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Das Wohnen war im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2021 präsent wie lange nicht. Kein Wunder, bezahlbares Wohnen ist für viele Menschen in Deutschland ein zentrales Thema. Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung hat sich dafür entsprechend ehrgeizige Ziele gesetzt. 400.000 Wohnungen, davon 100.000 öffentlich gefördert, sollen jährlich entstehen. Erstmals seit 1998 gibt es mit dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen wieder ein eigenes Bauministerium. Damit wurde eine langjährige Forderung der Wohnungswirtschaft erfüllt und eine wichtige Weiche für den Wohnungsbau in Deutschland gestellt.

Mit welchen Mitteln sollen die Wohnungsbauziele der Bundesregierung erreicht werden? Der Koalitionsvertrag sieht unter anderem eine Aufstockung der Wohnraumfördermittel, die Stärkung des seriellen Wohnungsbaus und eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit vor. Doch lassen sich die ehrgeizigen Wohnungsbauziele mit diesen Maßnahmen erreichen und wie ist es aktuell um den bezahlbaren Wohnungsbau im Freistaat und in Deutschland bestellt?

„Deutschland ist gebaut“ – diese Devise bestimmte am Anfang der 2000er Jahre die Wohnungspolitik in der Bundesrepublik. Spätestens mit der großen Flüchtlingswelle im Jahr 2015 änderten sich die Rahmenbedingungen und es zeichnete sich ab, dass nicht nur in Boom-Städten wie der bayerischen Landeshauptstadt München Wohnungen fehlten. Die 493 Mitglieder des Verbands bayerischer Wohnungsunternehmen stehen für das sozial orientierte Wohnen in Bayern. Die Durchschnittsmiete der von ihnen verwalteten rund 540.000 Wohnungen beträgt derzeit 6,59 Euro pro Quadratmeter. Dadurch sind sie ein guter Seismograf für die Nachfrage nach preisgünstigen Wohnungen in den bayerischen Städten und Gemeinden.

Den stark zunehmenden Druck auf den Wohnungsmarkt konnte der VdW Bayern anhand von zwei Entwicklungen beobachten. Die Wartelisten für Wohnungen bei den Wohnungsgenossenschaften, kommunalen und kirchlichen Wohnungsunternehmen wurden in den letzten Jahren immer länger und es sind neben den Ballungszentren auch viele Klein- und Mittelstädte von dieser Entwicklung betroffen. Eine Folge daraus ist eine regelrechte Gründungswelle von Wohnungsgenossenschaften und kommunalen Wohnungsunternehmen. Bayern ist bei dieser Bewegung ganz vorne mit dabei. Seit 2015 wurden rund 50 Wohnungsgenossenschaften und kommunale Wohnungsunternehmen in den Verband aufgenommen.

Wohnraumfördermittel und Zielmarken

Auch vonseiten der Politik wurde versucht, den Wohnungsbau zu stärken. Der Freistaat Bayern hat 2015 den Wohnungspakt Bayern ausgerufen. Zeitgleich haben auch viele bayerische Städte wie Augsburg, München oder Nürnberg eigene Wohnungsbauprogramme aufgelegt. In den letzten sieben Jahren hat der Bau von bezahlbaren Mietwohnungen in Bayern durch diese Maßnahmen deutlich zugelegt. Die Mitglieder des VdW Bayern haben Jahr für Jahr neue Rekord-Investitionen in den Wohnungsbau getätigt. Im Jahr 2021 wurden durch die Verbandsmitglieder 5.253 Wohnungen gebaut – der höchste Wert seit 1995.

Auf Bundesebene wurde gesichert, dass den Ländern auch nach der Föderalismusreform weiter zweckgebundene Finanzhilfen für den sozialen Wohnungsbau gewährt werden. Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. März 2019 ist es dem Bund weiter möglich, Fördermittel zur Verfügung zu stellen.

