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Herr Bathe, Herr Dragosch, warum beschäftigt sich Union Investment mit Kryptowerten?

André Dragosch: Grundsätzlich sind Kryptoassets nach wie vor eine kleine Assetklasse. Aber die zugrunde liegende Idee eines sogenannten ‘Internet of Value‘ kann unsere Welt potenziell ähnlich stark wandeln wie die Entwicklung des World Wide Web. Denn Wert-Transaktionen – mit ‘Wert‘ sind zum einen Geld oder Wertpapiere, zum anderen aber beispielsweise auch Kunst oder geistiges Eigentum gemeint – können dann nahezu in Echtzeit getätigt werden. Die zugrunde liegende Blockchain-Technologie ermöglicht schnellere, kostensparende und damit auch effizientere Transaktionen, als wir sie bislang haben. Entsprechend steigt die Akzeptanz der Technologie in der Wirtschaft und dem Finanzsektor.
 

Hat Union Investment mit der Technologie bereits praktische Erfahrungen gesammelt?

André Dragosch: Ja! Im Mai gab es die erste digitale Anleiheemission der Europäischen Investitionsbank auf einer öffentlichen Blockchain. Union Investment hat daran in Kooperation mit der DZ Bank als einzige deutsche Adresse teilgenommen. Dazu kommt, dass der Bundestag im Mai ein neues Gesetz für elektronische Wertpapiere beschlossen hat. Die Entwicklung geht derzeit also klar in Richtung einer zunehmenden Digitalisierung des Wertpapiergeschäfts.

„Kryptoassets bieten einen ausgezeichneten Schutz gegen monetäre Verwässerung der Notenbanken.“

Warum sollten sich Volksbanken und Raiffeisenbanken und deren Kunden mit dem Thema auseinandersetzen?

André Dragosch: Makroökonomisch bieten Kryptoassets einen ausgezeichneten Schutz gegen monetäre Verwässerung der Notenbanken. Nicht umsonst wird Bitcoin als ‘digitales Gold‘ bezeichnet. Fundamental gesehen ist es ähnlich knapp wie Gold und wird in den kommenden Jahren sogar zunehmend knapper. Knappe Assets sollten in einem inflationären Umfeld überproportional profitieren. Zudem zwingen die Niedrigzinspolitik der Notenbanken und der Anlagenotstand, der durch extrem hohe Bewertungen an den traditionellen Märkten hervorgebracht wird, zu einer Beimischung von alternativen Assetklassen in Investorenportfolios. Kryptoassets bieten hier eine wertvolle Beimischung.

„Der Großteil der Transaktionen ist heutzutage auf Investment-Nachfrage zurückzuführen, zunehmend von professionellen Investoren wie Fondsgesellschaften oder vermögenden Privatkunden.“

Wie vertrauenswürdig sind Kryptowerte für professionelle und auch private Anleger?

André Dragosch: In der allgemeinen Wahrnehmung herrscht immer noch die aus unserer Sicht falsche Wahrnehmung vor, dass Kryptoassets wie Bitcoin hauptsächlich für illegale Transaktionen verwendet werden. Dabei zeigen Auswertungen von spezialisierten Unternehmen wie Chainanalysis, dass der Anteil illegaler Transaktionen lediglich bei etwa einem Prozent liegt. Der Großteil der Transaktionen ist heutzutage auf Investment-Nachfrage zurückzuführen, zunehmend von professionellen Investoren wie Fondsgesellschaften oder vermögenden Privatkunden. Die USA sind dabei deutlich fortgeschrittener als Europa: Alleine 21 Kryptofonds befinden sich im Freigabeprozess der US-Börsenaufsichtsbehörde. Drei wurden bereits genehmigt. Man kann generell festhalten, dass sich der Markt zunehmend professionalisiert. Zusätzlich rückt das Thema Verwahrung von Kryptoassets und deren Versicherung immer mehr in den Fokus. Hier gibt es auch in Deutschland einige regulierte Unternehmen, die die sichere Verwahrung von Kryptowerten für professionelle und private Anleger übernehmen.
 

Nun gelten Kryptowerte als sehr volatil, beispielsweise gab es im Mai deutliche Kursverluste. Welche Erklärungen haben Sie dafür?

