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Die wichtigsten Informationen zusammengefasst

  • Um das beliebte Johanniscafé im oberbayerischen Dorfen vom bisherigen Betreiber zu übernehmen und weiterzuführen, haben aktuelle und ehemalige Mitarbeiter eine Genossenschaft gegründet.
  • Das Café hat sich nach der Übernahme gut entwickelt: Die Mitarbeiter sind zufrieden, die Gäste kommen wie gewohnt und die Zahlen stimmen – auch in Zeiten der Corona-Pandemie.
  • Die Rechtsform Genossenschaft bietet sich an, wenn die Verantwortung für Cafés oder Restaurants solidarisch auf mehrere Schultern verteilt werden soll.
  • Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) berät und unterstützt sowohl in der Gründungsphase als auch im laufenden Geschäftsbetrieb.

Vor 30 Jahren eröffnete Peter Willim im oberbayerischen Dorfen das Johanniscafé. Schnell entwickelte sich die Gaststätte zu einem beliebten Treffpunkt für Jung und Alt in der knapp 15.000 Einwohner zählenden Stadt. 2018 entschied sich Willim schweren Herzens, den Betrieb aus Altersgründen abzugeben. Doch ein Nachfolger war nicht in Sicht, die Schließung stand im Raum.

Für den langjährigen Mitarbeiter und Stammgast Franz Josef „Seppo“ Schmid kam das überhaupt nicht infrage. „Ohne das Café würde Dorfen ein großes Stück Lebensqualität verlieren“, sagt Schmid, während er hinter dem Tresen steht und Getränkeflaschen sortiert. Zwei Jahre sind seit Willims Ruhestandsplänen vergangen, und das Johanniscafé gibt es immer noch. „Den Betrieb einfach aufzugeben, das war für uns keine Option“, erzählt der 39-Jährige, nachdem er sich in Eingangsnähe an einen großen Holztisch gesetzt hat.

Mit „uns“ meint Schmid 24 aktuelle und ehemalige Mitarbeiter der Gaststätte. Zusammen überlegten sie 2018, wie sie das Café fortführen könnten. Ihre Lösung: Eine Genossenschaft gründen. Vor allem zwei Vorteile überzeugten sie von der Rechtsform eG: „Erstens können wir die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen. Zweitens steht nicht das maximale Profitstreben im Vordergrund, sondern Werte wie Solidarität und Fairness. Wir Mitarbeiter sind zu einem Freundeskreis zusammengewachsen, die im Café nicht nur tätig sind, sondern dort einen Teil unserer Freizeit verbringen und nach der Schicht selbst ein Bier mit den Gästen trinken“, sagt Schmid.

Nachdem sie sich für die Fortführung des Cafés als Genossenschaft entschieden hatten, mussten die Mitarbeiter einige Vorarbeiten leisten, beispielsweise einen Geschäftsplan schreiben und eine Satzung erstellen. Besitzer Peter Willim stellte ihnen Unterlagen wie Steuererklärungen oder Lieferantenrechnungen zur Verfügung. So wussten die neuen Betreiber, was auf sie zukommt. Unterstützung gab es zudem vom Genossenschaftsverband Bayern (GVB), vor allem durch Gründungsberater Max Riedl. „Er hat uns vom ersten Kontakt bis zur Eintragung viel geholfen. Außerdem hat er die Gründungsveranstaltung geleitet. Wir haben uns sehr gut aufgehoben gefühlt, schließlich weiß ich von der Kandidatenkür bei Kommunalwahlen, wie schnell formale Fehler passieren können“, sagt Schmid.

Gemeinschaft statt One-Man-Show

Im Februar 2019 gründeten die 24 aktuellen und ehemaligen Mitarbeiter offiziell die Johanniscafé eG. Auch der vormalige Besitzer Willim wurde Teilhaber. Das Startkapital bildeten die Genossenschaftsanteile à 250 Euro, einige Mitglieder zeichneten mehrere Anteile. So kam genug Geld zusammen, um das Café zum 1. Juli 2019 offiziell zu pachten. Der Rest floss in die Rücklage.

