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Die Zeit läuft. Bis zum Jahr 2022 muss die Europäische Union den zweiten Teil der internationalen Basel III-Bankenregeln umsetzen. Nach langwierigen und zähen Verhandlungen hatten sich die Chefs von Aufsichtsbehörden und Notenbanken im Dezember 2017 auf die Regeln verständigt, mit denen das Post-Krisenregelwerk vervollständigt wurde. Die Vorschriften haben maßgeblich Auswirkung darauf, wie viel Eigenkapital Banken zukünftig für ihre Kredite vorhalten müssen.


Lange Zeit war unklar, wie sich die Finalisierung von Basel III auf die Banken in Europa und insbesondere in Deutschland im Detail auswirken wird. Diese Unklarheit ist inzwischen bis zu einem gewissen Maße beseitigt. Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) hat vor Kurzem eine Auswirkungsstudie vorgestellt, mit der die Folgen von Basel auf die Risikogewichte und Eigenkapitalanforderungen der Banken ausführlich dargestellt werden (siehe auch den Beitrag „Wir stoßen bald an unsere Grenzen“ in dieser „Profil“-Ausgabe). Die EBA-Berechnungen zeigen, dass – bei einer vollständigen Umsetzung – die Eigenkapitalanforderungen spürbar ansteigen werden.

Auswirkungen auf die Realwirtschaft

Doch den Effekt von Basel III nur auf Banken zu beschränken, greift zu kurz. Strengere regulatorische Anforderungen in der Finanzwirtschaft strahlen auch auf die Realwirtschaft aus. Mit steigenden Eigenkapitalanforderungen sinkt die Kapazität der Banken, Unternehmen zu finanzieren beziehungsweise Bankkredite werden teurer. Zwar haben die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken ihren Kapitalpuffer in den letzten Jahrzehnten aufgestockt und sich so ein Polster geschaffen. Mit Basel III wird das Potential der Banken jedoch beschnitten. Andere Entwicklungen zeigen weiter in diese Richtung (siehe auch den Beitrag zum Umgang mit notleidenden Krediten in dieser „Profil“-Ausgabe). Die bewährte Mittelstandsfinanzierung in Deutschland gerät damit unter Druck.

Negative Auswirkungen auf den Mittelstand befürchten nicht nur Bankenverbände wie der Genossenschaftsverband Bayern (GVB). Inzwischen haben sich auch zahlreiche Unternehmensverbände kritisch geäußert. So haben beispielweise die IHK für München und Oberbayern und die Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Handwerkskammern gemeinsam mit dem GVB und den anderen bayerischen Bankenverbänden ein Positionspapier zur Finalisierung von Basel III veröffentlicht. Zusammen fordern sie von der europäischen Politik, die neuen Vorgaben mittelstandsfreundlich umzusetzen.

Die Basel III-Finalisierung ist ein komplexes und umfassendes Regelwerk. Neben den Änderungen am Kreditrisikostandardansatz (KSA), mit dem die Volksbanken und Raiffeisenbanken ihre Mindesteigenmittel für Kreditrisiken bestimmen, enthält das Regelwerk auch neue Methoden zur Risikobestimmung. Unter anderem schreibt Basel III vor, wie sich Banken auf IT-Risiken (sogenannte operationelle Risiken) sowie auf schwankende Zinsen und Wertpapierkurse (sogenannte Marktrisiken) vorbereiten müssen. Die Auswirkungen auf die Mittelstandsfinanzierung manifestieren sich aber vor allem durch Änderungen im Kreditrisikostandardansatz. Konkret geht es um den sogenannten Korrekturfaktor für kleine und mittlere Unternehmen (KMU-Faktor), Änderungen im Mengengeschäft und den Umgang mit Immobilienfinanzierungen.

KMU-Faktor erhalten

Insbesondere eine Neuregelung im Zuge der Basel III-Finalisierung birgt enorme Gefahr für die Finanzierung des Mittelstands: Die geplante Abschaffung des KMU-Faktors. Mit dem Faktor können Banken Kredite mit einem Volumen von bis zu 1,5 Millionen Euro an kleine und mittlere Unternehmen mit weniger Eigenkapital unterlegen. Erst in der letzten Überarbeitung der EU-Bankenregeln wurde die Grenze auf 2,5 Millionen Euro ausgeweitet. Der Faktor ist eine europäische Sonderregelung, die es so in den Baseler Regelwerken nicht gibt. Das widerspricht aus Sicht der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) einer international einheitlichen Regulierung. Die Behörde empfiehlt daher, den Faktor im Rahmen der Umsetzung von Basel III in europäisches Recht zu streichen.