André Dragosch: Für die Kursverluste gab es mehrere Ursachen. Blicken wir zunächst auf zwei Zentralbanken: Die Chinesische Volksbank (PBoC) hatte bekannt gegeben, Finanzdienstleistungen zukünftig nicht mehr in Kryptowährungen zu erlauben. Fast gleichzeitig betonte die Europäische Zentralbank (EZB), dass sie mit Sorge auf die hohen Bewertungen von Kryptowerten schauen.
 

Welche Rolle spielte Tesla, vor allem im Zusammenhang mit dem Kursverfall des Bitcoin?

André Dragosch: Tesla hat eine Kehrtwende um 180 Grad vollzogen. Ende März hatte das Unternehmen bekannt gegeben, dass Kunden Fahrzeuge mit Bitcoin kaufen können. Rund sechs Wochen danach wurde diese Praxis jedoch wieder verboten. Insbesondere der hohe Energieverbrauch bei der Bitcoin-Produktion wurde dabei als Grund angeführt. Bereits zuvor hatte Tesla 100 Millionen US-Dollar ihrer ursprünglichen 1,5 Milliarden US-Dollar Bitcoin-Position veräußert. Die Kombination beider Meldungen führte zu Spekulationen über einen möglichen Verkauf dieser großen Position, was sich jedoch nicht bewahrheite.

Welche Auswirkungen hatte diese Entwicklung am Markt?

Daniel Bathe: Als Konsequenz verlor der Bitcoin innerhalb weniger Tage im Mai über 50 Prozent an Wert. Alleine am 20. Mai sank der Kurs im Tagesverlauf um 13.500 US-Dollar, ein Minus von 31 Prozent. Erst einmal zuvor hatte es einen so hohen Tagesverlust für den Bitcoin gegeben, nämlich am 12. März 2020, als der Bitcoin infolge des Corona-Abverkaufs rund 40 Prozent verlor.
 

Mittlerweile ist der Bitcoin-Kurs aber wieder gestiegen…

Daniel Bathe: Ja, nach dem Tiefpunkt im Juli 2021 mit einem Kurs von knapp 29.000 US-Dollar hat eine starke Rallye eingesetzt. Der Preis des Bitcoin konnte innerhalb von einem Monat um mehr als 20.000 Dollar zulegen und notierte zuletzt wieder bei fast 50.000 US-Dollar.

„Der Markt ist aktuell bereinigt.“

Wie schätzen Sie die derzeitige Situation ein?

Daniel Bathe: Der Markt ist aktuell bereinigt. Viele Retail-Anleger haben in der volatilen Phase zwischen Mai und Juli Verluste hinnehmen müssen und ihre Positionen reduziert beziehungsweise geschlossen. Der Aufbau der Positionen von langfristigen Anleger sehen wir als positives Signal für den Markt. Grundsätzlich gewinnen Kryptowerte als Asset, wie bereits eingangs skizziert, deutlich an Akzeptanz. In diesem Jahr haben Großbanken wie JP Morgan und Goldman Sachs begonnen, ihren Kunden den Handel mit Kryptowerten zu ermöglichen. BlackRock hat Bitcoin als legitime Alternative zu Gold bezeichnet. Außerdem haben Großunternehmen wie Tesla – zumindest kurzfristig – Bitcoin als Zahlungsmedium akzeptiert und es zusätzlich als Reserve-Asset auf der eigenen Bilanz gehalten. Zusätzlich zeichnet sich der Bitcoin aktuell wieder durch sein hohes Diversifikationspotenzial aus. Der Preis zeigt sich aktuell sehr unkorreliert zu traditionellen Anlageklassen wie Aktien und Renten.

Welche Erwartungen haben Sie für die künftige Entwicklung?

André Dragosch: Die generellen Makrotreiber bei Bitcoin sind die globalen Wachstumserwartungen und der allgemeine Risikoappetit an den Märkten. Eine abnehmende Wirtschaftsdynamik und ein abnehmender Risikoappetit in den kommenden Quartalen könnten dementsprechend auch den Bitcoin tendenziell weiter belasten. Auf der anderen Seite rechtfertigt die Angebots-Knappheit von Bitcoin fundamental nach wie vor sehr hohe Preise. Wenn wir die Daten aus der Blockchain auf Basis sogenannter On-Chain-Metriken ansehen, erkennen wir zudem, dass langfristige Investoren und Miner in der Zwischenzeit ihre Positionen weiter ausgebaut haben, also die jüngste Kursschwäche für Käufe genutzt haben.
 

