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Wenn der Vorstandsvorsitzende der Freisinger Bank eG Volksbank-Raiffeisenbank, Reinhard Schwaiger, die Auswirkungen der internationalen Bankenregeln Basel III auf Genossenschaftsbanken erklärt, dann macht er eine kleine Rechnung auf. Vor der Finanzkrise waren alle Banken dazu verpflichtet, Eigenkapital in Höhe von mindestens 8 Prozent der Risikopositionen auszuweisen. Vereinfacht heißt das: Für Risiken in Höhe von 100 Euro – in der Hauptsache Kredite – mussten die Banken mindestens 8 Euro Eigenkapital vorhalten, um bei Ausfällen nicht in Schieflage zu geraten. Doch in der Krise zeigte sich, dass dieser Kapitalpuffer vor allem bei den international vernetzten Großbanken bei Weitem nicht ausreichend war.

Die Antwort des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht auf die Finanzkrise war das Regelwerk Basel III: Es ist auf internationale Großbanken gemünzt, wird aber in Europa im Gegensatz zu den USA auf alle Institute angewendet. Deshalb müssen auch kleinere Regionalbanken wie die Freisinger Bank heute auf die 8 Prozent Mindestkapital einen weiteren Kapitalerhaltungspuffer von 2,5 Prozent der sogenannten risikogewichteten Aktiva (RWA) aufschlagen. Im Rahmen des sogenannten „bankaufsichtlichen Überprüfungs- und Beurteilungsprozesses“ (SREP) kamen bei der Freisinger Bank dann noch einmal 2 Prozent Kapitalzuschlag obendrauf. Die Niedrigzinsumfrage der Bankenaufsicht hat für das Institut weitere 1,25 Prozent Aufschlag ergeben („Eigenmittelzielkennziffer“). Und im Jahr 2020 kommt für alle Banken noch der antizyklische Puffer, der aktuell auf 0,25 Prozent festgesetzt ist.

Eigenkapitalbedarf geht in Richtung 16 Prozent

In der Summe ergibt sich für die Freisinger Bank mittlerweile ein Eigenkapitalbedarf von mindestens 14 Prozent. Für einen Kredit über 100 Euro sowie weitere Risiken muss das Institut also pauschal gesprochen nicht mehr mindestens 8 Euro zurücklegen, sondern 14 Euro – Geld, mit dem das Institut sonst nicht arbeiten kann. Schwaiger vermutet, dass sich der Eigenkapitalbedarf seiner Bank schon bald in Richtung 16 Prozent bewegen könnte, wenn die Bankenaufsicht ihre Bewertungsspielräume nutzt und bei den Kapitalaufschlägen noch das eine oder andere Prozent draufsattelt. „Dann wären wir bei einer Verdoppelung des Eigenkapitalbedarfs“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Freisinger Bank.

Auch bei der Raiffeisenbank Kissing-Mering ist der Eigenkapitalbedarf durch die Baseler Vorgaben massiv angestiegen. Während die Bank im Jahr 2008 mit einer Gesamtkapitalkennziffer von 13 Prozent weit über der 8-Prozent-Norm lag und laut Aufsicht eine „angemessene Eigenkapitalausstattung“ aufwies, hätte sie im Jahr 2018 mit dieser Kapitaldecke die Mindesteigenmittelausstattung verfehlt. „Zehn Jahre nach der Finanzkrise werden wir mit qualitativ und quantitativ gestiegenen Eigenkapitalanforderungen konfrontiert, während gleichzeitig der Umfang der abzudeckenden Risikopositionen erweitert wurde“, sagt Vorstandsvorsitzender Peter Burnhauser.

Bestmarke bei der Kapitalausstattung

Noch können die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken die erhöhten Eigenkapitalanforderungen ausgleichen. Denn in den vergangenen Jahren haben sie ihre Erträge konsequent zurückgelegt und kontinuierlich ein Kapitalpolster aufgebaut. Das zeigt sich auch an den hohen Eigenkapitalquoten, die deutlich über den geforderten Mindestwerten liegen. So schafften die Kreditgenossenschaften Ende vergangenen Jahres mit einer harten Kernkapitalquote von 15,7 Prozent eine neue Bestmarke bei der Kapitalausstattung und lieferten damit einen Beweis für ihre Solidität.

„Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken gehören weiterhin zu den stabilsten Banken Europas und liegen bei der Eigenkapital-Rentabilität an der Spitze“, betonte Jürgen Gros, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern, beim Bilanz-Pressegespräch im März dieses Jahres. Von dieser Stabilität profitiert auch der bayerische Mittelstand: Zum Jahresende 2018 hatten die Volksbanken und Raiffeisenbanken im Freistaat ihren mittelständischen Kunden Kredite in Höhe von 53,2 Milliarden Euro (plus 7,6 Prozent gegenüber 2017) zur Verfügung gestellt.

Harte Kernkapitalquote der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken.
Solide: Die harte Kernkapitalquote der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken steigt seit Jahren.
GVB-Präsident Jürgen Gros und GVB-Vorstandsmitglied Alexander Büchel während des Bilanz-Pressegesprächs der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken.
GVB-Präsident Jürgen Gros beim Bilanz-Pressegespräch im März: Dank ihrer guten Kapitalausstattung gehören die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken zu den stabilsten Banken Europas. Foto: GVB

Regulatorik engt Spielräume ein

Doch die guten Zeiten bei der Kreditvergabe könnten schon bald vorbei sein. „Die Mittelstandsfinanzierung hängt in der Zukunft sehr stark von den Neuerungen zur Berechnung der Eigenkapitalanforderungen ab“, erklärt Reinhard Schwaiger von der Freisinger Bank. Denn je mehr Eigenkapital die Banken vorhalten müssen, desto weniger Mittel haben sie zur Verfügung, um Kredite zu vergeben. Für den Mittelstand, der sich weitgehend über seine Hausbank finanziert, sind steigende Eigenkapitalanforderungen damit eine Gefahr. „Die regulatorischen Anforderungen engen die vorhandenen Spielräume mehr und mehr ein. Obwohl wir eine sehr gute Ertragslage haben, werden auch wir in einigen Jahren bei der Mittelstandsfinanzierung an unsere Grenzen stoßen“, sagt Schwaiger.

Denn der Baseler Ausschuss hat Ende 2017 die Finalisierung der Basel III-Regeln beschlossen. Während im ersten Teil des Reformpakets die Anforderungen an das Eigenkapital und die Liquidität verschärft wurden, überarbeiteten die Bankenaufseher im zweiten Teil des Pakets die Berechnungsmethoden für Kredit- und operationelle Risiken, die mit Eigenkapital unterlegt werden müssen. Ziel war es, die Risiken möglichst kleinteilig („granular“) zu identifizieren, um gezielt auf mögliche Fehlentwicklungen reagieren zu können.

Eigenkapitalbedarf soll um 5,5 Prozent steigen

Nun ist die EU-Kommission am Zug, einen Gesetzesvorschlag für die Umsetzung der finalisierten Basel III-Regeln in europäisches Recht vorzulegen. Im Mai 2018 hatte sie dazu bei der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) eine Studie angefordert, wie sich die vollständige Basel III-Umsetzung auf den Kapitalbedarf der Banken auswirken würde. Das Ergebnis liegt seit Anfang August vor und widerspricht den Versprechen der Bankenaufseher und der Politik, wonach sich der Eigenkapitalbedarf der Banken durch die finalen Basel III-Regeln nicht merklich erhöhen sollte. „Eine besondere Herausforderung bei der Fertigstellung von Basel III war die Vorgabe der Chefs der Notenbanken und Aufsichtsbehörden, dass die Kapitalanforderungen durch die Finalisierung von Basel III im Durchschnitt nicht signifikant ansteigen sollen“, hatte die Deutsche Bundesbank zur Fertigstellung von Basel III im Januar 2018 in ihrem Monatsbericht geschrieben.