Der Wegfall des KMU-Faktors würde die europäische und insbesondere die deutsche Wirtschaft belasten. Denn die hiesige Wirtschaft ist stärker als viele andere Volkswirtschaften von mittelständischen Strukturen geprägt. In Europa ist der Faktor daher ein wichtiges und bewährtes Instrument der Mittelstandsfinanzierung. Ohne ihn wäre es für Banken deutlich schwieriger, einen KMU-Kredit zu vergeben. So müssten Banken für einen KMU-Kredit in Höhe von 500.000 Euro fast 10.000 Euro mehr Eigenkapital vorhalten als im Status quo. Im internationalen Vergleich wäre es daher ratsam, in Europa weiterhin von den Baseler Standards abzuweichen und den KMU-Faktor beizubehalten.

Auch aus Risikogesichtspunkten ist eine Beibehaltung des KMU-Faktors angezeigt. Diversen Studien zufolge hat ein diversifiziertes Portfolio an Mittelstandskrediten ein geringeres Risiko als vergleichbare Kredite an Großunternehmen. Der KMU-Faktor gewährleistet damit eine risikoadäquate Kapitalunterlegung („Support for the SME supporting factor – multi-country empirical evidence on systematic risk ‎factor for SME loans“, Deutsche Bundesbank Discussion Paper No 45/2016‎). Auch das spricht dafür, die Empfehlungen der EBA nicht umzusetzen und am KMU-Faktor festzuhalten.

„Weiches“ Granularitätskriterium beibehalten

Neben der Abschaffung des KMU-Faktors droht eine weitere Neuregelung die Mittelstandsfinanzierung zu erschweren: Bisher können Banken KMU-Kredite als Mengengeschäft behandeln und mit weniger Eigenkapital unterlegen – vorausgesetzt, die Kreditsumme beträgt höchstens 1 Million Euro und das Kreditportfolio ist hinreichend granular – das heißt, das Portfolio enthält so viele Kredite, dass die Risiken diversifiziert sind. Geht es nach den neuen Baseler Standards, sollen Kredite nur noch dann dem Mengengeschäft zugeordnet werden, wenn ihr Volumen 0,2 Prozent des gesamten Mengengeschäfts nicht übersteigt. Man spricht hierbei von einem „harten“ Granularitätskriterium.

Die Härtung des Granularitätskriteriums verteuert die Mittelstandsfinanzierung gerade bei kleineren Banken. Umfasst das Mengengeschäfts-Portfolio einer Bank beispielsweise ein Volumen von 100 Millionen Euro, würde der Schwellenwert für die Zuordnung zum Mengengeschäft von 1 Million Euro auf 200.000 Euro je Kredit sinken. In der Folge müssten größere Mittelstandskredite mit mehr Eigenmitteln unterlegt werden. Eine Verteuerung dieser Kredite wäre die Folge. Zudem würden kleinere Banken im Wettbewerb benachteiligt. Aufgrund ihres geringeren Mengengeschäftsvolumens müssten kleinere Banken ein und denselben Kredit mit mehr Eigenkapital unterlegen als eine Großbank (siehe Kasten). Diese Ungleichbehandlung kritisiert auch die EBA. Die Behörde rät deshalb davon ab, das harte Granularitätskriteriums in der EU umzusetzen.

Deutlicher Wettbewerbsnachteil

Berechnungen des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) zeigen: Kleine Banken würden durch ein hartes Granularitätskriterium deutlich im Wettbewerb benachteiligt. Etwa ein Viertel der GVB-Mitgliedsbanken könnte hierdurch einen Kredit in sechsstelliger Höhe nicht mehr dem Mengengeschäft zuordnen. Entsprechend wären die Auswirkungen auf die Kapitalquote: Drei repräsentativ ausgewählte kleine Banken (Bilanzsumme kleiner als 189 Millionen Euro) müssten eine um durchschnittlich 2 Prozentpunkte reduzierte Gesamtkapitalquote verkraften.

Aber nicht nur für die kleinen, sondern auch für die größeren Kreditgenossenschaften wäre der Effekt spürbar. Für lediglich elf GVB-Mitgliedsbanken würde weiterhin die für das Mengengeschäft gesetzlich verankerte Obergrenze von 1 Million Euro gelten. Alle anderen Banken müssten mit Auswirkungen auf ihre Kapitalquoten rechnen. Bei drei repräsentativ ausgewählten größeren Banken (Bilanzsumme mehr als 1 Milliarde Euro) reduziert sich die Gesamtkapitalquote um durchschnittlich 0,2 Prozentpunkte.