Was ist aus Ihrer Sicht entscheidend für eine nachhaltige Trendumkehr?

Daniel Bathe: Der Risikoappetit der Marktteilnehmer, globale Wachstumserwartungen sowie die Frage, ob institutionelle Fonds wieder Zuflüsse verzeichnen, sind die entscheidenden Faktoren. Im Mai haben wir erstmals seit drei Monaten wieder Zuflüsse in den von uns beobachteten Fonds gesehen. Das ist ein erstes positives Zeichen angesichts der allgemeinen Schwäche am Markt. Hinzu kommt: In den nächsten Monaten warten acht große Bitcoin-ETFs auf ihre Zulassung in den USA, was weitere Fonds-Zuflüsse bedingen könnte. Auch in Europa könnte es vermehrt zu Käufen kommen. Zudem besteht die Möglichkeit, dass Großunternehmen in den kommenden Monaten ihre Käufe von Bitcoin publik machen könnten, die sie in den letzten Wochen bereits getätigt haben. Die zunehmende Inflationsdynamik in den USA könnte ein weiteres Investment-Narrativ insbesondere für Bitcoin werden.

„Für europäische Investoren in Kryptoassets gibt es zunehmend regulatorische Sicherheit.“

Welche Auswirkungen haben die zunehmenden Regulierungs-Bestrebungen, etwa aus China?

André Dragosch: In der Tat haben restriktivere Regierungen den Kryptomarkt dieses Jahr signifikant unter Druck gesetzt. Hier ist insbesondere das seit Juni geltende Verbot des Schürfens von Bitcoin und von Finanztransaktionen in China zu nennen, der auch den Bitcoin preistechnisch unter Druck gesetzt hat. Als Reaktion darauf haben wir einen deutlichen Rückgang der Rechenleistung im Bitcoin-Netzwerk und somit der Sicherheit des Netzwerks beobachtet. Mittlerweile haben jedoch viele Schürfunternehmen ihre Kapazitäten nach Nordamerika verlagert, sodass sich die Rechenleistung stark erholt hat. Aus der Nachhaltigkeits-Perspektive ist dies langfristig sogar eine willkommene Entwicklung.

Daniel Bathe: Wir sehen aktuell auch positive Entwicklungen im Kontext Regulierung. So haben sich zum Beispiel US-Senatoren wie Cynthia Lummis öffentlich für eine Adoption von Bitcoin als alternatives Geld ausgesprochen. Und Gary Gensler, neuer Vorsitzender der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC, bewertet die Blockchain-Technologie neutral und fokussiert sich vor allem auf den Anlegerschutz. In Europa stehen wir vor der Einführung der MiCA-Regulierung (Markets in Crypto-Assets) in 2022, was zunehmend regulatorische Sicherheit für EU-Investoren von Kryptoassets und somit für die technologische Adoption schaffen wird. In Deutschland ist der Regulator mit der Einführung des Fondsstandortgesetzes (FoStoG) ebenfalls sehr positiv gegenüber Kryptoassets gestimmt. Nach dem Gesetz dürfen beispielsweise Spezialfonds in Deutschland bis zu 20 Prozent des Fondsvermögens in Kryptoassets investieren.
 

Gibt es Überlegungen, Kryptowerte in das Portfolio von Union Investment aufzunehmen, zum Beispiel als Beimischung oder als eigenen Fonds?

Daniel Bathe: Wir haben bereits erste Pilot-Investments in Bitcoin Zertifikaten Anfang des Jahres im PrivatFonds Flexibel Pro vorgenommen, der aktuell bis zu ein Prozent des Fondsvermögens in Bitcoin Delta-1 Zertifikaten halten darf. Anfang des vierten Quartals 2021 erwarten wir das grüne Licht für Kryptoassets für weitere Fonds der Union Investment. Zunächst einmal sind nur kleinere Beimischungen in Fonds angedacht, eigene Fondsprodukte sind noch nicht geplant.
 

Herr Bathe, Herr Dragosch, vielen Dank für das Gespräch!

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Volksbanken und Raiffeisenbanken, die ihre Kunden über die aktuelle Markteinschätzung von Union Investment zu Kryptowerten informieren möchten, können Daniel Bathe und André Dragosch als Referenten buchen. Kontakt:

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