Eine Fehleinschätzung, wie die EBA-Studie nun zeigt: Demnach müssten kleine Banken mit einer Bilanzsumme unter 5 Milliarden Euro laut der EBA-Studie im Durchschnitt mit einem Kapitalmehrbedarf von 5,5 Prozent rechnen. Die EBA orientiert bei der Definition der kleinen Banken an den „kleinen und nicht-komplexen Instituten“ in der EU-Eigenkapitalverordnung. Treiber des Kapitalmehrbedarfs sind die Änderungen am Kreditrisikostandardansatz, mit dem die Institute die Eigenkapitalunterlegung ihrer Kredite bestimmen. Hier sorgen vor allem die Neuregelungen zur Risikobewertung von Immobiliendarlehen für ein saftiges Kapitalplus. Dem stehen Erleichterungen durch neue Methoden zur Bestimmung operationeller Risiken (zum Beispiel ein Ausfall der IT, Naturkatastrophen oder Rechtsrisiken durch fehlerhafte Anlageberatung) gegenüber.

EBA will KMU-Faktor abschaffen

In ihrem Bericht an die EU-Kommission spricht sich die EBA für eine vollständige Umsetzung der Basel III-Vorgaben aus. Besonders schwer wiegt die Empfehlung der Behörde, den sogenannten KMU-Faktor abzuschaffen, da dieser nicht in Basel III vorgesehen sei und die neuen Regeln zudem ebenfalls ein begünstigtes Risikogewicht von 85 Prozent vorsehen. Der KMU-Faktor erlaubt es den Banken, Kredite an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bis 1,5 Millionen Euro mit etwa einem Viertel weniger Eigenkapital zu unterlegen als vergleichbare Kredite. Technisch gesehen wird das Risikogewicht um dem Faktor 0,7619 korrigiert. Analysen der Bundesbank haben ergeben, dass der KMU-Faktor unter Risikogesichtspunkten gerechtfertigt ist, da er die Besonderheit der Mittelstandsfinanzierung berücksichtigt und Mittelstandskredite besonders in Deutschland risikoarm sind. Der GVB spricht deshalb für den Erhalt des KMU-Faktors aus.

Für Reinhard Schwaiger von der Freisinger Bank eG Volksbank-Raiffeisenbank ist der KMU-Faktor ebenfalls ein wesentliches Element der Mittelstandsfinanzierung. „Die Erleichterung bei der Eigenmittelunterlegung wird für uns mit zunehmender Verknappung des freien regulatorischen Eigenkapitals immer bedeutender. Daher ist der KMU-Faktor richtig und wichtig und sollte unbedingt beibehalten werden. Tendenziell bräuchten wir sogar eine noch stärkere Erleichterung bei der Mittelstandsfinanzierung“, fordert der Vorstandsvorsitzende. Schon jetzt müsse bei der Kapitalplanung für die nächsten fünf Jahre mit sehr spitzem Bleistift gerechnet werden.

Auch bei der Raiffeisenbank Kissing-Mering wird die Eigenkapitalausstattung der Bank zunehmend zum begrenzenden Faktor bei risikorelevanten Entscheidungen, wie Vorstandsvorsitzender Peter Burnhauser sagt. „Verschärfte Vorgaben führen im Ergebnis zu erhöhten Eigenkapitalkosten.“ Über kurz oder lang führe das über die Vorkalkulation zu Konditionsaufschlägen bei Mittelstandskrediten. Deshalb setzt sich auch Burnhauser für den Erhalt des KMU-Faktors ein. „Er ist notwendig, damit das tendenziell risikoarme Kreditportfolio der Volksbanken und Raiffeisenbanken nicht mit unverhältnismäßig hohen Eigenkapitalvorgaben belastet wird. Denn die Mittelstandsfinanzierung ist ein tragender Pfeiler des genossenschaftlichen Geschäftsmodells und damit Garant für die nachhaltige Investitionstätigkeit unserer Firmen- und Gewerbekunden.“

„Weiches“ Granularitätskriterium soll bleiben

Damit zeichnet sich ab, dass auch das Bundesministerium der Finanzen eine wichtige Aussage zur Bankenregulierung eigentlich zurücknehmen müsste: „Durch die Umsetzung von Basel III sind keine gravierenden Belastungen der Versorgung der Unternehmen mit Bankkrediten zu erwarten“, heißt auf der Webseite des Ministeriums. Immerhin spricht sich die EBA explizit gegen eine Verschärfung („Härtung“) des sogenannten Granularitätskriteriums aus. Bisher können Banken Mittelstandskredite dem sogenannten Mengengeschäft zuordnen und mit weniger Eigenkapital unterlegen (Risikogewicht 75 statt 100 Prozent), wenn die Kreditsumme höchstens 1 Million Euro beträgt und das Risiko des gesamten Kreditportfolios ausreichend diversifiziert („granular“) ist.