Statt das harte Granularitätskriterium umzusetzen, sollte die EU deshalb an den bisherigen Regelungen zur Zuordnung von KMU-Krediten zum Mengengeschäft festhalten. Die Regelungen wurden – hauptsächlich auf Betreiben Deutschlands – schon in den Basel II-Standards eingeführt, um die Mittelstandsfinanzierung zu unterstützen. Die 1 Million-Euro-Grenze und die „weiche“ Granularitätsanforderung haben sich in der Praxis der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken bewährt und sichern eine angemessen Diversifizierung.

Immobilienfinanzierungen angemessen regulieren

Das finalisierte Basel III-Paket enthält außerdem eine komplett überarbeitete Methode zur Risikobestimmung von Immobilienfinanzierungen. Bislang erhalten Kredite, die durch private oder gewerbliche Immobilien besichert sind, jeweils ein einheitliches Risikogewicht. Zukünftig wird die Bewertung deutlich granularer und aufwendiger. Sie hängt dann maßgeblich davon ab, ob der Kredit über Einkommen aus der Immobilie finanziert wird und wie hoch der Anteil des Kredits am Immobilienwert ist (sogenannte Beleihungsquote beziehungsweise „Loan to Value“). Außerdem werden Kredite an Immobilienentwickler und Bauträger zukünftig mit einem höheren Risikogewicht belegt. In der Summe, so Berechnungen der EBA, steigen die Eigenkapitalanforderungen für das Immobiliengeschäft kleiner Banken um 4,0 Prozent. Das schmälert die Kreditvergabekapazität der Banken erheblich.

Dabei ist eine derartige systematische Erhöhung der Risikovorsorge in Deutschland gar nicht notwendig. Mit Immobilien besicherte Kredite sind hierzulande sehr werthaltig. Insbesondere der Grundstücksmarkt zeigt sich sehr liquide und ist von regelmäßigen Wertsteigerungen geprägt. Außerdem sind die Ausfallquoten bei Immobilienfinanzierungen in Deutschland seit Jahren sehr gering.

Um Einschränkungen für den Mittelstand zu vermeiden, sollten Eigenkapitalerhöhungen für Immobilienfinanzierungen bei Banken weiterhin an einen sogenannten „Hard-Test“ gekoppelt werden. Damit kann die EU sicherstellen, dass in Ländern mit gut entwickelten und stabilen Immobilienmärkten, die geringe Verlustraten aufweisen, auch geringere Eigenkapitalanforderungen für Immobilienkredite gelten. Dieser Ansatz stellt eine angemessene und risikosensitive Eigenkapitalunterlegung sicher. Gleichzeit gewährleistet die Methode, dass mittelständische Immobilienfinanzierungen in Zukunft nicht unverhältnismäßig erschwert werden.

Schnellschüsse vermeiden

Der EU bleibt nicht mehr allzu viel Zeit, die finalisierten Basel III-Standards bis 2022 in europäisches Recht umzusetzen. Trotzdem sollte die europäische Politik jetzt keinen Schnellschuss machen. Eine unreflektierte Umsetzung der Baseler Vorgaben kann die Mittelstandsfinanzierung in Europa und Deutschland erheblich erschweren. Das verdeutlichen die vorgenannten Beispiele. Insbesondere in Zeiten einer sich abschwächenden konjunkturellen Dynamik würde eine Beschränkung der Kreditvergabe die kleinen und mittleren Unternehmen sensibel treffen.

Wenn die bewährte Mittelstandsfinanzierung erhalten werden soll, sind gemeinsame Anstrengungen von Banken, Mittelstandsvertretern und der deutschen Politik nötig. Denn auf europäischer Ebene sind Vertreter einer mittelständischen Wirtschaft eher rar. Frankreich, das in der EU zunehmend durchsetzungsstark agiert, hat eher die heimischen Großbanken im Auge. Auch die Niederländer oder die Finnen, die bei politischen Auseinandersetzungen in der Eurozone oftmals die deutsche Haltung teilen, sind in Fragen der Bankenregulierung anderer Ansicht. Die bewährte deutsche Mittelstandsfinanzierung ist nicht nur Erfolgsrezept, sondern auch Alleinstellungsmerkmal.

Entscheidend für die Umsetzung von Basel III werden die kommenden Monate. Dann will die EU-Kommission eine gründliche Folgenabschätzung der vorgeschlagenen Änderungen sowie eine öffentliche Konsultation durchführen. Ende 2019 oder Anfang kommenden Jahres könnte dann bereits ein Gesetzesentwurf folgen, um die finalisierten Basel III-Regeln in europäisches Recht umzusetzen.
 

Daniel Fischer ist Senior Referent Wirtschaftspolitik, Angelika Hösl-Sachs ist Senior Referentin Wirtschaftspolitik beim Genossenschaftsverband Bayern.

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