Wohnungsbauziele werden seit Jahren verfehlt

Doch trotz dieser Maßnahmen konnten die Wohnungsbauziele auf Bundesebene und in Bayern in den letzten Jahren nicht erreicht werden. In Bayern liegt das festgelegte Ziel bei jährlich 70.000 Wohnungen. Diese Messlatte wurde in den letzten Jahren nie erreicht. Im Jahr 2021 wurden beispielsweise nur 60.857 neue Wohnungen fertiggestellt. Bundesweit verhält es sich ähnlich. Das 2016 von der Bundesregierung ins Auge gefasste Ziel von 350.000 neuen Wohnungen jährlich konnte nicht umgesetzt werden. Die neue Bundesregierung hat die Marke nun auf 400.000 Wohnungen erhöht. Doch im Jahr 2021 wurden in Deutschland gerade einmal 293.393 Wohnungen errichtet.

Mit welchen Maßnahmen soll nun also der Wohnungsbau signifikant gesteigert werden? Im Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP heißt es zum Wohnungsbau unter anderem:

  • „Wir werden ein ,Bündnis bezahlbarer Wohnraum‘ mit allen wichtigen Akteuren schließen. Wir werden zeitnah eine neue Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen auf den Weg bringen und so eine neue Dynamik in den Bau und die dauerhafte Sozialbindung bezahlbaren Wohnraums erzeugen.“
  • „Wir werden durch serielles Bauen, Digitalisierung, Entbürokratisierung und Standardisierung die Kosten für den Wohnungsbau senken. Wir wollen modulares und serielles Bauen und Sanieren durch Typengenehmigungen beschleunigen. Wir wollen die Prozesse der Normung und Standardisierung so anpassen, dass Bauen günstiger wird.“

Einen ersten Schritt hat die neue Bundesregierung mit der Erhöhung der Wohnraumfördermittel bereits vollzogen. Am 16. März 2022 hat das Bundeskabinett den Haushalt 2022, die Eckwerte bis 2026 und damit auch die Summe von 14,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau bis 2026 beschlossen.

„Leider führt das Förderchaos um die Programme der KfW Förderbank für Neubau und energetische Sanierung seit Jahresbeginn zu einem Vertrauensverlust bei den Wohnungsunternehmen.“

Die Wohnungswirtschaft Deutschland hatte indes jährlich 5,0 Milliarden Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau gefordert, um die Ziele in diesem Marktsegment zu erreichen. Leider führt das Förderchaos um die Programme der KfW Förderbank für Neubau und energetische Sanierung seit Jahresbeginn zu einem Vertrauensverlust bei den Wohnungsunternehmen. Für die auf Langfristigkeit angelegte Branche ist Planbarkeit ein wichtiges Gut.

Die Rahmenbedingungen passen nicht

Mit dem „Nadelöhr“ für bezahlbaren Wohnungsbau, den hohen Grundstückspreisen, hat die Branche schon seit vielen Jahren zu kämpfen. Bei der Vergabe kommunaler Grundstücke sollte aus Sicht der Wohnungswirtschaft das beste Konzept zum Zug kommen und nicht mehr nach dem Höchstpreisprinzip entschieden werden. Ansonsten haben die sozial orientierten Wohnungsunternehmen auf dem freien Markt keine Chance – wenn die Mieten anschließend bezahlbar sein sollen.

Ebenfalls eine langjährige Entwicklung ist die kontinuierliche Steigerung der Baukosten. Bereits im Jahr 2015 wurde der Bericht der von der damaligen Bundesregierung eingesetzten Baukostensenkungskommission vorgelegt. Eine Trendwende wurde seitdem leider nicht erreicht. Die Baukosten sind weiter unaufhaltsam gestiegen. Durch die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine hat sich die Situation noch einmal deutlich verschärft.

Ein dritter Faktor sind die seit Januar 2022 steigenden Bauzinsen. Die Zinsen auf zehnjährige Standardkredite haben sich seit Dezember 2021 mehr als verdoppelt und liegen aktuell bei rund 2,55 Prozent. Fachleute erwarten bis Jahresende einen weiteren Anstieg der Bauzinsen auf bis zu 3,0 Prozent für zehnjährige Darlehen.

Kapazitätsengpässe beim Bauhandwerk

Als weitere Hürden für den Wohnungsbau werden von unseren Mitgliedsunternehmen Kapazitätsengpässe beim Bauhandwerk, steigende technische Anforderungen an Wohngebäude und Lieferengpässe bei Baustoffen genannt. Die Unternehmen berichten vermehrt über Verzögerungen durch Materialmangel und Überlastung bei den ausführenden Firmen. Die Folge sind weiter steigende Baukosten und verlängerte Bauzeiten.