Würde dieses sogenannte „Granularitätskriterium“ gehärtet, dürften Kredite nur noch dann dem Mengengeschäft zugeordnet werden, wenn ihr Volumen 0,2 Prozent des gesamten Mengengeschäfts nicht übersteigt. Aus Sicht der EBA würde ein hartes Granularitätskriterium Mittelstandskredite verteuern und kleine Banken übermäßig belasten, ohne die Risiken zu senken. Stattdessen will die EBA selbst einen Ansatz entwickeln, mit dem eine angemessene Diversifikation im Mengengeschäft sichergestellt werden kann. Auch der GVB hatte darauf hingewiesen, dass eine Härtung des Granularitätskriteriums der Mittelstandsfinanzierung schaden würde.

EU-Kommission will Betroffene befragen

Wie geht es jetzt weiter mit der Umsetzung des zweiten Teils der Basel III-Regeln in europäisches Recht und den Empfehlungen der EBA? „Im Einklang mit ihrer Agenda für eine bessere Rechtsetzung wird die Kommission eine eigene Folgenabschätzung der vorgeschlagenen Änderungen sowie ab Ende 2019 eine öffentliche Konsultation durchführen, um die Ansichten der verschiedenen Interessengruppen einzuholen“, erklärt ein Kommissionssprecher gegenüber „Profil“. Der GVB wird sich an dieser Anhörung beteiligen. Sobald die neue Kommission unter Ursula von der Leyen voraussichtlich am 1. November ihre Arbeit aufgenommen hat, wird sie die politischen Optionen abwägen und dann dem Rat und dem Parlament einen Gesetzentwurf unterbreiten.

Viel Zeit bleibt der nächsten Kommission nicht. Bis zum 1. Januar 2022 sollen die zentralen Regeln vollständig angewendet werden. Die Erwartungshaltung der Bankenaufseher ist klar: „Wichtig ist, dass alle Mitgliedsländer im Baseler Ausschuss die beschlossenen Regeln auch konsequent umsetzen. Basel III sollte deshalb vollständig und so schnell wie möglich in europäisches Recht umgesetzt werden“, heißt es bei der Bundesbank. Auch der Kommissionssprecher macht die Haltung seiner Behörde gegenüber „Profil“ nochmal deutlich: „Um weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Banken zu gewährleisten, ist es unerlässlich, dass alle wichtigen rechtsprechenden Gewalten alle Schlüsselelemente des Basler Abkommens umsetzen.“

Beschlüsse mit Augenmaß umsetzen

Der Europaabgeordnete Markus Ferber kennt alle Feinheiten der Bankenregulierung. Als Sprecher des Parlamentskreises Mittelstand und Koordinator der EVP-Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments setzt er sich für eine mittelstandsfreundliche Bankenregulierung ein. Eine Abschaffung des KMU-Faktors lehnt er ab. „Dank der Granularität der KMU-Kredite gehen keine zusätzlichen Risiken durch die Beibehaltung der jetzt beschlossenen Werte aus“, sagt Ferber. Bei der Umsetzung der jüngsten Baseler Beschlüsse gehe es jetzt darum, mit Augenmaß die europäischen Vorgaben anzupassen. „Eine zu strenge Umsetzung schwächt den europäischen Kapitalmarkt zu Lasten von Unternehmen.“

Angesichts der Aussagen der Kommission und der Bankenaufseher wird Ferber im Europäischen Parlament wohl wieder viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, damit die Mittelstandsfinanzierung durch immer strengere Eigenkapitalvorschriften für die Banken nicht immer mehr unter die Räder gerät. Aber das ist Ferber schon gewohnt. Das war bei der Umsetzung des ersten Basel III-Pakets in EU-Recht auch nicht anders.

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