Wachstumsfeld: Die Finanzierung der Energiewende ist ein stark wachsender Markt, aber das Potenzial wird von vielen Banken noch nicht ausgeschöpft. Wie lässt es sich heben?
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Herr Fabeck, Sie haben sich als Prüfer des Genossenschaftsverbands Bayern auf Erneuerbare Energien spezialisiert. Worauf sollten die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken bei der Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Projekten aus Sicht der GVB-Prüfung achten?
Dominik Fabeck: Das A und O bei solchen Finanzierungen ist das Expertenwissen im Haus. Dabei sollten sowohl im Markt als auch in der Marktfolge Leute sitzen, die sich fachlich auf den Themenbereich Erneuerbare Energien spezialisiert haben. Die handelnden Personen sollten den Umgang mit Projektfinanzierungen sicher beherrschen, denn diese unterscheiden sich grundsätzlich von Unternehmensfinanzierungen. Während in der Unternehmensfinanzierung die Bonität und das Geschäftsmodell des Kunden bewertet werden, müssen die Kreditgenossenschaften in der Projektfinanzierung rein die Erneuerbare-Energien-Anlagen auf Basis von Planzahlen und Gutachten beurteilen. Hierbei müssen ganz andere Risiken aufgedeckt und gemanagt werden. Dazu gehören technische Risiken, Herstellerrisiken oder Lieferrisiken, um nur einige Beispiele zu nennen. Damit ist es aus Sicht des GVB für die Banken unerlässlich, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Know-how im Bereich Erneuerbare Energien aufzubauen. Sowohl die Akademie Bayerischer Genossenschaften als auch die Akademie Deutscher Genossenschaften bieten dazu Seminare an. Auch das Schulungsangebot der DZ Bank ist sehr gut (siehe Kasten, Anmerkung der Redaktion).
Energiewende finanzieren: Unterstützungsangebote des GVB, der DZ Bank und der genossenschaftlichen Akademien
Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken können zum Thema „Energiewende finanzieren“ auf vielfältige Unterstützungsleistungen zurückgreifen.
- Zentrale Anlaufstelle des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) ist die Themenseite „Energiewende“ im GVB-Mitgliederportal. Dort finden die Institute aktuelle Nachrichten zum Thema, Unterstützungsleistungen des Verbands und Ansprechpartner.
- Die Akademie Bayerischer Genossenschaften (ABG) bietet verschiedene Seminare und Webinare zur Finanzierung Erneuerbarer Energien an. Jederzeit abgerufen werden können die Aufzeichnungen von zwei Webinaren zur Finanzierung von Photovoltaik-Projekten und zur Finanzierung von Wärmenetzen. Ansprechpartner bei der ABG ist Bernd Orthmann, bernd.orthmann(at)abg-bayern.de.
- Die Akademie Deutscher Genossenschaften (ADG) bietet unter anderem Qualifizierungen zum bzw. zur „Zertifizierten Erneuerbare-Energien-Produktspezialist/-in“ an.
- Die DZ Bank bietet in der Reihe „Projektfinanzierung Erneuerbare Energien“ verschiedene Informationsveranstaltungen an. Alle Termine und Informationen hat die DZ Bank auf einer Überblicksseite gebündelt. Die Reihe „Basiswissen“ ist gedacht für Interessenten, die bisher keinen oder wenig Kontakt zum Thema hatten. Die Reihe „Expertenwissen“ richtet sich an Personen mit mehrjähriger Berufserfahrung im Bereich Projektfinanzierung Erneuerbare Energien. Die Termine sind für Teilnehmerinnen und Teilnehmer von VR-Banken kostenfrei. Sie finden jeweils von 9.30 bis 11 Uhr online via MS Teams statt.
Wie sind die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken bei der Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Projekten aufgestellt?
Fabeck: Hier muss man grundsätzlich unterscheiden. Im Photovoltaik-Bereich gibt es sehr viele Genossenschaftsbanken, die während der Boomjahre ab etwa 2005 kontinuierlich Erfahrungen gesammelt haben und auch nach der Reduzierung der EEG-Vergütung am Markt geblieben sind. Hier kann man sagen, dass eine Abwicklung dieser Projekte routiniert abläuft. Es gibt aber auch viele andere Volks- und Raiffeisenbanken im sonnenreichen Bayern, die das Projektfinanzierungsgeschäft im Photovoltaik-Bereich gut beherrschen. Im Bereich Wind sind die Kreditgenossenschaften noch nicht so gut unterwegs, da es auch für Projektierer in der Vergangenheit unattraktiv war, in Windkraftanlagen in Bayern zu investieren. Hier hat der GVB bereits Brücken zum Genossenschaftsverband Weser-Ems geschlagen. Wir versuchen hier, an das umfangreiche Know-how des Schwesterverbands anzudocken und die bayerischen VR-Banken auch im Bereich Wind so gut es geht zu unterstützen.
„Am Ende des Tages müssen die Banken ein Projekt individuell strukturieren und die Risiken aus der Anlage bewerten und beurteilen.“
Wie unterstützt der GVB die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken bei der Risikobewertung von Erneuerbare-Energien-Projekten?
