmeldungen bestätigen, dass KI nicht nur ein nützliches Werkzeug ist, sondern auch dazu beiträgt, die Dienstleistungsqualität in unserem Berufsstand weiter zu verbessern.


Welchen Stellenwert haben die Menschen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz?

Mayr: Ich möchte unbedingt betonen, dass KI nur als Ergänzung betrachtet werden kann. Die letztendliche Verantwortung und das Urteilsvermögen liegen nach wie vor bei den Steuerberaterinnen und -beratern, die ihre Mandanten persönlich und individuell betreuen. Insofern ist KI bei Datev ein wertvolles Mittel, um die Effizienz zu steigern und gleichzeitig die Qualität unserer Arbeit auf höchstem Niveau zu halten.


Herr Prof. Mayr, vielen Dank für das Gespräch!

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