Qualität: Die fränkischen Winzergenossenschaften behaupten sich mit hochwertigen Weinen am Markt. Doch Klimawandel, Lieferengpässe und Strukturwandel erfordern neue Strategien.
Eine junge Frau mit orangem Polo-Shirt schenkt ein Viertel Silvaner ins Weinglas. Bratwürste dampfen auf dem Rost. Die Winzerkapelle Rödelsee spielt „Wenn der Wein blüht, ist es schön hier in Franken“. Vor der Bühne schunkeln 23 Weinprinzessinnen und zwei Weinprinzen. Rot-weiße Fahnen schmücken den Marktplatz. Scheinwerfer strahlen das Rathaus und die Fachwerkhäuser an.
Willkommen auf dem 76. Winzerfest in Iphofen. Das von der Genossenschaft Weinfreunde Iphofen eG ausgerichtete Fest findet immer am zweiten Juli-Wochenende statt und ist ein Höhepunkt des Veranstaltungskalenders im Fränkischen Weinland. An den vier Tagen von Freitag bis Montag strömen mehr als 10.000 Besucher aus nah und fern in die kleine Stadt, die rund 30 Kilometer südöstlich von Würzburg liegt. Sie möchten verschiedene Weine probieren, die Live-Musik hören und gemeinsam mit ihren Freunden und Familien eine gute Zeit haben.
Fortführung stand auf Messers Schneide
Wie kommt eine Genossenschaft dazu, das Winzerfest in Iphofen zu organisieren? 2015 stand die Fortführung der traditionellen Veranstaltung auf Messers Schneide. Die Winzerfestgemeinschaft hatte sich aus den Planungen zurückgezogen, da die vorwiegend älteren Mitglieder die Organisation nicht mehr stemmen wollten. In das Vakuum traten engagierte Menschen aus Iphofen. Gemeinsam mit den Winzern und Vereinen hoben sie die Weinfreunde Iphofen eG aus der Taufe. Das war die Rettung, wie Bürgermeister Dieter Lenzer betont: „Die Gründung der Genossenschaft war der Schlüssel, um unser Winzerfest auf neuer Basis in die Zukunft zu führen.“ Lenzer engagiert sich ehrenamtlich im Aufsichtsrat des Unternehmens.
Winzer präsentieren ihre Produkte in „Weinwürfeln“
Die Genossenschaft hat das Winzerfest aber nicht nur gerettet, sondern neue Akzente gesetzt. Beispielsweise, indem sie fünf „Weinwürfel“ angeschafft hat. Die Holzbauten stehen verteilt auf dem Marktplatz. Dort präsentieren die Winzer persönlich ihre Produkte und kommen mit den Menschen ins direkte Gespräch. Da die Weinwürfel an drei Seiten geöffnet sind, können mehrere Gäste gleichzeitig bedient werden. Zudem hat die Genossenschaft abseits des Trubels im nahen Schulhof einen Loungebereich eingerichtet. Dort läuft abends House-Musik.
An der Genossenschaft sind mehr als 100 Mitglieder beteiligt
Aktuell hat die Genossenschaft mehr als 100 Mitglieder. Besonders umtriebig sind die drei Vorstände um die Vorsitzende Anabelle Grün. Sie steht dem Unternehmen seit 2019 vor. „Ich engagiere mich vor allem aus zwei Gründen bei der Weinfreunde Iphofen eG. Erstens, weil ich das seit 2016 fortwährend moderne Konzept des Winzerfests sowie den Gemeinschaftsgedanken super finde und zum Erfolg beitragen möchte. Zweitens, weil ich als Zugezogene vorher nicht so viele Kontakte in der Stadt hatte und es eine gute Möglichkeit für mich war und ist, ein Netzwerk außerhalb des Freundeskreises mit den Winzern, Vereinen und privaten Genossenschaftsmitgliedern aufzubauen“, erzählt die gebürtige Augsburgerin. Der Vorstand arbeitet ehrenamtlich und ohne Aufwandsentschädigung. Jeweils im Herbst starten die Planungen für das Fest im folgenden Jahr, der Großteil der Arbeit fällt erwartungsgemäß in den Wochen vor der Veranstaltung an.
Neben den drei Vorständen gibt es viele weitere Menschen, die sich im Organisationsteam der Genossenschaft einbringen und so dafür sorgen, dass das Weinfest überhaupt stattfinden kann. Bei der Feier selbst sind 350 ehrenamtliche Helfer vor Ort. Auf dem Gelände gibt es viel zu tun, zum Beispiel müssen die Bierbänke, Tische und Weinwürfel aufgebaut sowie dekoriert und nach der Veranstaltung wieder abgebaut werden. „Der Weg zum Fest ist steinig. Aber wenn alles steht und man über den vollen Marktplatz läuft, ist das ein riesiges Erfolgserlebnis. Es ist klasse, wie viele Leute sich engagieren und was wir gemeinsam Jahr für Jahr auf die Beine stellen“, betont Grün.
Corona-Pandemie gut überwunden
Selbst die Corona-Pandemie hat die Genossenschaft gut überwunden. 2020 fiel das Winzerfest aus, 2021 gab es als Alternative das „Iphöfer WeinWandern“. Die Veranstaltung sorgte für etwas Umsatz. Auch die Stadt gab einen Zuschuss. In den Jahren 2022 und 2023 konnte das Winzerfest wieder stattfinden – mit überwältigendem Erfolg. „Rein aus betriebswirtschaftlicher Sicht waren das unsere bisher erfolgreichsten Jahre“, sagt die Vorstandsvorsitzende. Der Gewinn fließt in die Rücklagen und in Investitionen. Heuer wird beispielsweise technisches Equipment wie Kühltruhen gekauft. Für die Mitglieder gibt es keine Dividende, aber ein kostenfreies Essen auf der Generalversammlung. Zudem unterstützt die Genossenschaft diejenigen Vereine, die sich bei der Durchführung engagieren, mit einer finanziellen Zuwendung.
Die Rechtsform Genossenschaft mag nicht alltäglich für die Organisation eines großen Winzerfests sein. In Iphofen hat sie sich bewährt, wie Anabelle Grün erzählt. „Wir können erstens die Arbeit auf mehrere Schultern verteilen, zweitens die Menschen verbindlicher und direkter beteiligen sowie drittens Haftungsfragen rechtssicher regeln“, sagt sie. Ihr Fazit zum diesjährigen Weinfest: „Die Atmosphäre war bestens, auch der kurzzeitige Regen an drei der vier Abende hat der Stimmung keinen Abbruch getan. Von den Gästen und Winzern haben wir sehr gute Rückmeldungen bekommen. Die Umsatzzahlen stimmen, zudem hat alles reibungslos funktioniert. Insofern sind wir sehr zufrieden und freuen uns schon auf das Winzerfest 2025.“
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