Im Rückblick bewertet Seppo Schmid die Gründungs- und Anfangszeit als anspruchsvoll, aber gut zu stemmen. „Natürlich haben wir viel Zeit und Energie investiert, keine Frage. Aber das Gefühl, gemeinsam an einer größeren Sache zu arbeiten, war für uns eine riesige Motivation“, sagt er. Anderen Interessierten, die ebenfalls einen gastronomischen Betrieb mit einer Genossenschaft betreiben wollen, kann er die Rechtsform weiterempfehlen. Wichtig sei dabei, dass die beteiligten Personen an einem Strang ziehen. „Wir haben das Glück, dass alle Mitglieder die demokratisch gefällten Entscheidungen mittragen. Eine Genossenschaft ist keine One-Man-Show“, sagt Schmid.

Genossenschaften gründen

Sie überlegen, eine Genossenschaft zu gründen? In der Broschüre „Für alle, die gemeinsam handeln wollen“ informiert der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) über die Unternehmensform eG, lässt Gründer von Genossenschaften zu Wort kommen und gibt Tipps aus der Praxis. Gerne können Sie zudem die GVB-Gründungsberater ansprechen, die Sie bei Ihrem Vorhaben unterstützen.

Kein Freibier für die Mitglieder

Ziel der Teilhaber ist es ausdrücklich nicht, möglichst viel Gewinn mit dem Café zu machen. Blauäugig gehen sie das Projekt aber nicht an. „Wir wollen schwarze Zahlen schreiben. Deswegen gibt es für die Mitglieder auch kein Freibier oder vergünstigte Preise“, sagt Schmid. Gut zu wirtschaften ist außerdem im eigenen Interesse der Teilhaber: Wenn der Laden läuft, ist ihr Arbeitsplatz sicher. Einige von ihnen finanzieren durch die Tätigkeit im Café ihr Studium.

Den Mitarbeitern gefällt das Café so, wie es ist. Deswegen haben sie in den ersten Monaten nur kosmetische Änderungen vorgenommen. Beispielsweise bieten sie regionalen Künstlern an, ihre Werke auszustellen. Eine überarbeitete Karte und ein neues Logo sind in Arbeit, die Küche ist bereits neu eingerichtet. Ansonsten ist vieles beim Alten geblieben. Besonders wichtig: Das Bier kommt wie gewohnt aus der Region von der Guts- und Brauereigenossenschaft Taufkirchen sowie der Brauerei Lohmeier aus Dorfen.

Bewährungsprobe durch Corona

Eigentlich hätte alles so weiterlaufen können. Die Mitglieder waren engagiert und die Gäste zufrieden. Doch dann kam die Corona-Pandemie. Am 16. März schloss das Café vorübergehend seine Türen. Die anschließende Zeit beschreibt Schmid als sehr bewegt: „Wir wussten ja nicht, für wie lange wir den Betrieb nicht mehr öffnen dürfen. Deswegen haben wir umgehend ein Krisenteam aufgestellt. Dankenswerterweise ist uns der Vermieter entgegengekommen und wir durften die Lokalmiete stunden. Außerdem haben wir Soforthilfe vom Staat erhalten, die relativ schnell ausbezahlt wurde“, sagt er.

Rund zwei Monate später, Ende Mai, wurde zunächst der Biergarten mit rund 60 Plätzen wieder geöffnet. Mit einer Sondergenehmigung der Stadt Dorfen durfte die Genossenschaft Tische und Stühle auf einem Parkplatz aufstellen. Um einen ordnungsgemäßen Betrieb zu gewährleisten, stellte das Café einen umfassenden Hygieneplan auf. Einige Zeit später konnte auch der Innenbereich wieder öffnen – allerdings mit 31 statt der sonst üblichen 90 Plätze. Das Konzept wird von den Gästen gut angenommen: „Wir freuen uns, dass die Leute so zahlreich kommen und gleichzeitig Verständnis für die nötigen Schutzmaßnahmen haben“, sagt Schmid.

Die Corona-Pandemie hat den Fortbestand des Johanniscafés nicht gefährdet. Einige der Mitglieder hätten sich sogar gemeldet und freiwillig angeboten, weitere Anteile zu zeichnen, erzählt Schmid. Das war jedoch nicht nötig. Durch die Genossenschaft steht das Johanniscafé auf soliden Füßen, um auch in schweren Zeiten zu bestehen. Das passt zum Wunsch, den Seppo Schmid und die anderen Mitglieder teilen: „Wenn unsere Kinder in einigen Jahren vorbeikommen, ein Bier trinken und stolz darauf sind, dass ihre Eltern mit der Genossenschaft das Café gerettet haben und erfolgreich betreiben… Das wäre einfach wunderschön.“

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