„Falls der Preisanstieg nicht gestoppt wird, werden 60 Prozent der Mitglieder des Verbands bayerischer Wohnungsunternehmen ihre Neubau- und Modernisierungsprojekte zurückstellen.“

Diese Entwicklungen führen dazu, dass Wohnungsunternehmen ihre geplanten Bauprojekte zunehmend infrage stellen. Falls der Preisanstieg nicht gestoppt wird, werden 60 Prozent der Mitglieder des Verbands bayerischer Wohnungsunternehmen ihre Neubau- und Modernisierungsprojekte zurückstellen. Betroffen wären rund 3.500 Wohnungen ab 2023. Das ergab eine Mitgliederbefragung des Verbands im April 2022.

Gemeinwohlorientierung statt Gemeinnützigkeit

Eine „neue Dynamik“ versprechen sich die Koalitionspartner durch die Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen. 32 Jahre nach der Abschaffung der Gemeinnützigkeit steht nun also ein neues Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz auf der politischen Agenda.

„Wenn man den bezahlbaren Wohnungsbau ankurbeln will, dann brauchen alle an erster Stelle bezahlbares Bauland.“

Ist eine neue Gemeinnützigkeit sinnvoll? Mit der Einführung einer „neuen Gemeinnützigkeit“, wie die auch immer aussehen mag, ist es nicht getan. Wenn man den bezahlbaren Wohnungsbau ankurbeln will, dann brauchen alle, ob sie nun „neu gemeinnützig“ sind oder wie die Mitglieder unseres Verbands gemeinwohlorientiert, an erster Stelle bezahlbares Bauland. An zweiter Stelle steht eine kontinuierliche und fair ausgestattete Wohnraumförderung, die mit Zuschüssen die Baukostensteigerungen der letzten Jahre auffängt. Dann können die neu errichteten Wohnungen für die späteren Bewohner auch bezahlbar sein. Unsere Einschätzung: Die neue Gemeinnützigkeit schadet nicht, wirklich gebraucht wird sie aber nicht, da gibt es dringendere Handlungsnotwendigkeiten.

Serieller Wohnungsbau – Ja, aber!

Eine weitere Maßnahme, von der sich das Bauministerium ein schnelles Wachstum bei den Baufertigstellungen und sinkende Baukosten erwartet, ist der serielle Wohnungsbau. Gemeint ist der Bau vieler Wohneinheiten mit standardisierten vorgefertigten Modulen, um die Baukosten zu senken und mehr Wohnungen in kürzerer Zeit fertigzustellen. Für die Wohnungswirtschaft gibt es bereits seit 2018 einen Rahmenvertrag des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen zum seriellen und modularen Bauen. Seit 2018 kam die Rahmenvereinbarung beim Neubau von knapp 3.000 Wohneinheiten zur Anwendung. Die im Jahr 2021 vereinbarten 1.500 Wohnungen entsprechen fast 5,0 Prozent der GdW-Neubauvorhaben.

„Derzeit machen die steigenden Materialkosten eine langfristige und seriöse Kostenplanung fast unmöglich.“

Die Erfahrungen mit der Rahmenvereinbarung zeigen, dass besonders der Modulbau mit seinen modernen Fertigungs- und Montagemethoden großes Potenzial bietet. Die Bauzeiten werden durch den Modul- und den Segmentbau enorm verkürzt. Gleichzeitig wird die Bauqualität im Neubau durch diese Verfahren positiv beeinflusst. Eine Kostenreduktion konnte aus Sicht des GdW aber nicht beobachtet werden. Derzeit machen die steigenden Materialkosten auch in diesem Bereich eine langfristige und seriöse Kostenplanung fast unmöglich.

Als Zwischenfazit zum seriellen Wohnungsbau lässt sich sagen: Bei allen Vorteilen des seriellen Bauens sollte die Erwartungshaltung nicht zu groß sein. Bei Grundstücken auf der grünen Wiese, die eine einfache Bebauung zulassen, kann der Wohnungsbau sicher beschleunigt werden. Doch differenzierte Anforderungen an das Wohnen und unterschiedlichste Rahmenbedingungen in den Projekten lassen sich durch serielles Bauen oftmals nicht lösen.