Fabeck: Ein Grundgerüst zur Risikobewertung von Erneuerbare-Energien-Projekten haben die Regionalverbände unter Mitwirkung des GVB bereits geschaffen. Die Leitplanken zur Finanzierung von Erneuerbaren Energien geben den Banken einen groben Rahmen zur Abwicklung vor. Bisher liegen die Module zu Photovoltaik, Wind und Nahwärme vor (zu den Leitplanken siehe auch den Beitrag in dieser Ausgabe, Anmerkung der Redaktion). Wie gesagt, es handelt sich um Leitplanken. Am Ende des Tages müssen die Banken ein Projekt individuell strukturieren und die Risiken aus der Anlage bewerten und beurteilen. Es geht immer um folgendes: Kann ich das Risiko greifbar machen? Kann ich das Risiko bewerten? Kann ich es über andere Wege abschirmen? Will ich das Risiko in die Bücher nehmen? Wenn ja, welche Gründe gibt es hierfür? Grundsätzlich will keiner der Projektbeteiligten, dass ein Risiko entsteht. Daher sollten die Banken die Risiken bereits im Voraus sehr gut durchleuchten und verschiedene Szenarien durchspielen und kalkulieren.
„Projektierer erwarten auf der Bankseite Ansprechpartner auf Augenhöhe, die eine Finanzierung professionell abwickeln können.“
Was sind aus Sicht des GVB die größten Hürden bei Projektfinanzierungen von Erneuerbaren Energien?
Fabeck: Die größte Herausforderung ist fehlendes Expertenwissen bei der Bank in diesem Bereich. Auch beim Marktzugang ist dies die größte Hürde. Projektierer erwarten auf der Bankseite Ansprechpartner auf Augenhöhe, die eine Finanzierung professionell abwickeln können. Hierbei treten sie in aller Regel sehr selbstbewusst auf. Es braucht viel Know-how, um den Forderungen der Projektierer entgegentreten zu können und den Deal zu gewinnen. Deshalb ist es aus Sicht des GVB absolut sinnvoll, hier Stück für Stück Wissen aufzubauen. Um erste Projekte zu finanzieren, bietet es sich zudem an, eine Konsortialfinanzierung mit einer erfahrenen Bank oder der DZ Bank anzustreben. „Begleitetes Fahren“ ist nach Ansicht des Verbands ein probates Mittel, um die ersten Meter im Projektfinanzierungsgeschäft gemeinsam zurückzulegen.
„Eine Eigenkapitalkomponente des Projektierers ist aus Sicht des GVB unerlässlich, um ihn entsprechend am Risiko des Projekts zu beteiligen.“
Welche Möglichkeiten gibt es, Erneuerbare-Energien-Finanzierungen möglichst „eigenkapitalschonend“ umzusetzen?
Fabeck: Hierbei stellt sich die Frage, für wen? Ein Projektierer möchte immer eine Vollfinanzierung von der Bank haben, weil das für ihn die beste Lösung wäre. Er geht bei einer EEG-Finanzierung immer von einem risikolosen Investment aus, was aber nicht ganz stimmt. Eine Eigenkapitalkomponente des Projektierers ist daher aus unserer Sicht unerlässlich, um ihn entsprechend an dem Risiko des Projekts zu beteiligen, gerade im Hinblick auf das gestiegene Zinsniveau. Für das Eigenkapital der Bank stellt der Sicherheitenwert der Erneuerbare-Energien-Anlage den größten Hebel dar. Sofern eine Haftungsfreistellung möglich ist, wäre dies auch wünschenswert, um einen effizienten Eigenmitteleinsatz sicherzustellen. In Summe ist ein Eigenkapitaleinsatz des Projektierers gepaart mit einem realistischen Sicherheitenwert die beste Möglichkeit für die VR-Banken, das eigene Eigenkapital zu schonen.
Viele Kreditgenossenschaften stören sich daran, dass Wärmenetze als Sicherheit keinen Wert haben. Entsprechend mehr Eigenkapital müssen sie für solche Finanzierungen vorhalten. Wie bewerten Sie diese Kritik?
Fabeck: Bisher können die Volksbanken und Raiffeisenbanken Sicherheiten bei Erneuerbare-Energien-Anlagen nur sehr beschränkt ansetzen. Die Konkurrenz ist da nicht so wählerisch und nimmt uns viele Finanzierungen ab. Hier müssen die Verbände handeln. Und das machen sie auch. Es gibt ein Projekt mit dem Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband, das sich mit dem Thema Sicherheitenbewertung bei Wärmenetzen beschäftigt. Ich hoffe, dass wir dieses Jahr noch eine Lösung präsentieren können. Auch die Einführung eines Limitsystems mit Orientierungsgrößen ist auf dem Weg. Mit diesen beiden Lösungsansätzen können wir hoffentlich den Schmerz bei den Banken lindern und den Abstand zu den Marktteilnehmern verringern.
Herr Fabeck, vielen Dank für das Gespräch!