Klimaschutz und bezahlbares Wohnen verbinden

Wohnraumförderung, serielles Bauen und Wohnungsgemeinnützigkeit – die größte Herausforderung für die Wohnungswirtschaft wurde bisher noch nicht genannt: der Klimaschutz im Gebäudebereich.

Der Bund will die Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 erreichen, Bayern bis zum Jahr 2040 und einige ambitionierte Kommunen sogar bis zum Jahr 2035. Der Weg zur Umsetzung im Gebäudebereich erfüllt viele Wohnungsunternehmen jedoch mit Sorge. Denn hier kommen Milliarden-Investitionen in den Gebäudebestand auf die Branche zu. Kosten, die letztlich von den Mietern getragen werden müssen. Deshalb ist es entscheidend, nicht ständig die Anforderungen an die Gebäudehülle zu erhöhen und die Baukosten mit immer strengeren Effizienzstandards in die Höhe zu treiben. Die Wohnungswirtschaft Bayern setzt stattdessen auf den weiteren Ausbau von erneuerbaren Energien. Erforderlich sind ein gut gedämmtes Gebäude, eine robuste Anlagentechnik, mit der die Mieter der Wohnungen noch gut umgehen können, und der Zugang zu erneuerbaren Energien.

„Angesichts der drastisch steigenden Energiepreise und der Versorgungskrise muss die Energiewende im Gebäudesektor dringend vorangebracht werden.“

Gerade angesichts der drastisch steigenden Energiepreise und der Versorgungskrise muss die Energiewende im Gebäudesektor dringend vorangebracht werden. Aus Sicht der Wohnungswirtschaft heißt das Ziel, Klimaschutz und bezahlbares Wohnen zu vereinbaren.

Was für die kommenden Jahre wichtig ist

Um die Klimaziele bis 2045 zu erreichen, die riesige Lücke auf dem Wohnungsmarkt mit 400.000 neuen Wohnungen jährlich zu schließen, für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu sorgen sowie den sozialen Zusammenhalt zu sichern, ist ein gesamtgesellschaftlicher Kraftakt notwendig. Die Wohnungswirtschaft braucht für eine Bewältigung der großen Herausforderungen einen verbindlichen und transparenten Rahmen aus gesetzlichen Vorgaben und Förderinstrumenten. Der Politik muss aber auch vermittelt werden, dass für die gesellschaftlichen Mammutaufgaben Wohnungsbau und Klimaneutralität nur ein bestimmtes Budget zur Verfügung steht. Die ambitionierten Ziele in beiden Bereichen werden sich gerade für die sozial orientierte Wohnungswirtschaft nur durch eine deutliche Ausweitung der Fördermittel und spürbar bessere Rahmenbedingungen erreichen lassen.

Noch nicht absehbar sind aktuell die Auswirkungen der steigenden Energiepreise auf die Wohnungswirtschaft. Mehr als die Hälfte der Verbandsmitglieder sieht ein hohes Risiko, dass es bei großen Teilen ihrer Mieter zu Zahlungsausfällen infolge der explodierenden Energiepreise kommt. Um die eigene Liquidität nicht zu gefährden, werden viele Unternehmen Neubauvorhaben oder Modernisierungsprojekte zurückstellen. Für 2023 erwartet der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen deutlich sinkende Neubauzahlen.

Trotz der schwierigen Gemengelage möchten wir positiv in die Zukunft blicken. Viele Mitgliedsunternehmen haben in den letzten Jahren runde Geburtstage gefeiert. Sie wurden in den schwierigen Zeiten nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg gegründet und hatten beim Einsatz für gutes, sicheres und bezahlbares Wohnen große Erfolge. An dieser Tradition wird die Wohnungswirtschaft sich auch weiterhin ausrichten.


Hans Maier ist seit 2006 Verbandsdirektor und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des VdW Bayern – Verband bayerischer Wohnungsunternehmen. Er verantwortet die Geschäftsbereiche Interessenvertretung, Dienstleistungen und Verbandsorganisation.

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